Entscheidungsstichwort (Thema)
Leasing. Vollamortisation. Allgemeine Leasingbedingungen. Nichtrückgabe der Leasingobjekts. Vorenthaltung. Nutzungsentschädigung. Nutzungsvergütung in Höhe der vereinbarten Leasingraten. Verhältnis zum verbliebenen Verkehrs- oder Gebrauchswert. Zeitwert
Leitsatz (amtlich)
Das Verlangen des Leasinggebers nach Zahlung einer Nutzungsentschädigung in Höhe der vereinbarten Leasingrate wegen Vorenthaltung der vom Leasingnehmer vertragswidrig nicht zurückgegebenen Leasingsache ist erst dann als unzulässige Rechtsausübung anzusehen, wenn der Zeitwert des Leasingobjekts alters- oder gebrauchsbedingt so weit abgesunken ist, dass eine Nutzungsentschädigung in Höhe der vereinbarten monatlichen Leasingrate zu dem verbliebenen Verkehrs- oder Gebrauchswert der Leasingsache völlig außer Verhältnis steht.
Normenkette
BGB §§ 242, 535, 546a, 557 a.F.
Verfahrensgang
OLG München (Urteil vom 25.11.2003; Aktenzeichen 18 U 5414/02) |
LG München I |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 18. Zivilsenats des OLG München v. 25.11.2003 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin, eine Leasinggesellschaft, schloss im Juli 1996 mit der Beklagten einen Finanzierungsleasingvertrag (Vollamortisationsvertrag) über sechs Bügelmaschinen des Typs "Hosentopper" ab. Der Vertrag hatte eine Laufzeit von 36 Monaten. Die Anschaffungskosten der Leasinggegenstände sind mit netto 55.500 DM angegeben. Die monatliche Leasingrate belief sich auf netto 1.550 DM. Außerdem war eine Mietsonderzahlung i.H.v. netto 11.100 DM vereinbart.
Die Beklagte erklärte mit Schreiben v. 14.8.1999, den Leasingvertrag zu kündigen, und bat um Mitteilung des "Rückkaufswerts" bis zum 31.8.1999. Eine Einigung über den Verkauf der Leasinggegenstände an die Beklagte kam nicht zu Stande. Die Beklagte stellte mit Ablauf des Monats November 1999 die Zahlung der Leasingraten ein. Die Leasinggegenstände gab sie trotz mehrfacher Aufforderung nicht an die Klägerin zurück. Sie beruft sich auf eine - von der Klägerin bestrittene - Vereinbarung, derzufolge sie die Leasinggegenstände nach Vertragsablauf gegen Zahlung einer Leasingrate zu Eigentum erwerben könne. Im Verlaufe des Rechtsstreits hat sie darüber hinaus behauptet, die Maschinen seien nach vier Jahren Einsatz im Drei-Schicht-Betrieb in einem ihrer Betriebe in Tunesien verschlissen gewesen und im April 2000 in Tunesien verschrottet worden.
Die Klägerin, die dies alles bestreitet, begehrt von der Beklagten gem. Nr. 12 Abs. 2 ihrer Allgemeinen Leasingbedingungen, wonach der Leasingnehmer bei Nichtrückgabe des Leasingobjekts für jeden angefangenen Monat der nicht erfolgten Rückgabe die im Leasingvertrag vereinbarte Leasingrate als Nutzungsentschädigung zu zahlen hat, wegen Vorenthaltung der zurückzugebenden Leasingobjekte eine Nutzungsvergütung in Höhe der vereinbarten monatlichen Leasingrate für die Monate Dezember 1999 bis einschließlich August 2002, insgesamt 30.336,90 EUR (33 Monatsraten zu je 919,30 EUR).
Das LG hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt sie ihr Klageabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Sie ist daher zurückzuweisen.
I.
Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte schulde die von der Klägerin geforderte Nutzungsvergütung für 33 Monate, weil sie die sechs Bügelmaschinen "Hosentopper" bisher nicht zurückgegeben habe. Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung in Höhe der vereinbarten Leasingraten ergebe sich zum einen aus dem Leasingvertrag, der in Nr. 12 Abs. 2 der Allgemeinen Leasingbedingungen der Klägerin einen Entschädigungsanspruch in diesem Umfang bis zur Rückgabe der Leasinggegenstände vorsehe, in gleicher Weise aber auch aus § 557 Abs. 1 BGB a.F. Das Zustandekommen einer Vereinbarung zwischen den Parteien dahin, dass die Beklagte nach Beendigung des Leasingvertrages die geleasten Gegenstände gegen Zahlung einer Monatsrate übernehmen könne, habe die Beklagte nicht nachzuweisen vermocht. Die von der Beklagten geschuldete Nutzungsvergütung belaufe sich auf die volle Höhe der vereinbarten Leasingraten. Dafür sei es ohne Bedeutung, dass es sich bei dem zu Grunde liegenden Leasingvertrag um einen Vollamortisationsvertrag handele. Unerheblich sei ferner, ob die Beklagte aus den vorenthaltenen Leasingobjekten weiter Nutzen ziehen könne. Allein die Beendigung der Gebrauchsfähigkeit auf Grund altersbedingter Abnutzung könne zum Erlöschen des Anspruchs führen. Die Beklagte habe jedoch nicht nachgewiesen, dass dieser Zustand bei den sechs Bügelmaschinen "Hosentopper" erreicht worden sei.
II.
Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision stand.
1. Ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung lässt sich entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts allerdings nicht aus Nr. 12 Abs. 2 der Allgemeinen Leasingbedingungen der Klägerin herleiten; denn die Klausel ist, wie der Senat mit Urteil v. 7.1.2004 (BGH v. 7.1.2004 - VIII ZR 103/03, MDR 2004, 433 = BGHReport 2004, 494 m. Anm. Bellinghausen/Helle = WM 2004, 1187), das dem Berufungsgericht bei seiner Entscheidung noch nicht bekannt sein konnte, für eine gleich lautende Klausel entschieden hat, wegen unangemessener Benachteiligung des Leasingnehmers nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG (jetzt § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB) unwirksam. Das ist jedoch unschädlich, da sich der eingeklagte Anspruch, wie auch das Berufungsgericht richtig gesehen hat, schon unmittelbar aus dem Gesetz ergibt.
2. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats, die auch das Berufungsgericht seiner Entscheidung zu Grunde legt, ist § 557 Abs. 1 BGB a.F. (jetzt: § 546a BGB) auf Finanzierungsleasingverträge anwendbar (BGH v. 22.3.1989 - VIII ZR 155/88, BGHZ 107, 123 [126 ff.] = MDR 1989, 808 = CR 1990, 204; zuletzt Urt. v. 7.1.2004 - VIII ZR 103/03, MDR 2004, 433 = BGHReport 2004, 494 m. Anm. Bellinghausen/Helle = WM 2004, 1187, unter II 2a). Das gilt auch für Vollamortisationsverträge, bei denen - wie hier - der Leasingnehmer bereits alle vereinbarten Leasingraten gezahlt hat (BGH v. 22.3.1989 - VIII ZR 155/88, BGHZ 107, 123 [127 f.] = MDR 1989, 808 = CR 1990, 204), und unabhängig davon, ob und inwieweit dem Leasinggeber aus der Vorenthaltung des Leasingguts ein Schaden erwachsen ist und ob der Leasingnehmer aus dem vorenthaltenen Leasinggegenstand einen entsprechenden Nutzen hat ziehen können (BGH v. 22.3.1989 - VIII ZR 155/88, BGHZ 107, 123 [128 f.] = MDR 1989, 808 = CR 1990, 204). An dieser Rechtsprechung hält der Senat ungeachtet der in Teilen des Schrifttums geübten Kritik (vgl. zuletzt Staudinger/Stoffels, BGB, 2004, Leasing, Rz. 286, m.w.N.) fest.
3. Die Voraussetzungen, an deren Vorliegen § 557 BGB a.F. (§ 546a BGB) einen Anspruch auf Nutzungsentschädigung knüpft, sind nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erfüllt. Der Vertrag für die sechs Bügelmaschinen endete mit Ablauf des Monats Juli 1999. Eine Rückgabe der Leasingobjekte ist jedenfalls bis August 2002 unstreitig nicht erfolgt. Da die Klägerin die Leasinggegenstände mehrfach zurückgefordert hat, erfüllt deren Nichtrückgabe durch die Beklagte den Tatbestand des "Vorenthaltens" i.S.d. § 557 BGB a.F., § 546a BGB (BGH, Urt. v. 7.1.2004 - VIII ZR 103/03, MDR 2004, 433 = BGHReport 2004, 494 m. Anm. Bellinghausen/Helle = WM 2004, 1187).
4. Ein Anspruch der Klägerin auf Nutzungsentschädigung bestünde allerdings dann nicht, wenn der Beklagten die Rückgabe der Leasinggegenstände unmöglich wäre; denn der Begriff des Vorenthaltens setzt voraus, dass der Mieter die Sache nicht zurückgibt, obwohl er dazu imstande wäre (Staudinger/Rolfs, BGB, 2003, § 546a Rz. 15, m.w.N.; BGH v. 15.2.1984 - VIII ZR 213/82, BGHZ 90, 145 [148 f.] = MDR 1984, 662). Das Berufungsgericht hat jedoch nicht festzustellen vermocht, dass der Beklagten die Rückgabe der sechs Bügelgeräte in dem hier in Rede stehenden Zeitraum unmöglich gewesen wäre. Die von der Revision gegen die tatrichterliche Würdigung erhobenen Verfahrensrügen (§ 286 ZPO) sind nicht berechtigt.
Die Beklagte hat für die von ihr zu beweisende Behauptung, die Maschinen seien im April 2000 in Tunesien verschrottet worden, keinen tauglichen Beweis angeboten. Der dafür benannte und vom Berufungsgericht vernommene Zeuge G. konnte, wie er selbst bekundet hat, zu dem Beweisthema aus eigener Wahrnehmung keine Angaben machen. Bei den von der Beklagten vorgelegten Dokumenten handelt es sich zum einen um eine von dem Zeugen G. verfasste Erklärung über die angebliche Verschrottung, die lediglich mit einem "Visum" des tunesischen Zollamtes versehen ist, zum anderen um eine schriftliche Erklärung des Generaldirektors der tunesischen G. Textile Service s.a.r.l., nach deren Inhalt die Leasinggegenstände im April 2000 als Schrottware unter Überwachung des tunesischen Zollamtes gestellt worden sein sollen. Ein Urkundenbeweis für die behauptete Verschrottung der Leasinggegenstände ist mit diesen Schriftstücken nicht zu führen (§§ 415 ff. ZPO). Auch als Zeugenbeweis ist die schriftliche Erklärung des Generaldirektors des tunesischen Unternehmens nicht verwertbar. Zeugen, die die behauptete Tatsache der Verschrottung der Leasinggegenstände aus eigener Wahrnehmung bestätigen könnten, hat die Beklagte nicht benannt.
5. Ob die von der Beklagten nicht zurückgegebenen Bügelmaschinen nach vierjährigem Einsatz im Drei-Schicht-Betrieb "verschlissen" waren, ist für die Rückgabepflicht der Beklagten - und demzufolge ebenso für den Anspruch der Klägerin auf Nutzungsentschädigung wegen Vorenthaltung der zurückzugebenden Geräte - ohne Bedeutung. Das Verlangen der Klägerin nach Fortzahlung einer Nutzungsentschädigung in Höhe der vereinbarten Leasingrate wäre nur dann als unzulässige Rechtsausübung (§ 242 BGB) anzusehen, wenn der Zeitwert der Maschinen während des hier in Rede stehenden Zeitraums bis einschließlich August 2002 alters- oder gebrauchsbedingt so weit abgesunken wäre, dass eine Nutzungsentschädigung in Höhe der vereinbarten monatlichen Leasingrate zu dem verbliebenen Verkehrs- oder Gebrauchswert der Geräte völlig außer Verhältnis stünde (OLG Köln v. 16.9.1992 - 19 W 33/92, OLGReport Köln 1993, 2 = MDR 1993, 142 = CR 1993, 213 = NJW-RR 1993, 121). Einen so weit gehenden Wertverlust hat die Beklagte in den Tatsacheninstanzen nicht substantiiert vorgetragen. Ihre pauschale Behauptung, die Maschinen seien "durch die hohe Nutzung völlig verbraucht" und "bei einem Einsatz in Drei-Schicht-Betrieb über den Zeitraum von vier Jahren verschlissen" gewesen, lässt konkrete Rückschlüsse auf den Zustand, den Zeitwert oder die Gebrauchstauglichkeit der Maschinen nicht zu. Angesichts dessen kann auch dahingestellt bleiben, ob die Beklagte dem Anspruch der Klägerin auf Nutzungsentschädigung die in Nr. 8 Abs. 2 der Allgemeinen Leasingbedingungen der Klägerin enthaltene Regelung entgegenhalten kann, derzufolge der Leasingnehmer u.a. im Falle des vorzeitigen Verschleißes des Leasingobjekts vor Vertragsablauf verlangen kann, dass der Leasingvertrag aufgehoben und ihm das Eigentum am Leasingobjekt Zug um Zug gegen Zahlung der noch ausstehenden Leasingraten, eines eventuell vereinbarten Restwertes und einer anfallenden Vorfälligkeitsentschädigung übertragen wird.
6. Ohne Erfolg bleiben schließlich die Verfahrensrügen, mit denen die Revision sich dagegen wendet, dass das Berufungsgericht sich bezüglich der Frage, ob zwischen den Parteien im Jahr 1996 telefonisch eine generelle Vereinbarung dahin getroffen wurde, dass die Beklagte Leasingobjekte nach Vertragsablauf gegen Zahlung einer Monatsrate erwerben könne, der Beweiswürdigung des LG angeschlossen hat. Von einer Begründung wird gem. § 564 ZPO abgesehen.
Fundstellen
Haufe-Index 1373063 |
DB 2005, 1328 |
BGHR 2005, 1032 |
EBE/BGH 2005, 186 |
NJW-RR 2005, 1081 |
WM 2005, 1332 |
WuB 2005, 759 |
ZMR 2005, 609 |
DAR 2005, 445 |
MDR 2005, 1154 |
NZV 2005, 468 |
VuR 2005, 239 |
ZfS 2005, 498 |
GuT 2005, 172 |
VRR 2005, 265 |
VRR 2007, 306 |
BBKM 2005, 4 |