Leitsatz (amtlich)
Erteilt ein Anlagevermittler Auskunft zu der Sicherheit der Kapitalanlage, indem er ohne Einschränkung auf die Angaben des Kapitalsuchenden verweist, macht er sich dessen Aussagen bei der Auskunft zu Eigen. Hat er in einem solchen Fall die Sicherheit der Kapitalanlage nicht geprüft, so muss er dies dem Kunden gegenüber auch ungefragt deutlich machen.
Normenkette
BGB § 675 Abs. 2
Verfahrensgang
OLG Hamm (Urteil vom 09.10.2002) |
LG Detmold |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 25. Zivilsenats des OLG Hamm v. 9.10.2002 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Nach Gesprächen mit dem Beklagten zeichnete W. R. , der Ehemann der Klägerin, am 7.2.1995 einen an die P. C. GmbH gerichteten Antrag auf Beteiligung an der P. C. A2 GbR. In dem Antragsformular hieß es u. a.:
"Die P. C. GmbH bestätigt, dass 91 % Ihrer Nettoanlage-summe (ohne Abschlussgebühr) nach Zahlungseingang abgesichert werden."
Der Beklagte nahm den Antrag entgegen und leitete ihn an die P. C. GmbH weiter. Diese geriet später in Vermögensverfall. Es stellte sich heraus, dass P. C. ein Schneeballsystem war.
Gestützt auf eine Abtretung ihres Ehemannes nimmt die Klägerin den Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch. Er habe Auskunftspflichten, die ihm als Anlagevermittler gegenüber ihrem Ehemann obgelegen hätten, schlecht erfüllt. Wiederholt habe er die Anlage bei P. C. als sicher dargestellt und erklärt, das Risiko liege nur bei 9 %, da, wie im Antrag ausgeführt, P. C. eine 91 %ige Kapitalsicherheit gewähre.
Die Klägerin fordert wegen der verlorenen Beteiligung nebst Aufgeld und entgangenen Zinsen Schadensersatz i. H. v. insgesamt 42.625 DM zzgl. Zinsen. LG und Berufungsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Zahlungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht hat die Klageabweisung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Der Beklagte sei Anlagevermittler gewesen. Es lasse sich aber nicht feststellen, dass im Zuge der Anlagevermittlung ein Auskunftsvertrag zwischen ihm und dem Ehemann der Klägerin zustande gekommen sei. Der Beklagte habe mit der Aussage, 91 % der Anlage seien sicher, erkennbar nur auf eine - von ihm nicht geprüfte - Information der kapitalsuchenden P. C. GmbH hingewiesen.
II.
Das Berufungsurteil hält in entscheidenden Punkten der rechtlichen Prüfung nicht stand. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts und dem im Revisionsverfahren als richtig zu unterstellenden Vorbringen der Klägerin kann diese von dem Beklagten aus abgetretenem Recht ihres Ehemanns Schadensersatz wegen Verletzung eines Auskunftsvertrages beanspruchen.
1. Das Berufungsgericht hat den Beklagten als Anlagevermittler, nicht als - grundsätzlich weiter reichenden Pflichten unterliegenden - Anlageberater (vgl. BGH, Urt. v. 13.5.1993 - III ZR 25/92, MDR 1993, 956 = NJW-RR 1993, 1114 f.), angesehen. Die Revision teilt diesen Ausgangspunkt.
2. Im Rahmen der Anlagevermittlung kommt zwischen dem Anlageinteressenten und dem Anlagevermittler ein Auskunftsvertrag mit Haftungsfolgen zumindest stillschweigend zu Stande, wenn der Interessent deutlich macht, dass er, auf eine bestimmte Anlageentscheidung bezogen, die besonderen Kenntnisse und Verbindungen des Vermittlers in Anspruch nehmen will und der Anlagevermittler die gewünschte Tätigkeit beginnt. Ein solcher Vertrag verpflichtet den Vermittler zu richtiger und vollständiger Information über diejenigen tatsächlichen Umstände, die für den Anlageentschluss des Interessenten von besonderer Bedeutung sind (BGH, Urt. v. 13.5.1993 - III ZR 25/92, MDR 1993, 956 = NJW-RR 1993, 1114 f.; v. 13.1.2000 - III ZR 62/99, MDR 2000, 405 = ZIP 2000, 355 [356]).
Auf der Grundlage des für die rechtliche Prüfung maßgeblichen Sachverhalts ist davon auszugehen, dass zwischen dem Ehemann der Klägerin und dem Beklagten ein Auskunftsvertrag im vorgenannten Sinn zu Stande gekommen ist. So weit das Berufungsgericht zu einem anderen Ergebnis gelangt ist, hat es die Anforderungen an die Annahme eines Auskunftsvertrages überspannt.
Der als selbstständiger Finanzkaufmann tätige Beklagte suchte den Ehemann der Klägerin zu einer Beteiligung bei P. C. zu bewegen. Dabei hat er - wie die Revision zutreffend hervorhebt - wiederholt, zuletzt bei der Unterzeichnung des Beteiligungsantrages durch den Ehemann der Klägerin, erklärt, die Anlage sei sicher; die P. C. GmbH gewähre, wie es auch in dem Antrag ausgeführt sei, eine 91 %ige Kapitalsicherheit. Darauf kam es dem - ansonsten uninteressierten - Ehemann der Klägerin an. Für den Beklagten lag auch ohne Nachfragen der Klägerin oder von deren Ehemann auf der Hand, dass der Ehemann der Klägerin auf dieser Grundlage bei der Antragsunterzeichnung erklärte, er wisse Bescheid, man könne es kurz machen. Hierdurch nahm der Ehemann der Klägerin die vorbeschriebenen Angaben des Beklagten - für diesen erkennbar - als verbindlich erklärte Auskunft an. Ob mit dem Berufungsgericht die früher erfolgten Erklärungen des Beklagten in der Sauna und in der Pommesbude als unverbindlich beurteilt werden müssen, kann dahinstehen.
3. Der Beklagte hat die ihm nach dem Auskunftsvertrag obliegende Verpflichtung verletzt, den Ehemann der Klägerin richtig und vollständig über die für den Anlageentschluss besonders bedeutsamen Umstände zu unterrichten.
a) Nach dem Vortrag der Klägerin verwies der Beklagte - bei der Unterzeichnung der Beteiligung durch den Ehemann der Klägerin und in den vorangegangenen Gesprächen - darauf, dass das Verlustrisiko (höchstens) bei 9 % liege, da, wie es auch im Antrag aufgeführt sei, die P. C. GmbH eine 91 %ige Kapitalsicherheit gewähre. Er fügte nicht hinzu, dass die Kapitalsicherheit von der Bonität der P. C. GmbH abhänge, und stellte auch nicht klar, dass er die Bonität der P. C. GmbH nicht geprüft habe. Gibt ein Anlagevermittler aber wie hier Auskunft zur Sicherheit der Kapitalanlage, indem er auf die Angaben des Kapitalsuchenden verweist, macht er sich dessen Aussagen zu Eigen. Für den Anleger liegt damit nicht, wie das Berufungsgericht meint, auf der Hand, dass der Anlagevermittler bloß ungeprüfte Angaben weiterreicht. Der Anleger muss den einschränkungslosen Verweis auf die Angaben im Beteiligungsantrag vielmehr dahin verstehen, dass sich der - sachkundige - Anlagevermittler damit identifiziert. Will der Anlagevermittler diesen Eindruck vermeiden, muss er sich distanzieren.
b) Die von dem Beklagten mithin durch Verweis auf den Antrag - unstreitig ungeprüft - erteilte Auskunft, es bestehe eine 91 %ige Kapitalsicherheit für die Anlagen bei P. C. war nicht richtig. P. C. betrieb in Wahrheit ein Schneeballsystem. Der Beklagte hätte auf diese Erklärung verzichten oder offenbaren müssen, dass es sich um eine rein subjektive Einschätzung handelte, die er ohne zuverlässige Kenntnisse zur wirtschaftlichen Lage und zum Geschäftsgebaren der P. C. GmbH abgebe (vgl. BGH, Urt. v. 13.5.1993 - III ZR 25/92, MDR 1993, 956 = NJW-RR 1993, 1114 [1115]; v. 13.1.2000 - III ZR 62/99, MDR 2000, 405 = ZIP 2000, 355 [356, 357]).
III.
Der Senat ist gehindert, den Rechtsstreit abschließend zu entscheiden. Das Berufungsgericht hat, von seinem Standpunkt aus folgerichtig, letztlich offen gelassen, ob das - vom Beklagten bestrittene - Vorbringen der Klägerin zum Inhalt seiner Angaben bezüglich P. C. zutrifft. Es hat insbesondere keine Feststellungen zu der Verteidigung des Beklagten getroffen, er habe den Ehemann der Klägerin darauf hingewiesen, dass eine 91 %ige Kapitalsicherheit nur bei Bonität der P. C. GmbH bestehe.
Fundstellen
BB 2003, 2311 |
BGHR 2003, 1400 |
EBE/BGH 2003, 338 |
NJW-RR 2003, 1690 |
EWiR 2004, 175 |
JurBüro 2004, 218 |
WM 2003, 2064 |
ZAP 2003, 1042 |
ZIP 2003, 1928 |
MDR 2003, 1429 |
VersR 2004, 238 |
VuR 2004, 67 |
ZfBR 2004, 50 |
BKR 2003, 874 |
BrBp 2004, 217 |
RdW 2003, 741 |
ZBB 2003, 450 |
ZGS 2003, 404 |
BBV 2004, 39 |
Kreditwesen 2004, 81 |