Entscheidungsstichwort (Thema)
Anteilserwerb als Gesellschafter. Anmeldung und Nachweis
Leitsatz (amtlich)
Gegenüber der Gesellschaft gilt derjenige als Gesellschafter, dessen Anteilserwerb unter einem überzeugenden Nachweis des Übergangs bei der Gesellschaft angemeldet ist. Die Gesellschaft kann auf einen Nachweis verzichten.
Normenkette
GmbHG § 16 Abs. 1; BGB § 184 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 9. Zivilsenats des OLG Celle vom 21.3.2007 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
[1] Der Kläger war zusammen mit Rechtsanwalt N. Gründungsgesellschafter der Beklagten und ihr Geschäftsführer. Rechtsanwalt N. hielt den Geschäftsanteil, wie dem Kläger bekannt war, als Treuhänder für S. In einer notariellen Urkunde vom 5.8.1996 "verkaufte" Rechtsanwalt N., vertreten durch den vollmachtlosen S., seine Geschäftsanteile an S. und trat sie ihm ab. Rechtsanwalt N. teilte am 8.8.1996 S. und dem Kläger mit, dass er den ihm vorgelegten Kaufvertrag jedenfalls derzeit nicht genehmigen könne und wolle. Am 13.8.1996 genehmigte er die Abtretung der Geschäftsanteile vom 5.8.1996.
[2] Am 18.12.1996 meldete S. die Anteilsübertragung unter Vorlage der notariellen Urkunde und der Genehmigung vom 13.8.1996 bei der Beklagten an. Am 30.12.1996 setzte Rechtsanwalt P. als Bevollmächtigter von S. die Beklagte davon in Kenntnis, dass seit diesem Tag die früher von S. gehaltenen Geschäftsanteile von Rechtsanwalt Dr. No. gehalten würden, eine Ausfertigung der darüber erstellten notariellen Urkunde übersandt werde, sobald sie vorliege, und der Rechtserwerb angemeldet werde. Anlässlich einer am 19.12.2003 auf Verlangen von S. einberufenen Gesellschafterversammlung der Beklagten entstand Streit, wer neben dem Kläger noch Gesellschafter der Beklagten sei. Am 3.5.2004 bestätigten S. und Rechtsanwalt N. vorsorglich die dingliche Übertragung der Geschäftsanteile vom 5.8.1996. S. zeigte dies der Beklagten vor der Gesellschafterversammlung vom 14.5.2004 an.
[3] Der Kläger hat gegen verschiedene Beschlüsse der Gesellschafterversammlung vom 14.5.2004 Anfechtungsklage erhoben. Die Beklagte hat widerklagend die Feststellung beantragt, dass S. am Stammkapital der Beklagten beteiligt und Inhaber von drei Geschäftsanteilen sei. Das LG hat der Zwischenfeststellungswiderklage stattgegeben, das OLG die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die vom erkennenden Senat zugelassene Revision des Klägers.
Entscheidungsgründe
[4] Die Revision des Klägers hat Erfolg.
[5] I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, S. sei seit dem 3.5.2004 an der Beklagten beteiligt, bis dahin habe Rechtsanwalt N. den Anteil treuhänderisch für ihn gehalten. 1996 sei er nicht Gesellschafter geworden. Rechtsanwalt N. habe - wie das LG zutreffend ausgeführt habe - am 8.8.1996 die Genehmigung der Erklärung vom 5.8.1996 verweigert und seine kurz darauf erfolgte Zustimmung entbehre der notwendigen Form für die Abtretung von Geschäftsanteilen einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Der Übertragung der Anteile von Rechtsanwalt N. auf S. am 3.5.2004 stehe nicht entgegen, dass nach § 16 Abs. 1 GmbHG der Beklagten gegenüber zunächst Rechtsanwalt Dr. No. als Gesellschafter zu gelten hatte, weil er bei ihr angemeldet war. Eine rechtlich unzutreffende Anmeldung könne die materielle Rechtslage nicht ändern, zumindest sei jene Anmeldung ggü. der Beklagten durch die Anmeldung der Übertragung von Rechtsanwalt N. auf S. vom 3.5.2004 widerrufen worden.
[6] II. Dies hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
[7] 1. Rechtsfehlerhaft ist schon der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, eine rechtlich unzutreffende Anmeldung von Rechtsanwalt Dr. No. als Gesellschafter könne die wirkliche materielle Rechtslage nicht ändern. Die mit der Widerklage begehrte Feststellung der Gesellschaft, dass S. ihr Gesellschafter sei, hängt nicht von einer Änderung der "wirklichen" materiellen Rechtslage ab. Nach § 16 Abs. 1 GmbHG gilt bei einer Anteilsveräußerung der Gesellschaft gegenüber derjenige als Erwerber und damit als Gesellschafter, dessen Erwerb unter Nachweis des Übergangs bei der Gesellschaft angemeldet ist. Es handelt sich um eine gesetzliche Fiktion, die für die Stellung als Gesellschafter ggü. der Gesellschaft die Anmeldung durch einen dazu Befugten und einen überzeugenden Nachweis des Anteilsübergangs voraussetzt. Auf die Wirksamkeit der Übertragung oder die materielle Rechtslage kommt es nicht an (st.Rspr. BGH BGHZ 84, 47, 49; BGHZ 112, 103, 113; BGH, Urt. v. 15.4.1991 - II ZR 209/90, ZIP 1991, 724; v. 9.7.1990 - II ZR 194/89, ZIP 1990, 1057; v. 24.6.1996 - II ZR 56/95, NJW-RR 1996, 1377).
[8] 2. Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Rechtsanwalt Dr. No. im Verhältnis zur Beklagten seit 30.12.1996 als Gesellschafter gilt. Rechtsanwalt Dr. No. ist von einem Anmeldebefugten angemeldet worden. Dazu, ob sein Anteilserwerb bei der Anmeldung überzeugend nachgewiesen wurde, fehlen bisher ausreichende Feststellungen.
[9] a) Der Erwerb der Gesellschaftsanteile durch Rechtsanwalt Dr. No. wurde am 30.12.1996 von dem dazu befugten S., vertreten durch Rechtsanwalt P., bei der Beklagten angemeldet. Anmeldeberechtigt sind Veräußerer und Erwerber (Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, 18. Aufl., § 16 Rz. 5). S. war als Veräußerer zur Anmeldung befugt, weil er zu diesem Zeitpunkt als Gesellschafter der Beklagten galt (§ 16 Abs. 1 GmbHG). Die Anteilsübertragung von Rechtsanwalt N. auf ihn war am 18.12.1996 unter gleichzeitigem Nachweis des Rechtsübergangs der Beklagten angemeldet worden. Der Übergang der Gesellschafterstellung ist auch nachgewiesen. Dazu genügt, dass die Gesellschaft vom Rechtsübergang überzeugend unterrichtet wird (BGH, Urt. v. 25.1.1960 - II ZR 207/57, WM 1960, 289; Urt. v. 15.4.1991 - II ZR 209/90, ZIP 1991, 724). Der Anmeldung vom 18.12.1996 waren überzeugende Nachweise beigefügt, nämlich eine beglaubigte Abschrift der Urkunde über die Anteilsübertragung vom 5.8.1996, bei der Rechtsanwalt N. von S. vollmachtlos vertreten wurde, und die nach § 177 Abs. 1 BGB notwendige Genehmigungserklärung von Rechtsanwalt N. vom 13.8.1996. Die Zustimmung bedurfte entgegen der vom Berufungsgericht übernommenen Auffassung des LG anders als die Anteilsübertragung (§ 15 Abs. 3 GmbHG) nicht der notariellen Form (§ 182 Abs. 2 BGB).
[10] Gegen die Überzeugungskraft der vorgelegten Nachweise spricht nicht, dass Rechtsanwalt N. in seinem Schreiben vom 8.8.1996 an den Kläger und S. - das der Beklagten mit der Anmeldung nicht vorgelegt wurde - vor Erteilung der Genehmigung den Kaufvertrag nicht genehmigt hat. Das Schreiben stand einer späteren Genehmigung der Anteilsübertragung nicht entgegen, weil sie darin nicht verweigert wurde. Wenn der Berechtigte die Genehmigung nach § 184 Abs. 1 BGB in der Schwebe hält, verweigert er sie nicht endgültig (BGH, Urt. v. 15.6.1964 - VIII ZR 7/63, WM 1964, 878). Rechtsanwalt N. hat in seinem Schreiben vom 8.8.1996 zwischen dem schuldrechtlichen Geschäft und der Anteilsübertragung unterschieden. Zur Genehmigung der Anteilsübertragung hat er sich nicht geäußert, die Genehmigung des schuldrechtlichen Geschäfts ausdrücklich offen gelassen. Er hat erklärt, dass er den vorgelegten Kaufvertrag derzeit nicht genehmigen könne und wolle, weil er als Treuhänder den Anteil an den Treugeber nicht verkaufen könne. Bei der Bestätigung der dinglichen Übertragung der Geschäftsanteile vom 3.5.2004 hat Rechtsanwalt N. nochmals ausdrücklich klargestellt, dass er mit seinem Schreiben vom 8.8.1996 nur mitgeteilt habe, dass er den schuldrechtlichen Vertrag als Kaufvertrag nicht genehmigen könne, aber danach die dingliche Rechtsübertragung genehmigt habe und sie seiner Ansicht nach rückwirkend wirksam geworden sei.
[11] b) Die Anmeldung von Rechtsanwalt Dr. No. ist nach den bisherigen Feststellungen auch nicht mangels eines überzeugenden Nachweises i.S.v. § 16 Abs. 1 GmbHG unwirksam.
[12] 3. Rechtsfehlerhaft ist auch die Annahme des Berufungsgerichts, zumindest sei die Anmeldung von Rechtsanwalt Dr. No. durch die Anmeldung der Übertragung von Rechtsanwalt N. auf S. vom 3.5.2004 widerrufen worden. Die Anzeige der Übertragung von Rechtsanwalt N. auf S. vom 3.5.2004 ist kein Widerruf der Anmeldung vom 30.12.1996. Der Widerruf einer Anmeldung ist in § 16 Abs. 1 GmbHG nicht vorgesehen und nach Zugang der Anmeldung bei der Gesellschaft nicht möglich, § 130 Abs. 1 BGB. Wie die Wirkungen von § 16 Abs. 1 GmbHG im Fall einer unwirksamen Übertragung beseitigt werden können, hat der Senat bislang offen gelassen (BGH BGHZ 84, 47, 51) und muss dies auch im vorliegenden Fall nicht entscheiden. Selbst wenn dazu statt einer Rückübertragung ein "Widerruf" genügte, kommt er nur als Wiederanmeldung des früheren Veräußerers in Betracht. Ein solcher "Widerruf" setzt neben der Anmeldung voraus, dass die Unwirksamkeit der früher angemeldeten Übertragung überzeugend nachgewiesen wird (Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, 18. Aufl., § 16 Rz. 4; Loebbe in GroßKomm/GmbHG § 16 Rz. 53; Schulz/H. Winter/Seibt, GmbHG, 10. Aufl., § 16 Rz. 23a). Ein solcher Nachweis wurde bei der Anmeldung im Mai 2004 nicht erbracht. Die als Nachweis beigefügte vorsorgliche Bestätigung der Veräußerung von Rechtsanwalt N. an S. im Jahr 1996 in der Urkunde vom 3.5.2004 belegt die Unwirksamkeit der Anteilsübertragung von S. an Rechtsanwalt Dr. No. nicht, sondern hätte im Gegenteil, wenn sie mangels Verfügungsbefugnis von S. 1996 unwirksam gewesen wäre, nach § 185 Abs. 2 BGB nachträglich zu ihrer Wirksamkeit geführt.
[13] 4. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, da der Rechtsstreit nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 ZPO). Die Sache ist zurückzuverweisen, damit die Parteien Gelegenheit erhalten, ihren Vortrag zum bisher nicht weiter beachteten Gesichtspunkt eines Nachweises bei der Anmeldung des Anteilserwerbs von Rechtsanwalt Dr. No. zu ergänzen. In der Anmeldung vom 30.12.1996 wird die Übersendung einer Urkunde über die Übertragung der Geschäftsanteile nur angekündigt. Nicht ausgeschlossen ist auch, dass Rechtsanwalt Dr. No. ohne einen Nachweis ordnungsgemäß angemeldet war. Die Gesellschaft kann nach pflichtgemäßem Ermessen des Geschäftsführers auf Nachweise verzichten. Eine ordnungsgemäße Anmeldung liegt dann auch vor, wenn die Gesellschaft den Erwerber als neuen Gesellschafter anerkennt und behandelt (BGH, Urt. v. 15.4.1991 - II ZR 209/90, ZIP 1991, 724).
Fundstellen
Haufe-Index 2075927 |
BB 2008, 2581 |
DB 2008, 2587 |
DStR 2008, 2428 |