Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Anwendung deutschen Wettbewerbsrechts auf die in einer inländischen Tageszeitung veröffentlichte Ankündigung einer im Ausland stattfindenden Sonderveranstaltung.
Normenkette
UWG § 7 Abs. 1 a.F.
Verfahrensgang
OLG Koblenz (Urteil vom 24.10.2000; Aktenzeichen 4 U 97/00) |
LG Trier |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des OLG Koblenz v. 24.10.2000 aufgehoben.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 10. Zivilkammer - Kammer für Handelssachen - des LG Trier v. 15.12.1999 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger ist ein Einzelhandelsverband im Regierungsbezirk Trier. Die Beklagte betreibt ein Sportgeschäft in Leudelingen im Großherzogtum Luxemburg.
Die Beklagte warb aus Anlass des einjährigen Bestehens ihres Sportgeschäfts am 23.10.1998 mit einer ganzseitigen Anzeige in der Tageszeitung "Trierischer Volksfreund". Dort kündigte sie für die Zeit v. 23. bis 31.10.1998 eine "Rotpreis-Revolution" als "eine Dankeschön/Geburtstags-Aktion für unsere Kunden" an. Mit Schlagzeilen wie "!!100.000 Artikel müssen raus!!", "Zeltverkauf", " 70 %", " 60 %", " 50 %", " 40 %" wies sie auf Preisreduzierungen hin. Für jeden "50. Kassenkunden" wurde ein Einkaufsgutschein i.H.v. 1.000 Luxemburger Franken (etwa 25 EUR) versprochen; an zwei Tagen sollte die Möglichkeit bestehen, eine Schottlandreise für zwei Personen zu gewinnen. Ein (verkleinerter) Ausschnitt der im Original in einem rötlichen Ton unterlegten Anzeige ist nachstehend wiedergegeben:
Der Kläger hat diese Werbung unter dem Gesichtspunkt eines übertriebenen Anlockens, einer unzulässigen Sonderveranstaltung und eines Verstoßes gegen die Zugabeverordnung als wettbewerbswidrig beanstandet. Er hat beantragt,
1. die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmittel zu verurteilen, es in der Bundesrepublik Deutschland zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in einer an den Letztverbraucher gerichteten Anzeige
a) zu werben mit den Hinweisen "Rotpreisrevolution eine Dankeschön-Geburtstagsaktion für unsere Kunden! 100.000 Art. müssen raus! Zeltverkauf Markenware extrem reduziert. Bis 70 % bis 60 % bis 50 % bis 40 %", insb. wie in der im Trierischen Volksfreund v. 23.10.1998 erschienenen Werbeanzeige;
b) einen Einkaufgutschein im Wert von 1.000 Luxemburger Franken für jeden 50. Kassenkunden anzukündigen;
2. die Beklagte zur Zahlung einer Abmahnpauschale i.H.v. 220 DM zzgl. 4 % Zinsen seit 12.12.1998 zu verurteilen.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat einen Wettbewerbsverstoß nach deutschem Recht in Abrede gestellt. In jedem Fall sei ihr Verhalten aber nach luxemburgischem Recht nicht zu beanstanden. Im Hinblick darauf verstieße ein Verbot gegen Art. 28 EG. Zumindest aber seien die Klageansprüche verjährt.
Das LG hat der Klage stattgegeben. Das OLG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die - vom Berufungsgericht zugelassene - Revision der Beklagten, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat in dem Verhalten der Beklagten einen Verstoß gegen das deutsche Wettbewerbsrecht, das im Streitfall anwendbar sei, gesehen. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Da von der Werbung der Beklagten in einer Trierer Tageszeitung die Interessen der inländischen Verbraucher und Mitbewerber betroffen seien, liege der Marktort der Werbemaßnahme im Inland, auch wenn der Absatz, für den geworben werde, im Ausland stattfinden solle. Daher sei die beanstandete Werbung nach deutschem Wettbewerbsrecht zu beurteilen. Allerdings liege in dem Verhalten der Beklagten kein wettbewerbswidriges übertriebenes Anlocken. Die Werbung mit Preisherabsetzungen sei grundsätzlich zulässig. Der versprochene Einkaufsgutschein werde Verbraucher aus dem Trierer Raum nicht veranlassen, zu dem in Luxemburg gelegenen Verkaufsort zu fahren. Auch das angekündigte Gewinnspiel mit der Möglichkeit des Gewinns einer Schottlandreise sei ein zulässiges Werbemittel, um die Aufmerksamkeit der Verbraucher zu erwecken.
Die beanstandete Werbung enthalte jedoch die Ankündigung einer unzulässigen Sonderveranstaltung nach § 7 Abs. 1 UWG. Durch eine ganze Reihe blickfangmäßig herausgestellter Schlagzeilen werde der Eindruck erweckt, die Beklagte veranstalte aus Anlass ihres einjährigen Bestehens einen einmaligen Verkauf, bei dem für eine beschränkte Zeit sämtliche Artikel des Sortiments im Preis ermäßigt seien. Es könne offen bleiben, ob die beworbene Sonderveranstaltung nach luxemburgischem Recht zulässig sei. Fielen Werbe- und Absatzmarkt auseinander, sei das Recht des Werbemarktes maßgeblich. Die Ankündigung einer nach § 7 Abs. 1 UWG unzulässigen Sonderveranstaltung sei nicht nur ein unselbstständiger Hilfsakt der Durchführung, sondern selbstständige Tatbestandsvariante. Dies folge aus dem Zweck des § 7 Abs. 1 UWG, der nicht nur dem Schutz der Mitbewerber dienen, sondern auch Verbraucher und Allgemeinheit vor übermäßiger unsachlicher Beeinflussung schützen solle. Dieses Schutzinteresse werde nicht nur von der Durchführung, sondern auch von der Ankündigung einer Sonderveranstaltung berührt. Die Anwendung des § 7 Abs. 1 UWG verstoße auch nicht gegen Art. 28 EG. Denn bei dem Verbot der Ankündigung einer Sonderveranstaltung handele es sich um eine von Art. 28 EG nicht erfasste Verkaufsmodalität. Die Ansprüche des Klägers seien auch nicht verjährt.
II. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision nicht stand. Sie führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Klageabweisung.
1. Klageantrag 1a) (Ankündigung einer Sonderveranstaltung):
a) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts steht dem Kläger kein Anspruch auf Unterlassung der beanstandeten Ankündigung einer Sonderveranstaltung aus § 7 Abs. 1 UWG zu. Das Verbot des § 7 Abs. 1 UWG bezieht sich lediglich auf Verkaufsveranstaltungen, die im Geltungsbereich des Gesetzes durchgeführt werden.
aa) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass für die Frage des auf eine Wettbewerbshandlung anzuwendenden Rechts der Begehungsort maßgeblich ist und dass als Begehungsort nur der Ort angesehen werden kann, an dem die wettbewerblichen Interessen der Mitbewerber aufeinander treffen. Dort soll das Wettbewerbsrecht unlauteres Konkurrenzverhalten verhindern; auf diesen Ort beziehen sich auch das durch das Wettbewerbsrecht ebenfalls geschützte - und deshalb bei der Rechtsanknüpfung zu beachtende - Interesse der möglichen Kunden, als Marktteilnehmer vor unlauterem Verhalten bei der Werbung und dem Abschluss von Verträgen geschützt zu werden, sowie das daraus resultierende Interesse der Allgemeinheit an einem lauteren Wettbewerb (BGH v. 15.11.1990 - I ZR 22/89, BGHZ 113, 11 [14 f.] = MDR 1991, 856 - Kauf im Ausland; Urt. v. 26.11.1997 - I ZR 148/95, GRUR 1998, 419 [420] = WRP 1998, 386 - Gewinnspiel im Ausland, jeweils m.w.N.). Hieran ist auch unter der Geltung des Art. 40 EGBGB n.F. festzuhalten (Palandt/Heldrich, BGB, 63. Aufl., Art. 40 EGBGB Rz. 11; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., Einl. Rz. 188; Köhler in Köhler/Piper, UWG, 3. Aufl., Einf. Rz. 92; Sack, WRP 2000, 269 [272]).
bb) Im rechtlichen Ansatz zutreffend hat das Berufungsgericht ferner angenommen, dass in Fällen, in denen ein Kaufmann seine Waren oder Leistungen grenzüberschreitend anbietet, der Marktort derjenige ist, an dem die Werbemaßnahme auf den Kunden einwirken soll, selbst wenn der spätere Absatz auf einem anderen Markt stattfinden soll (BGH v. 15.11.1990 - I ZR 22/89, BGHZ 113, 11 [15] = MDR 1991, 856 - Kauf im Ausland; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., Einl. Rz. 187). Diese Regel gilt jedoch uneingeschränkt nur in den Fällen, in denen die wettbewerbsrechtliche Beurteilung der Werbemaßnahme - wie beispielsweise in Fällen der irreführenden Werbung - nicht davon abhängig ist, ob das beworbene Absatzgeschäft wettbewerbsrechtlich zu beanstanden ist. Anders verhält es sich, wenn sich der Vorwurf der Unlauterkeit der Ankündigung ausschließlich darauf gründen kann, dass das beworbene, im Ausland stattfindende Absatzgeschäft unlauter ist. So kann die Werbung für ein im Ausland abzuschließendes Geschäft nicht mit der Begründung im Inland untersagt werden, dass der Geschäftsabschluss - wenn er im Inland stattfände - als Rechtsbruch nach § 1 UWG zu untersagen wäre (Staudinger/Fezer, BGB, Bearb. 2000, IntWirtschR Rz. 572 ff.). Beispielsweise wäre es einem luxemburgischen Kaufmann unbenommen, in Deutschland damit zu werben, dass Kunden an einem deutschen Feiertag, an dem der Verkauf in Deutschland gegen die Bestimmungen des Ladenschlussgesetzes verstieße, in seinem Luxemburger Geschäftslokal willkommen seien.
cc) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts handelt es sich bei dem Verbot der Ankündigung einer Sonderveranstaltung in § 7 Abs. 1 UWG um einen Fall, in dem sich die Unlauterkeit der Ankündigung aus der Unlauterkeit der angekündigten Verkaufsveranstaltung ergibt. Begegnet die Verkaufsveranstaltung keinen wettbewerbsrechtlichen Bedenken, kann auch die Ankündigung nicht nach § 7 Abs. 1 UWG untersagt werden (BGH, Urt. v. 15.1.1998 - I ZR 244/95, MDR 1998, 730 = GRUR 1998, 585 [587] = WRP 1998, 487 - Lager-Verkauf). Dies gilt unabhängig davon, ob der angekündigte Verkauf nach luxemburgischem Recht zulässig ist oder nicht. Denn das Verbot des § 7 UWG bezieht sich nur auf im deutschen Einzelhandel durchgeführte Sonderveranstaltungen. Es hat nicht den Zweck, den inländischen Verbraucher auch vor einer möglichen unsachlichen Beeinflussung zu schützen, die von im Ausland stattfindenden Sonderveranstaltungen ausgehen mag (Großkomm.UWG/Schricker, Einl. Rz. F 220; Großkomm.UWG/Jestaedt, § 7 Rz. 18; Gloy/Wilde, Handbuch WettbR, 2. Aufl., § 6 Rz. 51; Kreuzer in MünchKomm/BGB, 3. Aufl., Art. 38 EGBGB Rz. 246; Staudinger/Fezer, BGB, Bearb. 2000, IntWirtschR Rz. 463; Piper in Köhler/Piper, UWG, 3. Aufl., § 7 Rz. 7).
Das Berufungsgericht weist allerdings zu Recht darauf hin, dass der deutsche Gesetzgeber mit dem Sonderveranstaltungsverbot auch das Ziel verfolgt hat, die Verbraucher vor einer übermäßig unsachlichen Beeinflussung ihrer wirtschaftlichen Entschließungen zu schützen (BGH, Urt. v. 28.9.1979 - I ZR 139/77, MDR 1980, 202 = GRUR 1980, 112 [113] - Sensationelle Preissenkungen; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., § 7 Rz. 1). Auch dieser Schutzzweck rechtfertigt es jedoch nicht, auch die Ankündigung einer im Ausland stattfindenden Sonderveranstaltung zu untersagen. Denn der Gesetzgeber hat zu diesem Zweck für Sonderveranstaltungen einen Ordnungsrahmen geschaffen, der seiner Natur nach nur Geltung im Inland beanspruchen kann (Piper in Köhler/Piper, UWG, 3. Aufl., § 7 Rz. 6 f.). Nur unter diesem Ordnungsgesichtspunkt lässt es sich beispielsweise rechtfertigen, dass ein Saisonschlussverkauf außerhalb der festen zeitlichen Grenzen des § 7 Abs. 3 Nr. 1 UWG, ein Jubiläumsverkauf aus Anlass des zwanzigjährigen Bestehens (§ 7 Abs. 3 Nr. 2 UWG) und ein nicht rechtzeitig bei der zuständigen Stelle angezeigter Räumungsverkauf (§ 8 Abs. 3 S. 1 UWG) als wettbewerbswidrig untersagt werden können.
dd) Die beanstandete Werbung kann unter diesen Umständen nicht unter dem Gesichtspunkt der Ankündigung einer unzulässigen Sonderveranstaltung verboten werden. Auf die Frage, ob ein Verbot der Werbung mit dem Grundsatz der Warenverkehrsfreiheit nach Art. 28 EG vereinbar wäre, kommt es somit nicht an.
b) Mit Recht hat das Berufungsgericht in der Ankündigung der Sonderveranstaltung weder im Hinblick auf die gewählten reißerischen Begriffe noch mit Blick auf die angekündigten Gewinnmöglichkeiten einen Wettbewerbsverstoß unter dem Gesichtspunkt eines übertriebenen Anlockens gesehen (vgl. zu den Gutscheinen BGH, Urt. v. 22.5.2003 - I ZR 8/01, BGHReport 2003, 1426 = MDR 2004, 224 = GRUR 2003, 1057 = WRP 2003, 1428 - Einkaufsgutschein I; Urt. v. 18.12.2003 - I ZR 84/01, GRUR 2004, 349 = WRP 2004, 496 - Einkaufsgutschein II). Die Revisionserwiderung erhebt insoweit auch keine Gegenrüge. Die Frage eines Verstoßes gegen das Rabattgesetz und gegen die Zugabeverordnung, die das Berufungsgericht noch erörtert hat, stellt sich nicht mehr, weil diese Vorschriften nach Erlass des Berufungsurteils aufgehoben worden sind.
2. Klageantrag 1b) (Ankündigung der Abgabe von Einkaufsgutscheinen):
Das LG hat - dem Klageantrag entsprechend - nicht nur die Ankündigung der Sonderveranstaltung mit den Merkmalen, die die oben wiedergegebene Zeitungsanzeige auszeichnen, untersagt. Es hat der Klage auch mit dem Klageantrag 1b) stattgegeben und es der Beklagten unabhängig von der Ankündigung der Sonderveranstaltung schlechthin untersagt, "einen Einkaufsgutschein im Wert von 1.000 luxemburgischen Franken für jeden 50. Kassenkunden anzukündigen". Das Berufungsgericht hat die - auch gegen die Verurteilung in diesem Punkt gerichtete - Berufung der Beklagten in vollem Umfang zurückgewiesen. Mit Recht rügt die Revision, dass das Berufungsurteil insoweit keine Gründe enthält (§ 551 Nr. 7 ZPO a.F. = § 547 Nr. 6 ZPO). Auf diese Rüge kommt es indessen nicht an, weil die Revision in diesem Punkt aus anderen Gründen Erfolg hat (BGH, Urt. v. 30.5.2000 - VI ZR 276/99, MDR 2000, 1316 = NJW 2000, 3421). Den zutreffenden Ausführungen, mit denen das Berufungsgericht begründet hat, weswegen in der bloßen Ankündigung der in Rede stehenden Sonderveranstaltung kein wettbewerbswidriges übertriebenes Anlocken zu sehen ist, lässt sich entnehmen, dass auch die Ankündigung des Einkaufsgutscheins für sich genommen nicht wettbewerbswidrig ist (dazu oben unter II.1.b).
3. Klageantrag 2 (Zahlung einer Abmahnpauschale):
Da die vom Kläger beanstandete Werbung nicht wettbewerbswidrig ist, fehlt es an einer Grundlage für den Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten.
III. Danach ist das Berufungsurteil aufzuheben. Die Klage ist auf die Berufung der Beklagten abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
BGHR 2005, 123 |
EBE/BGH 2004, 346 |
EWiR 2005, 351 |
GRUR 2004, 1035 |
AfP 2004, 531 |
RIW 2004, 940 |
WRP 2004, 1484 |
GuT 2004, 244 |
GRUR-Int. 2005, 338 |
LMK 2004, 228 |