Entscheidungsstichwort (Thema)
Arglistiges Verschweigen. Verkauf eines Hausgrundstücks. Undichtes Gebäude
Leitsatz (redaktionell)
Verschweigt der Verkäufer eines Hausgrundstücks die Tatsache, dass bei starken Regenfällen Wasser in einen Wartungsraum neben einem im Untergeschoss des Wohnhauses gelegenen trockengelegten Schwimmbecken eindringt, handelt er nicht arglistig, wenn er zuvor von seinem Architekten darüber unterrichtet wurde, dass Abdichtungsmaßnahmen nicht notwendig seien.
Normenkette
BGB a.F. § 459 Abs. 1, § 463 S. 2
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 27. Juli 2000 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Kläger erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 18. Mai 1995 erwarben die Beklagten von den Klägern ein Hausgrundstück für 960.000 DM unter Ausschluß der Gewährleistung. Im Untergeschoß des Wohnhauses befand sich eine Schwimmhalle, welche die Kläger im Jahr 1994 aus Kostengründen stillgelegt hatten. Neben dem Schwimmbecken lag ein Wartungsraum mit einer Höhe von 1 m bis 1,50 m, einer Breite von 1,50 m und mehreren Metern Länge, der von außen über einen Schacht zugänglich war. Darin befanden sich Schwimmbadarmaturen und ein Pumpensumpf mit einer automatischen Pumpe, die das Schwimmbecken in der Weise entwässerte, daß das Wasser zunächst in den Wartungsraum abgelassen und von dort abgepumpt wurde. In diesen Raum drang nach starken Regenfällen von außen Wasser ein, das abgepumpt werden mußte. Die Ursache und Häufigkeit des Wassereinbruchs sind zwischen den Parteien streitig.
Die Kläger haben zunächst Klage auf Feststellung, daß den Beklagten keine Gewährleistungs- und Schadensersatzansprüche zustehen, erhoben, welche die Parteien erstinstanzlich übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Auf die Widerklage der Beklagten hat das Landgericht die Kläger als Gesamtschuldner zur Zahlung von 13.715,12 DM nebst Zinsen verurteilt und festgestellt, daß sie als Gesamtschuldner verpflichtet sind, den Beklagten den über 5.400 DM hinausgehenden Schaden, der durch die Undichtigkeit des Wartungsraums entstanden ist und/oder noch entstehen wird, weiter den über 2.900 DM hinausgehenden Schaden, der als Folge der Durchfeuchtung der Außenwände im Bereich des Balkons vor dem Wohnzimmer entstanden ist und/oder noch entstehen wird, und schließlich die Kosten der Herstellung der Funktionsfähigkeit der Tür vom Arbeitszimmer zum Garten zu ersetzen; im übrigen hat es die Widerklage abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger und Anschlußberufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht – unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel – die Kläger als Gesamtschuldner zur Zahlung von 153.888,23 DM nebst Zinsen verurteilt und festgestellt, daß sie als Gesamtschuldner verpflichtet sind, den Beklagten den über 146.500 DM hinausgehenden Schaden zu ersetzen, der infolge der Wassereintritte in das Wohnhaus entstanden ist und/oder noch entstehen wird. Dagegen richtet sich die Revision der Kläger, mit der sie die Zurückweisung der Anschlußberufung und Abweisung der gesamten Widerklage begehren. Die Beklagten beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe
I.
Das – sachverständig beratene – Berufungsgericht hält einen Schadenersatzanspruch der Beklagten gegen die Kläger nach § 463 BGB a.F. für begründet. Das Eindringen von Wasser in den Wartungsraum nach starken Regenfällen sei ein Fehler des Hauses, der den Klägern bekannt gewesen sei, den sie den Beklagten jedoch arglistig verschwiegen hätten. Sie müßten deswegen an die Beklagten 135.000 DM als Wertminderung, 11.500 DM Sanierungskosten und 7.388,23 DM Folgekosten zahlen. Die Feststellungsklage sei in dem ausgeurteilten Umfang zulässig und begründet; der Sachverständige habe nämlich Ort und Ursache des Eintritts von Feuchtigkeit in das Gebäude nicht ermitteln können, so daß die Erforderlichkeit künftiger Mängelbeseitigungsmaßnahmen nicht ausgeschlossen sei.
Das hält einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
II.
Zur Zahlungsklage:
1. Allerdings wendet sich die Revision ohne Erfolg gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, daß das Eindringen von Wasser in den Wartungsraum ein Fehler im Sinne des § 463 Satz 2 BGB a.F. sei. Denn selbst wenn man mit der überwiegenden Meinung (siehe die Darstellung bei Staudinger/Honsell, BGB [1995], § 463 Rdn. 12) annimmt, daß dafür nur solche Mängel in Betracht kommen, die eine nicht nur unerhebliche Minderung des Werts oder der Tauglichkeit des Kaufgegenstands zu dem gewöhnlichen oder nach dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch (§ 459 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F.) bedeuten, liegt diese Voraussetzung hier vor. Dabei kann offen bleiben, ob es die in dem erstinstanzlichen Urteil festgestellte und vom Berufungsgericht nach § 543 Abs. 1 ZPO a.F. bestätigte Verkehrsauffassung, wonach es eine negative Abweichung von den üblichen Erwartungen darstellt, wenn nach stärkeren Regenfällen ein Abpumpen von eingedrungenem Wasser aus dem Gebäudeinneren notwendig wird, tatsächlich gibt oder nicht. Entscheidend ist nämlich, daß das Berufungsgericht auf der Grundlage des von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens fehlerfrei davon ausgeht, daß der Verkehrswert des Objekts wegen des Mangels zwischen 10 % und 15 % gemindert ist, weil eine bloße Abdichtung von innen nicht den Eintritt von Feuchtigkeit in den dämmstoffgefüllten Zwischenraum der doppelschaligen Wandkonstruktion verhindert. Nimmt man – mangels anderer Anhaltspunkte – den vereinbarten Kaufpreis von 960.000 DM als Wert des mangelfreien Kaufgegenstands an, so ergibt sich ein Minderungsbetrag zwischen 96.000 DM und 144.000 DM. Das ist eine erhebliche Wertminderung. Hinzu kommt, daß die Beseitigung des Mangels einen Kostenaufwand von 5.400 DM bis 11.500 DM erfordert. Das schließt die Annahme eines unerheblichen Fehlers aus. Dem kann die Revision nicht mit Erfolg entgegenhalten, daß es für die Frage, in welchen Fällen ein Fehler im Sinne der §§ 459 Abs. 1, 463 Satz 2 BGB a.F. vorliegt, darauf ankommt, „als was” die Sache verkauft worden ist (vgl. BGH, Urt. v. 22. Juni 1983, VIII ZR 92/82, NJW 1983, 2242). Zwar wurde hier ein Haus mit Schwimmbad verkauft, dessen Bewohnbarkeit durch das Eindringen von Wasser in den Wartungsraum nicht beeinträchtigt wurde; auch sollte das Wasser aus dem Schwimmbecken zunächst in den Wartungsraum geleitet und von dort abgepumpt werden, so daß die Funktion des Wartungsraums auch darin bestand, Wasser aufzunehmen. Aber das führt nicht an der Tatsache vorbei, daß nach starken Regenfällen Wasser von außen in den Wartungsraum eindrang. Als ein solchermaßen undichtes Gebäude wurde das Haus nicht verkauft.
2. Ebenfalls ohne Erfolg rügt die Revision einen Verstoß des Berufungsgerichts gegen § 286 ZPO, weil es dem Vortrag der Kläger, im Jahr 1998 sei eine Undichtigkeit in der Außenwand als Folge von Felssprengungen in der Nachbarschaft entstanden, nicht nachgegangen ist. Dazu bestand nämlich keine Veranlassung. Denn die fehlerfreie Beweiswürdigung des Landgerichts, der sich das Berufungsgericht angeschlossen hat und die von der Revision nicht angegriffen wird, und auch der Prozeßvortrag der Kläger selbst rechtfertigen die Feststellung, daß bereits während der Besitzzeit der Kläger Wasser von außen in den Wartungsraum eingedrungen war, und zwar nach starken Regenfällen. Somit können die behaupteten Felssprengungen nicht ursächlich für den Wassereintritt gewesen sein; vielmehr war die Außenwand bereits sowohl bei Abschluß des Kaufvertrags als auch bei Übergabe des Objekts undicht. Das stellt den maßgeblichen Mangel dar.
3. Zu Unrecht nimmt das Berufungsgericht jedoch an, daß die Kläger den Beklagten diesen Mangel arglistig verschwiegen haben. Die bisherigen Feststellungen tragen das nicht.
a) Bei einer Täuschung durch Verschweigen eines offenbarungspflichtigen Mangels handelt arglistig, wer einen Fehler mindestens für möglich hält und gleichzeitig weiß oder damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, daß der Vertragsgegner den Fehler nicht kennt und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte; das Tatbestandsmerkmal der Arglist erfaßt damit nicht nur ein Handeln des Veräußerers, das von betrügerischer Absicht getragen ist, sondern auch solche Verhaltensweisen, die auf bedingten Vorsatz im Sinne eines „Fürmöglichhaltens” und „Inkaufnehmens” reduziert sind und mit denen kein moralisches Unwerturteil verbunden sein muß (Senatsurt. v. 3. März 1995, V ZR 43/94, NJW 1995, 1549, 1550).
b) Von diesen Grundsätzen geht das Berufungsgericht – indem es sich auch insoweit den Entscheidungsgründen des landgerichtlichen Urteils anschließt – aus. Es erkennt auch zutreffend, daß die Kläger zur Aufklärung über den Eintritt von Wasser in den Wartungsraum verpflichtet waren. Eine Offenbarungspflicht besteht nämlich nur hinsichtlich solcher Mängel der Kaufsache nicht, die einer Besichtigung zugänglich und damit ohne weiteres erkennbar sind; der Käufer kann insoweit eine Aufklärung nicht erwarten, weil er diese Mängel bei einer im eigenen Interesse gebotenen Sorgfalt selbst wahrnehmen kann (Senat, BGHZ 132, 30, 34; Senatsurt. v. 20. Oktober 2000, V ZR 285/99, NJW 2001, 64). Hier war der Mangel jedoch nicht ohne weiteres erkennbar. Der Wartungsraum war als solcher nicht identifizierbar und nicht frei zugänglich. Er konnte nur über einen engen Schacht erreicht werden; dessen Einstieg befand sich nicht etwa innerhalb des Hauses, sondern außerhalb und zwar zudem noch abgedeckt. Auch mußte sich den Beklagten aufgrund der oft berechtigten Befürchtung, daß die Abdichtung von Schwimmbädern problematisch ist, nicht der Verdacht einer Undichtigkeit des Wartungsraums aufdrängen. Dieser Mangel hat nämlich nichts mit der Abdichtung des Schwimmbads zu tun.
c) Mit Erfolg rügt die Revision jedoch, daß das Berufungsgericht dem Vortrag der Kläger, der Kläger zu 1 sei von ihrem Architekten dahingehend unterrichtet worden, daß Abdichtungsmaßnahmen nicht notwendig seien, weil die Förderpumpe im Pumpensumpf das eingedrungene Wasser ohne weiteres abpumpen könne, nicht nachgegangen ist. Trifft das zu, entfällt der Arglistvorwurf gegenüber dem Kläger zu 1, wenn er sich von dem Hinweis des Fachmannes hat beruhigen lassen und deshalb dem Eindringen von Wasser in den Wartungsraum keine Bedeutung mehr beigemessen hat (vgl. Senatsurt. v. 5. März 1993, V ZR 140/91, NJW 1993, 1703, 1704). Das bedarf der Aufklärung durch das Berufungsgericht.
d) Ebenfalls mit Erfolg rügt die Revision, daß das Berufungsgericht auch den weiteren Vortrag der Kläger, die Klägerin zu 2 habe bei den von ihr alleine geführten Kaufvertragsverhandlungen ausdrücklich darauf hingewiesen, daß sie zum Schwimmbadbereich nichts sagen könne und die Beklagten hierzu den Architekten befragen sollten, übergangen hat. Erfolgte dieser Hinweis, kann das ein arglistiges Verhalten der Klägerin zu 2 ausschließen. Mit dieser Äußerung durfte sie sich nämlich begnügen, weil weder festgestellt noch ersichtlich ist, daß sie weitergehende Erkenntnisse als der Kläger zu 1 über den Wassereintritt besaß. Auch steht der Hinweis nicht in Widerspruch zu anderen Erklärungen der Klägerin zu 2; den Klägern war nämlich in dem Kaufvertrag gerade nicht die Erklärung abverlangt worden, daß ihnen verborgene Mängel nicht bekannt seien. Auch insoweit bedarf die Sache weiterer Aufklärung.
4. Mit Erfolg rügt die Revision schließlich auch die Schadensberechnung des Berufungsgerichts. Die getroffenen Feststellungen tragen nicht die Auffassung, die Beklagten hätten einen Anspruch auf Ersatz des Minderwerts von 135.000 DM zuzüglich der Kosten für die Beseitigung der Wandundichtigkeit von 11.500 DM. Das übersieht nämlich die Bekundung des Sachverständigen in seiner Anhörung am 29. Juni 2000, daß nach Durchführung der von ihm vorgeschlagenen „kleinen” Sanierung zwar weiterhin eine Wertminderung des Hauses verbleibt, diese aber nicht 10 % bis 15 % des Kaufpreises ausmacht. Damit ist der Schadensschätzung des Berufungsgerichts die Grundlage entzogen.
III.
Zur Feststellungsklage:
1. Zu Recht sieht das Berufungsgericht die Feststellungsklage, soweit es ihr stattgegeben hat, als zulässig an.
a) Ohne Erfolg rügt die Revision einen Verstoß gegen § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO in Verbindung mit § 256 ZPO. Das Berufungsgericht hat den Antrag auf solche Schäden bezogen, die durch Wassereintritt von außen in den Wartungsraum aufgrund einer bei Übergabe des Objekts an die Beklagten vorhanden gewesenen Undichtigkeit der Außenwand hervorgerufen wurden und/oder noch hervorgerufen werden. Das schließt zugleich die – unzulässige – Feststellung einer Ersatzpflicht für alle Schäden aus, die auf bisher noch nicht festgestellten Mängeln beruhen können (vgl. BGH, Urt. v. 26. September 1991, VII ZR 245/90, NJW 1992, 697, 698).
b) Nicht begründet ist die weitere Auffassung der Revision, der Feststellungsklage fehle das nach § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse. Daß die Beklagten die Schadenshöhe nicht endgültig beziffern können, ergibt sich bereits daraus, daß bisher Ort und Ursache des Wassereintritts nicht ermittelt wurden. Deswegen ist die Notwendigkeit weiterer Sanierungsmaßnahmen durchaus möglich.
2. Ob der Feststellungsantrag begründet ist, ergibt sich erst nach der weiteren Sachaufklärung durch das Berufungsgericht.
IV.
Nach alledem hat das Berufungsurteil keinen Bestand, soweit darin zum Nachteil der Kläger erkannt worden ist. Es ist insoweit aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO a.F.) und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO a.F.).
Unterschriften
Wenzel, Tropf, Krüger, Lemke, Gaier
Fundstellen
Haufe-Index 743349 |
IBR 2002, 383 |
www.judicialis.de 2002 |