Entscheidungsstichwort (Thema)
Gebrauchtwagenkauf. Aufforderung zur Mangelbeseitigung. Fristsetzung zur Nacherfüllung. Bestimmung eines konkreten Zeitraums. Aufforderung zur unverzüglichen Leistung
Leitsatz (amtlich)
Für eine Fristsetzung gem. § 281 Abs. 1 BGB genügt es, wenn der Gläubiger durch das Verlangen nach sofortiger, unverzüglicher oder umgehender Leistung oder vergleichbare Formulierungen deutlich macht, dass dem Schuldner für die Erfüllung nur ein begrenzter (bestimmbarer) Zeitraum zur Verfügung steht; der Angabe eines bestimmten Zeitraums oder eines bestimmten (End-)Termins bedarf es nicht.
Normenkette
BGB § 281 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Bochum (Urteil vom 27.08.2008; Aktenzeichen I-9 S 73/08) |
AG Bochum (Entscheidung vom 19.02.2008; Aktenzeichen 63 C 491/07) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der 9. Zivilkammer des LG Bochum vom 27.8.2008 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen
Tatbestand
[1] Der Kläger nimmt die beklagte Autohändlerin aus abgetretenem Recht des Käufers aus einem Gebrauchtwagenkauf in Anspruch. Dieser erwarb von der Beklagten mit schriftlichem Kaufvertrag vom 4.12.2005 einen Pkw Mercedes SL 230 Pagode, Baujahr 1966, zum Preis von 34.900 EUR. Im Frühjahr 2006 beanstandete der Käufer Mängel am Motor des Fahrzeugs. Er forderte die Beklagte zur umgehenden Beseitigung auf und kündigte an, anderenfalls werde er eine andere Werkstatt mit der Reparatur beauftragen. Entgegen einer von ihrem Mitarbeiter zunächst erteilten Zusage, sich um die Angelegenheit zu kümmern, meldete sich die Beklagte in der Folgezeit nicht bei dem Käufer; dessen Versuch, die Beklagte telefonisch zu erreichen, scheiterte. Daraufhin ließ der Käufer das Fahrzeug bei der H. GmbH zu Kosten von 2.194,09 EUR reparieren.
[2] Das AG hat die auf Erstattung dieser Kosten gerichtete Klage abgewiesen, das LG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
[3] Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Über das Rechtsmittel ist antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden, da die Beklagte in der mündlichen Revisionsverhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht vertreten war. Inhaltlich beruht das Urteil indessen nicht auf der Säumnis der Beklagten, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. BGHZ 37, 79, 81 f.).
I.
[4] Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse, ausgeführt:
[5] Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Schadensersatz wegen der Beseitigung der von ihm behaupteten Fahrzeugmängel nicht zu. Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung gem. §§ 280 Abs. 1, 3, 281 Abs. 1 BGB lägen nicht vor, denn der Käufer habe der Beklagten keine Frist zur Nachbesserung gem. § 281 Abs. 1 Satz 1 BGB gesetzt und die Fristsetzung sei auch nicht gem. § 281 Abs. 2 BGB entbehrlich gewesen.
[6] Die Aufforderung des Käufers an die Beklagte, die geltend gemachten Mängel "umgehend" zu beseitigen, stelle keine ausreichende Fristsetzung i.S.d. § 281 Abs. 1 BGB dar. Entgegen einer teilweise vertretenen Auffassung genüge die Aufforderung zur "unverzüglichen" oder "umgehenden" Leistung nicht. Schon nach dem Wortsinn liege eine Fristsetzung nur dann vor, wenn ein konkreter Zeitraum bestimmt sei, entweder durch Mitteilung eines bestimmten Termins, zu dem die Frist ablaufe, oder durch die Angabe bestimmter Zeiteinheiten, die dem Schuldner für die Leistung eingeräumt würden. Die Angabe eines konkreten Zeitraums verdeutliche dem Schuldner, dass er nach Fristablauf mit der Geltendmachung anderer Gewährleistungsrechte rechnen müsse. Dieser Zweck werde durch die Aufforderung zur unverzüglichen oder umgehenden Nacherfüllung nicht in gleicher Weise erreicht, weil damit eine Unsicherheit entstehe, zu welchem Zeitpunkt der Gläubiger zu anderen Gewährleistungsansprüchen übergehen könne. Eine solche Unsicherheit habe das Gesetz aber durch das Erfordernis der Setzung einer angemessenen Frist vermeiden wollen.
II.
[7] Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung, der Käufer habe der Beklagten mit der Aufforderung zur umgehenden Mangelbeseitigung keine Frist zur Nacherfüllung i.S.d. § 281 Abs. 1 BGB gesetzt, kann ein Schadensersatzanspruch des Klägers nicht verneint werden.
[8] Zwar verlangt die überwiegende Meinung in der Literatur - ebenso wie das Berufungsgericht - für eine Fristsetzung gem. § 281 Abs. 1 BGB die Bestimmung eines konkreten Zeitraums, entweder durch Mitteilung eines bestimmten Termins, zu dem die Frist abläuft, oder durch die Angabe bestimmter Zeiteinheiten, die dem Schuldner für die Leistung eingeräumt werden (Ernst in MünchKomm/BGB, 5. Aufl., § 323 Rz. 68; Palandt/Grüneberg, BGB, 68. Aufl., § 281 Rz. 9; Soergel/Gsell, BGB, 13. Aufl., § 323 Rz. 80). Nach dieser Auffassung genügt die Aufforderung zur "sofortigen" bzw. "unverzüglichen" oder - wie hier - "umgehenden" Leistung nicht. Teilweise wird dies damit begründet, dass nach dem Wegfall der nach früherem Recht vorgesehenen Ablehnungsandrohung allein die Fristsetzung die Warnfunktion ggü. dem Schuldner erfülle und an sie deshalb strenge Anforderungen zu stellen seien (Ernst in MünchKomm/BGB, a.a.O.).
[9] Demgegenüber vertritt ein weiterer Teil der Literatur die Auffassung, auch eine Aufforderung zur unverzüglichen Leistung könne ausreichen (Staudinger/Otto, BGB (2004), § 281 Rz. B 62 und § 323 Rz. B 59; Bamberger/Roth/Unberath, BGB, 2. Aufl., § 281 Rz. 16), zumindest in Fällen besonderer Dringlichkeit (Jauernig/Stadler, BGB, 12. Aufl., § 281 Rz. 6; vgl. auch Ernst in MünchKomm/BGB, a.a.O., Rz. 74).
[10] Auszugehen ist vom Wortlaut des Gesetzes. Dem Begriff der Fristsetzung lässt sich nicht entnehmen, dass die maßgebliche Zeitspanne nach dem Kalender bestimmt sein muss oder in konkreten Zeiteinheiten anzugeben ist. Eine in dieser Weise bestimmte Frist verlangt § 281 Abs. 1 BGB - anders als § 286 Abs. 2 Nr. 1, 2 BGB für den Verzugseintritt ohne Mahnung - nicht. Vielmehr kann die Dauer einer Frist grundsätzlich auch durch einen unbestimmten Rechtsbegriff bezeichnet werden; dies ist insb. bei rechtsgeschäftlichen Fristen häufig der Fall (Grothe in MünchKomm/BGB, a.a.O., § 186 Rz. 4). Nach allgemeiner Meinung ist eine Frist ein Zeitraum, der bestimmt oder bestimmbar ist (RGZ 120, 355, 362; Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 186 Rz. 3; Erman/Palm, BGB, 12. Aufl., vor § 186 Rz. 1; Henrich in Bamberger/Roth, a.a.O., § 186 Rz. 2; Kesseler in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 4. Aufl., § 186 Rz. 3). Mit der Aufforderung, die Leistung oder die Nacherfüllung "in angemessener Zeit", "umgehend" oder "so schnell wie möglich" zu bewirken, wird eine zeitliche Grenze gesetzt, die aufgrund der jeweiligen Umstände des Einzelfalls bestimmbar ist.
[11] Auch der Zweck der Fristsetzung gem. § 281 Abs. 1 BGB erfordert es nicht, dass der Gläubiger für die Nacherfüllung einen bestimmten Zeitraum oder einen genauen (End-)Termin angibt. Dem Schuldner soll mit der Fristsetzung vor Augen geführt werden, dass er die Leistung nicht zu einem beliebigen Zeitpunkt bewirken kann, sondern dass ihm hierfür eine zeitliche Grenze gesetzt ist. Dieser Zweck wird bereits durch die Aufforderung, innerhalb "angemessener Frist", "unverzüglich" oder - wie hier - "umgehend" zu leisten, hinreichend erfüllt. Zwar besteht für den Schuldner dann die Ungewissheit, welcher genaue Zeitraum ihm für die Leistung bzw. Nacherfüllung zur Verfügung steht. Diese Ungewissheit besteht aber in vielen Fällen auch bei Angabe einer bestimmten Frist, nämlich immer dann, wenn die vom Gläubiger gesetzte Frist zu kurz ist. Eine solche Fristsetzung ist nach der Rechtsprechung des BGH nicht unwirksam, sondern setzt eine angemessene Frist in Gang, die ggf. vom Gericht in einem späteren Prozess festgestellt wird (BGH, Urt. v. 21.6.1985 - V ZR 134/84, NJW 1985, 2640, unter II 1a m.w.N.). Diese - zu § 326 BGB a.F. ergangene - Rechtsprechung wollte der Gesetzgeber bei der Schuldrechtsreform ausdrücklich unberührt lassen (BT-Drucks. 14/6040, 138). Nach den Gesetzesmaterialien sollte die Fristsetzung im Übrigen auch nicht zu einer Hürde werden, an der der Käufer aus formalen Gründen scheitere (BT-Drucks. 14/6040, 185). Für eine Fristsetzung nach § 281 Abs. 1 BGB genügt es deshalb, wenn der Gläubiger durch das Verlangen nach sofortiger, unverzüglicher oder umgehender Leistung oder vergleichbare Formulierungen deutlich macht, dass dem Schuldner für die Erfüllung nur ein begrenzter Zeitraum zur Verfügung steht.
III.
[12] Das Urteil des Berufungsgerichts kann deshalb keinen Bestand haben, es ist daher aufzuheben. Der Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif, weil das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen zu den behaupteten Mängeln des Fahrzeugs getroffen hat. Der Rechtsstreit ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Fundstellen
Haufe-Index 2224271 |
BB 2009, 1817 |
BB 2009, 2153 |
BB 2009, 2337 |