Leitsatz (amtlich)
Einer Partei ist in der Regel eine Erledigungsfrist von einer Woche zur Einzahlung des angeforderten Gerichtskostenvorschusses zuzugestehen (Anschluss an BGH, Urt. v. 29.9.2017 - V ZR 103/16, NJW-RR 2018, 461 Rz. 9; v. 20.4.2018 - V ZR 202/16 NJW-RR 2018, 970 Rz. 36).
Normenkette
ZPO § 167
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 18. Zivilsenats des OLG Köln vom 5.7.2018 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Der Kläger und S. sind zu gleichen Anteilen Gesellschafter der beklagten GmbH. Am 4.1.2017 beschloss die Gesellschafterversammlung durch S. die Zwangsabtretung des Geschäftsanteils des Klägers an ihn gem. § 10 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a des Gesellschaftsvertrags, wonach die übrigen Gesellschafter anstelle der Einziehung des Geschäftsanteils aus wichtigem Grund dessen Abtretung an einen anderen Gesellschafter verlangen können.
Rz. 2
Der Gesellschaftsvertrag sieht in § 7 Abs. 5 vor, dass die "Unwirksamkeit oder Anfechtbarkeit von Gesellschafterbeschlüssen ... nur innerhalb von sechs Wochen geltend gemacht werden" kann. Der Kläger hat am 15.2.2017 beim LG Nichtigkeitsfeststellungs- und Anfechtungsklage eingereicht.
Rz. 3
Eine erste Kostenrechnung, die der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle aufgrund der Streitwertangabe in der Klageschrift (100.000 EUR) erstellte, hat der Kläger binnen einer Woche bezahlt. Auf eine zweite, an den Prozessbevollmächtigten des Klägers adressierte Kostenrechnung vom 14.3.2017, die auf richterlicher Festsetzung des vorläufigen Streitwerts auf 500.000 EUR beruhte, hat der Kläger den Kostenvorschuss am 11.4.2017 bei Gericht eingezahlt. Daraufhin ist die Klage zugestellt worden.
Rz. 4
Das LG hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten führte zur Abweisung der Klage. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 5
Die Revision hat Erfolg und führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Rz. 6
I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Klage sei wegen Verstreichens der in § 7 Abs. 5 des Gesellschaftsvertrags vorgesehenen sechswöchigen Klagefrist unbegründet. Sie sei mangels rechtzeitiger Begleichung der Kostenrechnung vom 14.3.2017 nicht demnächst i.S.v. § 167 ZPO zugestellt worden. Bei der Berechnung der noch hinnehmbaren Zustellungsverzögerung von 14 Tagen könne zwar nicht auf die Zeitspanne zwischen Zahlungsaufforderung und Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses abgestellt werden. Der Zeitraum der vom Kläger zu verantwortenden Verzögerung habe vielmehr am 21.3.2017 begonnen, da ihm insgesamt eine Woche für die Übermittlung der Rechnung durch seinen Prozessbevollmächtigten und die Bezahlung der Kosten zuzubilligen sei. Bis zum Kostenausgleich am 11.4.2017 seien allerdings nahezu drei Wochen verstrichen und damit deutlich mehr als die dem Kläger zuzubilligenden zwei Wochen.
Rz. 7
II. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Die Klageschrift ist am 15.2.2017 und damit vor Ablauf der in § 7 Abs. 5 des Gesellschaftsvertrags bestimmten Frist beim LG eingereicht worden. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist für die Frage der Fristwahrung auf den Eingang der Klage abzustellen, weil sie der Beklagten demnächst i.S.v. § 167 ZPO zugestellt worden ist.
Rz. 8
1. Eine Zustellung "demnächst" nach Eingang des Antrags oder der Erklärung bedeutet eine Zustellung innerhalb einer nach den Umständen angemessenen, selbst längeren Frist, wenn die Partei oder ihr Prozessbevollmächtigter unter Berücksichtigung der Gesamtsituation alles Zumutbare für die alsbaldige Zustellung getan hat. Die Zustellung ist dagegen nicht mehr "demnächst" erfolgt, wenn die Partei, der die Fristwahrung obliegt, oder ihr Prozessbevollmächtigter durch nachlässiges - auch leicht fahrlässiges - Verhalten zu einer nicht bloß geringfügigen Zustellungsverzögerung beigetragen hat. Hat der Veranlasser die Zustellung nicht vorwerfbar verzögert oder fällt ihm nur eine geringfügige Verzögerung zur Last, überwiegen regelmäßig seine Interessen gegenüber den Belangen des Zustellungsadressaten (BGH, Urt. v. 10.2.2011 - VII ZR 185/07 NJW 2011, 1227 Rz. 8; Urt. v. 10.7.2015 - V ZR 154/14 ZIP 2015, 1898 Rz. 5; Urt. v. 3.9.2015 - III ZR 66/14 ZIP 2015, 2501 Rz. 15; Urt. v. 12.1.2016 - II ZR 280/14, juris Rz. 12). Bei der Bemessung einer Verzögerung ist auf die Zeitspanne abzustellen, um die sich der ohnehin erforderliche Zeitraum für die Zustellung der Klage als Folge der Nachlässigkeit des Klägers verzögert (BGH, Urt. v. 10.2.2011 - VII ZR 185/07 NJW 2011, 1227 Rz. 8; Urt. v. 10.7.2015 - V ZR 154/14 ZIP 2015, 1898 Rz. 6; Urt. v. 3.9.2015 - III ZR 66/14 ZIP 2015, 2501 Rz. 19; Urt. v. 25.10.2016 - ZIP 2017, 281 Rz. 24; Urt. v. 29.9.2017 - V ZR 103/16, NJW-RR 2018, 461 Rz. 9; Urt. v. 20.4.2018 - V ZR 202/16 NJW-RR 2018, 970 Rz. 36). Dem Zustellungsveranlasser zuzurechnende Verzögerungen von bis zu 14 Tagen gelten regelmäßig als geringfügig und sind deshalb hinzunehmen (BGH, Urt. v. 25.11.1985 - II ZR 236/84, NJW 1986, 1347, 1348; Urt. v. 3.9.2015 - III ZR 66/14 ZIP 2015, 2501 Rz. 15; Urt. v. 10.7.2015 - V ZR 154/14 ZIP 2015, 1898 Rz. 5; Urt. v. 25.10.2016 - ZIP 2017, 281 Rz. 24; Urt. v. 20.4.2018 - V ZR 202/16 NJW-RR 2018, 970 Rz. 36).
Rz. 9
2. Der Kläger hat die Zustellung nur geringfügig verzögert. Die ihm zuzurechnenden Verzögerungen belaufen sich auf nicht mehr als 14 Tage.
Rz. 10
a) Das Berufungsgericht ist im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger zunächst die nach richterlicher Festsetzung des vorläufigen Streitwerts erstellte Gerichtskostenrechnung vom 14.3.2017 abwarten durfte (vgl. etwa BGH, Urt. v. 12.1.2016 - II ZR 280/14, juris Rz. 12; Urt. v. 25.10.2016 - ZIP 2017, 281 Rz. 25). Nachdem die Kostenrechnung am 16.3.2017, einem Donnerstag, bei dem Prozessbevollmächtigten des Klägers einging, musste dieser sie prüfen und an den Kläger weiterleiten. Der dafür erforderliche Zeitraum ist im Allgemeinen mit drei Werktagen zu veranschlagen unter Ausklammerung des Eingangstages und von Wochenendtagen (vgl. BGH, Beschl. v. 10.7.2015 - V ZR 154/14 NJW 2015, 2666 Rz. 8). Er führt nicht zu einer der Partei zuzurechnenden Verzögerung, sondern zählt zum normalen Ablauf (BGH, Urt. v. 29.9.2017 - V ZR 103/16, NJW-RR 2018, 461 Rz. 14 f.). Die Prüfungs- und Weiterleitungsfrist begann mithin am 17.3.2017 und endete mit Ablauf des 21.3.2017.
Rz. 11
b) Dem Kläger war darüber hinaus eine ausreichende Frist zur Bereitstellung und Einzahlung des Kostenvorschusses zuzubilligen (vgl. BGH, Urt. v. 3.9.2015 - III ZR 66/14 ZIP 2015, 2501 Rz. 19; Urt. v. 25.10.2016 - ZIP 2017, 281 Rz. 25; vgl. auch Urt. v. 10.2.2011 - VII ZR 185/07 NJW 2011, 1227 Rz. 9). Auch von einer auf die Wahrung ihrer prozessualen Obliegenheit bedachten Partei kann insb. nicht verlangt werden, an Wochenend- und Feiertagen für die Einzahlung des Kostenvorschusses zu sorgen (BGH, Urt. v. 10.7.2015 - V ZR 154/15, ZIP 2015, 1898 Rz. 9; Urt. v. 3.9.2015 - III ZR 66/14 ZIP 2015, 2501 Rz. 19; Urt. v. 25.10.2016 - ZIP 2017, 281 Rz. 25). Der Partei ist deshalb nach der neueren Rechtsprechung des BGH zur Bewirkung der Einzahlung in der Regel eine Erledigungsfrist von einer Woche zuzugestehen (BGH, Urt. v. 29.9.2017 - V ZR 103/16, NJW-RR 2018, 461 Rz. 9; Urt. v. 20.4.2018 - V ZR 202/16 NJW-RR 2018, 970 Rz. 36). Soweit dem Urteil des Senats v. 25.10.2016 - II ZR 230/15 (ZIP 2017, 281 Rz. 25) entnommen werden mag, dass sich die Frist für den Kosteneingang bei der Gerichtskasse stets auf höchstens drei Werktage beläuft, wird daran nicht festgehalten.
Rz. 12
c) Die Frist zur Bereitstellung und Einzahlung des Kostenvorschusses durch den Kläger begann hiernach am 21.3.2017 und lief frühestens am 28.3.2017 ab. Ein die Verkürzung dieser Frist rechtfertigender Ausnahmefall ist schon deshalb nicht gegeben, weil der Kläger nach unverzüglicher Begleichung der ersten Kostenrechnung nicht ohne Weiteres mit der Nachforderung eines weiteren Vorschusses in überdies beträchtlicher Höhe (weitere 7.530 EUR) rechnen musste (vgl. BGH, Urt. v. 3.9.2015 - III ZR 66/14 ZIP 2015, 2501 Rz. 19; Urt. v. 29.9.2017 - V ZR 103/16, NJW-RR 2018, 461 Rz. 9). Da der Kläger den Kostenvorschuss am 11.4.2017 bezahlte, beträgt die ihm zuzurechnende Verzögerung der Zustellung der Klage nicht mehr als 14 Tage.
Rz. 13
III. Das Berufungsurteil ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif, weil das Berufungsgericht keine Feststellungen zu dem Vorliegen des in der Satzung der Beklagten vorgesehenen Einziehungs- bzw. Abtretungsgrunds getroffen hat (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Fundstellen
Haufe-Index 13618810 |
DStR 2020, 15 |