Entscheidungsstichwort (Thema)
Inkongruenz. Verrechnungen. Girovertrag. Kreditlinie. Kontokorrentkredit. Anfechtung. Anfechtungsgegner. Anfechtungszeitraum. Anfechtungsvoraussetzungen. Begünstigungsabsicht. Gemeinschuldner. Kenntnis
Leitsatz (redaktionell)
Verschafft sich die Bank nach der Zahlungseinstellung des Gemeinschuldners durch Verrechnung eine inkongruente Befriedigung, so ist der subjektive Tatbestand erfüllt, wenn der Anfechtungsgegner bei Wirksamwerden der Rechtshandlung nicht die Überzeugung hatte, das Vermögen des Gemeinschuldners werde zur Befriedigung aller Gläubiger ausreichen (Anschluss an BGHZ 128, 196).
Normenkette
KO § 30 Nr. 2
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 1. Zivilsenats des OLG Koblenz v. 15.11.2000 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger ist Verwalter in dem Konkursverfahren über das Vermögen der als Spedition tätig gewesenen L. KG. Er nimmt die beklagte Bank, bei deren Rechtsvorgängerin die Gemeinschuldnerin ein Girokonto unterhielt, unter dem Gesichtspunkt der Konkursanfechtung auf Rückzahlung verrechneter Gutschriften in Anspruch.
Mit Kreditvertrag v. 24.11.1994 gewährte die Beklagte der Gemeinschuldnerin einen Kontokorrentkredit bis zur Höhe von 250.000 DM. Durch mündliche Vereinbarung wurde die Kreditlinie im Jahre 1995 auf 500.000 DM erhöht. In der Zeit v. 30.5.1997 bis 5.9.1997 verrechnete die Beklagte Gutschriften in Gesamthöhe von 342.538,95 DM mit dem Sollstand des Girokontos, der durchweg den Betrag von 500.000 DM überschritt. In welcher Höhe die Beklagte in diesem Zeitraum die Kontoüberziehung genehmigte, ist zwischen den Parteien umstritten. Eine Kreditkündigung erfolgte bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens nicht. Von den verrechneten Beträgen erstattete die Beklagte noch vor Klageerhebung 6.877,25 DM für die nach Zugang des allgemeinen Verfügungsverbots verrechneten Gutschriften. Der Kläger lässt sich außerdem Abzüge gefallen, soweit die Beklagte zum Ausgleich verrechneter Gutschriften Sicherungsgut freigegeben (120.000 DM) und Pfändungspfandgläubiger der Gemeinschuldnerin befriedigt hat (53.616,34 DM).
Der Kläger hat die Beklagte auf Rückzahlung des Restbetrags i.H.v. 162.045,36 DM in Anspruch genommen. Er ist der Ansicht, die Beklagte habe durch die darüber hinausgehende Verringerung des Sollstandes eine inkongruente Deckung erlangt. Die Kontoüberziehung sei zumindest stillschweigend genehmigt worden. Durch Schreiben v. 24.7.1997 habe die Beklagte zudem einen Kreditrahmen von 580.000 DM eingeräumt, der fortan eingehalten worden sei. Ohne vorangegangene Kündigung habe die Beklagte deshalb eingehende Gelder nicht zu ihren Gunsten verrechnen dürfen. Spätestens im Mai 1997 sei der Beklagten auch die Zahlungseinstellung der Gemeinschuldnerin bekannt gewesen.
Die Beklagte meint hingegen, die den ausdrücklich gebilligten Kreditrahmen von 500.000 DM übersteigende Kontoüberziehung sei lediglich geduldet, eine Kreditkündigung deshalb nicht notwendig gewesen. Eine Zahlungseinstellung der Gemeinschuldnerin habe im Anfechtungszeitraum nicht vorgelegen, jedenfalls habe die Beklagte davon erst mit Zugang des allgemeinen Verfügungs- und Veräußerungsverbotes am 1.8.1997 Kenntnis erlangt.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Rückzahlungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg; sie führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
I.
Das Berufungsgericht hat nach Beweisaufnahme angenommen, dass die Gemeinschuldnerin spätestens am 1.7.1997 die Zahlungen eingestellt habe. Aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme habe es aber keine Klarheit darüber gewonnen, ob und in welcher Höhe der Sollstand durch Kreditvereinbarungen gedeckt oder von der Beklagten genehmigt worden sei. Es hat deshalb offen gelassen, ob die Beklagte durch die angefochtenen Verrechnungen eine inkongruente Deckung erlangt hat. Jedenfalls habe die Beklagte bewiesen, dass sie von der Zahlungseinstellung der Gemeinschuldnerin und deren etwaiger Begünstigungsabsicht keine Kenntnis gehabt habe.
II.
Dies hält den Angriffen der Revision nicht stand. Nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand kann ein Anspruch des Klägers nach § 37 Abs. 1, § 30 Nr. 2 KO nicht ausgeschlossen werden.
1. Das Berufungsgericht ist bei der Beurteilung der Inkongruenz allerdings von zutreffenden rechtlichen Grundsätzen ausgegangen. Ein Anspruch der Bank, Gutschriften mit dem Saldo eines debitorisch geführten Girokontos zu verrechnen und insoweit ihre eigene Forderung zu befriedigen, besteht nur dann, wenn sie zum jeweiligen Zeitpunkt der Verrechnung Rückzahlung des Kredits verlangen kann. Fehlt es an einer Kündigung, so ist dies nur der Fall, wenn gar kein Kreditvertrag geschlossen worden ist. Allerdings kann auch eine Überziehung vertraglich vereinbart werden, mit der Folge, dass ein fälliger Anspruch der Bank erst nach Kündigung entsteht (BGH v. 14.4.1992 - XI ZR 196/91, BGHZ 118, 126 [129 f.] = MDR 1992, 667; v. 22.1.1998 - IX ZR 99/97, BGHZ 138, 40 [47] = MDR 1998, 481). Eine solche Vereinbarung kann auch konkludent zu Stande kommen (BGH, Urt. v. 17.6.1999 - IX ZR 62/98, MDR 1999, 1154 = WM 1999, 1577 [1578], m.w.N.). Fehlt es hingegen an einer Vereinbarung, wird die Überziehung aber dennoch nicht sogleich zurückgefordert, so liegt eine bloße Duldung vor, die dem Kunden kein Recht zur Inanspruchnahme der Kreditsumme gibt. Vielmehr kann die Bank Rückzahlung verlangen, ohne zuvor kündigen zu müssen (BGH v. 29.1.1979 - II ZR 148/77, BGHZ 73, 207 [209]).
a) Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht die Frage der Inkongruenz offen gelassen. Das Berufungsgericht hat durch Vernehmung des Zeugen F. Beweis zu der Frage erhoben, ob die Überziehung des Girokontos im Anfechtungszeitraum mit Genehmigung der Beklagten erfolgt oder von dieser nur geduldet worden ist. Es hat dabei übersehen, dass die Beweisfrage sich nach dem maßgeblichen Vorbringen der Beklagten nicht gestellt hat. Denn bei vollständiger und zutreffender Würdigung musste, worauf die Revision zu Recht hinweist, dem Vorbringen der Beklagten das Geständnis (§ 288 ZPO) entnommen werden, dass jedenfalls zu Beginn des Anfechtungszeitraums die Gemeinschuldnerin im Einvernehmen mit der Beklagten das Girokonto bis zur Höhe von 750.000 DM in Anspruch nehmen durfte.
aa) Die Beklagte hat in ihrem Schriftsatz v. 14.7.1998 erläutert, dass die im Juli 1997 gegen Zahlung von 120.000 DM erfolgte Freigabe von sicherungsübereigneten Lastwagen keine Verwertung von Sicherheiten dargestellt habe. Zu einer solchen sei "die Beklagte wegen des nicht gekündigten Kredits auch nicht berechtigt gewesen". Dies kann nicht anders verstanden werden, als dass auch nach Ansicht der Beklagten der zu diesem Zeitpunkt bestehende Kontostand genehmigt gewesen ist. Der Kläger hat unwidersprochen behauptet, das Konto habe am 1.7.1997 einen Sollstand von 768.346,47 DM und am 15.7.1997 einen Sollstand von 702.168,92 DM aufgewiesen.
Dementsprechend hat die Beklagte in ihrer Berufungserwiderung vorgetragen: "Die vereinbarte Kreditlinie (750.000 DM) war v. 30.5. bis zum 6.6.1997 um rund 30.000 DM überzogen worden." In demselben Schriftsatz hat die Beklagte mitgeteilt, dass Anfang 1997 beabsichtigt gewesen sei, ein Darlehen über 500.000 DM zu gewähren, durch welches neue Liquidität i.H.v. 250.000 DM habe zugeführt und in derselben Höhe "die seinerzeit bestehende Kreditlinie von 750.000 DM auf 500.000 DM" habe reduziert werden sollen.
Der Kläger hatte zuvor in seinem Schriftsatz v. 23.6.1998 behauptet, die Beklagte habe der Gemeinschuldnerin "einen ungekündigten Kontokorrentkredit eingeräumt." In der Berufungsbegründung hat er dies bekräftigt und behauptet: "Die Beklagte hatte der Gemeinschuldnerin einen Kontokorrentkredit eingeräumt, der zu keinem Zeitpunkt zwischen dem 30.5. und dem 31.7.1997 über den genehmigten Rahmen hinaus in Anspruch genommen wurde."
Der Vortrag der Beklagten stimmt also - zumindest bis zur Höhe von 750.000 DM - mit demjenigen des Klägers überein und muss deshalb als Geständnis behandelt werden. Das Vorliegen eines Geständnisses kann auch in der Revisionsinstanz erstmalig geprüft werden (BGH, Urt. v. 20.10.1999 - VIII ZR 335/98, MDR 2000, 258 = WM 2000, 479 [481]; v. 13.2.1996 - XI ZR 148/95, MDR 1996, 1067 = WM 1996, 1153 [1154], m.w.N.). Der Geständnisvortrag enthält hier nicht nur Tatsachen, wie es gesetzlich vorgesehen ist, sondern auch Rechtsbegriffe ("Kreditlinie"). Dies ist jedoch unerheblich, weil den zitierten Äußerungen mit hinreichender Deutlichkeit entnommen werden kann, dass beide Parteien übereinstimmend den Sachverhalt einer genehmigten Kreditüberziehung vorgetragen haben (BGH, Urt. v. 25.6.1974 - VI ZR 18/73, NJW 1974, 1865 [1866]; v. 26.3.1981 - IVa ZR 141/80, MDR 1981, 829 = WM 1981, 744 [745]).
bb) Erst in Reaktion auf den Hinweisbeschluss des Berufungsgerichts v. 28.3.2000 hat die Beklagte ihren Vortrag geändert und mit Schriftsatz v. 17.4.2000 behauptet, eine über 500.000 DM hinausgehende Kreditlinie sei zu keiner Zeit gewährt worden. Der abweichende frühere Vortrag beruhe auf einem Irrtum. Mit Schriftsatz v. 20.6.2000 hat die Beklagte weiter behauptet, die Überziehung bis zu 750.000 DM sei im Vorgriff auf ein beabsichtigtes Betriebsmitteldarlehen, das aber nicht zu Stande gekommen sei, zugelassen worden.
Dies erfüllt indes nicht die Voraussetzungen eines Widerrufs gem. § 290 ZPO. Der Gestehende ist grundsätzlich an sein Geständnis gebunden und kann sich davon nur lösen, indem er beweist, dass das Geständnis auf einem Irrtum beruht hat und die zugestandene Tatsache unwahr ist (BGHZ 37, 154 [155]; Musielak/Huber, ZPO, 4. Aufl., § 290 Rz. 2). Ob der Irrtum verschuldet oder unverschuldet gewesen ist, ist unerheblich (RGZ 11, 405 [408]; Prütting in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 290 Rz. 5).
Auf Grund der Feststellungen des Berufungsgerichts, die für den Senat bindend sind, hat die Beklagte den Beweis der Unwahrheit des Zugestandenen nicht geführt. Das OLG hat die Beweisaufnahme mit der Beurteilung abgeschlossen, dass angesichts der Unklarheiten der Aussage F. auch die urkundlichen Beweisstücke die klare Feststellung, dass die Rückzahlungen auf fällige oder nicht fällige Kreditschulden erfolgt sind, also kongruente oder nicht kongruente Deckungen bewirkt haben, nicht zuließen. Diese Würdigung ist von Seiten der Beklagten nicht angegriffen worden und begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
b) Angesichts des Geständnisses ist davon auszugehen, dass die Gemeinschuldnerin im Anfechtungszeitraum zur Ausnutzung einer Kreditlinie von zunächst 750.000 DM befugt gewesen ist. Dem Wortlaut des Schreibens v. 24.7.1997 dürfte ferner zu entnehmen sein, dass spätestens seit diesem Tag ein Kreditrahmen von 580.000 DM genehmigt gewesen ist. Die Gemeinschuldnerin hat diese Kreditlinie in der Folgezeit möglicherweise eingehalten.
Daraus folgt allerdings - wie die Revisionserwiderung mit Recht geltend macht - noch nicht zwingend die Inkongruenz der Verrechnungen. Führt die Bank nämlich den Girovertrag und die Kontokorrentabrede fort und gestattet sie dem Kunden im Rahmen dieser vertraglichen Vereinbarungen, den durch die Verrechnungen vergrößerten Kreditrahmen in einem engen zeitlichen Zusammenhang erneut für eigene Zwecke in Anspruch zu nehmen, lässt sie also weiterhin Verfügungen des Kunden zu und hält auf diese Weise die Kreditlinie offen, so handelt sie vertragsgemäß und erhält damit kongruente Deckung (BGH v. 7.3.2002 - IX ZR 233/01, BGHZ 150, 122 [129]; Urt. v. 25.2.1999 - IX ZR 353/98, MDR 1999, 818 = WM 1999, 781 [782 f.]; v. 25.1.2001 - IX ZR 6/00, MDR 2001, 761 = BGHReport 2001, 620 = WM 2001, 689 [691]; v. 17.6.2004 - IX ZR 2/01, MDR 2004, 1381 = BGHReport 2004, 1458 = ZInsO 2004, 854 [855]).
Dies ist hier indes nicht der Fall. Der Kläger hat vorgetragen, dass die Beklagte seit 2.6.1997 keine Verfügungen der Gemeinschuldnerin mehr zugelassen und nur noch auf Pfändungen bezahlt habe. Die Beklagte hat dies nicht bestritten, sondern lediglich erklärt, dies sei "vorübergehend" geschehen, ohne den Zeitrahmen zu bezeichnen.
2. Auch die Würdigung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe den in § 30 Nr. 2 KO vorgesehenen Gegenbeweis, dass ihr weder die Zahlungseinstellung noch eine etwaige Begünstigungsabsicht der Gemeinschuldnerin bekannt gewesen sei, geführt, beruht auf durchgreifenden Rechtsfehlern.
a) Wie die Revision zu Recht rügt, ist das Berufungsgericht in Bezug auf die Kenntnis von einer Begünstigungsabsicht von einem unzutreffenden Beweismaßstab ausgegangen.
War der Gemeinschuldner an der angefochtenen Rechtshandlung nicht beteiligt, so ist es nicht sinnvoll, bei der Prüfung der Anfechtungsvoraussetzungen des § 30 Nr. 2 KO auf seine Begünstigungsabsicht abzustellen. Dies hat der Senat in erweiternder Auslegung der Anfechtungsnorm zunächst für die Anfechtung von Vollstreckungsmaßnahmen ausgesprochen (BGH v. 15.12.1994 - IX ZR 24/94, BGHZ 128, 196 [197 f.] = MDR 1995, 811) und später auf die Anfechtung von Verrechnungen, die als einseitige Rechtshandlungen des Gläubigers regelmäßig ohne Zutun des Gemeinschuldners vollzogen werden, ausgedehnt (BGH v. 22.1.1998 - IX ZR 99/97, BGHZ 138, 40 [48] = MDR 1998, 481; Urt. v. 17.6.1999 - IX ZR 62/98, MDR 1999, 1154 = WM 1999, 1577 [1579]). Entgegen der mit der Revisionserwiderung vorgetragenen Auffassung der Beklagten gilt dies, wie sich aus der in BGHZ 138, 40 (BGH v. 22.1.1998 - IX ZR 99/97, BGHZ 138, 40 = MDR 1998, 481) abgedruckten Senatsentscheidung ergibt, auch für Verrechnungen auf einem im Kontokorrent geführten Girokonto. Die Anfechtung scheidet in diesem Fall nur dann aus, wenn der Anfechtungsgegner im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Rechtshandlung der sicheren Überzeugung war, das Vermögen des Gemeinschuldners werde zur vollen Befriedigung aller seiner Gläubiger ausreichen oder der Gemeinschuldner werde die dafür erforderlichen Mittel in absehbarer Zeit erhalten. Hatte der Anfechtungsgegner diese Überzeugung nicht, hat er vielmehr mit der Möglichkeit gerechnet, dass andere Gläubiger leer ausgehen, ist die in § 30 Nr. 2 KO vorausgesetzte Kenntnis des Anfechtungsgegners vorhanden (BGH v. 15.12.1994 - IX ZR 24/94, BGHZ 128, 196 [203] = MDR 1995, 811, m.w.N.). Indem es den Nachweis der Nichtkenntnis der Zahlungseinstellung hat ausreichen lassen, hat das Berufungsgericht den Gegenbeweis in einer dem Sinn der Norm nicht entsprechenden Weise erleichtert.
b) Das Berufungsurteil beruht auf diesem Rechtsfehler. Das Berufungsgericht hätte bei Anwendung des richtigen Bewertungsmaßstabs auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen den Entlastungsbeweis nicht als geführt ansehen dürfen.
Das Berufungsgericht hat sich maßgeblich auf den Umstand gestützt, dass die Beklagte noch am 24.7.1997 den zur Sicherheit übereigneten Fuhrpark der Gemeinschuldnerin gegen Zahlung von 120.000 DM rückübereignet hat. Ferner hat es sich auf den Zeugen F. berufen, der bekundet hat, dass die im Juni 1997 erfolgten Pfändungen der AOK und der Finanzbehörden keine Veranlassung gegeben hätten, eine Zahlungseinstellung anzunehmen; hieraus hat das Berufungsgericht geschlossen, dass der Beklagten das wahre Ausmaß der Verschuldung glaubhafterweise unbekannt gewesen sein könne.
Ob die gegen die Beweiswürdigung gerichteten Rügen der Revision begründet sind, kann dahinstehen. Jedenfalls lassen die genannten Beweistatsachen den Schluss auf die Zahlungsfähigkeit der Gemeinschuldnerin nicht zu, zumal verschiedene Indizien dafür sprechen, dass die Beklagte zumindest damit gerechnet hat, dass die Mittel der Gemeinschuldnerin nicht für alle Gläubiger ausreichen. So hat sie es zu Beginn des Jahres 1997 abgelehnt, den Kredit der Gemeinschuldnerin auszuweiten. Aus diesem Vorgang war ihr also sowohl der Liquiditätsbedarf als auch das Fehlen weiterer Sicherheiten bekannt. Nach dem Vortrag des Klägers ließ sie wegen Kontopfändungen außerdem bereits seit 2.6.1997 zumindest vorübergehend keine Verfügungen der Gemeinschuldnerin über das Girokonto mehr zu. Schließlich wusste sie von den beträchtlichen Forderungen der AOK und der Finanzbehörden, die im Juni 1997 zu Pfändungen geführt hatten und die die Gemeinschuldnerin nur zu einem geringen Teil hatte begleichen können. Zwar hat die Beklagte auf der anderen Seite im Juli 1997 das zur Sicherung übertragene Eigentum an den Fahrzeugen gegen Zahlung von 120.000 DM an die Gemeinschuldnerin rückübertragen. Dies lässt aber in Anbetracht der anderen Umstände nicht darauf schließen, dass die Beklagte von der Zahlungsfähigkeit der Gemeinschuldnerin überzeugt gewesen ist. Tatsachen, die es gleichwohl möglich erscheinen ließen, dass die Gemeinschuldnerin alle Gläubiger befriedigen könne, hat die Beklagte nicht vorgetragen.
III.
Das Berufungsurteil ist deshalb aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 564 Abs. 1, § 565 Abs. 1 S. 1 ZPO a.F.).
1. Der Senat ist an einer eigenen Sachentscheidung schon deshalb gehindert, weil die zur Berechnung des - nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand bestehenden - anfechtungsrechtlichen Rückgewähranspruchs notwendigen Daten nicht vorliegen. Weder dem Berufungsurteil noch der Akte können die genauen Kontostände entnommen werden, die zum Zeitpunkt der im Anfechtungszeitraum erfolgten Verrechnungen bestanden haben. Eine Kontoverdichtung fehlt ebenso wie detaillierter Parteivortrag. Die vom Kläger als Anlage zum Schriftsatz v. 31.5.2000 vorgelegte Kontoübersicht lässt nur die grobe Kontoentwicklung erkennen, nicht aber die jeweiligen Kontostände zum Zeitpunkt der angefochtenen Verrechnungen. Aus der Übersicht ist zu ersehen, dass zu Beginn des Anfechtungszeitraums die von der Beklagten zugestandene Kreditlinie überschritten war. Dies hätte zur Folge, dass Verrechnungen in dieser Phase eine kongruente Deckung bewirkt hätten. Auf welche der in der Anlage zur Klageschrift genannten Verrechnungen dies zutrifft, kann der Kontoübersicht allerdings nicht entnommen werden.
2. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung fehlt es auch nicht an einer objektiven Gläubigerbenachteiligung, soweit die Gemeinschuldnerin gegen Bareinzahlung von 120.000 DM auf das Konto die Freigabe der der Beklagten sicherungsübereigneten Lastwagen erwirkt hat. Zwar scheidet eine Gläubigerbenachteiligung aus, wenn der Schuldner ein Absonderungsrecht durch Zahlung ablöst, soweit deren Höhe den Erlös nicht überschreitet, den der Absonderungsberechtigte bei einer Verwertung des mit dem Absonderungsrecht belasteten Gegenstands hätte erzielen können (BGH, Urt. v. 17.6.2004 - IX ZR 124/03, MDR 2004, 1317 = BGHReport 2004, 1456 = ZIP 2004, 1509 [1511]). Die den Verkehrswert des Sicherungsguts jedenfalls nicht übersteigende Zahlung hat der Kläger jedoch bereits bei der Berechnung der Klagesumme in Abzug gebracht. Die Beklagte hat auch nicht behauptet, dass sie mit der Schuldnerin die Freigabe nur deshalb vereinbart habe, damit sie im Gegenzug die Gutschriften verrechnen könne. Freigabe und Verrechnung wurden nicht zu einer rechtlichen Einheit verknüpft, so dass sie nicht zusammen gesehen werden können, sondern getrennt zu beurteilen sind.
3. Aus dem Berufungsurteil geht nicht klar hervor, ob das Berufungsgericht als Tag der Zahlungseinstellung den 1.6.1997 oder den 1.7.1997 festgestellt hat. Dies wird ggf. klarzustellen sein. Außerdem gibt die Zurückverweisung Gelegenheit, sich mit den Gegenrügen der Revisionserwiderung zur Zahlungseinstellung zu befassen.
Fundstellen
DB 2005, 1271 |
DStZ 2005, 319 |
BGHR 2005, 810 |
EWiR 2005, 713 |
WM 2005, 319 |
ZIP 2005, 585 |
DZWir 2005, 333 |
InVo 2005, 307 |
MDR 2005, 834 |
ZInsO 2005, 373 |
ZBB 2005, 143 |
ZVI 2005, 312 |
NJOZ 2005, 1648 |