Leitsatz (amtlich)
Beim Weiterverkauf eines Grundstücks unter Gewährleistungsausschluss ist für eine Verpflichtung zur Abtretung von Gewährleistungsansprüchen gegen den Erstverkäufer im Wege ergänzender Vertragsauslegung nur dann Raum, wenn besondere Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Gewährleistungsausschluss dem Zweitkäufer Ansprüche gegen den Erstverkäufer nicht vorenthalten sowie den Erstkäufer wegen etwaiger Mängel nicht abschließend entlasten und vor unvorhersehbaren Rückwirkungen einer Inanspruchnahme des Erstverkäufers schützen sollte (Abgrenzung zum BGH, Urt. v. 20.12.1996 - V ZR 259/95, MDR 1997, 328 = NJW 1997, 652).
Normenkette
BGB § 157
Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 20.06.2003) |
LG Wiesbaden (Urteil vom 15.10.2002) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 2. Zivilsenats des OLG Frankfurt am Main v. 20.6.2003 aufgehoben.
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des LG Wiesbaden v. 15.10.2002 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren tragen die Kläger.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Kläger erwarben im Mai 2001 von den Beklagten ein Grundstück unter Ausschluss der Sachmängelgewährleistung. Das darauf befindliche Einfamilienhaus hatten diese von einem Architektenehepaar (nachfolgend: Erstverkäufer) errichten lassen und 1992 gemeinsam mit dem Grundstück erworben.
Bei Bezug des Hauses im September 2001 stellten die Kläger Feuchtigkeitsschäden im Kellergeschoss fest. Sie behaupten unter Vorlage eines Privatgutachtens, diese beruhten darauf, dass wesentliche Bauteile des Hauses abweichend von den genehmigten Plänen und zudem fehlerhaft ausgeführt worden seien. Die Mängel müssten zwar nicht den Beklagten, wohl aber den Erstverkäufern bekannt gewesen sein. Daher stünden den Beklagten unverjährte Gewährleistungsansprüche gegen die Erstverkäufer zu.
Die auf Abtretung dieser Ansprüche sowie Herausgabe einer Kopie des Kaufvertrags mit den Erstverkäufern gerichtete Klage ist vor dem LG erfolglos geblieben. Auf die Berufung der Kläger sind die Beklagten im Wesentlichen antragsgemäß verurteilt worden. Mit der von dem OLG zugelassenen Revision erstreben die Beklagten die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht meint, ein Anspruch der Kläger auf Abtretung der den Beklagten gegen die Erstverkäufer zustehenden Ansprüche folge aus einer ergänzenden Auslegung des Kaufvertrags. Die Parteien hätten bei dessen Abschluss nicht bedacht, dass Mängel vorhanden sein könnten, für die die Erstverkäufer noch einstehen müssten. Bei Einbeziehung dieses Aspekts hätten sich die Beklagten nach Treu und Glauben auf eine Abtretung ihrer Gewährleistungsansprüche einlassen müssen. Ob die behaupteten Mängel tatsächlich vorlägen, könne dahinstehen. Da die vertragliche Regelungslücke lediglich die Möglichkeit betreffe, dass Mängel aufträten, die Ansprüche gegen die Erstverkäufer begründeten, seien die Beklagten schon dann zur Abtretung verpflichtet, wenn diese Möglichkeit ernsthaft bestehe; hiervon sei nach dem Vorbringen der Kläger auszugehen.
II.
Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.
1. Zwar gehört die ergänzende Vertragsauslegung grundsätzlich in den Bereich tatrichterlicher Feststellungen und ist deshalb revisionsrechtlich nur darauf nachprüfbar, ob das Berufungsgericht Auslegungs- und Ergänzungsregeln oder Denk- oder Erfahrungssätze verletzt oder wesentliche Umstände unbeachtet gelassen hat (BGH v. 30.3.1990 - V ZR 113/89, BGHZ 111, 110 [115] = MDR 1990, 908; Urt. v. 12.12.1997 - V ZR 250/96, MDR 1998, 490 = NJW 1998, 1219 [1220]; Urt. v. 17.4.2002 - VIII ZR 297/01, BGHReport 2002, 1037 = WM 2002, 1229 [1230]). Ein solcher Rechtsfehler ist dem Berufungsgericht aber unterlaufen.
a) Nicht zu beanstanden ist allerdings, dass das Berufungsgericht die Voraussetzungen, unter denen der Senat mit Urteil v. 20.12.1996 (BGH v. 20.12.1996 - V ZR 259/95, MDR 1997, 328 = NJW 1997, 652) eine Verpflichtung zur Abtretung etwaiger Gewährleistungsansprüche des Verkäufers gegen den Erstverkäufer im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung angenommen hat, nicht für gegeben hält. Denn anders als in dem der Senatsentscheidung zu Grunde liegenden Fall, geht es hier nicht um ein das "allgemeine Mängelrisiko" übersteigendes "zusätzliches Risiko" einer Bodenbelastung durch Schadstoffe, das zu regeln die Parteien nicht bedacht haben. Fehlerfrei geht das Berufungsgericht vielmehr davon aus, dass die Qualität der behaupteten Mängel den Rahmen des von den Parteien erwarteten und geregelten Risikos nicht übersteigt.
b) Dem Berufungsgericht ist dagegen nicht auch darin zu folgen, aus dem Umstand, dass keine der Parteien vorgetragen habe, eine mögliche Haftung der Erstverkäufer sei Gegenstand der Vertragsverhandlungen gewesen, könne auf eine Regelungslücke des Vertrags geschlossen werden. Fehlender Vortrag indiziert ebenso wenig eine Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit (vgl. BGH v. 21.9.1994 - XII ZR 77/93, BGHZ 127, 138 [142] = MDR 1994, 1211) wie die Tatsache, dass der Vertrag für eine bestimmte Fallgestaltung keine Regelung enthält. Von einer planwidrigen Unvollständigkeit kann nur gesprochen werden, wenn der Vertrag aufgrund einer an objektiven Maßstäben orientierten Bewertung des Inhalts der getroffenen Vereinbarung und der daraus abgeleiteten Rechtsfolge (BGH, Urt. v. 12.2.1998 - V ZR 250/96, MDR 1998, 490 = NJW 1998, 1219) eine Bestimmung vermissen lässt, die erforderlich ist, um den ihm zu Grunde liegenden Regelungsplan der Parteien zu verwirklichen (vgl. BGH v. 1.2.1984 - VIII ZR 54/83, BGHZ 90, 69 [74] = MDR 1984, 750; BGHZ 77, 301 [304]; Staudinger/Roth, BGB, 2003, § 157 Rz. 15). Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass die Parteien mit der getroffenen Regelung ein bestimmtes Ziel erreichen wollten, dies aber wegen der Lückenhaftigkeit des Vereinbarten nicht gelungen ist (BGH, Urt. v. 14.11.2003 - V ZR 346/02, BGHReport 2004, 425). Hingegen darf die ergänzende Vertragsauslegung nicht herangezogen werden, um einem Vertrag aus Billigkeitsgründen einen zusätzlichen Regelungsgehalt zu verschaffen, den die Parteien objektiv nicht vereinbaren wollten (BGH BGHZ 77, 301 [304]; BGHZ 40, 91 [103]).
c) Bei einem Grundstückskaufvertrag ist das Regelungskonzept der Vertragsschließenden meist auf den Leistungsaustausch und darauf gerichtet, die Haftung des Verkäufers für mögliche Sachmängel zu begrenzen. Bestimmungen zur Haftung Dritter und der Abtretung etwaiger Ansprüche gegen sie sind zur Verwirklichung dieser Ziele in der Regel nicht erforderlich. Haben die Parteien die Gewährleistung für ein bebautes Grundstück - wie hier - ausgeschlossen, so wird damit das "allgemeine Mängelrisiko" auf den Käufer verlagert. Der Verkäufer soll wegen für möglich gehaltener Mängel nach Gefahrübergang nicht mehr in Anspruch genommen werden können, die Angelegenheit insoweit für ihn "erledigt" sein. Dieses Regelungskonzept schließt zwar eine Abtretung von Gewährleistungsansprüchen des Verkäufers gegen den Erstverkäufer nicht aus, erfordert es aber auch nicht in dem Sinne, dass das Fehlen der Abtretung die Regelung lückenhaft sein ließe. Von einer Lücke kann nur dann gesprochen werden, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Verlagerung des allgemeinen Mängelrisikos auf den Käufer diesem Ansprüche gegen den Erstverkäufer nicht vorenthalten und den Verkäufer nicht abschließend wegen etwaiger Mängel entlasten sollte. Einen solchen Anhaltspunkt hat der Senat in der Entscheidung v. 20.12.1996 in dem bei Vertragsabschluss nicht für möglich gehaltenen zusätzlichen Risiko einer Bodenbelastung durch Schadstoffe gesehen. Einen vergleichbaren tatsächlichen Anhaltspunkt gibt es hier jedoch nicht. Allein die rechtliche Überlegung, dass die Rechtsstellung des Käufers nicht schwächer als möglich ausgestaltet und der Erstverkäufer nicht begünstigt werden dürfe, genügt als Billigkeitserwägung nicht zur Begründung einer Regelungslücke. Sie berücksichtigt nicht das berechtigte Interesse des Verkäufers, über eine Verfolgung von Gewährleistungsansprüchen gegenüber dem Erstverkäufer selbst entscheiden zu können, vor unvorhersehbaren Rückwirkungen einer Inanspruchnahme des Erstverkäufers durch den Zweitkäufer verschont zu bleiben und nicht in Rechtsstreitigkeiten zwischen beiden einbezogen zu werden. In diesem Zusammenhang kann hier nicht unberücksichtigt bleiben, dass sich die Beklagten nach den Feststellungen des Berufungsgerichts vorgerichtlich zu einer Zession nur bereit erklärt haben, sofern sie selbst abschließend von einer Inanspruchnahme freigestellt werden, weil dieses Verhalten Rückschlüsse auf ihren tatsächlichen Willen bei Vertragsschluss zulässt. Widerstreiten aber in Bezug auf eine mögliche Inanspruchnahme des Erstverkäufers durch den Zweitkäufer die Interessen von Zweitkäufer und Zweitverkäufer, so kann auf Grund einer an objektiven Maßstäben orientierten Bewertung des Inhalts der getroffenen Vereinbarung ohne weitere Anhaltspunkte nicht auf eine Lückenhaftigkeit des Vereinbarten geschlossen werden. Damit scheidet eine ergänzende Vertragsauslegung aus mit der Folge, dass es bei der gesetzlichen Regelung verbleibt.
2. Nach den hier maßgeblichen, in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung anwendbaren gesetzlichen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (Art. 229 § 5 S. 1 EGBGB) sind die Beklagten, wie auch das Berufungsgericht nicht verkennt, zu einer Abtretung etwaiger Ansprüche gegen die Erstverkäufer nicht verpflichtet. Eine solche Verpflichtung folgt insbesondere nicht aus § 281 BGB a. F. Bei einem im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits vorhandenen Mangel der Kaufsache liegt, ungeachtet der Frage, ob behebbare Mängel überhaupt geeignet sind, eine (Teil-)Unmöglichkeit zu begründen (vgl. dazu Staudinger/Honsell, BGB,1995, Vorbem. zu §§ 459 ff. Rz. 19; Westermann in MünchKomm/BGB, 3. Aufl., § 459 Rz. 3; Erman/Battes, BGB, 10. Aufl., § 281 Rz. 6), jedenfalls kein Fall der - von § 281 BGB a. F. allein erfaßten - nachträglichen Unmöglichkeit vor (vgl. Staudinger/Honsell, BGB,1995, Vorbem. zu §§ 459 ff. Rz. 25). Demgemäß stellt sich - anders als bei einer nachträglichen Verschlechterung der Kaufsache - nach Gefahrübergang auch nicht die Frage, ob ein einmal begründeter, zu den allgemeinen Bestimmungen über Leistungsstörungen zählender Anspruch aus § 281 BGB neben den Regeln über die Sachmängelgewährleistung fortbestehen kann (offen gelassen von BGH v. 8.3.1991 - V ZR 351/89, BGHZ 114, 34 [37] = MDR 1991, 633). Vielmehr verbleibt es bei dem vom BGH in ständiger Rechtsprechung angewandten Grundsatz, dass die Vorschriften über die Sachmängelgewährleistung beim Kauf nach Gefahrübergang als besondere und abschließende Regelung die allgemeinen Bestimmungen über Leistungsstörungen ausschließen (vgl. BGH v. 18.1.1991 - V ZR 11/90, BGHZ 113, 232 [235] = MDR 1991, 516; BGHZ 60, 319 [320]; BGHZ 10, 242 [248 f.]).
Da eine Grundlage für die verlangte Abtretung somit fehlt, war das Berufungsurteil aufzuheben und die Berufung der Kläger gegen das klageabweisende Urteil erster Instanz zurückzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 1128769 |
DB 2004, 1610 |
DStZ 2004, 847 |
NJW 2004, 1873 |
BGHR 2004, 799 |
DWW 2004, 132 |
EBE/BGH 2004, 3 |
DNotI-Report 2004, 70 |
EWiR 2004, 1163 |
IBR 2004, 351 |
JurBüro 2004, 623 |
WM 2004, 2125 |
ZIP 2004, 955 |
DNotZ 2004, 779 |
MDR 2004, 869 |
Info M 2004, 30 |
NotBZ 2004, 188 |
RÜ 2004, 284 |
ZGS 2004, 165 |
ZNotP 2004, 439 |
ARCONIS & BIS 2004, 53 |
BauRB 2004, 222 |
JWO-VerbrR 2004, 122 |