Leitsatz (amtlich)
Mangels anderweitiger ausdrücklicher Vereinbarung ist dem Treuhandcharakter der Mietkaution ein stillschweigendes Aufrechnungsverbot im Hinblick auf Forderungen zu entnehmen, die nicht aus dem Mietverhältnis stammen. Mit derartigen Forderungen kann der Vermieter gegenüber dem Anspruch des Mieters auf Kautionsrückzahlung auch dann nicht aufrechnen, wenn die Kaution am Ende des Mietverhältnisses nicht für Forderungen des Vermieters aus dem Mietverhältnis benötigt wird.
Normenkette
BGB § 551
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 15.12.2011; Aktenzeichen 67 S 309/11) |
AG Berlin-Wedding (Entscheidung vom 18.03.2011; Aktenzeichen 14 C 569/10) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil der Zivilkammer 67 des LG Berlin vom 15.12.2011 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Parteien streiten um die Rückzahlung einer Mietkaution. Die Kläger waren bis Ende Juni 2009 Mieter einer Wohnung der Beklagten in Berlin, für die sie eine Kaution i.H.v. 1.020 EUR erbracht hatten. Die Kläger gaben die Wohnung bei Beendigung des Mietverhältnisses zurück. Mit Schreiben vom 26. März und 7.7.2010 forderten sie die Beklagte vergeblich zur Rückzahlung der Kaution auf. Die Beklagte verwies auf (behauptete) Gegenansprüche aus einem früheren Mietverhältnis der Kläger über eine andere Wohnung, die der frühere Vermieter der Kläger mit Vereinbarung vom 10.7.2010 an sie abgetreten habe.
Rz. 2
Die Kläger haben Zahlung von 1.029,78 EUR nebst Zinsen begehrt. Das AG hat der Klage stattgegeben, das LG hat die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 3
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
Rz. 4
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse, ausgeführt:
Rz. 5
Den Klägern stehe der Anspruch auf Rückzahlung der Kaution gem. § 551 BGB in Verbindung mit der vertraglichen Sicherungsabrede zu. Die von der Beklagten erklärte Aufrechnung mit einer von ihr behaupteten Forderung aus einem früheren Mietverhältnis mit einem anderen Vermieter habe nicht zum Erlöschen der Forderung geführt. Denn die Aufrechnung mit einer derartigen Forderung sei aufgrund der Sicherungsabrede ausgeschlossen. Aus der Sicherungsabrede ergebe sich, dass die Kaution nur zur Sicherung von Forderungen der Beklagten aus dem aktuellen Mietverhältnis diene. An dieser Zweckrichtung änderten auch die Beendigung des Mietverhältnisses und die Rückgabe der Wohnung nichts. Denn die vertragliche Sicherungsabrede bestehe ungeachtet der Beendigung des Mietverhältnisses fort. Entgegen einer in der Literatur verbreiteten Auffassung sei deshalb eine Aufrechnung mit Forderungen außerhalb des konkreten Mietverhältnisses auch dann nicht zulässig, wenn das Mietverhältnis beendet sei und die Kaution nicht für Forderungen des Vermieters aus diesem Mietverhältnis benötigt werde.
II.
Rz. 6
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist. Den Klägern steht ein Anspruch auf Rückzahlung der Mietkaution zu. Die von der Beklagten erklärte Verrechnung geht ins Leere, weil ihr eine Aufrechnung mit Forderungen, die nicht aus dem Mietverhältnis der Parteien herrühren, verwehrt ist.
Rz. 7
1. In der Rechtsprechung der Instanzgerichte und der mietrechtlichen Literatur werden zu der Frage, ob der Vermieter zumindest dann mit mietfremden Ansprüchen gegen den Anspruch des Mieters auf Rückgewähr der Kaution aufrechnen kann, wenn das Mietverhältnis beendet ist und hieraus keine Ansprüche des Vermieters mehr offen sind, allerdings unterschiedliche Auffassungen vertreten.
Rz. 8
a) Einige Autoren bejahen für diesen Fall die Zulässigkeit einer Aufrechnung mit der Begründung, dass in einem solchen Fall die Zweckbindung der Kaution entfalle und einer Aufrechnung mit nicht konnexen Gegenansprüchen somit nichts mehr entgegenstehe (Sternel, Mietrecht Aktuell, 4. Aufl., Rz. III 183; Blank in Blank/Börstinghaus, Miete, 3. Aufl., § 551 Rz. 82; Erman/Lützenkirchen BGB, 13. Aufl., § 551 Rz. 27; Dickersbach, WuM 2006, 595 ff.).
Rz. 9
b) Die Gegenmeinung (OLG Düsseldorf, ZMR 2008, 47; AG Schöneberg WuM 1990, 426; Staudinger/Emmmerich, BGB, Neubearb. 2011, § 551 Rz. 32; Bub/Treier/Scheuer, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., V B Rz. 295c) entnimmt der in der Vereinbarung einer Mietkaution stillschweigend enthaltenen Sicherungsabrede ein (dauerndes) Aufrechnungsverbot. Der Zweck der Kaution gehe ausschließlich dahin, etwaige Ansprüche des Vermieters aus dem Mietverhältnis zu sichern; eine Aufrechnung gegen den Anspruch auf Rückgewähr der Kaution mit mietfremden Forderungen des Vermieters sei deshalb auch dann ausgeschlossen, wenn das Mietverhältnis beendet sei und die Kaution zur Befriedigung des Vermieters wegen Forderungen aus dem Mietverhältnis nicht benötigt werde.
Rz. 10
c) Der letztgenannten Auffassung gebührt der Vorzug. In der Rechtsprechung des BGH ist anerkannt, dass die Aufrechnung aufgrund einer konkludenten Vereinbarung oder nach Treu und Glauben ausgeschlossen ist, wenn die Eigenart des Schuldverhältnisses oder der Sinn und Zweck der geschuldeten Leistung die Aufrechnung als nicht mit Treu und Glauben vereinbar erscheinen lässt (BGH, Urt. v. 29.11.1990 - IX ZR 94/90, NJW 1991, 839 unter II 4; v. 21.11.2001 - XII ZR 162/99, NJW 2002, 1130 unter II 2; v. 22.3.2011 - II ZR 271/08, NJW 2011, 2351 Rz. 27). Deshalb ist bei einem Anspruch aus einem Treuhandverhältnis regelmäßig eine Aufrechnung mit nicht konnexen Gegenforderungen ausgeschlossen (BGH, Urt. v. 21.1.1999 - I ZR 209/96, NJW-RR 1999, 1192 unter II 1b; v. 14.7.1994 - IX ZR 110/93, NJW 1994, 2885 unter II 2). Die vorgenannten Grundsätze gelten auch für die Mietkaution. Diese dient - soweit nicht ausnahmsweise etwas anderes vereinbart ist - ausschließlich der Sicherung von Forderungen des Vermieters aus dem konkreten Mietverhältnis. Die darin liegende Zweckbindung endet entgegen der Auffassung der Revision nicht schon dann, wenn die Kaution am Ende des Mietverhältnisses nicht mehr für Forderungen des Vermieters aus dem Mietverhältnis benötigt wird, sondern erst mit der Rückgewähr der Kaution an den Mieter.
Fundstellen
Haufe-Index 3207278 |
NJW 2012, 28 |
NJW 2012, 3300 |
NJW 2012, 6 |
DWW 2012, 296 |
EBE/BGH 2012 |
NZM 2012, 678 |
ZMR 2012, 855 |
ZfIR 2012, 608 |
JZ 2012, 601 |
MDR 2012, 954 |
WuM 2012, 502 |
GuT 2012, 367 |
MietRB 2012, 286 |
NJW-Spezial 2012, 643 |
BBB 2012, 60 |
GreifRecht 2012, 4 |
IWR 2012, 68 |
LL 2012, 765 |
MK 2012, 146 |
NRÜ 2012, 496 |