Entscheidungsstichwort (Thema)
Umfang der Nutzung eines eingebrachten Kundenstamms. Rückübertragung des Kundenstamms. Wertersatzanspruch wegen Zweckverfehlung
Leitsatz (amtlich)
Die Erfüllbarkeit des Bereicherungsanspruchs auf Herausgabe eines bereits in das Unternehmen des Bereicherungsschuldners eingegliederten Kundenstammes ist in der Regel nicht allein vom Willen und der Rechtsmacht des Schuldners, sondern vornehmlich davon abhängig, daß die Kunden den Wechsel vom Bereicherungsschuldner zum Gläubiger mit vollziehen; sind diese nicht dazu bereit, so ist der Bereicherungsschuldner zur Herausgabe außerstande mit der Folge, daß er nach § 818 Abs. 2 BGB Wertersatz schuldet (vgl. BGH, Urt. v. 13. November 1990 – KZR 2/89, MDR 1991, 617 f.).
Zur Substantiierung der für die Bewertung eines Kundenstammes erforderlichen Anknüpfungstatsachen.
Normenkette
BGB § 812 Abs. 1 S. 2 2. Altern, § 818 Abs. 2; ZPO § 287
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 18. Oktober 1999 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die erweiterte Klage in Höhe von 100.000,00 DM (Ersatz für den Kundenstamm) abgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger betrieb zunächst in der Rechtsform einer Einmann-GmbH und später – im Anschluß an eine mangels Masse abgelehnte Konkurseröffnung über deren Vermögen – als Einzelkaufmann einen Zierfischhandel. Die Beklagte, deren Geschäftsführer der Bruder des Klägers ist, betrieb und betreibt weiterhin ebenfalls einen Handel mit Zierfischen. Im Januar 1995 kamen die Parteien auf Empfehlung der Industrie- und Handelskammer überein, ihre geschäftlichen Aktivitäten zusammenzulegen. Danach sollte der Kläger sein Unternehmen in die Beklagte einbringen und im Gegenzug Geschäftsanteile an ihr erwerben sowie zu einem ihrer Geschäftsführer bestellt werden. Zur Umsetzung der mündlichen Absprachen, die notariell beurkundet werden sollten, stellte der Kläger ab Mitte Januar 1995 der Beklagten den Warenbestand sowie eine Liste mit Adressen von Kunden aus dem von ihm vornehmlich betriebenen Versandhandel mit Zierfischen und Zubehör zur Verfügung; außerdem wurden die auf dem Betriebsgelände des Klägers liegenden Wasserbecken, in denen Fische gehalten wurden, von der Beklagten mitbenutzt. Die Beklagte beschäftigte den Kläger im Rahmen eines Dienstvertrages gegen Gehaltszahlung, wobei sein Aufgabenbereich dem eines Geschäftsführers entsprach. Diese der Vorbereitung des dauerhaften Eintritts des Klägers in die Beklagte dienende Zusammenarbeit endete am 31. Oktober 1995, weil letztlich eine notarielle Vereinbarung wegen Differenzen über den Umfang der Beteiligung des Klägers und seine künftige Tätigkeit in der Geschäftsführung der Beklagten nicht zustande kam. Mit der Klage hat der Kläger erstinstanzlich Bereicherungsansprüche in Höhe von 50.491,95 DM wegen der von ihm im Zuge der Kooperation aus seinen Beständen zugunsten der Beklagten eingebrachten Fische, Pflanzen oder sonstigen Gegenstände geltend gemacht; für eine außerdem beabsichtigte Klage auf Auskunftserteilung hinsichtlich des Umfangs der Nutzung des von ihm eingebrachten Kundenstammes durch die Beklagte ist ihm Prozeßkostenhilfe verweigert worden. Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, Bereicherungsansprüche des Klägers hätten zwar in Höhe von 19.500,00 DM bestanden, seien aber durch zur Aufrechnung gestellte Gegenansprüche der Beklagten in gleicher Höhe erloschen. Mit der Berufung hat der Kläger seine Bereicherungsansprüche wegen der eingebrachten Fische, Pflanzen und sonstigen Gegenstände im – erweiterten – Umfang von 54.915,45 DM weiterverfolgt und außerdem Ersatz des Wertes des eingebrachten Kundenstammes gemäß überlassener Kundenliste in Höhe von 100.000,00 DM begehrt.
Das Oberlandesgericht hat unter Berücksichtigung eines Bereicherungsanspruchs des Klägers von 19.500,00 DM für eingebrachtes Material und von Gegenansprüchen der Beklagten im Umfang von 9.858,82 DM der Klage in Höhe von 9.641,18 DM stattgegeben; im übrigen hat es die Klage – insbesondere in vollem Umfang hinsichtlich des für den Kundenstamm begehrten Wertersatzes – abgewiesen.
Mit der Revision verfolgt der Kläger – nachdem sein darüber hinausgehendes Prozeßkostenhilfegesuch zurückgewiesen worden ist – nur noch den Bereicherungsanspruch auf Wertersatz für den überlassenen Kundenstamm in Höhe von 100.000,00 DM weiter.
Entscheidungsgründe
A. Da die Beklagte im Verhandlungstermin trotz dessen rechtzeitiger Bekanntgabe nicht vertreten war, ist über die Revision des Klägers durch Versäumnisurteil zu entscheiden (§§ 557, 331 ZPO). Das Urteil beruht jedoch inhaltlich nicht auf der Säumnis, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. BGHZ 37, 79, 82).
B. Die Revision ist begründet und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Oberlandesgericht ist der Ansicht, dem Kläger stehe ein Anspruch auf Wertersatz wegen der der Beklagten zur Verfügung gestellten Kundenliste nicht zu. Zwar komme im Ansatz auch bezüglich des Kundenstammes ein Bereicherungsanspruch wegen Nichteintritts des mit der Leistung bezweckten Erfolges im Hinblick auf das Scheitern der Beteiligung des Klägers an der Beklagten und der damit verbundenen Zusammenlegung der beiden Zierfischbetriebe gemäß § 812 Abs. 1 Satz 2, 2. Variante BGB in Betracht. Ein derartiger Anspruch sei jedoch in erster Linie auf Herausgabe der Kundenliste und Unterlassung des Abschlusses von Geschäften mit diesen Kunden gerichtet. Selbst wenn insoweit von einer Unmöglichkeit der Herausgabe des Erlangten auszugehen sei, sei die Beklagte nicht zum Wertersatz verpflichtet. Ein objektiv meßbarer Verkehrswert komme der Kundenliste nicht zu, da diese von einem insolvent gewordenen Unternehmen stamme, dessen Konkurs wegen Massearmut abgelehnt worden sei. Auf die etwa von der Beklagten in der Zeit von Januar bis Oktober 1995 oder vom Kläger davor mit den betreffenden Kunden erzielten Umsätze komme es in diesem Zusammenhang nicht an. Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
II. Das Berufungsgericht hat bei der Abweisung des vom Kläger geltend gemachten bereicherungsrechtlichen Wertersatzanspruchs wegen Nichteintritts des bezweckten Erfolges hinsichtlich des Kundenstammes rechtsfehlerhaft die mit der Rückabwicklung der Einbringung jenes Kundenstammes in das Unternehmen der Beklagten verbundenen tatsächlichen und rechtlichen Besonderheiten übersehen und zudem erhebliches, unter Beweis gestelltes Vorbringen des Klägers außer Betracht gelassen (§ 286 ZPO).
1. Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet bereits die Annahme des Berufungsgerichts, der Wertersatzanspruch wegen Zweckverfehlung scheide schon im Ansatz aus, weil der Beklagten die primär von ihr nach § 812 Abs. 1 Satz 2, 2. Variante BGB geschuldete Herausgabe des Kundenstammes nicht unmöglich geworden, sondern im Wege der Herausgabe der Kundenliste unter gleichzeitiger Verpflichtung zur Nichtbelieferung der darin aufgeführten Kunden zu erfüllen sei. Zwar gilt auch für die bereicherungsrechtliche Rückgängigmachung der Einbringung eines Kundenstammes, daß der Anspruch nach § 812 Abs. 1 BGB (in allen Varianten) in erster Linie auf Herausgabe des Erlangten selbst gerichtet und daß demgegenüber der Wertersatzanspruch nach § 818 Abs. 2 BGB subsidiär ist (vgl. dazu: BGH, Urt. v. 7. Oktober 1994 – V ZR 4/94, NJW 1995, 53, 55). Tatsächlich ist indessen die Erfüllbarkeit des primären Anspruchs auf Herausgabe des bereits in das Unternehmen des Bereicherungsschuldners eingegliederten Kundenstammes nicht allein vom Willen und der Rechtsmacht des Schuldners, sondern vornehmlich davon abhängig, daß die Kunden den Wechsel vom Bereicherungsschuldner zum Gläubiger mit vollziehen; fehlt es an der in ihrem freien Willen liegenden – hier nicht festgestellten – Bereitschaft der Kunden zur Rückkehr zum Gläubiger, so ist der Bereicherungsschuldner zur Herausgabe außerstande mit der Folge, daß er nach § 818 Abs. 2 BGB Wertersatz schuldet (vgl. BGH, Urt. v. 13. November 1990 – KZR 2/89, MDR 1991, 617, 618). Durch die bloße Rückgabe der Kundenliste (die sich ohnehin in Kopie im Besitz des Klägers befindet) kann daher die Beklagte ihre primäre Verbindlichkeit zur Rückübertragung des Kundenstammes an den Kläger ebensowenig erfüllen wie durch die – zusätzliche – Verpflichtung lediglich zur Unterlassung weiterer Geschäftsabschlüsse mit jenen Kunden. Abgesehen davon fehlte für das vom Berufungsgericht in Betracht gezogene Unterlassungsbegehren die gesetzliche Grundlage, da es nicht dem Leitbild der Herausgabe i.S. des § 812 Abs. 1 BGB entspräche (BGH, Urt. v. 13. November 1990, aaO S. 618). Daß hier andere erfolgversprechende Maßnahmen zur Ermöglichung der effektiven Rückübertragung des Kundenstammes durch die Beklagte auf den Kläger in Betracht kämen, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt; sie sind auch sonst nicht ersichtlich, zumal der Kläger infolge des Scheiterns der beabsichtigten Zusammenlegung der beiden Unternehmen den Handel mit Zierfischen endgültig aufgegeben hat und die Beklagte den Kundenstamm seit längerem weiternutzt.
2. Von durchgreifenden Rechtsfehlern beeinflußt sind auch die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht einen – hilfsweise in Betracht gezogenen – Wertersatzanspruch nach § 818 Abs. 2 BGB verneint hat.
a) Ersichtlich verfehlt ist seine Annahme, der in der Kundenliste verkörperte, vom Kläger in das Unternehmen der Beklagten eingebrachte Kundenstamm habe keinen objektiv meßbaren Wert, weil die Liste von einem insolvent gewordenen Unternehmen stamme. Das Oberlandesgericht übersieht bereits, daß zwar die frühere GmbH des Klägers in Konkurs gefallen ist, der Kläger aber anschließend den Versandhandel als Einzelkaufmann weiterbetrieben und dementsprechend Umsätze mit dem Kundenstamm erzielt hat; solche sind nach Darstellung des Klägers damit auch von der Beklagten nach Überlassung der Liste erzielt worden.
b) Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht insbesondere konkretes Vorbringen des Klägers zum Wert des von ihm eingebrachten Kundenstammes für unsubstantiiert und rechtlich unerheblich erachtet. Der Kläger hat seine zunächst pauschalen Angaben in der Berufungsbegründung hinsichtlich eines Wertes des Kundenstammes von 100.000,00 DM auf der Grundlage eines behaupteten erzielbaren Jahresumsatzes von 1 Mio. DM nach dem seinen Antrag auf Prozeßkostenhilfe insoweit ablehnenden Beschluß des Oberlandesgerichts näher konkretisiert und unter Beweis gestellt. So hat er unter Bezugnahme auf das Zeugnis des Unternehmensberaters S. und auf dessen zu den Akten gereichten Unternehmensbewertungsbericht vorgetragen, daß nur durch die von ihm eingebrachten Kunden des Versandhandels, den die Beklagte zuvor nicht betrieben habe, deren Umsatz während der Zeit seiner Mitarbeit von 34.450,00 DM auf durchschnittlich 84.750,00 DM im Monat nachhaltig gestiegen sei. Dem mit detaillierten Zahlenangaben angereicherten Bewertungsbericht zufolge waren die Umsatzerlöse bei der Beklagten vor dem Eintritt des Klägers sehr stark rückläufig und wurden negative Ergebnisse erwirtschaftet, während der Kläger mit seinem Eintritt ein erhebliches Kundenpotential in die Beklagte einbrachte, mit dem der Umsatz schon nach kurzem in der genannten Größenordnung deutlich gesteigert werden konnte; die Ergebnisrechnung des Unternehmensberaters schließt für die Beklagte im Geschäftsjahr 1995/1996 mit einem Plus von durchschnittlich 5,8 % monatlich bei einem mittleren Rohertrag von 40 % monatlich ab. Da die Beklagte den gesamten diesbezüglichen Vortrag des Klägers nicht substantiiert bestritten hat (nachdem sie bereits erstinstanzlich Umsatzsteigerungen – allerdings ohne konkrete Festlegung – eingeräumt hatte), hätte das Berufungsgericht ihn gemäß § 138 Abs. 2, 3 ZPO als unstreitig seiner Entscheidungsfindung zugrunde legen und den vom Kläger ergänzend angetretenen Sachverständigenbeweis zu dem behaupteten Wert des Kundenstammes erheben müssen. Das detaillierte Vorbringen des Klägers zum Wert des Kundenstammes war auch nicht etwa deshalb rechtlich unerheblich, weil sich die behaupteten Umsatzsteigerungen und die dem zugrundeliegenden Zahlen im wesentlichen auf den Zeitraum seiner Beschäftigung bei der Beklagten bezogen. Selbst wenn maßgeblicher Zeitpunkt für die Wertermittlung grundsätzlich der Zeitpunkt des Entstehens des Bereicherungsanspruchs – hier das endgültige Scheitern der geplanten Zusammenlegung der Unternehmen Ende Oktober 1995 – ist (vgl. BGHZ 35, 356 u. st. Rspr.), so folgt daraus nicht, daß eine diesbezügliche Bewertung nicht aufgrund der Entwicklung der mit dem Kundenstamm zuvor erzielten Umsätze möglich wäre; maßgeblicher Faktor für die Bewertung des Kundenstammes eines Einzelhandelsunternehmens ist gerade der mit dem vorhandenen Kundenbestand vor dem Bewertungsstichtag in der Vergangenheit nachhaltig erzielte Umsatz, auf dem die Wertentwicklungsprognose für die Zukunft aufbaut (§ 287 ZPO).
III. Die Sache ist daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es die gebotenen weiteren Feststellungen treffen kann; erforderlichenfalls ist den Parteien Gelegenheit zu geben, ihr Vorbringen zu ergänzen.
Soweit es in der neuen Tatsacheninstanz auf noch genauere konkrete Zahlen zu den von der Beklagten mit dem Kundenstamm des Klägers – auch nach dessen Ausscheiden – erwirtschafteten Umsätzen ankommen sollte, ist darauf hinzuweisen, daß der Kläger – anders als die Tatrichter dies im bisherigen Verfahren gemeint haben – insoweit zur Berechnung seines bereicherungsrechtlichen Wertersatzanspruchs grundsätzlich von der Beklagten nach § 242 BGB Auskunft verlangen kann, da er sich als Anspruchsberechtigter unverschuldet in Unkenntnis über den Umfang seines Anspruchs befindet (vgl. BGH, Urt. v. 6. Mai 1997 – KZR 42/95, ZIP 1997, 1979, 1982).
Unterschriften
Röhricht, Hesselberger, Goette, Kurzwelly, Münke
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 14.01.2002 durch Vondrasek Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 707061 |
BB 2002, 594 |
DB 2003, 32 |
DStR 2002, 642 |
DStZ 2002, 503 |
NJW 2002, 1340 |
BGHR 2002, 466 |
BGHR |
DNotI-Report 2002, 53 |
EWiR 2002, 515 |
NZG 2002, 527 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2002, 969 |
WuB 2002, 711 |
ZAP 2002, 567 |
ZIP 2002, 531 |
JA 2002, 826 |
JURAtelegramm 2002, 208 |
LL 2002, 508 |