Leitsatz (amtlich)
Zur Behandlung einer per Telekopie übermittelten, unvollständig zu den Akten gelangten Berufungsbegründung.
Normenkette
ZPO § 519 Abs. 2, § 519b Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 13. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 23. Dezember 1998 aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien sind geschiedene Eheleute. Der Kläger macht gegen die Beklagte Ausgleichsansprüche geltend, weil er nach der Trennung der Parteien Zahlungen auf Verbindlichkeiten geleistet habe, die die Parteien vor dem Scheitern der Ehe gemeinsam eingegangen seien. Außerdem verlangt er die Erstattung von Auslagen, die er für die Beklagte getätigt haben will. Das Landgericht hat die Beklagte unter Abweisung der Klage im übrigen verurteilt, an den Kläger 53.845,36 DM zuzüglich Zinsen zu zahlen. Gegen dieses ihr am 10. Dezember 1997 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am 9. Januar 1998 eingegangenen Schriftsatz ihrer damaligen Prozeßbevollmächtigten Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründungsfrist wurde durch Verfügung des Vorsitzenden des Berufungssenates verlängert bis 14. April 1998. Am letzten Tag der Frist (Dienstag nach Ostern) fertigte die Prozeßbevollmächtigte der Beklagten eine Berufungsbegründung von vier Seiten und unterschrieb diese. Anschließend sandte sie selbst gegen 12.46 Uhr diesen Schriftsatz per Telefax an das Berufungsgericht. Bei ihrem Faxgerät muß man die Seiten einzeln von Hand eingeben. Das Sendeprotokoll verzeichnete die Übertragung als „ok”, wies aber nur drei Seiten als übertragen aus. Die Prozeßbevollmächtigte der Beklagten maß dem keine besondere Bedeutung bei, weil ihr bekannt war, daß ihr Gerät, wenn zwei Seiten zu schnell hintereinander eingegeben werden, diese beiden Seiten als eine zusammenfaßt und entsprechend eine Seite weniger im Protokoll ausweist.
Zu den Akten des Berufungsgerichts sind mit dem Eingangsstempel des 14. April 1998 nur die beiden ersten – nicht unterschriebenen – Seiten der Berufungsbegründung gelangt. Das Journal der Eingangsstelle des Berufungsgerichts weist für den 14. April 1998, 12.46 Uhr den Eingang eines Telefax aus, das als Absenderangabe die Fax-Nummer der früheren Prozeßbevollmächtigten der Beklagten trägt. Ausweislich des Journals bestand das gesendete Schriftstück aus drei Seiten. Die Berufungsbegründung ging im Original – mit der Unterschrift der Prozeßbevollmächtigten – am 16. April 1998 beim Berufungsgericht ein.
Am 16. November 1998 hat die Berichterstatterin des Berufungsgerichts den (neuen) Prozeßbevollmächtigten der Beklagten telefonisch darauf hingewiesen, daß per Telefax nur zwei Seiten der Berufungsbegründung bei Gericht eingegangen seien. Daraufhin hat die Beklagte durch Schriftsatz ihres Prozeßbevollmächtigten vom 17. November 1998 wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
Durch das angefochtene Urteil hat das Berufungsgericht die Berufung der Beklagten als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie eine Entscheidung des Berufungsgerichts in der Sache und die Abweisung der Klage erreichen will.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist gemäß § 547 ZPO statthaft und auch sonst zulässig. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zu Unrecht als unzulässig verworfen.
1. Das Berufungsgericht führt aus, die beiden vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist per Telefax zu den Akten gelangten Seiten des Schriftsatzes vom 14. April 1998 erfüllten die Anforderungen an eine Berufungsbegründung nicht, weil sie nicht unterschrieben seien. Der Beklagten könne wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist auch nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. Ihre frühere Prozeßbevollmächtigte treffe nämlich ein Verschulden an der Versäumung der Frist, das sie – die Beklagte – sich nach § 85 ZPO zurechnen lassen müsse. Da das Sendeprotokoll lediglich die Übertragung von drei Seiten ausgewiesen, der Schriftsatz aber aus vier Seiten bestanden habe, habe ihre Prozeßbevollmächtigte sich nicht ohne Nachfrage bei dem Gericht darauf verlassen dürfen, daß die Übermittlung vollständig erfolgt sei. Es spreche „eine ganz überwiegende Vermutung dafür”, daß die drei ersten Seiten der Berufungsbegründung per Telefax eingegangen seien, nicht die vierte Seite mit der Unterschrift. Jedenfalls habe die Beklagte nicht glaubhaft gemacht, daß die vierte Seite eingegangen sei.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
2. Die von dem Berufungsgericht in den Vordergrund gestellte Frage, ob der Beklagten wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden kann, stellt sich nur, wenn zuvor festgestellt worden ist, daß die Beklagte die Berufungsbegründungsfrist versäumt hat. Die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Versäumung der Berufungsbegründungsfrist tragen die Entscheidung jedoch nicht.
a) Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, daß die beiden zu den Akten gelangten Seiten der Telekopie die Anforderungen an eine Berufungsbegründungsschrift nicht erfüllen, weil sie nicht unterschrieben sind und weil deshalb die Urheberschaft des Schriftsatzes nicht hinreichend belegt ist. Daran hat sich durch den Beschluß des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 5. April 2000 (GmS-OGB 1/98 – BGHZ 144, 160 f. = NJW 2000, 2340) nichts geändert. Nach dieser Entscheidung, die sich ausschließlich mit dem sogenannten Computerfax beschäftigt, können bestimmende Schriftsätze formwirksam durch elektronische Übertragung einer Textdatei mit eingescannter Unterschrift auf ein Faxgerät des Gerichts übermittelt werden. Der Begründung der Entscheidung ist zu entnehmen, daß es eventuell auch ausreichend sein kann, wenn anstelle der eingescannten Unterschrift auf andere Weise belegt wird, wer die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes übernimmt und wer seine Übermittlung als bestimmenden Schriftsatz an das Gericht veranlaßt hat. Im vorliegenden Fall handelt es sich nicht um die Übermittlung eines Computerfaxes. Es sollte vielmehr ein normaler, unterschriebener Schriftsatz mit einem normalen Faxgerät als Telekopie übermittelt werden. Es reicht jedenfalls nicht aus, wenn ein solcher Schriftsatz unvollständig bei Gericht eingeht und die Unterschrift sich nur auf einer nicht eingegangen Seite befindet. Daß der Schriftsatz den Briefkopf einer Rechtsanwaltskanzlei trägt, reicht nicht aus, um den Autor des Schriftsatzes hinreichend zu identifizieren.
b) Zu Unrecht geht das Berufungsgericht aber davon aus, bei der Prüfung der Frage, ob die Berufungsbegründungsfrist eingehalten ist oder nicht, seien nur die beiden zu den Akten gelangten Seiten der Telekopie zu berücksichtigen. Wird der Inhalt einer Berufungsbegründungsschrift mittels Telefax vollständig durch elektrische Signale vom Sendegerät des Prozeßbevollmächtigten zum Empfangsgerät des Rechtsmittelgerichts übermittelt, dort aber infolge technischer Störungen (etwa eines Papierstaus) nicht vollständig und fehlerfrei ausgedruckt, so ist dennoch von einem im Zeitpunkt der Telefaxübermittlung erfolgten Eingang des Schriftsatzes auszugehen, wenn der Gesamtinhalt des Schriftsatzes auf andere Weise einwandfrei zu ermitteln ist (BGH, Beschluß vom 19. April 1994 – VI ZB 3/94 – NJW 1994, 1881 f.). Daß im vorliegenden Fall deutliche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß mehr elektronische Daten empfangen worden sind, als dem Ausdruck auf den beiden bei den Akten befindlichen Seiten entspricht, ergibt sich schon daraus, daß das Empfangsprotokoll des Berufungsgerichts den Empfang von drei Seiten ausweist. Der Gesamtinhalt des Schriftsatzes läßt sich ermitteln, weil der Schriftsatz zwei Tage nach der Telekopie im Original eingegangen ist und sich bei den Akten befindet.
Zwar trägt im Grundsatz der Berufungskläger die Beweislast dafür, daß seine Berufungsbegründungsschrift rechtzeitig bei Gericht eingegangen ist (BGH, Urteil vom 18. April 1977 – VIII ZR 286/75 – VersR 1977, 721; Zöller/Gummer, ZPO 22. Aufl. § 518 Rdn. 20 m.w.N.). Gemäß § 519 b Abs. 1 ZPO hat das Berufungsgericht jedoch von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung fristgerecht begründet worden ist. Prüfung von Amts wegen in diesem Sinne bedeutet zwar nicht, daß uneingeschränkt der Untersuchungsgrundsatz gilt und daß deshalb der entscheidungserhebliche Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln ist. Das Berufungsgericht muß aber alle aus dem Akteninhalt ersichtlichen Anhaltspunkte prüfen und würdigen, die für die Entscheidung der Frage von Bedeutung sein können, ob die Berufungsbegründung rechtzeitig eingegangen ist oder nicht (BGH, Beschluß vom 19. April 1994 aaO; Beschluß vom 25. Oktober 1979 – III ZB 13/79 – VersR 1980, 90 f., jew. m.N.). Das Berufungsgericht geht selbst zutreffend davon aus, daß bezüglich des Eingangs der Telekopie am 14. April 1998 erhebliche, nicht aufgeklärte Unklarheiten bestehen. Es geht davon aus, daß die damalige Prozeßbevollmächtigte der Beklagten vier Seiten einzeln in ihr Faxgerät eingegeben hat, daß bei dem Empfangsgerät laut Protokoll drei Seiten angekommen sind und daß nur zwei Seiten zu den Akten gelangt sind. Bei dieser Sachlage mußte das Berufungsgericht jedenfalls versuchen, diese Unklarheiten möglichst aufzuklären. Es hätte die Parteien auf die aufklärungsbedürftigen Punkte hinweisen und ihnen die Möglichkeit geben müssen, die zur Aufklärung erforderlichen Tatsachen vorzutragen und unter Beweis zu stellen (BGH, Beschluß vom 25. Oktober 1979 aaO m.N.; Beschluß vom 19. April 1994 aaO).
Aufklärungsbedürftig war zunächst, ob an dem Empfangsgerät des Berufungsgerichts am 14. April 1998 gegen 12.46 Uhr ein Fehler – etwa ein Papierstau – aufgetreten ist, der erklären würde, daß nur zwei Seiten ausgedruckt und drei Seiten als empfangen protokolliert worden sind. Aus den Unterlagen des Empfangsgeräts dürfte ersichtlich sein, ob unmittelbar nach 12.46 Uhr Fernkopien empfangen und ordnungsgemäß ausgedruckt worden sind.
Weiter war aufzuklären, wie das (damalige) Empfangsgerät des Berufungsgerichts reagiert hat, wenn ein Sendegerät, wie das der Prozeßbevollmächtigten der Beklagten, wegen des zu schnellen manuellen Einzugs zwei Seiten als eine behandelt und entsprechend gesendet hat. Es ist jedenfalls nicht von vornherein auszuschließen, daß bei dem Empfangsgerät – je nachdem um welchen Typ es sich handelt – in einem solchen Fall ein „Datenstau” aufgetreten ist, der zur Folge hatte, daß das Gerät nicht mehr in der Lage war, die als Seite drei empfangene übermäßige Datenmenge ordnungsgemäß auszudrucken. Unter Umständen könnte das auch der Grund dafür sein, daß im Protokoll drei Seiten als empfangen ausgewiesen worden sind. Gegebenenfalls wäre weiter zu klären, ob das Empfangsgerät in einem solchen Falle eine Fehlermeldung ausdruckt.
3. Da das Berufungsgericht diesen entscheidungserheblichen Fragen nicht nachgegangen ist, kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben. Da die aufzuklärenden Fragen tatsächlicher Art sind und am besten an Ort und Stelle geklärt werden können, ist es zweckmäßig, die weitere Sachaufklärung und Entscheidung dem Berufungsgericht zu übertragen und deshalb die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (vgl. BGH, Beschluß vom 25. Oktober 1979 aaO S. 91).
Unterschriften
Blumenröhr, Krohn, Gerber, Sprick, Weber-Monecke
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 14.03.2001 durch Breskic, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
BB 2001, 856 |
DStZ 2001, 408 |
NJW 2001, 1581 |
BGHR 2001, 664 |
JurBüro 2002, 335 |
Nachschlagewerk BGH |
DAR 2001, 354 |
MDR 2001, 828 |
VersR 2002, 1043 |
ZfS 2001, 403 |
MittRKKöln 2001, 156 |
BRAK-Mitt. 2001, 172 |