Entscheidungsstichwort (Thema)
Weiterbenutzungsrecht für im Ausland hergestellte im Inland weiterverarbeitete Erfindung. Schutzwürdiger Besitzstand bei Aufwendung besonderer Mittel in Weiterverarbeitung. Unbillige Härte
Leitsatz (amtlich)
a) Auch demjenigen, der ein im Ausland hergestelltes erfindungsgemäßes Erzeugnis im Inland weiterverarbeitet hat, steht ein Weiterbenutzungsrecht grundsätzlich nur unter den Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 ErstrG zu.
b) Ein schutzwürdiger Besitzstand im Sinne des § 28 Abs. 2 ErstrG ist regelmäßig dann zu bejahen, wenn der Benutzer über den Import und den eventuellen Vertrieb des importierten Erzeugnisses hinaus personelle, sachliche oder finanzielle Mittel zur Weiterverarbeitung des Erzeugnisses, zu seiner Eingliederung in eine größere wirtschaftliche oder technische Einheit oder zur wirtschaftlich-organisatorischen Absicherung seines Vertriebs aufgewandt hat, deren Nichtberücksichtigung eine unbillige Härte darstellen würde.
Normenkette
ErstrG § 28
Verfahrensgang
OLG München (Urteil vom 23.03.2000) |
LG München I |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das am 23. März 2000 verkündete Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zu anderweiter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des deutschen Teils des am 10. Dezember 1979 angemeldeten und im Verlaufe des Berufungsverfahrens durch Zeitablauf erloschenen europäischen Patents 12 401 (Anl. K 51). Sie nimmt die Beklagte, die aus einem Volkseigenen Betrieb der DDR hervorgegangen ist, wegen Verletzung dieses Patents in Anspruch.
Das Klagepatent betrifft Carboxyalkyldipeptid-Derivate und Verfahren zu ihrer Herstellung. Zu den geschützten Verbindungen gehört das in Anspruch 4 gesondert beanspruchte N-[1(S)-Ethoxycarbonyl-3-phenylpropyl]-L-alanyl-L-prolin oder dessen Maleatsalz. Der internationale Freiname für diese als Hemmstoff des Angiotensin-II-Converting-Enzyms (ACE-Hemmer) blutdrucksenkend wirkende Verbindung ist Enalapril.
Ein Verfahren zu dessen Herstellung war in der DDR zugunsten der Klägerin durch das Patent DD 148 770 (Anl. K 52) geschützt.
Die Rechtsvorgängerin der Beklagten befaßte sich seit 1986 aufgrund der „Staatsplanaufgabe Entwicklung eines Antihypertensivums mit Wirkungsprofil eines ACE-Hemmers” mit der Entwicklung eines entsprechenden Präparats. Im Frühjahr 1988 wurde ihr erstmals der Wirkstoff Enalapril von dem spanischen Unternehmen C. S.A. geliefert. Aufgrund einer ihr am 11. September 1990 vom Ministerium für Gesundheitswesen der DDR erteilten arzneimittelrechtlichen Zulassung vertreibt die Beklagte unter der Bezeichnung „Enalapril 5” einen ACE-Hemmer mit dem Wirkstoff Enalaprilmaleat.
Die Klägerin sieht hierdurch das Klagepatent verletzt; die Beklagte beruft sich auf ein Weiterbenutzungsrecht nach § 28 Abs. 1 ErstrG. Sie habe vor dem 1. Juli 1990 die Erfindung in der DDR rechtmäßig in Benutzung genommen, indem sie von C. Enalaprilmaleat bezogen und zu einem Arzneimittel formuliert und konfektioniert habe, das nicht nach einem durch das DDR-Patent 148 770 geschützten Verfahren, sondern vielmehr nach einem als Phosgen-Verfahren bezeichneten Verfahren in folgenden fünf Stufen hergestellt worden sei:
1. Stufe: |
Ethyl-ß-Benzoilacrylat wird mit einem Metallsalz von L-Alanin zu N-[1(S)-Ethoxycarbonyl-3-Phenyl-3-Oxopropyl]-L-Alanin umgesetzt. |
2. Stufe: |
N-[1(S)-Ethoxycarbonyl-3-Phenyl-3-Oxopropyl]-L-Alanin wird mit Wasserstoff zu N-[1(S)-Ethoxycarbonyl-3-Phenylpropyl]-L-Alanin umgesetzt. |
3. Stufe: |
N-[1(S)-Ethoxycarbonyl-3-Phenylpropyl]-L-Alanin wird mit Phosgen (COCl(2)) zu dem N-Carboxyanhydrid von N-[1(S)-Ethoxycarbonyl-3-Phenylpropyl]-L-Alanin (im folgenden kurz N-Carboxyanhydrid) umgesetzt. |
4. Stufe: |
Das N-Carboxyanhydrid wird mit „ungeschütztem”) L-Prolin zu Enalapril umgesetzt. |
5. Stufe: |
Enalapril wird mit Maleinsäure zu Enalaprilmaleat umgesetzt. |
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt.
In der Berufungsinstanz hat die Beklagte vorgetragen, das japanische Unternehmen K. Kagaku Kogyo (K. ) habe mit den Verfahrensstufen 1 bis 3 des Phosgen-Verfahrens N-Carboxyanhydrid hergestellt und an das japanische Handelshaus M. Ltd. geliefert, das eine Niederlassung in Spanien unterhalte. Von dieser habe das spanische Pharmazieunternehmen I. S.A. das N-Carboxyanhydrid bezogen und nach den Verfahrensstufen 4 und 5 zu Enalaprilmaleat umgesetzt, das I. an C. und diese wiederum an sie, die Beklagte, geliefert habe.
Das Berufungsgericht hat – nachdem die Parteien den Unterlassungsantrag für erledigt erklärt haben – die Berufung im übrigen nach Beweisaufnahme zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt.
Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht, dem auch die Entscheidung über die Kosten der Revision zu übertragen ist.
Das Berufungsgericht spricht der Klägerin einen Schadensersatzanspruch nach § 139 Abs. 2 PatG zu. Die – unstreitige – Benutzung des Klagepatents sei nicht durch ein Weiterbenutzungsrecht nach § 28 ErstrG gerechtfertigt, zum einen, weil die Beklagte vor dem 1. Juli 1990 keinen schutzwürdigen Besitzstand erworben habe, zum anderen, weil sie nicht bewiesen habe, daß sie die Erfindung vor dem 1. Juli 1990 rechtmäßig in Benutzung genommen habe. Beide Begründungen halten den Angriffen der Revision nicht stand.
I. Die Wirkung eines nach § 1 ErstrG erstreckten Patents tritt nach § 28 Abs. 1 Satz 1 ErstrG gegen denjenigen nicht ein, der die Erfindung in der DDR nach dem Prioritätstag und vor dem 1. Juli 1990 rechtmäßig in Benutzung genommen hat. Eine rechtmäßige Benutzung des Wirkstoffs Enalapril hat das Berufungsgericht im Hinblick auf das DDR-Patent 148 770 verneint, da nach § 12 PatG-DDR 1983 der Schutz eines Herstellungsverfahrens sich auch auf die mit diesem Verfahren unmittelbar hergestellten Erzeugnisse erstreckt habe und die Beklagte, die sich auf ein ausnahmsweise gewährtes Weiterbenutzungsrecht berufe, beweisen müsse, daß das von ihr verwendete Enalapril nach einem Verfahren hergestellt sei, das nicht unter das DDR-Patent der Klägerin falle; dieser Beweis sei ihr nicht gelungen.
1. Der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts ist zwar nicht in der Begründung, wohl aber im Ergebnis zutreffend. Obwohl die rechtmäßige Benutzung zum Tatbestand des § 28 Abs. 1 ErstrG gehört, ist es grundsätzlich Sache des Patentinhabers, darzutun und gegebenenfalls zu beweisen, daß eine Benutzung rechtswidrig ist, weil sie bereits vor der Erstreckung Rechte an einem in der DDR bestehenden Patent verletzte. Beziehen sich jedoch Ansprüche auf Unterlassung oder Schadensersatz auf eine Erfindung, die ein Verfahren zur Herstellung eines neuen Stoffes zum Gegenstand hat, gilt nach § 29 Abs. 2 PatG-DDR 1983 bis zum Beweis des Gegenteils jeder Stoff gleicher Beschaffenheit als nach dem patentierten Verfahren hergestellt. Für die Beurteilung der Neuheit kommt es auf den Prioritätszeitpunkt des Patents an (Bernhardt/Kraßer, Patentrecht, 4. Aufl., S. 566 f.). Hiernach liegt die Beweislast dafür, daß das von ihr bezogene, einen neuen Stoff verkörpernde Enalapril nicht nach dem durch das DDR-Patent geschützten Verfahren hergestellt war, bei der Beklagten.
2. Die von ihm angenommene Beweisfälligkeit der Beklagten hat das Berufungsgericht wie folgt begründet: Die Beklagte habe letztendlich von dem ursprünglich behaupteten Hersteller in Spanien abrücken müssen, es hätten sich unterschiedliche Erläuterungen ergeben, und schließlich seien lediglich Zeugen vom Hörensagen vernommen worden. Selbst wenn man die Aussage des Zeugen S. , in Japan von K. nach dem Phosgen-Verfahren hergestellte Vorprodukte (sc. N-Carboxyanhydrid) seien an I. geliefert worden, als ausreichend unterstelle, sei damit allenfalls ein Verkauf an I. belegt. Für die von den Zeugen O. an sich bekundete Weiterlieferung (sc. des von I. mit L-Prolin zu Enalapril umgesetzten Stoffes bzw. des durch weitere Umsetzung mit Maleinsäure gewonnenen Enalaprilmaleats) an C. fehlten objektive Anhaltspunkte wie Lieferscheine und dergleichen. Da I. nach eigenen Angaben Enalapril nach M. -Patenten (Patenten der Klägerin) hergestellt und zusätzlich „angeblich patentfrei hergestelltes Enalapril” aus Japan importiert habe, sei wenig überzeugend und zweifelhaft, daß I. tatsächlich sichergestellt habe, daß die Beklagte nur patentfreies Material erhalten habe. Das Berufungsgericht hat ferner verschiedene „Details zur Beweiswürdigung” aus den Aussagen weiterer Zeugen angeführt, die als „beispielhaft erwähnt genügen” möchten.
3. Die Revision rügt, das Berufungsgericht nehme offensichtlich an, die Beklagte müsse nachweisen, daß bei der Herstellung des Enalaprilmaleats alle fünf Verfahrensschritte des Phosgen-Verfahrens ausgeführt worden seien; tatsächlich genüge der Nachweis, daß sich das Verfahren jedenfalls in einer Verfahrensstufe – etwa der bei I. vollzogenen Umsetzung des N-Carboxyanhydrids zu Enalapril – von dem Verfahren nach dem DDR-Patent 148 770 unterscheide.
Die Rüge ist nicht begründet. Da das Berufungsgericht sich letztlich darauf stützt, es sei nicht erwiesen, daß I. nicht auch nach dem „M. -Verfahren” hergestelltes, sondern (nur) aus dem aus Japan bezogenen N-Carboxyanhydrid gewonnenes Enalapril an C. geliefert habe, kam es für die Entscheidung nicht darauf an, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang ein anderes Verfahren von der Lehre des Verfahrenspatents Gebrauch machte; eine Patentverletzung ergab sich nach der zugrundeliegenden Rechtsauffassung des Berufungsgerichts bereits daraus, daß bei der Verwendung des „M. -Verfahrens” die patentgemäße Lehre benutzt wurde.
4. Die Revision meint weiter, das Berufungsgericht hätte den Aussagen der Zeugen P. und O. entnehmen müssen, daß an die Beklagte seit 1988 ausschließlich Enalaprilmaleat geliefert worden sei, das (von I. ) aus N-Carboxyanhydrid durch Umsetzung mit L-Prolin und Maleinsäure hergestellt worden sei. Zur persönlichen Glaubwürdigkeit der Zeugen habe das Berufungsgericht keine negativen Feststellungen getroffen, so daß ihre Glaubwürdigkeit zugrunde zu legen sei. Das Berufungsgericht habe die Glaubwürdigkeit der Zeugen auch nicht verneinen dürfen, da es diese nicht in der erkennenden Besetzung des Senats vernommen habe. Hinsichtlich der entscheidungserheblichen Aussagen seien P. und O. auch nicht bloße „Zeugen vom Hörensagen”, sondern hätten eigene Kenntnisse bekundet. Soweit das Berufungsgericht dem Zeugen P. eine „Verschleierungstaktik” vorhalte, weil er in einem Schreiben an die Beklagte vom 27. Mai 1994 die Herstellung des Enalapril bei I. nicht offenbart habe, berücksichtige es nicht, daß der Zeuge legitimerweise seine Bezugsquelle habe geheimhalten wollen. Letztlich lehne das Berufungsgericht es generell ab, allein aufgrund von Zeugenaussagen Feststellungen zu treffen, wenn ihre Richtigkeit nicht durch Unterlagen und weitere Anhaltspunkte belegt sei. Das sei unzulässig; zudem habe der Zeuge O. beispielhafte Unterlagen überreicht, die vom Berufungsgericht unvollständig ausgewertet worden seien. Wenn das Berufungsgericht weitere Unterlagen für erforderlich gehalten habe, hätte es von der Möglichkeit Gebrauch machen müssen, den Zeugen gemäß § 378 Abs. 1 ZPO aufzugeben, Aufzeichnungen und Unterlagen zum Beweisthema mitzubringen; insoweit stelle das Berufungsurteil auch eine Überraschungsentscheidung (§ 278 Abs. 3 ZPO) dar.
Diesen Angriffen kann im Ergebnis der Erfolg nicht versagt werden.
a) Nach § 286 Abs. 1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten ist. Diese Würdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters; an dessen Feststellungen ist das Revisionsgericht nach § 561 ZPO (in der nach § 26 Nr. 7 EGZPO hier anwendbaren, bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung) gebunden. Revisionsrechtlich ist indessen zu überprüfen, ob der Tatrichter sich mit dem Prozeßstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (BGH, Urt. v. 11.2.1987 – IVb ZR 23/86, NJW 1987, 1557, 1558; Urt. v. 14.1.1993 – IX ZR 238/91, NJW 1993, 935, 937). Der revisionsrechtlichen Überprüfung unterliegt ferner das Beweismaß. Nach § 286 ZPO hat der Tatrichter ohne Bindung an Beweisregeln die Entscheidung zu treffen, ob er an sich mögliche Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Sachverhalt als wahr überzeugen kann. Jedoch setzt das Gesetz eine von allen Zweifeln freie Überzeugung nicht voraus. Das Gericht darf keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen und keine unumstößliche Gewißheit bei der Prüfung verlangen, ob eine Behauptung wahr und erwiesen ist. Vielmehr darf und muß sich der Richter in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewißheit begnügen, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (BGHZ 53, 245, 256; BGH, Urt. v. 14.1.1993 – IX ZR 238/91, NJW 1993, 935, 937). Im Urteil braucht der Richter zwar nicht auf jedes Beweismittel einzugehen und jede Erwägung darzustellen, die für seine Überzeugungsbildung maßgebend war. Bei komplexen Sachverhalten genügt es aber auch nicht, durch formelhafte Wendungen zum Ausdruck zu bringen, das Gericht sei von der Wahrheit einer Tatsache überzeugt oder nicht überzeugt. Die wesentlichen Grundlagen dafür müssen vielmehr mit Bezug zu den konkreten Fallumständen nachvollziehbar dargelegt werden (BGH, Urt. v. 22.1.1991 – VI ZR 97/90, NJW 1991, 1894, 1895; Urt. v. 18.6.1998 – IX ZR 311/95, NJW 1998, 2969, 2971).
b) Dem genügen die Ausführungen des Berufungsurteils nicht in jeder Hinsicht.
Der Zeuge O. , laut Protokoll „Geschäftsführer” der I. S.A., hat bekundet, I. habe C. ausschließlich mit Enalaprilmaleat beliefert, das aus über M. von K. bezogenem N-Carboxyanhydrid hergestellt worden sei.
Das Berufungsgericht folgt dieser Aussage nicht. An greifbarer Begründung hierfür ist dem Berufungsurteil zu entnehmen, dem Senat lägen keine Anhaltspunkte, schriftliche Unterlagen oder sonstige Belege dafür vor, daß die Aussage den Tatsachen entspreche (BU 27), und an anderer Stelle (BU 22), wenn I. sichergestellt haben wolle, daß die Beklagte nur sogenanntes patentfreies Material erhalten habe, sei das angesichts der geringen Mengen, die bis zum 1. Juli 1990 von der Beklagten benötigt worden seien, und mangels jeglicher nachvollziehbarer Kontrollen und Belege bei I. zum einen wenig überzeugend, zum anderen sei zweifelhaft, ob die Trennung tatsächlich durchgehend erfolgt sei. Die Revision beanstandet zu Recht, daß beide Erwägungen die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts nicht tragen können.
Der Zeugenbeweis ist neben dem Beweis durch Urkunden ein gleichwertiges, selbständiges Beweismittel (Sen.Beschl. v. 11.7.1974 – X ZB 9/72, GRUR 1975, 254, 255 – Ladegerät II). Die Aussage eines Zeugen ist vom Gericht frei zu würdigen, wobei für ihre Glaubhaftigkeit von Bedeutung sein kann, inwieweit sie durch Urkunden oder andere Anhaltspunkte für ihre Richtigkeit gestützt wird. Mit dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung ist es jedoch unvereinbar, wenn der Tatrichter einer Aussage, die nicht durch weitere „Belege” untermauert ist, von vornherein die Glaubhaftigkeit abspricht.
Ebenso ist die Begründung fehlerhaft, mit der das Berufungsgericht für zweifelhaft hält, daß die Beklagte tatsächlich nur nach dem Phosgen-Verfahren hergestelltes Enalapril erhalten habe. Zum einen ist die auf die Belieferung der Beklagten abstellende Begründung sachverhaltswidrig, weil es tatsächlich darum geht, ob I. zwischen Lieferungen für den spanischen Inlandsmarkt und für den Export bestimmten Lieferungen an C. unterschieden hat. Zum anderen durfte das Berufungsgericht nicht auf das Fehlen „jeglicher nachvollziehbarer Kontrollen und Belege” abstellen, ohne den Zeugen hiernach gefragt zu haben. Der Zeuge hat die „Trennung” als „absolut sichergestellt” bezeichnet. Wenn das – was für sich nicht zu beanstanden ist – dem Berufungsgericht nicht genügte, mußte es nachfassen und sich die „Sicherstellung” der Unterscheidung zwischen In- und Auslandslieferungen näher erläutern lassen.
II. Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob – wie von der Klägerin geltend gemacht – das Phosgen-Verfahren insgesamt oder ein Verfahren, bei dem N-Carboxyanhydrid mit L-Prolin zu Enalapril umgesetzt wird, in den Schutzbereich des DDR-Patents 148 770 fällt. Der weiteren revisionsrechtlichen Prüfung ist hiernach das Vorbringen der Beklagten zugrundezulegen, das nach einem solchen Verfahren produzierte Enalaprilmaleat sei nicht nach dem zugunsten der Klägerin geschützten Verfahren hergestellt worden. Das gleiche gilt für das weitere Vorbringen der Beklagten, sie habe mit diesem Stoff ein Arzneimittel hergestellt und erprobt und für dessen beabsichtigten Vertrieb eine arzneimittelrechtliche Zulassung beantragt.
1. Das Berufungsgericht hält die Voraussetzungen eines Weiterbenutzungsrechts auch in diesem Fall für nicht erfüllt. Unter Bezugnahme auf die erstinstanzliche Entscheidung geht das Berufungsgericht mit dem Landgericht davon aus, daß die Beklagte ein im Ausland hergestelltes Erzeugnis vertreibe, bei dem ein Weiterbenutzungsrecht nur unter den Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 ErstrG in Betracht komme. Unabhängig davon setze ein solches Recht ohnehin stets einen vor dem 1. Juli 1990 geschaffenen schutzwürdigen Besitzstand voraus, der in den Absätzen 1 und 2 des § 28 ErstrG lediglich unterschiedlich formuliert sei. Einen solchen Besitzstand habe die Beklagte nicht erworben.
a) Die Revision meint, das Berufungsgericht verlange zu Unrecht einen schutzwürdigen Besitzstand der Beklagten. § 28 Abs. 1 ErstrG setze keinen Besitzstand, sondern nur eine Benutzung der Erfindung voraus, § 28 Abs. 2 ErstrG sei nicht anwendbar, weil die Beklagte das angegriffene Arzneimittel in der DDR hergestellt habe. Mit dieser Rüge hat die Revision im Ergebnis keinen Erfolg.
b) § 28 Abs. 1 ErstrG knüpft das Weiterbenutzungsrecht an die Inbenutzungnahme der Erfindung. Benutzung der Erfindung ist, nicht anders als bei den Voraussetzungen eines Vorbenutzungsrechts nach § 12 PatG (s. dazu BGH, Urt. v. 17.3.1964 – I ZR 178/63, GRUR 1964, 491, 495 – Chloramphenicol; Urt. v. 28.5.1968 – I ZR 42/66, GRUR 1969, 35, 36 – Europareise; Benkard, Patentgesetz Gebrauchsmustergesetz, 9. Aufl., § 12 PatG Rdn. 11), bei einem Sachpatent als Benutzung i.S.d. § 9 Nr. 1 PatG zu verstehen, d.h. sie liegt in der Herstellung, dem Anbieten, Inverkehrbringen oder Gebrauchen eines Erzeugnisses, das Gegenstand des Patents ist, oder dem Einführen oder Besitzen eines solchen Gegenstandes zu einem dieser Zwecke (Busse, Patentgesetz, 5. Aufl., § 12 Rdn. 10; ebenso für das Weiterbenutzungsrecht nach § 9 Abs. 5 des Gesetzes über die Eingliederung des Saarlandes auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes BGH aaO – Chloramphenicol). Durch das Weiter- wie durch das Vorbenutzungsrecht soll der Besitzstand desjenigen geschützt werden, der vor dem maßgeblichen Tag die Erfindung in Benutzung genommen und in der Regel im Vertrauen auf seine Berechtigung hierzu in diese Benutzung investiert hat (Amtliche Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zu § 28 Abs. 1, BT-Drucks. 12/1399 S. 54 = BlPMZ 1992, 213, 237 = GRUR 1992, 760, 784; zum Vorbenutzungsrecht BGHZ 39, 389, 397 – Taxilan; BGH, Urt. v. 28.5.1968 – I ZR 42/66, GRUR 1969, 35, 36 – Europareise). In diesem Sinne geht die Begründung des Weiterbenutzungsrechts von dem Vorhandensein eines schutzwürdigen Besitzstands aus, der jedoch kein Tatbestandsmerkmal, sondern nur typischerweise mit der Benutzung verbunden ist, an die allein das Gesetz anknüpft.
§ 28 Abs. 2 ErstrG unterwirft einen bestimmten Fall der Benutzung einer Sonderregelung. Er betrifft das Anbieten, Inverkehrbringen oder Gebrauchen eines Erzeugnisses, das im Ausland hergestellt worden ist, sowie das Einführen oder Besitzen eines solchen Gegenstandes. Der Gesetzgeber hat diese Formen der Benutzung importierter Gegenstände einer besonderen Regelung unterworfen, weil er sie den Fällen einer Produktion in der DDR nicht ohne weiteres gleichstellen wollte, vielmehr die Vermutung eines schutzwürdigen Besitzstandes bei einem bloßen Import für nicht gerechtfertigt hielt (Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 12/2171, S. 7 = BlPMZ 1992, 250, 253 = GRUR 1992, 797, 799 f., in der Sache ebenso bereits die Amtliche Begründung, BT-Drucks. 12/1399 S. 55 = BlPMZ 1992, 213, 238 = GRUR 1992, 760, 785; vgl. ferner Adrian, in: Adrian/Nordemann/Wandtke, ErstrG und Schutz des geistigen Eigentums, S. 28; Eichmann, GRUR 1993, 73, 86; v. Mühlendahl/Mühlens, GRUR 1992, 725, 742, sowie die Eingabe zum ErstrG der Deutschen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, GRUR 1992, 303/304). Daraus ergibt sich zugleich weiter, daß Erzeugnis i.S.d. § 28 Abs. 2 ErstrG entgegen der Auffassung der Revision nicht anders verstanden werden kann als Erzeugnis i.S.d. §§ 9 Nr. 1 PatG, 28 Abs. 1 ErstrG. Wollte man, wie die Revision vertritt, im Falle des § 28 Abs. 2 ErstrG Erzeugnis nicht im patentrechtlichen Sinne verstehen, sondern im Sinne des letztlich auf den Markt gelangten Produktes, bliebe außer Acht, daß es in beiden Absätzen des § 28 ErstrG darum geht, im Hinblick auf den Gegenstand des Patents und einen in bezug auf diesen etwa erworbenen Besitzstand zu regeln, ob einem Dritten die Weiterbenutzung gestattet sein soll.
Das Berufungsgericht hat zutreffend und von der Revision unbeanstandet angenommen, daß gegen die Anwendung von § 28 Abs. 2 ErstrG auf innerhalb der Europäischen Gemeinschaft hergestellte Erzeugnisse gemeinschaftsrechtliche Bedenken nicht zu erheben sind. Die Regelung knüpft in der Sache nicht an die Herstellung im Ausland, sondern an die Herstellung außerhalb desjenigen Teils des Bundesgebiets an, auf das die Geltung des Patents erstreckt worden ist, und trägt damit dem Territorialitätsprinzip Rechnung.
Danach hat das Berufungsgericht jedoch § 28 Abs. 2 ErstrG zu Recht schon deshalb herangezogen, weil sich die Klage, wie die Bezugnahme auf die Ansprüche 1 und 4 des Klagepatents zeigt, nicht nur gegen den Vertrieb einer pharmazeutisch wirksamen Zusammensetzung im Sinne des Anspruchs 15 richtet, sondern auch gegen den Vertrieb des – in dieser Zusammensetzung enthaltenen und ihren pharmazeutischen und wirtschaftlichen Wert maßgeblich begründenden – Enalaprilmaleats. Bei diesem handelt es sich um ein im Ausland hergestelltes Erzeugnis, hinsichtlich dessen der Beklagten ein Weiterbenutzungsrecht nur unter den Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 ErstrG zustehen kann, so daß es nicht darauf ankommt, ob auch die pharmazeutisch wirksame Zusammensetzung als im Ausland hergestelltes Erzeugnis anzusehen ist.
2. Das Berufungsgericht hat jedoch zu hohe Anforderungen daran gestellt, wann bei einem importierten Erzeugnis ein schutzwürdiger Besitzstand angenommen werden kann.
a) Das Berufungsgericht hat hierzu ausgeführt: Ein Vertriebsnetz für „Enalapril 5” habe vor dem 1. Juli 1990 nicht beanstanden; auch Vorkehrungen hierfür seien ebensowenig getroffen worden wie Werbeaufwendungen angefallen. Umsätze seien mangels Zulassung nicht getätigt worden, und auch die Zulassung selbst sei erst am 11. September 1990 erteilt worden. Vor dem 1. Juli 1990 habe die Beklagte – ihren Vortrag unterstellt – Aufwendungen nur für die Sicherstellung der Versorgung mit Enalapril durch Abschluß des Lizenzvertrages mit C. und – insbesondere durch die Formulierung des Arzneimittels – für die Vorbereitung des Zulassungsantrags gehabt. Leistungen aufgrund des Lizenzvertrages müßten außer Betracht bleiben, da sie erst Voraussetzung für die Benutzung der Erfindung seien. Die Berücksichtigungsfähigkeit der übrigen Leistungen sei deswegen fraglich, weil es sich um rein innerbetriebliche Vorgänge handele, während für die von der Rechtsprechung genannten Kriterien für die Begründung eines schutzwürdigen Besitzstandes charakteristisch sei, daß es sich um Aktivitäten am Markt handele. Es gehe insoweit um Vorbereitungskosten, die auch im Rahmen des § 28 Abs. 2 ErstrG unberücksichtigt bleiben müßten. Die Klägerin wende ferner unwidersprochen ein, daß für den Zulassungsantrag notwendige Voraussetzungen gefehlt hätten; es habe sich um eine „Zulassung der letzten Stunde” gehandelt. Schließlich seien die eigenen Ausgaben der Beklagten gering gewesen; das benötigte Know-how habe ihr C. zur Verfügung gestellt.
b) Die Vorschrift des § 28 Abs. 2 ErstrG soll sicherstellen, daß in Importfällen kein Weiterbenutzungsrecht gewährt wird, das nach der Ratio des § 28 Abs. 1 ErstrG nicht schutzwürdig erscheint. Das bedeutet jedoch andererseits, daß es nicht gerechtfertigt wäre, an den Besitzstand des Importeurs Anforderungen zu stellen, die deutlich über dem liegen, was bei einem inländischen Hersteller vorausgesetzt wird. Daher kann nicht, wie es Landgericht und Oberlandesgericht getan haben, an Voraussetzungen angeknüpft werden, wie sie etwa für die Verwirkung eines Unterlassungsanspruchs an den schutzwürdigen Besitzstand des Verletzers gestellt werden. Es ist auch nicht gerechtfertigt, nur Aktivitäten am Markt zu berücksichtigen und innerbetriebliche Vorgänge außer Acht zu lassen. Wenn die kennzeichenrechtliche Rechtsprechung zur Verwirkung hierauf abstellt, dann deshalb, weil dort der Besitzstand darauf beruht, daß der Verletzer auf dem relevanten Markt unter einer bestimmten Kennzeichnung vom Verkehr wahrgenommen worden ist. Darum geht es hier nicht; auch die inländische, ein Weiterbenutzungsrecht begründende Herstellung kann ein bloßer „interner” Vorgang geblieben sein. Mit der geforderten unbilligen Härte nennt das Gesetz vielmehr selbst den maßgeblichen Gesichtspunkt, von dem nicht angenommen werden kann, daß er zu dem Besitzstand noch hinzutreten muß, denn die Interessen der Beteiligten sind ohnedies nach Absatz 1 unter Billigkeitsgesichtspunkten abzuwägen. Ein Weiterbenutzungsrecht ist deshalb grundsätzlich schon dann zu bejahen, wenn der Benutzer über den Import und den eventuellen Vertrieb des importierten Erzeugnisses hinaus personelle, sachliche oder finanzielle Mittel zur Weiterverarbeitung des Erzeugnisses, zu seiner Eingliederung in eine größere wirtschaftliche oder technische Einheit oder zur wirtschaftlich-organisatorischen Absicherung seines Vertriebs aufgewandt hat, deren Nichtberücksichtigung eine unbillige Härte darstellen würde.
c) Die bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts tragen eine Verneinung dieser Voraussetzungen nicht. Die Beklagte hat vorgetragen, daß sie das eingeführte Enalaprilmaleat in mehreren Musterchargen und einer Produktionscharge zu insgesamt mehr als 100 kg 5-mg-Tabletten verarbeitet und daß sie mit diesen Tabletten klinische Versuche habe durchführen lassen sowie sie zur Vorbereitung der arzneimittelrechtlichen Zulassung weiteren Untersuchungen, wie zur Haltbarkeit und zum Einfluß der Herstellungstechnologie auf den Zersetzungsgrad des Wirkstoffes, unterworfen habe. Sie hat ferner vorgetragen, daß sie hierfür 1988 an eigenen Personalkosten 112.500,– M und an Fremdkosten 253.600,– M, 1989 an eigenen Personalkosten 255.850,– M und an Fremdkosten 259.616,– M sowie an Gerätekosten 49.100,– M und schließlich bis zum 30. Juni 1990 nochmals 58.780,– M an eigenen Personalkosten und 138.620,– M an Fremdkosten aufgewandt habe, insgesamt somit einen Betrag von 1.128.066,– Mark der DDR. Gegenteilige Feststellung hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Mit Recht ist es auch nicht dem Landgericht gefolgt, das diesen Betrag im Verhältnis 1:9,5 in DM umgerechnet und als geringfügig betrachtet hat, da ein solches Umrechnungsverhältnis weder den Wert widerspiegelt, den die Aufwendungen zum Zeitpunkt ihrer Entstehung gehabt haben, noch dem Wert entspricht, den diese Aufwendungen im Hinblick auf die auf ihrer Grundlage erlangte Zulassung verkörperten. Denn wenn auch die Zulassung selbst erst nach dem 1. Juli 1990 erfolgt ist, so lagen jedenfalls nach dem Vortrag der Beklagten zum 1. Juli 1990 aufgrund der bisherigen Aufwendungen die Unterlagen vor, aufgrund derer die Zulassung vom 11. September 1990 sodann erteilt worden ist. Ob die von der Klägerin so bezeichnete „Zulassung der letzten Stunde” im Hinblick auf Mängel der Zulassungsunterlagen nicht hätte erteilt werden dürfen, ist unerheblich. Entscheidend ist, daß sie erteilt worden ist und – wie der Verletzungsstreit zeigt – für die Beklagte einen beachtlichen wirtschaftlichen Wert verkörpert.
III. Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis zutreffend.
Zwar heißt es dort eingangs der Entscheidungsgründe, auch bei einer Beurteilung nach § 28 Abs. 1 ErstrG wäre eine Weiterbenutzung der Erfindung durch die Beklagte bei Abwägung der berechtigten Interessen der Beteiligten unbillig (BU 13). Das wird jedoch im weiteren nicht begründet. Vielmehr läßt das Berufungsgericht am Ende der Entscheidungsgründe das Ergebnis einer Interessenabwägung nach § 28 Abs. 1 ErstrG ausdrücklich offen (BU 29/30). Mangels Feststellungen zu einer unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles und bei Abwägung der berechtigten Interessen der Beteiligten unbilligen wesentlichen Beeinträchtigung der Klägerin kann daher ein Weiterbenutzungsrecht der Beklagten auch unter diesem Gesichtspunkt nicht ausgeschlossen werden.
Soweit das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang ausführt, nach den Darlegungen zum schützenswerten Besitzstand spreche auch insoweit nicht viel für eine Beurteilung zugunsten der Beklagten, wird es bei einer etwaigen Prüfung dieser Frage zu berücksichtigen haben, daß das Weiterbenutzungsrecht nur versagt werden darf, soweit die Benutzung zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der Klägerin und ihrer Lizenznehmer führt, die unter Berücksichtigung aller Umstände und bei Abwägung der berechtigten Interessen der Beteiligten unbillig wäre. Ein vollständiges Verbot für den gesamten Geltungsbereich des Patentgesetzes stellt hiernach nur das äußerste Mittel dar, das voraussetzt, daß den berechtigten Interessen des Patentinhabers nicht in die andere Partei weniger belastender Weise wie durch mengenmäßige oder örtliche Beschränkungen oder einen Vergütungsanspruch Rechnung getragen werden kann (Amtliche Begründung, BT-Drucks. 12/1399 S. 55 = BlPMZ 1992, 213, 238 = GRUR 1992, 760, 785). In diesem Zusammenhang wird das Berufungsgericht insbesondere auch den Umstand zu beachten haben, daß die Beklagte die Umsätze mit dem angegriffenen Erzeugnis im wesentlichen in den neuen Bundesländern und damit in dem Teil des Bundesgebiets erzielt hat, in dem das Klagepatent erst infolge der Erstreckung Schutz genießt.
IV. Das Berufungsgericht wird hiernach erneut zu prüfen haben, ob die angegriffenen Handlungen durch ein Weiterbenutzungsrecht der Beklagten gerechtfertigt sind. Dabei wird es zu berücksichtigen haben, daß ein solches Weiterbenutzungsrecht nicht nur unter der vom Berufungsgericht bislang allein erwogenen Voraussetzung in Betracht kommt, daß die Beklagte vor dem 1. Juli 1990 ausschließlich solches Enalaprilmaleat von C. bezogen, zu einem Arzneimittel formuliert und konfektioniert hat, das nicht nach einem durch das DDR-Patent 148 770 geschützten Verfahren hergestellt worden ist. Dem Grunde nach reicht es für die Begründung eines Weiterbenutzungsrechts vielmehr aus, wenn die Beklagte überhaupt die Erfindung rechtmäßig in Benutzung genommen hat. Sollte C. die Beklagte sowohl mit „patentfreiem” Enalaprilmaleat als auch mit Enalaprilmaleat beliefert haben, das – im Rahmen des zwischen der Klägerin und I. bestehenden Lizenzvertrages – nach dem geschützten Verfahren produziert worden ist, und folglich rechtmäßige und rechtswidrige Benutzungen zusammentreffen oder das jedenfalls nicht auszuschließen sein, hätte dies (lediglich) zur Folge, daß nur die rechtmäßigen Benutzungshandlungen zur Begründung eines Weiterbenutzungsrechts herangezogen werden dürften und auch der erworbene Besitzstand nur insoweit als schutzwürdig anzuerkennen wäre, als er durch rechtmäßige Handlungen begründet worden ist.
V. Sollte das Berufungsgericht wiederum zu dem Ergebnis gelangen, daß die angegriffenen Handlungen nicht durch ein Weiterbenutzungsrecht der Beklagten gerechtfertigt waren, wird es der Frage nachzugehen haben, inwieweit eine Erschöpfung der Rechte aus dem Klagepatent in Betracht kommt.
1. Eine Erschöpfung der Patentrechte der Klägerin kann eingetreten sein, wenn das von der Beklagten vertriebene Enalaprilmaleat mit Zustimmung der Klägerin in der Gemeinschaft in den Verkehr gelangt ist (vgl. Sen., BGHZ 143, 268 – Karate). Das kommt nur in Betracht, wenn das Erzeugnis, das die Beklagte von C. bezogen hat, aufgrund einer Lizenz der Klägerin von I. hergestellt worden ist. Gegenteilige Feststellungen hat das Berufungsgericht jedoch bislang nicht getroffen. Soweit es im Berufungsurteil heißt, letztlich sei nach der Beweisaufnahme und dem Vortrag offen, von wem das Enalapril stammte, das die Beklagte bis zum 1. Juli 1990 verarbeitete (BU 23), ist zum einen nicht deutlich, ob das Berufungsgericht damit auch den Bezug von I. als ungeklärt ansehen will, zum anderen bezieht sich diese Feststellung nur auf den hier nicht interessierenden Zeitraum vor dem 1. Juli 1990.
2. Nach Art. 42 des Vertrages vom 12. Juni 1985 über den Beitritt des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und zur Europäischen Atomgemeinschaft sind zum 1. Januar 1986 alle mengenmäßigen Ein- und Ausfuhrbeschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung zwischen der Gemeinschaft und den Beitrittsstaaten entfallen. Abweichend hiervon konnte nach Art. 47 Abs. 1 des Vertrages der Inhaber eines Patentes für ein chemisches oder pharmazeutisches Erzeugnis, das in einem Mitgliedstaat zum Patent angemeldet wurde, als dafür in Spanien Erzeugnispatente nicht erhalten werden konnten, das Recht aus diesem Patent geltend machen, um die Einfuhr oder das Inverkehrbringen eines Erzeugnisses in dem Mitgliedstaat, in dem es patentgeschützt war, auch dann zu verhindern, wenn es von ihm selbst oder mit seiner Zustimmung von einem Dritten in Spanien in den Verkehr gebracht wurde. Dieses Recht konnte für die genannten Erzeugnisse nach Art. 47 Abs. 2 bis zum Ende des dritten Jahres geltend gemacht werden, nachdem für sie in Spanien die Patentierbarkeit eingeführt wurde. Der Vorbehalt Spaniens nach Art. 167 Abs. 2 lit. a) EPÜ gegen den Stoffschutz für chemische Erzeugnisse und Arzneimittel ist mit Ablauf des 7. Oktober 1992 erloschen (s. Mitteilung des Präsidenten des EPA vom 13. Mai 1992 über die von Griechenland und Spanien nach Art. 167 EPÜ gemachten Vorbehalte, ABl. EPA 1992, 301).
3. Daher steht für einen Teil des Zeitraums bis zum 10. Dezember 1999, für den die Klägerin Ansprüche geltend macht, diesen der Erschöpfungseinwand entgegen, sofern I. beim Vertrieb des Enalapril tatsächlich mit Zustimmung der Klägerin gehandelt hat. Das kann, wie die Revision zu Recht bemerkt, nicht mit der Begründung verneint werden, die Lizenzverträge zwischen der Klägerin und I. seien jeweils als Zwangslizenzvertrag (licencia obligatoria) überschrieben.
4. Bei der Prüfung einer Zustimmung der Klägerin wird das Berufungsgericht folgendes zu berücksichtigen haben:
a) Eine die Zulässigkeit der Benutzung begründende Erschöpfung der Rechte aus einem mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten Patent tritt jedenfalls grundsätzlich dann ein, wenn das geschützte Erzeugnis durch den Patentinhaber oder mit seiner Zustimmung in Deutschland, einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft oder einem dem Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum angehörigen Staat in Verkehr gebracht worden ist (Sen., BGHZ 143, 268 – Karate).
Da das Patent seinem Inhaber als Belohnung für die Bekanntgabe der Erfindung ein (zeitlich befristetes) Ausschließlichkeitsrecht gewährt, muß diesem grundsätzlich auch die Entscheidung darüber verbleiben, ob und in welchem Umfang von dem Patentrecht Gebrauch gemacht werden kann. Das ist auch gemeinschaftsrechtlich unbedenklich. Zwar sind nach Art. 28 EG (vormals Art. 30 EGV) grundsätzlich alle mengenmäßigen Einfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung zwischen den Mitgliedstaaten verboten. Nach Art. 30 EG (vormals Art. 36 EGV) steht Art. 28 EG jedoch solchen Einfuhrverboten oder -beschränkungen zwischen den Mitgliedstaaten nicht entgegen, die zum Schutze des gewerblichen und kommerziellen Eigentums gerechtfertigt sind. Hierunter fallen nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) diejenigen Einfuhrverbote und -beschränkungen, die den spezifischen Gegenstand dieses Eigentums betreffen, der beim Patentrecht eben gerade in dem ausschließlichen Recht liegt, das geschützte Erzeugnis herzustellen und in Verkehr zu bringen, mithin die Erfindung entweder selbst oder im Wege der Lizenzvergabe an Dritte zu verwerten, und ferner in dem Recht, sich gegen jegliche Zuwiderhandlung zur Wehr zu setzen (EuGH, Slg. 1974, 1147, 1163 = GRUR Int. 1974, 454 – Centrafarm; Slg. 1981, 2063, 2080 = GRUR Int. 1982, 47, 48 – Merck/Stephar; Slg. 1985, 2281, 2298 = GRUR Int. 1985, 822, 824 – Pharmon; Slg. 1996, 6285, 6371, 6384 = GRUR Int. 1997, 250 – Merck/Primecrown; Slg. 1997, 3929, 3954, 3961 f. = GRUR Int. 1997, 911, 912 – Generics/Smith Kline).
Hat der Patentinhaber sein Ausschließlichkeitsrecht jedoch ausgeübt, indem er oder mit seinem Willen ein Dritter den patentgeschützten Gegenstand in Verkehr gebracht haben, besteht kein Grund mehr, ihm darüber hinaus Einwirkungsmöglichkeiten auf das weitere Schicksal des geschützten Gegenstandes zu geben; vielmehr ist es nunmehr allein Sache des – im Verhältnis zum Patentinhaber rechtmäßigen – Erwerbers, über den geschützten Gegenstand zu verfügen (vgl. BGH, Urt. v. 21.11.1958 – I ZR 129/57, GRUR 1959, 232, 233 – Förderrinne; Urt. v. 10.10.1974 – KZR 1/74, GRUR 1975, 206, 207 – Kunststoffschaumbahnen; Sen.Urt. v. 26.9.1996 – X ZR 72/94, GRUR 1997, 116, 117 – Prospekthalter; BGHZ 143, 268 – Karate). Gemeinschaftsrechtlich betrachtet ist der spezifische Gegenstand des Patents nicht mehr betroffen und infolgedessen ein auf eine Patentverletzung gestütztes Einfuhrverbot nicht gerechtfertigt, wenn das erfindungsgemäße Erzeugnis in dem Mitgliedstaat, aus dem es eingeführt wird, durch den Inhaber selbst oder mit dessen Zustimmung auf den Markt gebracht worden ist (EuGH, aaO – Centrafarm; aaO – Merck/Stephar; aaO – Merck/Primecrown). Außerdem hat der Patentinhaber, der sich in Kenntnis der Sachlage über die Bedingungen entscheidet, unter denen er sein Erzeugnis in den Verkehr bringt, die Konsequenzen seiner Wahl hinzunehmen, soweit es um den Verkehr des Erzeugnisses innerhalb des Gemeinsamen Marktes geht (EuGH, aaO – Merck/Stephar; aaO – Merck/Primecrown).
Für die Beurteilung einer einem Dritten erteilten Benutzungsgestattung folgt hieraus, daß es entscheidend darauf ankommt, ob der Patentinhaber ihr zugestimmt hat. Bei Erteilung einer Zwangslizenz durch die zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats an einen Dritten, durch die diesem Tätigkeiten auf dem Gebiet der Herstellung und des Inverkehrbringens erlaubt werden, die der Patentinhaber normalerweise untersagen könnte, kann von einer solchen Zustimmung nicht ausgegangen werden. Dem Patentinhaber wird nämlich durch eine solche Maßnahme sein Recht genommen, frei über die Bedingungen zu entscheiden, unter denen er sein Erzeugnis in den Verkehr bringen will (EuGH, aaO – Pharmon).
b) Nach dem unstreitigen Sachverhalt hat die Klägerin beim Spanischen Patentamt von ihr unterzeichnete Lizenzvertragsurkunden eingereicht, die das Patentamt an I. weitergeleitet hat und die von I. gegengezeichnet worden sind. Die Klägerin hat dazu vorgetragen, sie habe Ende 1986 die Vertragsangebote unterbreitet, weil ihr der Verlust ihrer spanischen Patente wegen Nichtausübung gedroht habe. Die 1983 beantragte Arzneimittelzulassung von Enalapril in Spanien habe sie erst 1988 erhalten. Zwar habe sie Enalapril in Irland und Frankreich produziert und nach Spanien exportiert. Den Import eines in einem anderen Mitgliedstaat hergestellten Erzeugnisses habe das Spanische Patentamt jedoch zum damaligen Zeitpunkt nicht als Ausübung der spanischen Patente anerkannt. Sie, die Klägerin, habe das Spanische Patentamt ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die unterzeichneten Verträge nur für den Fall eingereicht worden seien, daß die Behörde ihr Vorbringen zurückweise, über eine rechtmäßige Entschuldigung für die Nichtausübung der Patente zu verfügen. Ohne über diesen Antrag zu entscheiden, habe das Spanische Patentamt I. die Verträge zugestellt.
Hiernach wird es darauf ankommen, ob die Verträge nach dem für sie maßgeblichen Recht trotz des von der Klägerin gegenüber dem Patentamt erklärten Vorbehalts wirksam zustande gekommen sind. Dazu wird das Berufungsgericht gegebenenfalls Feststellungen zu treffen haben. Dem von der Beklagten als Anl. B 37/37a vorgelegten endgültigen Schiedsspruch des von der Klägerin angerufenen Internationalen Schiedsgerichts der Internationalen Handelskammer ist hierzu zu entnehmen, daß das Schiedsgericht in einem Teilschiedsspruch vom 17. Dezember 1996 den Antrag der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen hat, die Lizenzvereinbarungen mit I. für nicht bestehend zu erklären, während das Schiedsgericht in dem endgültigen Schiedsspruch vom (nicht mitgeteilten) Datum der Bekanntgabe dieses Spruchs an die Löschung „la extinción”) der zwischen der Klägerin und I. unterzeichneten Lizenzvereinbarungen erklärt.
c) Dagegen wird eine Zustimmung der Klägerin zur Benutzung der Erfindung durch I. nicht deshalb verneint werden können, weil die Klägerin die Lizenzverträge nur im Hinblick auf die drohende Aberkennung ihrer Patentrechte geschlossen hat. Das macht die mit den Lizenzverträgen erteilte Zustimmung zur Benutzung der Erfindung nicht unwirksam. Nach dem Stand des Gemeinschaftsrechts zum maßgeblichen Zeitpunkt war es Sache des nationalen Gesetzgebers, die Bedingungen und Modalitäten des durch das Patent verliehenen Schutzes festzulegen, und es stand ihm frei, die Nichtausübung oder unzureichende Ausübung des Patents zu sanktionieren. Ein Mitgliedstaat verletzte lediglich seine Verpflichtungen aus Art. 30 EWGV, wenn er die Erteilung von Zwangslizenzen für den Fall zuließ, daß ein Patent nicht in Form einer Produktion im Inland, sondern in Form von Einfuhren aus anderen Mitgliedstaaten ausgeübt wurde (EuGH, Slg. 1992, 777 – Kommission/Italien; Slg. 1992, 829 = GRUR Int. 1994, 227 – Kommission/Vereinigtes Königreich). Danach kann der Zustimmung des Patentinhabers aber nicht deshalb die Erschöpfungswirksamkeit abgesprochen werden, weil sie unter dem „Zwang” erteilt worden ist, das Erlöschen des Patentschutzes wegen Nichtausübung abzuwenden. Dies muß auch dann gelten, wenn die Anwendung der Vorschriften über die Sanktionierung der Nichtausübung oder unzureichenden Ausübung des Patents durch die nationalen Behörden in nicht gemeinschaftsrechtskonformer Weise erfolgt ist. Denn der Vertragspartner, dem die Zustimmung erteilt worden ist, und Dritte, die von diesem patentgemäße Erzeugnisse beziehen, müssen sich auf die erteilte Zustimmung verlassen können, solange diese nicht selbst fehlerhaft ist. Insbesondere muß dies für eine Zustimmung gelten, die vor den EuGH-Entscheidungen vom 18. Februar 1992 erteilt worden ist und von der daher nicht gesagt werden kann, daß sie durch eine für Dritte ohne weiteres erkennbar gemeinschaftsrechtswidrige Praxis erzwungen worden sei.
Auch die Klägerin hat in ihrer mit der Anl. K 35 vorgelegten Eingabe an das Spanische Patentamt vom 4. November 1986 nicht gemeinschaftsrechtlich argumentiert, sondern geltend gemacht, daß sie aufgrund objektiver Schwierigkeiten technischer und rechtlicher Natur eine legitime Entschuldigung i.S.d. Art. 87 des Spanischen Patentgesetzes von 1986 für die Nichtausübung der Patente habe. Wenn das Spanische Patentamt darauf nicht eingegangen ist, die Klägerin es jedoch unterlassen hat, rechtliche Schritte gegen den drohenden Verlust ihrer Patentrechte zu unternehmen, und statt dessen – wirksam – die Vereinbarungen mit I. geschlossen hat, wird sie sich gegenüber dieser und jedem Dritten, der von I. unter den Lizenzverträgen produzierte Erzeugnisse bezogen hat, an der erteilten Zustimmung festhalten lassen müssen.
VI. Soweit die Kostenentscheidung des Berufungsgerichts darauf beruht, daß sie der Beklagten nach § 91a ZPO die Kosten des übereinstimmend für erledigt erklärten Teils des Rechtsstreits auferlegt hat, ist sie der Nachprüfung durch das Revisionsgericht nicht zugänglich (BGHZ 113, 362, 363 f.; Sen.Urt. v. 7.3.2001 – X ZR 176/99, GRUR 2001, 770 – Kabeldurchführung II); das Berufungsgericht bleibt deshalb hieran bei seiner erneuten Entscheidung über die Kosten des ersten und zweiten Rechtszuges gebunden.
Unterschriften
Melullis, Jestaedt, Scharen, Mühlens, Meier-Beck
Fundstellen
Haufe-Index 921693 |
BGHR 2003, 751 |
GRUR 2003, 507 |
Nachschlagewerk BGH |
IIC 2004, 81 |
Mitt. 2003, 309 |