Entscheidungsstichwort (Thema)
Beweislastverteilung zwischen Vermieter und Mieter bei Störung des vertragsmäßigen Gebrauchs der Mietsache. Wasserschaden
Leitsatz (amtlich)
Der Mieter ist nicht nach § 542 BGB a.F. zur außerordentlichen fristlosen Kündigung berechtigt, wenn er die Störung des vertragsgemäßen Gebrauchs (hier durch einen Wasserschaden) selbst zu vertreten hat. Ist die Schadensursache zwischen den Vertragsparteien streitig, trägt der Vermieter die Beweislast dafür, dass sie dem Obhutsbereich des Mieters entstammt. Sind sämtliche Ursachen, die in den Obhuts- und Verantwortungsbereich des Vermieters fallen, ausgeräumt, trägt der Mieter die Beweislast dafür, dass er den Schadenseintritt nicht zu vertreten hat.
Normenkette
BGB §§ 536, 537 Abs. 1, § 542 a.F., § 548
Verfahrensgang
OLG Naumburg (Urteil vom 06.02.2001; Aktenzeichen 9 U 90/00) |
LG Dessau |
Tenor
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 9. Zivilsenats des OLG Naumburg v. 6.2.2001 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das OLG zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien streiten um rückständigen Mietzins für die Zeit von Juni bis Juli 1997 sowie von November 1997 bis Dezember 1999 und um die Feststellung, dass ihr Mietverhältnis nicht durch eine fristlose Kündigung der Beklagten vorzeitig beendet wurde.
Mit Vertrag v. 6.11.1993 mietete die Beklagte von den Klägern Gewerberäume zum Betrieb einer Arztpraxis für die Dauer von zehn Jahren. Nachdem schon im Jahre 1995 ein Wasserschaden aufgetreten war, kam es am 6.7.1997 zu einem erneuten Wasserschaden in den Mieträumen der Beklagten und anderen Räumen des Gewerbeobjekts. Dadurch entstanden in den Mieträumen erhebliche optische Beeinträchtigungen sowie Schimmelbildungen mit unangenehmem Geruch.
Die Parteien streiten um die Ursache des Wasserschadens. Während die Beklagte behauptet, das Wasser sei von außen in ihre Mieträume eingedrungen, behaupten die Kläger, als Schadensursache komme nur ein Wasseraustritt in den Mieträumen der Beklagten in Betracht. Die Beklagte hat die Miete für die Zeit ab dem Schadensereignis gemindert und das Mietverhältnis nach erfolgloser Fristsetzung zur Mangelbeseitigung fristlos zum 31.10.1997 gekündigt sowie die Mietsache geräumt. Das LG hat die auf rückständigen Mietzins und Feststellung des Fortbestehens des Mietverhältnisses gerichtete Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung der Kläger blieb erfolglos.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Kläger führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das OLG meint, den Klägern stehe kein Anspruch auf rückständigen Mietzins für die Zeit von Juni bis Juli 1997 sowie ab November 1997 zu. Auch ihr Antrag auf Feststellung des weiter fortbestehenden Mietverhältnisses sei wegen der wirksamen fristlosen Kündigung der Beklagten zum 31.10.1997 unbegründet. Nach dem Inhalt des eingeholten Sachverständigengutachtens lasse sich nicht feststellen, dass die Schadensursache im Bereich der von der Beklagten gemieteten Räumlichkeiten gelegen habe. Vielmehr habe der Sachverständige ausgeführt, dass die Ursache der Durchfeuchtungen nicht mehr nachvollziehbar sei. Zwar habe der Sachverständige einen Wasseraustritt am Rohrleitungsschacht nicht bestätigen können. Allerdings seien weitere Schadensursachen außerhalb der Mieträume der Beklagten denkbar, insb. Schäden an den am Schadenstag nicht untersuchten Leitungen sowie Wasserüberläufe in den Räumen anderer Mieter. Einer weiteren Beweiserhebung bedürfe es nicht, weil sich die Beweisaufnahme des LG durch Einholung eines Sachverständigengutachtens auf jegliche Ursachen des Wasserschadens bezogen habe.
II.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hätte ergänzend den von den Klägern angebotenen weiteren Beweis zu den Behauptungen erheben müssen, die Schadensursache könne nur dem Verantwortungsbereich der Mieterin entstammen.
1. Allerdings trägt der Mieter ggü. dem Anspruch auf Zahlung des Mietzinses nur dann die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er die Zerstörung der Mietsache nicht zu vertreten hat, wenn die vermieteten Räume unstreitig infolge des Mietgebrauchs zerstört worden sind (BGHZ 66, 349 [351 f.]). Ist hingegen streitig, ob vermietete Räume infolge des Mietgebrauchs beschädigt worden sind, trägt der Vermieter die Beweislast dafür, dass die Schadensursache dem Obhutsbereich des Mieters entstammt; eine in seinen eigenen Verantwortungsbereich fallende Schadensursache muss der Vermieter ausräumen (BGH v. 18.5.1994 - XII ZR 188/92, BGHZ 126, 124 [127 f.] = MDR 1994, 911 = NJW 1994, 2019 [2020]). Ist also - wie hier - streitig, ob Feuchtigkeitsschäden ihre Ursache im Verantwortungsbereich des Vermieters oder des Mieters haben, muss der Vermieter zunächst sämtliche Ursachen ausräumen, die aus seinem Gefahrenbereich herrühren können. Erst dann, wenn ihm dieser Beweis gelungen ist, muss der Mieter beweisen, dass die Feuchtigkeitsschäden nicht aus seinem Verantwortungsbereich stammen (BGH, Urt. v. 26.11.1997 - XII ZR 28/96, MDR 1998, 207 = NJW 1998, 595; v. 18.5.1994 - XII ZR 188/92, BGHZ 126, 124 [127 f.] = MDR 1994, 911 = NJW 1994, 2019 [2020]; v. 27.4.1994 - XII ZR 16/93, MDR 1994, 684 = NJW 1994, 1880 [1881]).
2. Im Ansatz zutreffend ist das Berufungsgericht zunächst davon ausgegangen, dass die Kläger als Vermieter zunächst sämtliche Schadensursachen aus ihrem Gefahrenbereich ausschließen müssen. Zu Recht hat es insoweit auch das Ergebnis des gerichtlichen Sachverständigengutachtens für unergiebig beurteilt, weil die Ursache der Durchfeuchtungen im Zeitpunkt der Besichtigung durch den Sachverständigen nicht mehr nachvollziehbar war.
Das Berufungsgericht hat es aber versäumt, die von den Klägern für den Ausschluss einer Schadensursache aus ihrem Gefahrenbereich angebotenen weiteren Beweise zu erheben. Insbesondere haben die Kläger vorgetragen, dass noch am Schadenstag selbst alle Leitungen im Haus durch die fachkundigen Zeugen S., K. und O. untersucht worden seien, wobei keine Schadensursache festgestellt wurde. Wäre dieser Vortrag bewiesen, stünde jedenfalls fest, dass der Wasserschaden nicht auf einen Wasserrohrbruch zurückzuführen war. Zusätzlich haben die Kläger auch eine weitere in ihrem Verantwortungsbereich liegende Schadensursache, nämlich Wasseraustritte bei anderen Mietern im Haus, ebenfalls unter Beweisantritt geleugnet. Dem steht nicht der unstreitige Sachverhalt des angefochtenen Urteils entgegen, wonach es auch in anderen Räumen des Gewerbeobjekts zu Wasserschäden gekommen ist. Denn nach dem Vortrag der Kläger ist das Wasser aus den Mieträumen der Beklagten ausgetreten und hat dadurch die anderen Räume in Mitleidenschaft gezogen. Weiter hatten die Kläger ihre Behauptung, zwischen dem Schadensereignis und der späteren Untersuchung am 30.9.1997 seien keinerlei Installationen oder Reparaturen durchgeführt worden, in das Zeugnis des Hausverwalters gestellt. Auch dieses könnte einer Schadensursache aus dem Verantwortungsbereich des Vermieters entgegenstehen. Letztlich haben die Kläger ebenfalls unter Beweisantritt behauptet, dass alle Abwasserstränge, die mit der Praxis der Beklagten in Berührung kommen, am 30.9.1997 eingehend überprüft wurden und weder daran, noch an der Trockenbauwand, in der sich die Klappe des Revisionsschachts befinde, Wasseraustrittsspuren feststellbar gewesen seien. Diese Behauptung ist gerade deswegen von besonderer Bedeutung, weil die Beklagte ebenfalls unter Beweisantritt behauptet hatte, das Wasser sei über die Klappe des Revisionsschachts in ihre Mieträume eingedrungen.
Nach den von den Klägern unter Beweis gestellten Behauptungen wäre jede denkbare Schadensursache aus dem Verantwortungsbereich der Vermieter ausgeschlossen. Wären diese Beweise erbracht, stünde fest, dass die Schadensursache dem Obhutsbereich der Beklagten als Mieterin entstammt. Dann würde nach der Rechtsprechung des Senats ihr der Beweis obliegen, dass die Feuchtigkeitsschäden nicht aus ihrem Verantwortungsbereich stammen. Nach dem Inhalt des angefochtenen Urteils ist dieser Beweis bislang ebenfalls noch nicht erbracht. Insbesondere folgt dies auch nicht aus dem Inhalt des vorliegenden Sachverständigengutachtens, weil der gerichtliche Sachverständige wegen des erheblichen Zeitablaufs keine konkrete Schadensursache mehr feststellen konnte.
Deswegen ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache an das OLG zurückzuverweisen. Das Berufungsgericht wird auf der Grundlage der gefestigten Rechtsprechung zur Darlegungs- und Beweislast die weiteren angebotenen Beweise erheben müssen.
Fundstellen
Haufe-Index 1276704 |
DB 2005, 444 |
NWB 2005, 397 |
BGHR 2005, 282 |
DWW 2005, 19 |
NJW-RR 2005, 235 |
NZM 2005, 17 |
ZAP 2005, 215 |
ZMR 2005, 120 |
ZfIR 2005, 329 |
MDR 2005, 325 |
NJ 2005, 126 |
WuM 2005, 54 |
GuT 2005, 19 |
Info M 2005, 198 |
MietRB 2005, 95 |
ZGS 2005, 5 |
BBB 2005, 54 |
DS 2006, 113 |
IWR 2005, 64 |
JWO-MietR 2004, 409 |
MK 2005, 21 |