Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 29. September 1999 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Feststellung, daß sein mit der Beklagten geschlossener Vertrag über eine Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung unbeschadet der von der Beklagten erklärten Anfechtung fortbesteht.
Gemäß der Rentenversicherungs-Police der Beklagten vom 12. Januar 1994 hatte der Kläger bei der Beklagten mit Versicherungsbeginn zum 1. Februar 1994 eine Leibrentenversicherung unter Einschluß einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung genommen. Die Beklagte versprach mit der Leibrentenversicherung ab Rentenzahlungsbeginn zum 1. Februar 2019 eine monatliche Altersrente von 485,10 DM auf Lebenszeit oder, auf Antrag des Versicherungsnehmers, an deren Stelle eine einmalige Kapitalabfindung von 89.882 DM. Mit der zugleich abgeschlossenen Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung sagte die Beklagte für den Fall des Eintritts bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit Beitragsbefreiung in der Hauptversicherung zu. Infolge der von den Parteien vereinbarten Dynamisierung belief sich die Versicherungsprämie ab 1. Februar 1995 auf monatlich insgesamt 330 DM; davon entfiel auf die Zusatzversicherung ein Prämienanteil von 8,60 DM; letzterer erhöhte sich ab 1. Februar 1997 auf 9,40 DM.
Nach einem Autounfall machte der Kläger mit Schreiben vom 23. Januar 1997 bei der Beklagten vorsorglich Ansprüche aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung geltend. Nach Eintritt in die Leistungsprüfung erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 1. Juli 1997 die Anfechtung des Vertrages über die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung und berief sich zur Begründung darauf, daß der Kläger bei Antragstellung Rückenerkrankungen bewußt verschwiegen habe, um Einfluß auf ihre Entscheidung über den Abschluß der Versicherung zu nehmen.
Das Landgericht hat die Feststellungsklage des Klägers abgewiesen; das Berufungsgericht hat seine dagegen gerichtete Berufung als unzulässig verworfen. Mit der Revision erstrebt der Kläger die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Entscheidungsgründe
Das gemäß § 547 ZPO statthafte Rechtsmittel hat Erfolg.
1. Das Berufungsgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 1.500 DM nicht übersteige (§ 511 a ZPO). Hinsichtlich der Wertbemessung sei allein auf die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung und dort auf das Interesse des Klägers an der Feststellung des Fortbestandes dieser Versicherung abzustellen. Dieses Interesse sei gemäß § 3 ZPO entsprechend der Regelung in § 9 ZPO nach dem Prämieninteresse des Versicherers zu bemessen, weil nur der Bestand des Vertrages im Streit sei. Ein Versicherungsfall, der ein höheres Interesse des Klägers am Obsiegen begründen könnte, sei weder eingetreten noch sei dessen Eintritt demnächst zu erwarten. Der Kläger berühme sich hinsichtlich des am 23. Januar 1997 gemeldeten Schadens keiner Ansprüche mehr; die Verletzung sei folgenlos verheilt. Ein künftiger Versicherungsfall sei derzeit ebenso gewiß oder ungewiß wie regelmäßig bei Abschluß des Versicherungsvertrages. Es erscheine deshalb angemessen, bei der Bewertung des Interesses des Klägers die Grundsätze anzuwenden, die zugrunde zu legen seien, wenn zwischen den Parteien der Bestand eines Versicherungsvertrages streitig werde. Insoweit sei das Interesse beider Parteien gleich zu bewerten; beim Versicherungsvertrag entspreche demgemäß das Prämieninteresse des Versicherers dem Interesse des Versicherungsnehmers am Versicherungsschutz. Daher bemesse sich im vorliegenden Falle das Interesse des Klägers nach dem 3 1/2-fachen Jahresprämienwert der Zusatzversicherung und bleibe somit hinter der durch § 511 a ZPO bestimmten Erwachsenheitssumme zurück. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
2. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Wertfestsetzung gemäß § 511 a in Verbindung mit § 3 ZPO kann zwar vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob das Berufungsgericht die gesetzlichen Grenzen seines Ermessens überschritten oder ob es von seinem Ermessen einen dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Gebrauch gemacht hat (st.Rspr. vgl. nur BGH, Urteil vom 8. Juli 1993 – III ZR 153/92 – BGHR ZPO § 511 a Revisibilität 1). Von letzterem ist hier aber auszugehen, weil das Berufungsgericht das insoweit maßgebliche wirtschaftliche Interesse des Rechtsmittelklägers am Erfolg seines Rechtsmittels (BGHZ 128, 85, 88) nur unzureichend berücksichtigt hat. Dieses wird im vorliegenden Falle durch das Interesse des Klägers an der Erhaltung der konkreten, auf wiederkehrende Leistungen bezogenen Leistungspflicht der Beklagten aus der bei ihr genommenen Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung – einer Summenversicherung – bestimmt.
a) Allerdings geht das Berufungsgericht – entgegen der Auffassung der Revision – zutreffend davon aus, daß für die Wertbemessung allein auf die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung abzustellen ist. Nur auf diese bezieht sich die von der Beklagten erklärte Anfechtung. Ein Rückgriff auf die mit der Leibrentenversicherung – die vom Fortbestand der Zusatzversicherung nicht abhängig ist – versprochenen Versicherungsleistungen kommt deshalb von vornherein nicht in Betracht.
b) Bei einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung bemißt der Senat die Beschwer bei einer auf die Feststellung gerichteten Klage, daß der Versicherungsvertrag trotz des vom Versicherer erklärten Rücktritts oder der von diesem erklärten Anfechtung fortbesteht, regelmäßig unter Rückgriff auf die Bemessung der Beschwer bei einer auf Leistung gerichteten Klage (vgl. Senatsbeschlüsse vom 11. Juli 1990 – IV ZR 100/90 – VVGE § 1 BB-BUZ Nr. 1; vom 12. Februar 1992 – IV ZR 241/91 – NJW-RR 1992, 608; vom 29. Juni 1994 – IV ZR 9/94 – BGHR ZPO § 3 Feststellungsantrag 3). Denn für das wirtschaftliche Interesse an dieser Feststellung ist maßgeblich, welche finanziellen Auswirkungen die getroffene Feststellung voraussichtlich für den Rechtsmittelkläger haben wird (Beschluß vom 11. Juli 1990 aaO). Dabei liegt auf der Hand, daß diese Auswirkungen dann einem Unterliegen mit einer Leistungsklage nahekommen, wenn bereits feststeht, daß der Versicherungsfall eingetreten ist. Diesem Ansatz entspricht es, das Interesse des Rechtsmittelklägers mit nur 50% des für eine Klage auf Leistungen aus der Zusatzversicherung maßgeblichen Wertes zu bemessen, wenn der Eintritt des Versicherungsfalles zwar behauptet, tatsächlich aber bislang ungeklärt geblieben ist, ob der Kläger berufsunfähig im Sinne der vereinbarten Bedingungen geworden ist (Senatsbeschlüsse vom 11. Juli 1990 und 12. Februar 1992 aaO; vgl. auch Senatsbeschluß vom 3. Mai 2000 – IV ZR 258/99 – NVersZ 2000, 372).
c) Das Berufungsgericht stellt jedoch fest, daß im vorliegenden Fall ein Versicherungsfall nicht eingetreten sei und der Kläger sich auch keiner Ansprüche gegen die Beklagte aus einem solchen (mehr) berühme. Dennoch rechtfertigen es auch diese Umstände nicht, das wirtschaftliche Interesse des Klägers nicht mehr unter Rückgriff auf sein Leistungsinteresse zu bestimmen. Denn das Interesse des Klägers wird auch in einem solchen Falle durch die erstrebte Erhaltung der durch den Versicherungsvertrag von vornherein in Höhe und Dauer festgelegten – von einem konkreten Schaden oder Bedarf unabhängigen – Leistungspflicht der Beklagten geprägt, die wirtschaftlichen Auswirkungen also durch den Verlust oder die Sicherung dieses – wenngleich in seiner Entstehung ungewissen – Anspruchs bestimmt. Allerdings rechtfertigt es die Ungewißheit des Eintritts des Versicherungsfalles, dieses Interesse geringer als mit 50% des Wertes einer Leistungsklage zu bemessen. Bei einer Klage auf Feststellung des Fortbestehens einer Risikolebensversicherung – auch hier ist der Eintritt eines Versicherungsfalles, nicht aber die vom Versicherer bei Eintritt zu erbringende Leistung ungewiß – hat der Senat demgemäß das Interesse des Rechtsmittelklägers auf 20% der versprochenen Versicherungssumme bemessen (Senatsbeschluß vom 23. Juli 1997 – IV ZR 38/97 – BGHR ZPO § 3 Feststellungsantrag 4). Diese Einstufung liefert grundsätzlich auch im vorliegenden Falle den Maßstab für eine angemessene Wertfestsetzung. Dagegen sind die Grundsätze, nach denen der Senat die Wertfestsetzung bei einer Klage auf Feststellung des Fortbestandes eines privaten Krankenversicherungsverhältnisses vornimmt (Senatsbeschlüsse vom 15. Mai 1996 – IV ZR 337/95 – BGHR ZPO vor § 1/Rechtsmittel Beschwer 9; vom 3. Mai 2000 aaO) entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auf den vorliegenden Fall nicht zu übertragen. Denn die Krankenversicherung wird nicht dadurch geprägt, daß die vom Versicherer im Versicherungsfall zu erbringenden Leistungen in ihrer Höhe und ihrer Dauer durch den Vertrag von vornherein festgelegt sind, das Interesse des Rechtsmittelklägers wird deshalb auch nicht durch die Erhaltung dieser feststehenden Leistungsverpflichtung bestimmt.
d) Die Beklagte hat mit der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung für den Fall des Eintritts bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit Beitragsbefreiung in der Hauptversicherung versprochen. Legt man die – um den Prämienanteil für die Zusatzversicherung bereinigte – für das Jahr 1995 vereinbarte Prämie von monatlich 321,40 DM zugrunde, ergibt sich unter Anwendung der oben dargelegten Grundsätze gemäß §§ 3, 9 ZPO bereits ein Wert des Beschwerdegegenstandes (321,40 DM × 42 Monate, davon 20%), der die Erwachsenheitssumme in § 511 a ZPO übersteigt.
Auf die von der Revision weiterhin erhobenen Rügen kommt es danach nicht mehr an.
Unterschriften
Dr. Schmitz, Prof. Römer, Dr. Schlichting, Terno, Ambrosius
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 13.12.2000 durch Schick Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 507838 |
NJW-RR 2001, 316 |
VersR 2001, 601 |