Normenkette

BGB § 826

 

Verfahrensgang

OLG Celle (Entscheidung vom 11.08.2021; Aktenzeichen 16 U 126/21)

LG Verden (Aller) (Entscheidung vom 30.10.2020; Aktenzeichen 2 O 321/18)

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 11. August 2021 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Die Klägerin nimmt die Beklagten - zuletzt nur noch die Beklagte zu 1 - wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung auf Schadensersatz in Anspruch.

Rz. 2

Die Klägerin erwarb aufgrund eines Kaufvertrags vom 29. August 2015 von der am Revisionsverfahren nicht beteiligten Beklagten zu 2, die auch Herstellerin des betreffenden Fahrzeugs ist, einen neuen VW Touareg V6 TDI BlueMotion Technology 3,0 l für 66.499,10 €. Die Beklagte zu 1 hatte den im Fahrzeug verbauten Motor hergestellt. Die Klägerin zahlte zunächst von dem vereinbarten Kaufpreis nur 19.500 €. Der weitere Kaufpreis wurde unter Inanspruchnahme eines Darlehens der Volkswagen Bank GmbH finanziert. Der zugrundeliegende Vertrag sah das Recht der Klägerin vor, das erworbene Fahrzeug bei Fälligkeit der Schlussrate zu einem bei Vertragsschluss vereinbarten Kaufpreis an den Händler zurückzugeben. Das Kraftfahrt-Bundesamt ordnete unter dem 8. Dezember 2017 wegen einer festgestellten unzulässigen Abschalteinrichtung den Rückruf aller dem seitens der Klägerin erworbenen Fahrzeug entsprechenden Fahrzeuge an. Die Klägerin entschied sich für eine Anschlussfinanzierung nach dem 15. Oktober 2019, ohne von ihrem verbrieften Rückgaberecht Gebrauch zu machen.

Rz. 3

Die Klägerin hat von den Beklagten die Erstattung geleisteter Zahlungen abzüglich einer Nutzungsentschädigung sowie die Freistellung von sämtlichen Verbindlichkeiten aus dem Darlehensvertrag mit der Volkswagen Bank GmbH Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs verlangt. Ferner hat sie die Feststellungen begehrt, dass sich die Beklagten im Annahmeverzug befänden und dass sie zum Ersatz aller auf der Ausstattung des Fahrzeugs mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung beruhenden Schäden verpflichtet seien.

Rz. 4

Das Landgericht hat der gegen die Beklagte zu 1 gerichteten Klage unter Berücksichtigung der seitens der Klägerin gezogenen Nutzungen teilweise stattgegeben, die Klage aber hinsichtlich der Beklagten zu 2 und wegen der Feststellung des Annahmeverzugs abgewiesen. Auf die hiergegen gerichtete Berufung nur der Beklagten zu 1 hat das Berufungsgericht das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, mit der sie die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils im Verhältnis zur Beklagten zu 1 erstrebt. Die Beklagte zu 1 tritt dem Rechtsmittel entgegen.

 

Entscheidungsgründe

Rz. 5

Die zulässige Revision hat in der Sache Erfolg.

Rz. 6

I. Das Berufungsgericht hat im Hinblick auf den vom Landgericht bejahten Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu 1 gemäß § 826 BGB offengelassen, ob der von der Klägerin erworbene VW Touareg mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgerüstet gewesen sei, und den Schadensersatz unter Berufung auf das im Finanzierungsvertrag vorgesehene verbriefte Rückgaberecht verneint. Wenn ein Kläger ein Fahrzeug mit einem verbrieften Rückgaberecht erwerbe und der Vertrag danach bis hin zur Rückgabe des Fahrzeugs rückabgewickelt werde, fehle es an einem ersatzfähigen Schaden. Werde der Vertrag ohne jede Beeinträchtigung abgewickelt und verzichte der Käufer am Ende darauf, von seinem verbrieften Rückgaberecht Gebrauch zu machen, sondern entscheide sich, die Schlussrate zu zahlen, das Fahrzeug zu behalten und es weiter zu benutzen, gelte dasselbe. Danach könne ein Schaden in der Form der Belastung mit einem ungewollten Kaufvertrag nicht mehr angenommen werden. Nach dem Gebrauch seines Selbstbestimmungsrechts durch Behalten des Fahrzeugs komme ein weiterer Schutz seiner allgemeinen Handlungsfreiheit nicht mehr in Betracht. Soweit eingewendet werde, dass der Käufer die freie Wahl zwischen der Rückgabe einerseits und dem Schadensersatz andererseits habe, begründe das den Vorwurf widersprüchlichen Verhaltens. Auch das Argument, dass der vereinbarte Restwert hinter dem tatsächlichen Restwert zurückbleibe, könne das Begehren der Rückabwicklung nicht rechtfertigen, sondern laufe nur auf die Anwendung der Differenzhypothese hinaus. Außerdem werde der vertragliche Restwert nicht einseitig festgelegt, sondern beruhe auf einer Vereinbarung. Schließlich scheide auch ein Frustrationsschaden aus. Denn die Klägerin habe das Fahrzeug ungeachtet der Software-Manipulation uneingeschränkt nutzen können. Deshalb seien die Aufwendungen der Klägerin nicht vergeblich gewesen.

Rz. 7

II. Die vorstehenden Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht stand.

Rz. 8

Mit der gegebenen Begründung kann ein Schadensersatzanspruch der Klägerin aus § 826 BGB nicht verneint werden. Der Senat schließt sich im Hinblick auf das vom Berufungsgericht zur Begründung seines Ergebnisses herangezogene verbriefte Rückgaberecht den Ausführungen des VII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs in seinem Urteil vom 16. Dezember 2021 (VII ZR 389/21, VersR 2022, 391 Rn. 10 ff.) an, auf die Bezug genommen wird. Danach können weder ein zwar von Beginn an vereinbartes, aber später entstandenes Rückgaberecht noch ein Verzicht auf dessen Ausübung den Schaden in Form der Belastung mit einem nicht gewollten Vertragsschluss entfallen lassen. Beides begründet nicht die Würdigung des ursprünglich nicht gewollten Kaufvertrages als nunmehr gewollt. Auch kann von einem widersprüchlichen Verhalten oder von einer Verletzung der Schadensminderungspflicht nicht die Rede sein, weil sich das verbriefte Rückgaberecht gegen einen Dritten richtet und dem Schadensersatzanspruch nicht gleichwertig ist.

Rz. 9

III. Da das Berufungsgericht ausdrücklich von weiteren Feststellungen zu § 826 BGB abgesehen hat, erweist sich die Sache weder als aus anderen Gründen richtig (§ 561 ZPO) noch ist die Sache zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO), sondern die angefochtene Entscheidung ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Menges     

Krüger     

Götz   

Rensen     

Wille     

 

Fundstellen

Haufe-Index 15344316

VRS 2022, 130

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge