Leitsatz (amtlich)
a) Der Urheber, der sich darüber im unklaren ist, ob ihm nach § 36 Abs. 1 UrhG ein Anspruch auf Anpassung der vertraglich vereinbarten Vergütung zusteht, kann – wenn greifbare Anhaltspunkte für einen solchen Anspruch vorliegen – vom Nutzungsberechtigten Auskunft über den Umfang der Verwertung und die erzielten Verkaufspreise verlangen.
b) Auch eine branchenübliche Vergütung kann im Sinne von § 36 Abs. 1 UrhG in einem groben Mißverhältnis zu den Erträgnissen aus der Nutzung des Werkes stehen.
Normenkette
UrhG § 36 Abs. 1; BGB § 242
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches OLG (Urteil vom 17.12.1998) |
LG Itzehoe (Urteil vom 15.08.1997) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Teilurteil des 6. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 17. Dezember 1998 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels insoweit aufgehoben, als die Beklagte verurteilt worden ist, dem Kläger Auskunft über die Erträge aus dem Verkauf von Hörspielkassetten zu geben, und insgesamt wie folgt neu gefaßt:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe vom 15. August 1997 teilweise abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger darüber Auskunft zu geben, wie sie die 152 Kompositionen des Klägers, die in der Anlage A 1 (GA 6 bis 21) bezeichnet und auf den beiden als Anlage A 2 vorgelegten Musikkassetten (Hülle GA 22) hörbar sind, verwertet hat, insbesondere unter Bezeichnung der einzelnen Hörspielproduktionen, ihrer jeweiligen verkauften Gesamtauflage und ihrer jeweiligen Herstellerabgabepreise.
Im übrigen wird der Rechtsstreit zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlußurteil vorbehalten.
Von den Kosten der Revision hat der Kläger 1/5 und die Beklagte 4/5 zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger – damals Student der Musik – räumte der Rechtsvorgängerin der Beklagten (im folgenden einheitlich: Beklagte) zwischen 1988 und 1990 Nutzungsrechte an 152 Musikkompositionen ein. Es handelt sich dabei um kurze, kaum länger als eine Minute dauernde Stücke – von den Parteien als Musikfragmente bezeichnet –, die die Beklagte als Hintergrund- und Begleitmusik für Kinderhörspiele verwendete und verwendet. Die Beklagte verfügt über ein sogenanntes Masterband mit den vom Kläger komponierten und selbst elektronisch produzierten Stücken, auf das sie laufend für die Produktion der Hörspiele zurückgreift. Sie entlohnte den Kläger für jede Komposition pauschal mit 50 DM; ferner erhielt der Kläger pro Titel 250 DM für die Produktion. Die Einräumung des Nutzungsrechts wurde jeweils in einem schriftlichen „Bearbeiter-Vertrag” festgehalten. Dort hieß es:
§ 1 Der Bearbeiter überträgt (der Beklagten) räumlich unbeschränkt das ausschließliche Recht für die mechanische Vervielfältigung, … Verbreitung und Veröffentlichung auf Tonträgern aller Art. …
§ 2 (Die Beklagte) ist berechtigt, die eingespielten Aufnahmen der Werke zu jedem beliebigen Zeitpunkt und auf jedem Etikett zu veröffentlichen sowie die Aufnahme an ihre Vertragspartner mit dem Recht der Veröffentlichung auf Tonträgern zu übertragen.
§ 3 Nach Ablauf von einem Jahr seit der Veröffentlichung der Werke auf Tonträgern wird die Exklusivität an den … Werken aufgehoben. …
Ein einfaches Nutzungsrecht für (die Beklagte) bleibt weiterhin bestehen.
§ 4 Der Bearbeiter bestätigt, daß er weder der GEMA noch einer anderen Verwertungsgesellschaft angehört. …
Als Verwendungszweck der Kompositionen finden sich in den Verträgen unterschiedliche Eintragungen, etwa „10 Titel für Kinder Archiv (Beklagte) Komposition”; teilweise sind auch die Hörspielproduktionen angegeben, für die die jeweiligen Kompositionen bestimmt waren, etwa „TKKG Folgen 64-66”. In einem Fall findet sich in dem Vertrag noch der Zusatz, daß die Kompositionen in das Archiv der Beklagten übergehen und beliebig für alle Produktionen verwendet werden dürfen.
Die unter dem Label „Europa” auf Musikkassette erscheinenden Hörspiele wurden in hohen Auflagen vertrieben. Nach den Angaben des Klägers erreichten die Hörspiele Ende der achtziger Jahre eine Auflage von bis zu 250.000 Stück; heute liegen die Auflagen noch bei 15.000 bis 25.000 Stück. Einzelne Kassetten enthalten bis zu fünfzehn Kompositionen des Klägers. Der Kläger erfuhr von dem Umfang der Nutzung seiner Werke erst im Juni 1996.
Der Kläger hat behauptet, er sei bei Abschluß der Verträge wirtschaftlich unerfahren und auf das von der Beklagten angebotene Entgelt angewiesen gewesen. Er sei davon ausgegangen, daß seine Kompositionen nur gelegentlich genutzt und nur in geringer Auflage für Hörspiele verwertet würden. Er hat die Ansicht vertreten, daß das ihm gezahlte Pauschalhonorar gemessen an dem, was für derartige Kassetten bei Nutzung des GEMA-Repertoires gezahlt werden müsse, unverhältnismäßig niedrig sei.
Mit seiner Klage begehrt der Kläger im Wege der Stufenklage Auskunft, Einwilligung in die Vertragsanpassung und Zahlung, wobei er einstweilen nur die ersten beiden Anträge verlesen hat.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat vorgetragen, dem Kläger sei bekannt gewesen, daß das Tonstudio der Beklagten, dem er seine Kompositionen zur Verfügung gestellt habe, ausschließlich mit der Produktion von Hörspielen befaßt gewesen sei, die unter dem Label „Europa” erschienen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat der Klage mit der ersten Stufe durch Teilurteil stattgegeben und die Beklagte – unter Zurückverweisung der noch nicht entscheidungsreifen Teile der Stufenklage an das Landgericht – antragsgemäß verurteilt,
dem Kläger darüber Auskunft zu geben, wie sie die (im einzelnen bezeichneten und in hörbarer Form vorgelegten) 152 Kompositionen des Klägers in den letzten zehn Jahren vor dem Tag der Zustellung der Klage verwertet hat, insbesondere unter Bezeichnung der einzelnen Vervielfältigungsstücke, ihrer Gesamtauflage, ihrer Verkaufspreise sowie der Erträge aus dem Verkauf.
Hiergegen richtet sich die (zugelassene) Revision der Beklagten, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat einen Auskunftsanspruch des Klägers zur Vorbereitung eines auf Vertragsanpassung und Zahlung gerichteten Anspruchs aus § 36 UrhG bejaht und zur Begründung ausgeführt:
Der Urheber könne von seinem Vertragspartner zur Vorbereitung eines Anspruchs aus § 36 UrhG Auskunft über die bereits erzielten Erträgnisse aus der Nutzung des Werkes, über die bisherigen Aufwendungen sowie weitere für die Geltendmachung eines Anpassungsbegehrens erforderliche Einzelumstände verlangen. Dafür brauche er noch nicht alle Voraussetzungen des Hauptanspruchs darzulegen, vielmehr sei es ausreichend, daß er greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen des Hauptanspruchs vortrage. Diese Voraussetzungen seien im Streitfall gegeben.
Zwar habe der Kläger in Anbetracht der großen Zahl der abgenommenen Kompositionen davon ausgehen müssen, daß die Beklagte einen großen Bedarf an derartigen kurzen Melodien gehabt habe und seine Kompositionen auch in erheblichem Umfang verwenden würde. Die Vertragslage, nach der die Beklagte zur umfangreichen Nutzung berechtigt gewesen sei, stehe aber einem Anpassungsanspruch nicht entgegen. Wie intensiv die Beklagte die Kompositionen habe nutzen wollen, lasse sich den Verträgen nicht entnehmen und sei möglicherweise damals auch der Beklagten noch nicht klar gewesen. Immerhin verwende die Beklagte die Kompositionen des Klägers bis heute, wobei es immer noch um eine Auflagenstärke von bis zu 25.000 Stück gehe. Auch wenn der Kläger in den Büroräumen der Beklagten die Beweise früherer Verkaufserfolge – insbesondere die „Goldenen Schallplatten”, mit denen die Beklagte ausgezeichnet worden sei – wahrgenommen habe, habe kein Anlaß zu der Annahme bestanden, daß seine Musik laufend immer wieder verwendet werden würde. Im übrigen dürfe nicht ausschließlich auf die Vorstellungen der Parteien bei Vertragsschluß abgestellt werden. Denn der Anpassungsanspruch des § 36 UrhG bestehe – entsprechend seinem Zweck, den unerfahrenen oder abhängigen Urheber zu schützen – selbst dann, wenn das grobe Mißverhältnis als mehr oder weniger wahrscheinlich vorauszusehen gewesen sei.
Ein Anpassungsanspruch sei auch dann nicht ausgeschlossen, wenn es branchenüblich sei, untergeordnete Beiträge mit einem Pauschalhonorar abzugelten. Denn von einem untergeordneten Beitrag könne hier nicht ausgegangen werden; die Musik trage nicht unwesentlich zu dem Gesamtwerk einer Hörspielproduktion bei. Im übrigen habe die Beklagte nicht hinreichend zu einer entsprechenden Branchenübung vorgetragen.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben teilweise Erfolg. Sie führen dazu, daß die Klage mit einem Teil des im Wege der Stufenklage geltend gemachten Auskunftsantrags – soweit die Beklagte dem Kläger Auskunft über die Erträge aus dem Verkauf von Hörspielkassetten erteilen soll – als derzeit unbegründet abgewiesen wird. Die weitergehende Revision ist dagegen nicht begründet.
1. Das Berufungsgericht ist ohne weiteres davon ausgegangen, daß der Kläger für die in Rede stehenden Kompositionen Urheberrechtsschutz genießt. Dies läßt keinen Rechtsfehler erkennen und wird auch von der Revision nicht beanstandet.
2. Mit Recht hat das Berufungsgericht einen Auskunftsanspruch des Klägers gegen die Beklagte bejaht. Dieser Anspruch umfaßt jedoch zumindest derzeit noch nicht die Auskunft über die von der Beklagten im einzelnen erwirtschafteten Erträge.
a) Für die Gewährung des in Rede stehenden Auskunftsanspruchs muß – wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat – nicht bereits feststehen, daß dem Kläger ein Anspruch nach § 36 Abs. 1 UrhG auf Einwilligung in eine Vertragsanpassung zusteht. Vielmehr kann der Urheber grundsätzlich immer dann, wenn aufgrund nachprüfbarer Tatsachen klare Anhaltspunkte für einen solchen Anspruch bestehen, Auskunft und gegebenenfalls Rechnungslegung verlangen, um im einzelnen die weiteren Voraussetzungen dieses Anspruchs ermitteln und die zu zahlende Vergütung berechnen zu können (vgl. OLG Nürnberg Schulze RzU OLGZ 130 S. 6 mit Anm. Gerstenberg; OLG Nürnberg ZUM-RD 1999, 126, 128; Schricker/Schricker, Urheberrecht, 2. Aufl., § 36 UrhG Rdn. 14; v. Gamm, UrhG, § 36 Rdn. 10; Hertin in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 9. Aufl., § 36 UrhG Rdn. 10; Hagen, Der Bestsellerparagraph im Urheberrecht, 1990, S. 155 f.; ferner OLG Hamm NJW-RR 1990, 1148 und dazu Spautz in Möhring/Nicolini, UrhG, 2. Aufl., § 36 Rdn. 22). Eine solche Auskunftspflicht besteht in jedem Rechtsverhältnis, und zwar immer dann, wenn der Berechtigte entschuldbarerweise über Bestehen und Umfang seines Rechts im Ungewissen, der Verpflichtete hingegen in der Lage ist, unschwer solche Auskünfte zu erteilen (RGZ 158, 377, 379; BGHZ 10, 385, 387; BGH, Urt. v. 7.12.1979 – I ZR 157/77, GRUR 1980, 227, 232 – Monumenta Germaniae Historica; BGHZ 95, 274, 278 f. – GEMA-Vermutung I).
Allerdings ergeben sich aus der Natur des Auskunftsbegehrens als eines aus Treu und Glauben abgeleiteten Anspruchs auch Grenzen der Auskunftspflicht. Sie scheidet nicht nur dann aus, wenn auf seiten des Berechtigten die geforderten Angaben zur Erreichung des Vertragszweckes nicht unbedingt erforderlich sind, sondern setzt auch auf seiten des Verpflichteten voraus, daß er dem Auskunftsverlangen ohne unzumutbaren Aufwand und ohne Beeinträchtigung berechtigter Interessen nachkommen kann (vgl. BGHZ 10, 385, 387).
b) Soweit der Kläger Auskunft über den Umfang der Verwertung seiner Kompositionen in den Hörspielproduktionen der Beklagten sowie über die Verkaufspreise verlangt, liegen diese Voraussetzungen vor.
aa) Hat der Urheber für die Nutzung seiner Werke wie im Streitfall ein Pauschalhonorar vereinbart, ist ihm der Verwerter an sich keine Rechenschaft darüber schuldig, in welchem Umfang er das Werk nutzt (vgl. zum Verlagsvertrag Schricker, Verlagsrecht, 3. Aufl., § 5 VerlagsG Rdn. 15). Andererseits handelt es sich hierbei – jedenfalls ist Gegenteiliges im Streitfall nicht ersichtlich – um Informationen, die aus der Sicht des Verwerters verhältnismäßig einfach zu beschaffen sind und an denen kein besonderes Geheimhaltungsinteresse besteht. Im Streitfall gilt dies zunächst einmal für die Frage, bei welchen Hörspielproduktionen überhaupt Kompositionen des Klägers zum Einsatz gekommen sind. Es gilt aber auch für das Auskunftsverlangen hinsichtlich der verkauften Auflage der jeweiligen Produktionen sowie der entsprechenden Verkaufspreise.
bb) Soweit es um diese Auskünfte geht, liegen greifbare Anhaltspunkte dafür vor, daß dem Kläger ein Anspruch aus § 36 Abs. 1 UrhG zusteht.
(1) Es ist hinreichend wahrscheinlich, daß das dem Kläger für die uneingeschränkte Nutzung gewährte Honorar in Höhe von 50 DM pro Komposition in einem groben Mißverhältnis zu den Erträgnissen steht, die die Beklagte aus der Nutzung der Werke des Klägers hat ziehen können.
Allerdings bleibt § 36 UrhG in den Fällen unanwendbar, in denen ein untergeordneter Beitrag durch ein branchenübliches Pauschalhonorar abgegolten worden ist (BGHZ 137, 387, 396 f. – Comic-Übersetzungen I; BGH, Urt. v. 20.3.1986 – I ZR 179/83, GRUR 1986, 885, 886 – METAXA). Die Kompositionen des Klägers können indessen – wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat – nicht lediglich als untergeordnete Beiträge eingestuft werden, die in dem Gesamtwerk der Hörspielproduktion aufgehen, ohne den dem Zuhörer vermittelten Eindruck entscheidend prägen zu können. Auch wenn bei derartigen Produktionen die erzählte Geschichte und der Dialog im Mittelpunkt stehen mögen, kommt doch den zur Unterstreichung dramatischer Effekte eingesetzten Musiksequenzen eine maßgebliche, den Gesamteindruck prägende Wirkung zu, die das Berufungsgericht überzeugend mit der Bedeutung der Filmmusik für den Spielfilm verglichen hat.
Die Revision verweist demgegenüber auf das Vorbringen der Beklagten, dem zufolge es – ungeachtet der Bedeutung der Musiksequenzen für die jeweiligen Hörspielproduktionen – in der Branche der Produzenten derartiger Hörspiele üblich sei, die Komponisten der Begleitmusik mit einem (niedrigen) Pauschalhonorar zu entgelten. Dieses Vorbringen ist jedoch nicht erheblich. Denn auch eine entsprechende Branchenübung schließt es nicht aus, ein grobes Mißverhältnis i.S. des § 36 Abs. 1 UrhG anzunehmen. Auch wenn eine bestimmte Honorierung allgemeiner Übung innerhalb der Branche entspricht, besagt dies nicht notwendig, daß eine solche Honorierung auch angemessen ist. Als Angemessenheitsmaßstab sind vielmehr auch die Tarife der Verwertungsgesellschaften, hier insbesondere der GEMA, heranzuziehen, die – wie die Beklagte einräumt – für die Verwendung von Musik bei Hörspielproduktionen kein Pauschalentgelt, sondern eine prozentuale Beteiligung und damit deutlich höhere Vergütungen vorsehen, als sie im Streitfall dem Kläger gewährt worden sind.
Der Kläger hat bislang nur wenige Hinweise auf den Umfang der Nutzung seiner Kompositionen geben können. Sie reichen indessen für das hier in Rede stehende Auskunftsverlangen aus, um ein grobes Mißverhältnis als hinreichend wahrscheinlich anzusehen.
(2) In der Rechtsprechung wird für das Vorliegen eines Anspruchs aus § 36 Abs. 1 UrhG darüber hinaus vorausgesetzt, daß die hohen Erträgnisse aus der Nutzung des Werkes für den Urheber unerwartet sind (BGHZ 115, 63, 66 – Horoskop-Kalender; 137, 387, 397 – Comic-Übersetzungen I). Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, daß auch das Vorliegen dieses Merkmals hinreichend wahrscheinlich ist.
Die Revision tritt dem entgegen und verweist auf das Vorbringen der Beklagten, aus dem sich eine Reihe von klaren Indizien dafür ergäbe, daß der Kläger mit einem beachtlichen Erfolg der Hörspielproduktionen habe rechnen müssen. Mit Recht hat das Berufungsgericht dieses Vorbringen nicht als entscheidend angesehen. Denn ob der Erfolg für den Urheber unerwartet ist, hängt von der Größe des Erfolges und damit von der begehrten Auskunft ab. Mit Recht hat das Berufungsgericht auch darauf hingewiesen, daß im Falle eines krassen Mißverhältnisses zwischen dem tatsächlich gewährten Pauschalentgelt und einem an der unteren Vergütungsgrenze orientierten Beteiligungshonorar eine tatsächliche Vermutung dafür spricht, daß zwischen der vereinbarten Urhebervergütung und den Erträgnissen aus der Nutzung des Werkes unerwartet ein grobes Mißverhältnis besteht (vgl. BGHZ 115, 63, 67 f. – Horoskop-Kalender; BGH, Urt. v. 21.6.2001 – I ZR 245/98, GRUR 2002, 153, 155 = WRP 2002, 96 – Kinderhörspiele). Die begehrte Auskunft kann dem Kläger unter diesen Umständen nur verwehrt werden, wenn schon jetzt feststünde, daß der eingetretene Erfolg, wie groß er auch ausgefallen sein mag, aus der Sicht des Klägers nicht nur im Bereich des Möglichen lag, sondern auch wahrscheinlich war. Hiervon kann indessen nicht ausgegangen werden.
cc) Auch wenn die Verurteilung der Beklagten hinsichtlich dieser Punkte grundsätzlich zu Recht ergangen ist, bedarf doch der Urteilsausspruch im einzelnen („… verwertet hat, insbesondere unter Bezeichnung der einzelnen Vervielfältigungsstücke, ihrer Gesamtauflage, ihrer Verkaufspreise …”) der klarstellenden Korrektur.
(1) So kann es nicht bei der vom Berufungsgericht ausgesprochenen Verpflichtung bleiben, „die einzelnen Vervielfältigungsstücke” zu bezeichnen. Gemeint ist hiermit – entgegen dem Wortlaut – nicht etwa eine Auflistung jedes einzelnen hergestellten Exemplars der verschiedenen Hörspielproduktionen; dies würde im Zweifel schon daran scheitern, daß die einzelnen Musikkassetten keine individuelle Kennzeichnung im Sinne einer Herstellungsnummer o.ä. aufweisen. Gemeint ist offensichtlich, daß Auskunft darüber erteilt wird, für welche Hörspielproduktionen, also für welche Titel, die Beklagte Kompositionen des Klägers verwendet hat. Dies ist bei der gebotenen Neufassung der erfolgten Verurteilung zu berücksichtigen.
(2) Soweit das Berufungsgericht die Beklagte zur Erteilung einer Auskunft über die „Gesamtauflage” verurteilt hat, ist der klarstellende Hinweis geboten, daß im Rahmen des § 36 UrhG allein die verkaufte Auflage von Bedeutung ist. Denn der nicht verkaufte Lagerbestand trägt nicht zu einer Erhöhung der Erträgnisse bei, auf die es hier letztlich ankommt.
(3) Ferner ist die Zeitangabe im Tenor – Auskunft über eine Verwertung „in den letzten 10 Jahren vor dem Tag der Zustellung der Klage” – zu korrigieren. Mit Recht rügt die Revision, daß das Berufungsgericht das Auskunftsverlangen damit auf einen Zeitraum erstreckt hat (ausweislich der Akten wurde die Klage am 1.10.1996 zugestellt), in dem der Beklagten unstreitig noch gar keine Kompositionen des Klägers vorlagen. Eine Auskunftspflicht kommt vielmehr nur für die Zeit ab 1988 in Betracht. Da eine Verwertung zu einem früheren Zeitpunkt ohnehin ausscheidet, kann die zeitliche Bestimmung des Verwertungszeitraums vollständig entfallen (so schon der in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht korrigierte Antrag), ohne daß damit eine sachliche Erweiterung des ausgesprochenen Verbots verbunden wäre.
(4) Schließlich bleibt bei der Verurteilung zur Bezeichnung der Verkaufspreise offen, ob damit die Endverbraucher- oder die Herstellerabgabepreise gemeint sind. Auch hier ergibt sich aus dem Zweck, für den der Kläger die Auskunft benötigt, daß insofern auf den Herstellerabgabepreis abzustellen ist, zumal für Musikkassetten wegen des Preisbindungsverbots keine verbindlichen Endverbraucherpreise bestehen können (vgl. den insofern vergleichbaren Sachverhalt bei BGH GRUR 2002, 153 – Kinderhörspiele).
c) Bedenken begegnet allerdings die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte sei schon jetzt verpflichtet, Auskunft über die von ihr erwirtschafteten Erträge zu erteilen. Eine solche Auskunft umfaßt eine Offenlegung der Kalkulation einschließlich sämtlicher Gestehungskosten, insbesondere auch der Honorare, die an andere Urheber oder ausübende Künstler gezahlt worden sind. Auf diese Angaben erstreckt sich der bestehende Auskunftsanspruch des Klägers jedenfalls zur Zeit noch nicht. Zum einen wird durch eine derart weitgehende Verpflichtung das berechtigte Interesse der Beklagten an der Geheimhaltung ihrer Kalkulation beeinträchtigt und ihr im übrigen ein erheblicher Aufwand zugemutet. Zum anderen steht nicht fest, ob der Kläger diese Angaben wirklich benötigt. Denn entweder läßt sich schon aufgrund des Umfangs der Nutzung ein Anspruch auf Vertragsanpassung ausschließen, oder es gelingt dem Kläger, aufgrund der zu erteilenden Auskunft (oben unter b) ein krasses Mißverhältnis zwischen dem tatsächlich gewährten Pauschalhonorar und einem noch angemessenen Beteiligungshonorar darzutun. Auch in diesem zweiten Fall benötigt der Kläger die weitere Auskunft nicht. Vielmehr wäre es dann Sache der Beklagten, etwa durch Offenlegung ihrer Kalkulation darzulegen, daß ein grobes Mißverhältnis nicht besteht.
III. Danach ist das angefochtene Urteil auf die Revision der Beklagten teilweise aufzuheben. Soweit die Beklagte zur Auskunft über die Erträge aus dem Verkauf von Hörspielkassetten verurteilt worden ist, ist die Klage als derzeit unbegründet abzuweisen. Im übrigen ist die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Erdmann, v. Ungern-Sternberg, Bornkamm, Pokrant, Schaffert
Fundstellen
Haufe-Index 738407 |
NJW 2002, 2475 |
BGHR 2002, 794 |
BGHR |
GRUR 2002, 602 |
Nachschlagewerk BGH |
ZAP 2002, 865 |
AfP 2002, 362 |
AfP 2002, 364 |
WRP 2002, 715 |
ZUM 2002, 549 |
KUR 2002, 87 |