Leitsatz (amtlich)
Die Vorschriften des bayerischen Polizeirechts über die unmittelbare Ausführung einer Maßnahme (Art. 9 PAG) und die Ersatzvornahme (Art. 55 PAG) einschließlich der dazugehörenden Bestimmungen über die Erhebung von Kosten (Gebühren und Auslagen) enthalten eine erschöpfende Sonderregelung, die in diesem Bereich einen Anspruch des Trägers der Polizei aus Geschäftsführung ohne Auftrag ausschließt.
Ein Polizeibeamter, der in dienstlicher Eigenschaft hoheitlich tätig wird, kann nicht zugleich (in seiner Person) das bürgerlich-rechtliche Geschäft eines Dritten führen.
Normenkette
BGB §§ 670, 683; BayPAG §§ 9, 55
Verfahrensgang
OLG Bamberg (Urteil vom 03.02.2003) |
LG Würzburg |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 4. Zivilsenats des OLG Bamberg v. 3.2.2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beklagte, die einen Viehhandel betreibt, ließ am 10.11.1997 durch den bei ihr angestellten N. S. drei ihr gehörende Jungrinder zu dem Landwirt H. in W. Ortsteil D. transportieren. Beim Abladen von dem Viehtransporter riss sich eines der Rinder los und rannte weg. Es durchschwamm den Main und gelangte auf die Autobahn, wo es einen Unfall mit einem Pkw verursachte, floh anschließend in die umliegenden Felder, kehrte aber nach kurzer Zeit wieder auf die Autobahn zurück. Als die über Funk herbeigerufene Polizei eintraf, befand sich das Rind auf der Autobahn im Bereich der Mittelleitplanke. Die beiden Polizeibeamten versuchten zunächst, das Tier von der Autobahn zu vertreiben. Als dies nicht gelang, schoss der Polizeihauptwachtmeister M. mehrfach mit seiner Dienstpistole aus dem geöffneten Fenster der Beifahrerseite des Streifenwagens auf das Rind, bis dieses tödlich getroffen zusammenbrach. Der Polizeibeamte erlitt hierbei ein Knalltrauma an beiden Ohren. Er war wegen dieser Verletzung bis zum 30.11.1997 arbeitsunfähig krank.
Der klagende Freistaat macht gegen die Beklagte unter Berufung auf eine Abtretungserklärung des Geschädigten sowie auf einen Rechtsübergang nach Art. 96 des Bayerischen Beamtengesetzes Erstattungs- bzw. Schadensersatzansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag und aus unerlaubter Handlung (Haftung für den Verrichtungsgehilfen und Tierhalterhaftung) geltend, und zwar neben den von ihm aufgewendeten Heilbehandlungskosten von 9.016,32 DM einen "Dienstausfallschaden" i. H. v. 3.116,82 DM.
Das LG hat die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung von 12.133,14 DM zzgl. Zinsen verurteilt und darüber hinaus festgestellt, dass die Beklagte dem Kläger den weiteren dadurch entstandenen oder noch entstehenden Schaden zu ersetzen habe, dass der Kläger wegen des Schadensfalles Leistungen an den verletzten Polizeibeamten direkt oder an Dritte noch zu erbringen habe. Das OLG hat auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen, jedoch gegen sein Urteil die Revision zugelassen, "soweit es um die Anwendbarkeit der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag geht". Mit der hiergegen gerichteten Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des Urteils des LG.
Entscheidungsgründe
A.
Die Revision des Klägers eröffnet eine uneingeschränkte Überprüfung des angefochtenen Urteils. Selbst wenn das Berufungsgericht eine Zulassungsbeschränkung hätte aussprechen wollen, wäre diese unwirksam, weil die Zulassung der Revision grundsätzlich auf den prozessualen Anspruch (Streitgegenstand) bezogen und die Beschränkung auf einzelne rechtliche und tatsächliche Gesichtspunkte unwirksam ist (vgl. BGH v. 3.6.1987 - IVa ZR 292/85, BGHZ 101, 276 [278 f.] = MDR 1987, 917; Urt. v. 20.5.2003 - XI ZR 248/02, MDR 2003, 1190 = BGHReport 2003, 961 = ZIP 2003, 1240 f.). Mit diesem Grundsatz wäre es zwar vereinbar, die Zulassung der Revision auf Einzelne von mehreren selbstständigen prozessualen Ansprüchen oder auf Teile eines Anspruchs zu begrenzen, wenn und soweit eine Entscheidung durch Teil- oder Grundurteil zulässig wäre, nicht jedoch die Beschränkung auf einzelne reine Rechtsfragen (vgl. Zöller/Gummer, ZPO, 24. Aufl., § 543 Rz. 19 ff., 22 f.).
B.
In der Sache führt die Revision zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Zwar hat das Berufungsgericht den Klageanspruch rechtsfehlerfrei unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag verneint (I.), die Ablehnung des Anspruchs aus Delikt (Haftung für den Verrichtungsgehilfen und Tierhalterhaftung) ist jedoch mit einem Verfahrensfehler behaftet (II.).
I.
Das Berufungsgericht hält - anders als das LG - Erstattungsansprüche aus § 683 S. 1 i. V. m. § 670 BGB ("in der Person des verletzten Polizeibeamten") nicht für gegeben: Gegen die Annahme einer Geschäftsführung ohne Auftrag bei einer Fallgestaltung, wie sie hier vorliegt, werde vorgebracht: Erstens fehle es an einer Fremdheit des Geschäfts, wenn und soweit eine öffentlich-rechtliche Handlungspflicht bestehe. Zweitens schließe das Vorliegen einer öffentlich-rechtlichen Handlungspflicht den gem. § 677 BGB erforderlichen Fremdgeschäftsführungswillen aus, denn das Bestehen einer öffentlich-rechtlichen Handlungspflicht verhindere die von § 683 BGB vorausgesetzte Unterordnung unter den Willen des "Geschäftsherrn". Drittens sei der auf Grund einer öffentlich-rechtlichen Handlungspflicht tätig werdende Verwaltungsträger dem Geschäftsherrn gegenüber gem. § 677 BGB auch ohne Auftrag "sonst" zur Geschäftsführung "berechtigt". Vor allem die beiden letzteren Argumente hält das Berufungsgericht für überzeugend. Vorliegend mache der klagende Freistaat geltend, Polizeihauptwachtmeister M. sei als Polizeivollzugsbeamter auf Grund und unter Beachtung der Vorschriften des Bayerischen Polizeiaufgabengesetzes (PAG) tätig geworden. Dann sei er auch zu seinem Vorgehen im Verhältnis zur Beklagten "sonst berechtigt" i. S. d. § 677 BGB gewesen und habe sich wegen seiner Verpflichtung zur Einhaltung der Vorschriften des Bayerischen Polizeiaufgabengesetzes auch nicht einem (ggf. davon abweichenden) wirklichen oder mutmaßlichen Willen der Beklagten als "Geschäftsherrn" i. S. d. § 683 S. 1 BGB unterwerfen können. Darüber hinaus erscheine es zweifelhaft, ob in der vorgeschilderten Situation ausgehend von einem objektiv (auch) fremden Geschäft wie üblich der Fremdgeschäftsführungswille vermutet werden könne oder ob dies für die Fälle der Hilfeleistung durch Polizeivollzugsbeamte "gerade nicht" gelte. Bei Richtigkeit der letzteren Auffassung ließe sich ein Fremdgeschäftsführungswille des Polizeihauptwachtmeisters M. im vorliegenden Fall nicht feststellen. Auf die Äußerung des Landwirts H. vor der Tötung des Rindes, das Tier müsse erlegt werden, es sei nicht mehr möglich, es einzufangen, käme es hierbei nicht an, denn "Geschäftsherr" wäre nicht H. , sondern die Beklagte gewesen.
Diese Ausführungen werden von der Revision vergeblich angegriffen.
1. Die §§ 677 ff. BGB sind nach der Rechtsprechung des BGH grundsätzlich auch im Verhältnis zwischen Verwaltungsträgern und Privatpersonen anwendbar (siehe die Hinweise bei Seiler in MünchKomm/BGB, 3. Aufl., vor § 677 Rz. 23 ff., 31 f.). Die Annahme einer Geschäftsführung ohne Auftrag der Verwaltung für den Bürger verbietet sich nicht einmal dann ohne weiteres, wenn die öffentliche Hand bei dem betreffenden Vorgang hauptsächlich zur Erfüllung öffentlich-rechtlicher Pflichten tätig geworden ist (vgl. BGHZ 40, 28; 63, 167, 169 f., jew. für den Einsatz der Feuerwehr [vgl. hierzu auch BayVGH BayVBl. 1979, 621 [623]; BGH, Urt. v. 10.4.1969 - II ZR 239/67, NJW 1969, 1205; BGHZ 65, 384, jew. zur Bergung von einem Schiff verloren gegangener, für die Schifffahrt gefährlicher Gegenstände durch den Eigentümer der öffentlichen Wasserstraße; BGHZ 65, 354 [357 ff.], zur Beseitigung von Straßenverschmutzungen, die von einem Anlieger herrühren, durch die Straßenbaubehörde).
Gegen diese Rechtsprechung wird von einem erheblichen Teil des Schrifttums insbesondere eingewandt, soweit eine Behörde eine eigene gesetzlich zugewiesene Aufgabe (Pflicht zum Tätigwerden) nach öffentlichem Recht wahrnehme, bestimme sich ihre Handlungsweise ausschließlich nach diesem Recht und könne nicht zugleich privatrechtlicher Natur sein (vgl. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, 1984, 468 ff. 471 ff., 474; Scherer, NJW 1989, 2724 [2728 f.]; Wolff/Bachof/Stober, VerwR, Bd. 2, § 55 Rz. 14), die Anwendung der privatrechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag würde die geltenden Verwaltungsvollstreckungsgesetze und die bestehenden polizeilichen Eingriffs- und Kostenersatznormen als Spezialregelungen unterlaufen (vgl. Erichsen in Erichsen/Ehlers, Allg. VerwR, 12. Aufl., § 29 Rz. 14; in MünchKomm/BGB, 3. Aufl., vor § 677 Rz. 31; Bamberger, JuS 1998, 706 [709]; w.N. bei Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl., S. 343), und jedenfalls bei einem Einschreiten der Polizei auf Grund ihrer Eilkompetenz zur Gefahrenabwehr sei sie dem Störer gegenüber zur Geschäftsbesorgung i. S. d. § 677 BGB in sonstiger Weise "berechtigt" und auch ein Fremdgeschäftsführungswille im Sinne einer Unterordnung unter den Willen des Störers komme nicht in Betracht (Erichsen in Erichsen/Ehlers, Allg. VerwR, 12. Aufl., § 29 Rz. 17; Wolff/Bachof/Stober, VerwR, Bd. 2, § 55 Rz. 14). Der vorliegende Fall gibt keine Veranlassung, auf diese grundsätzlichen Einwände umfassend einzugehen. Der Streitfall nötigt auch nicht dazu, allgemein auf die - in BGH BGHZ 63, 167 [170] ausdrücklich offen gelassene - Frage einzugehen, inwieweit der für eine bürgerlich-rechtliche Geschäftsführung ausschlaggebende Wille, ein fremdes Geschäft zumindest mitzubesorgen, auch beim unmittelbaren Eingreifen der Polizei und anderer Ordnungsbehörden angenommen werden kann.
2. Denn selbst wenn und soweit es möglich sein sollte, über die bloße Hilfeleistung zu Gunsten privater Interessen hinausgehendes hoheitliches Handeln der Polizei - selbst das unmittelbare Einschreiten gegen einen Dritten als polizeilichen Störer, sogar, wie hier, verbunden mit der Vernichtung von Eigentum desselben - zugleich als Fremdgeschäftsführung im bürgerlich-rechtlichen Sinne zu begreifen, wären Aufwendungsersatzansprüche aus §§ 683, 670 BGB durch die diesbezüglich im bayerischen Polizei- und Kostenrecht enthaltene Sonderregelung ausgeschlossen.
a) Vorliegend dienten die Maßnahmen der Polizei einschließlich der von dem Polizeihauptwachtmeister M. abgegebenen Schüsse der Abwehr von Gefahren, die der öffentlichen Sicherheit durch das entlaufene Rind drohten. Die Beklagte war als Eigentümerin für diesen Zustand polizeirechtlich verantwortlich (Zustandsstörer; vgl. Art. 8 Abs. 2 S. 1 PAG). Da die Polizei die Gefahr nicht durch Inanspruchnahme des für die Störung nach Art. 8 PAG Verantwortlichen abwehren konnte, durfte sie die erforderlichen Maßnahmen selbst unmittelbar ausführen (Art. 9 Abs. 1 PAG).
Gemäß Art. 9 Abs. 2 S. 1 PAG werden für die unmittelbare Ausführung einer Maßnahme von den (u. a.) nach Art. 8 PAG Verantwortlichen Kosten (Gebühren und Auslagen) erhoben. Diese Bestimmung entspricht der Regelung für den Fall der polizeilichen Ersatzvornahme, wenn der Polizeipflichtige eine ihm aufgegebene Handlungspflicht nicht erfüllt (Art. 55 Abs. 1 S. 2 PAG). Nach der auf der Grundlage des Art. 76 S. 3 PAG erlassenen Polizeikostenverordnung werden abweichend von dem im Übrigen geltenden (Art. 9 Abs. 2 S. 2, 55 Abs. 1 S. 3 PAG) bayerischen Kostengesetz bestimmte Gebühren für die unmittelbare Ausführung einer Maßnahme und für die Ausführung einer Ersatzvornahme erhoben. Einzelne der im Kostengesetz als erstattungsfähig aufgeführten Auslagen werden in der Polizeikostenverordnung als durch die aufgeführten Gebühren abgegolten bezeichnet. Das Kostengesetz erklärt im Übrigen Amtshandlungen, die von der Polizei zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach Art. 2 des Polizeiaufgabengesetzes vorgenommen worden sind, von bestimmten einzelnen Ausnahmen abgesehen, für kostenfrei, "soweit nichts Anderes bestimmt ist" (Art. 3 Abs. 1 Nr. 10 Kostengesetz).
In diesen ineinander greifenden Bestimmungen liegt eine lückenlose Regelung des Rückgriffs der Polizei auf den Störer. Diese deckt sachlich auch den gesamten Bereich des "Aufwendungsersatzes" für einen solchen Einsatz ab, der - da die Polizei im Fall der unmittelbaren Ausführung einer Maßnahme wie auch im Fall der Ersatzvornahme regelmäßig eine Aufgabe vornimmt, die an sich dem Störer obliegt - in diesen Fällen aus polizeirechtlicher Sicht grundsätzlich ebenso umfassend in den Blick zu nehmen war wie ihn das bürgerliche Recht für die Geschäftsführung ohne Auftrag vorsieht. Damit liegt eine die vorliegende Fallgruppe abschließende Regelung vor (so schon BayObLGZ 1968, 200 für Art. 58 PAG a. F.), die zugleich in diesem Regelungsbereich inhaltlich den Ersatz von "Aufwendungen" auch i. S. d. Ersatzes von (Gesundheits-)Schäden, wie ihn die Rechtsprechung im Zusammenhang mit § 670 BGB anerkannt hat (BGH BGHZ 33, 251 [257]; BGHZ 38, 270 [277]), ausschließt.
b) Ausgehend hiervon lässt sich der von dem Kläger (Freistaat Bayern) geltend gemachte Aufwendungsersatzanspruch nach §§ 683 S. 1, 670 BGB aber auch nicht dadurch begründen, dass der Kläger diesen Anspruch statt aus eigenem Recht aus übergegangenem Recht des bei seinem Einsatz verletzten Polizeibeamten M. herleitet, der hierbei als maßgeblicher "Geschäftsführer" ein (privates) Geschäft - auch - für die Beklagte als Eigentümerin des im Bereich der Bundesautobahn herumirrenden Rindes geführt habe (vgl. die ähnliche rechtliche Einordnung in BayObLGZ 1968, 200 [204 ff.]).
Die Annahme einer (privatrechtlichen) Geschäftsführung ohne Auftrag in der Person des Polizeibeamten scheitert schon daran, dass dieser dann im Zusammenhang mit der Durchführung seiner polizeilichen Aufgabe uno actu eine Handlung als Organ des Staates wie auch eine ihm als "Privatmann" zuzurechnende Handlung begangen haben müsste. Eine dienstliche Tätigkeit des Beamten kann aber nicht zugleich eine private Tätigkeit desselben sein. Ein Beamter handelt entweder in Ausübung seines Dienstes, also als Staatsorgan, oder als Privatmann - sei es auch "bei Gelegenheit" der Ausübung seines Dienstes (vgl. Maurer, JuS 1970, 561 [566]). Das dienstliche Handeln des Polizeibeamten ist immer dem Staat, der durch seine Organe handelt, zuzurechnen.
II.
1. Das Berufungsgericht verneint auch einen (ggf. von dem Polizeihauptwachtmeister M. auf den Kläger übergegangenen) Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte aus § 831 Abs. 1 i. V. m. § 823 Abs. 1 BGB (Haftung für den Verrichtungsgehilfen) und aus § 833 BGB (Tierhalterhaftung).
Zu der ersteren Anspruchsgrundlage entnimmt es der durchgeführten Beweisaufnahme, dass die Beklagte bei der Auswahl des Zeugen S. zu ihrem Verrichtungsgehilfen die erforderliche Sorgfalt beachtet habe (§ 831 Abs. 1 S. 2 BGB). Der Zeuge S. führe nach seinen glaubhaften Angaben seit ca. 30 Jahren Viehtransporte für die Beklagte bzw. ein früheres Unternehmen unter einer Einzelfirma durch, und zwar monatlich etwa 100 bis 110 Stunden; er transportiere dabei alle Arten von Vieh, nämlich Bullen, Kühe und Schweine. Größere Zwischenfälle seien ihm dabei noch nicht passiert. Auch sonst habe der Zeuge nach der Gesamtheit seiner Ausführungen einen kompetenten und erfahrenen Eindruck auf dem betreffenden Gebiet gemacht.
Hinsichtlich der anderen Anspruchsgrundlage sieht das Berufungsgericht zwar den Tatbestand des § 833 S. 1 BGB als gegeben an, weil die Verletzung des Polizeihauptwachtmeisters M. bei Abgabe der Schüsse aus seiner Dienstpistole adäquat kausal durch das später getötete Rind, dessen "Halter" die Beklagte war, herbeigeführt worden sei. Die Ersatzpflicht der Beklagten trete aber gem. § 833 S. 2 BGB nicht ein, denn es habe sich bei dem entlaufenen Rind um ein Haustier gehandelt, das der Erwerbstätigkeit der Beklagten zu dienen bestimmt gewesen sei, und es sei - wie das Berufungsgericht unter Erörterung des Ergebnisses der Beweisaufnahme einschließlich eines Sachverständigengutachtens näher ausführt - bewiesen, dass die Beklagte als Tierhalterin bei der Beaufsichtigung desselben die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet habe. Soweit seitens des Klägers im Zusammenhang mit der mündlichen Anhörung des Sachverständigen Zweifel an der Verwendung eines Kopfstricks durch den Zeugen S. zum Ausdruck gebracht worden seien, sei dies unbeachtlich, weil der Kläger selbst mit Schriftsatz v. 16.1.2001 vorgetragen habe: "Der Zeuge S. konnte das Rind am Kopfstrick nicht mehr festhalten ...". Dies stelle ein vorweggenommenes Geständnis dar, das seine Wirkung auch für das Berufungsverfahren behalten habe. Ein Widerruf dieses Geständnisses durch den Kläger sei nicht erfolgt; die Voraussetzungen für einen wirksamen Widerruf des Geständnisses lägen auch nicht vor.
2. Die Revision erhebt gegen die Würdigung des Berufungsgerichts zur Exkulpation der Beklagten gem. §§ 831 Abs. 1 S. 2, 833 S. 2 BGB mehrere Beanstandungen, auf die hier nicht umfassend eingegangen zu werden braucht. Das Berufungsgericht hat in der neuen Berufungsverhandlung Gelegenheit, sich mit diesen Rügen der Revision zu befassen. Jedenfalls ist die Argumentation des Berufungsgerichts, was das von ihm angenommene Geständnis des Klägers hinsichtlich der Verwendung eines Kopfstricks durch die Beklagte angeht, verfahrensfehlerhaft.
a) Der (erstmals) im Berufungsverfahren eingeschaltete Sachverständige Dr. P. hat in seinem Gutachten v. 22.7.2002 ausgeführt, bei Rindern in dem betreffenden Alter sei das Anlegen von "Kopfstricken" die ausschließliche und ausreichende Methode, um die Tiere sicher anzubinden und zu führen. Die Ausgestaltung eines solchen "Kopfstricks" - der wie ein Halfter angelegt wird - hat der Sachverständige durch Kopien aus einem Lehrbuch näher verdeutlicht. Bei seiner Anhörung in der Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 9.12.2002 hat er hierzu ergänzt, der Begriff "Kopfstrick" werde mit "Halfterstrick" und "Strickhalfter" synonym verwendet; das Anlegen um die Hörner oder den Hals könnte nur dazu dienen, das Tier festzuhalten.
Angesichts dieses Verfahrensablaufs, der dafür spricht, dass der Begriff des Kopfstricks im Vorliegenden Prozess in seiner eigentlichen, "technischen" (prozessrelevanten) Bedeutung erst im Laufe des Berufungsverfahrens herausgearbeitet worden ist, bestehen durchgreifende Bedenken, ob der vom Berufungsgericht zitierte Vortrag des Klägers in dem erstinstanzlichen Schriftsatz v. 16.1.2001 ("... S. konnte das Rind am Kopfstrick nicht mehr festhalten ...") schon in dem erst später problematisierten "technischen" Sinne zu verstehen war - und nicht einfach als ein (begrifflich wenig präzises) Aufgreifen der Darstellung in der (zu diesem Punkt ebenso unpräzisen) Klageerwiderungsschrift der Beklagten v. 20.12.2000, wonach es dem Zeugen S. nicht gelungen war, das Tier "am um den Hals gelegten Seil" festzuhalten.
b) Darüber hinaus ergibt sich weder aus dem Tatbestand des Urteils des LG oder dem des Berufungsurteils, noch ist sonst festgestellt, dass die Beklagte den genannten Vortrag des Klägers aus dem Schriftsatz v. 16.1.2001 speziell zum "Kopfstrick" aufgegriffen und sich zu Eigen gemacht hätte. Eine solche Übernahme des Klägervortrags durch die Beklagtenseite wäre aber erforderlich gewesen, um zu Lasten des Klägers eine Bindungswirkung als (vorweggenommenes) Geständnis zu erzeugen (Zöller/Greger, ZPO, 24. Aufl., § 288 Rz. 3a). Bloßes Nichtbestreiten begründet regelmäßig noch keine Bindungswirkung, so dass auch der Hinweis der Revisionserwiderung auf eine (von ihr als möglich erachtete) diesbezügliche "Einigkeit zwischen den Parteien" nicht weiterführt.
3. Da nicht auszuschließen ist, dass die Würdigung des Berufungsgerichts zu den deliktischen Schadensersatzansprüchen (§ 831 i. V. m. § 823 Abs. 1 BGB; § 833 BGB) ohne das von ihm (fehlerhaft) zu Grunde gelegte Geständnis des Klägers hinsichtlich der Verwendung eines Kopfstricks beim Transport des entlaufenen Rindes anders ausgefallen wäre, kann sein klagabweisendes Urteil insoweit keinen Bestand haben.
Hierzu bedarf es einer neuen Prüfung durch den Tatrichter.
Fundstellen
BGHZ 2004, 394 |
NJW 2004, 513 |
BGHR 2004, 303 |
EBE/BGH 2003, 407 |
NVwZ 2004, 373 |
ZAP 2004, 66 |
DÖV 2004, 300 |
MDR 2004, 448 |
NZV 2004, 131 |
VersR 2004, 782 |
BayVBl. 2004, 410 |
DVBl. 2004, 516 |
RÜ 2004, 122 |
UPR 2004, 135 |
AuUR 2004, 182 |
LL 2004, 145 |
LMK 2004, 45 |