Leitsatz (amtlich)
Zur vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung durch Erteilung einer fingierten Rechnung, die auf einer kollusiven Absprache des Schädigers mit einem Mitarbeiter des Geschädigten beruht.
Normenkette
BGB § 826
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Aktenzeichen 12 O 519/96) |
OLG Stuttgart (Aktenzeichen 3 U 233/99) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18. August 1999 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Klägerin erkannt worden ist, und insgesamt neu gefaßt:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 18. September 1998 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten der Rechtsmittelzüge.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin stand in den Jahren 1991 bis 1993 – damals noch unter ihrer Bezeichnung D. B. T. – mit der Beklagten in Geschäftsbeziehungen, in deren Rahmen die Beklagte für die Klägerin Messen organisierte.
Im Zeitraum von Mai 1991 bis August 1993 gewährte die Beklagte bzw. deren Geschäftsführer O., zum Teil auch über andere, ihm ebenfalls gehörende Unternehmen der sogenannten „T -Gruppe” einzelnen, in der Marketingabteilung der Klägerin beschäftigten Mitarbeitern private Zuwendungen und Geschenke in erheblichem Umfang, um bei der Vergabe von Aufträgen berücksichtigt zu werden, da die Klägerin eine wichtige Auftragsgeberin der Beklagten sowie der „T -Gruppe” war. Die Zuwendungen der Beklagten umfaßten unter anderem eine Irlandreise für zwei Personen, Küchenmaschinen, Stereoanlagen, eine Containerküche sowie Hostessenkurse für Mitarbeiterinnen der Klägerin.
Kurz vor dem 14. April 1993 führte der Geschäftsführer der Beklagten mit dem bei der Klägerin damals beschäftigen Zeugen S. ein Telefonat mit dem Ziel, von der Klägerin eine Vergütung für die von der Beklagten an die Mitarbeiter der Klägerin gemachten Zuwendungen zu erreichen. Bei diesem Telefonat diktierte der Zeuge S. dem Geschäftsführer der Beklagten verschiedene, sich überwiegend auf Lederwaren beziehende Einzelposten, um hierüber von der Beklagten eine fingierte Rechnung erstellen zu lassen; dabei waren sich sowohl der Zeuge S. wie auch der Geschäftsführer der Beklagten bewußt, daß diese Waren weder von der Klägerin bestellt noch an sie geliefert worden waren. Der Geschäftsführer der Beklagten legte anschließend der Klägerin eine Rechnung vom 14. April 1993 über 154.592,20 DM zur Zahlung vor, welche die ihm genannten Einzelposten umfaßte; die Rechnung wurde von der Klägerin am 4. Juni 1993 bezahlt.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß der frühere Mitarbeiter der Klägerin R. unter Einschaltung der Beklagten Lederwaren der Firma P. /I. als Werbegeschenke bestellt hatte, welche der Klägerin auch ausgeliefert wurden.
Nachdem im Juni/Juli 1993 staatsanwaltliche Ermittlungen gegen die beteiligten Mitarbeiter der Klägerin eingeleitet worden waren und am 19. Juli 1995 ein Strafbefehl gegen den Geschäftsführer der Beklagten wegen Vorteilsgewährung und Beihilfe zur Untreue ergangen war, zahlte die Beklagte am 14. Juni 1996 an die Klägerin einen Betrag von 42.097,80 DM zuzüglich Zinsen (insgesamt 49.613,75 DM) mit der Begründung zurück, hierbei handele es sich um einen Teilbetrag der Rechnung vom 14. April 1993, welcher der Beklagten nicht zustehe, da diese insoweit keine Leistung an die Klägerin erbracht habe.
Mit ihrer Klage nimmt die Klägerin die Beklagte auf Rückzahlung des restlichen Rechnungsbetrages von 112.494,40 DM zuzüglich Zinsen in Anspruch. Die Beklagte behauptet demgegenüber, die Klägerin habe, vertreten durch ihre Mitarbeiter R. und S., am 2. März 1992 bei ihr Lederwaren als Werbegeschenke bestellt, die dann unter Einschaltung der Firma N. W. GmbH (im folgenden: Firma N.) als Zwischenhändlerin bei der Firma P. erworben und an die Klägerin ausgeliefert worden seien; hierüber habe die Firma N. der Beklagten die Rechnung vom 8. Oktober 1992 über 112.494,40 DM erteilt, die von der Beklagten am 24. Februar 1993 bezahlt worden sei. Im Rahmen des kurz vor dem 14. April 1993 geführten Telefongesprächs habe zwischen dem Zeugen S. und dem Geschäftsführer der Beklagten Einverständnis darüber bestanden, daß die Forderung für die Lederwaren der Firma P. und die Leistungen an die Mitarbeiter der Klägerin in die Rechnung vom 14. April 1993 „hineingerechnet” werden sollten. Hilfsweise hat die Beklagte die Aufrechnung mit der Forderung aus der Lederwarenlieferung gegenüber der Klageforderung erklärt. Die Klägerin hat demgegenüber behauptet, sie habe die ihr gelieferten Lederwaren aufgrund der Rechnung der Firma P. vom 19. Mai 1992 über 80.400 DM am 16. Juni 1992 unmittelbar bei dieser bezahlt.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Beklagte lediglich zur Zahlung eines Betrages von 9.415,60 DM nebst Zinsen verurteilt und im übrigen die Klage abgewiesen.
Mit ihrer Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
I. Zur Begründung hat das Berufungsgericht ausgeführt:
Von der an die Beklagte geleisteten Zahlung von 154.592,20 DM könne die Klägerin – über die von der Beklagten bereits zurückbezahlten 42.097,80 DM hinaus – lediglich einen Betrag von 9.415,60 DM als ungerechtfertigte Bereicherung zurückverlangen. Zwar sei die am 4. Juni 1993 geleistete Zahlung der Klägerin an die Beklagte auf die – unstreitig – fingierte Rechnung der Beklagten vom 14. April 1993 über 154.592,20 DM erfolgt; zwischen den Parteien sei unstreitig, daß eine dieser Rechnung entsprechende Kaufpreisverbindlichkeit der Klägerin nicht bestanden habe. Die Beklagte berufe sich jedoch als Rechtsgrund für die von der Klägerin geleistete Zahlung, soweit sie den Betrag von 42.097,80 DM übersteige, auf eine Kaufpreisschuld der Klägerin gegenüber der Beklagten aufgrund der am 2. März 1992 erfolgten Bestellung und Lieferung der in der Rechnung der Firma N. vom 8. Oktober 1992 bezeichneten Lederwaren. Diesen Rechtsgrund habe die – beweispflichtige – Klägerin nicht ausgeräumt. Hinsichtlich eines Betrages von 9.415,60 DM für Transport- und Frachtkosten etc. habe die Beklagte allerdings einen die Zahlung rechtfertigenden Rechtsgrund nicht geltend gemacht, so daß insoweit ein Bereicherungsanspruch der Klägerin bestehe.
Ein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB stehe der Klägerin ebenfalls nicht zu. Zwar sei die Stellung einer Rechnung mit fingierten Positionen sittenwidrig. Die Klägerin habe jedoch nicht den Nachweis geführt, daß ihr durch die Bezahlung des Betrags, der auf die Lederwaren aus der Rechnung der Firma N. vom 8. Oktober 1992 entfalle, ein Schaden entstanden sei, da – ausgehend von einer Kaufpreisverbindlichkeit der Klägerin gegenüber der Beklagten in Höhe dieses Betrages – diese Verbindlichkeit durch die Zahlung getilgt, der Vermögensstand der Klägerin also nicht gemindert worden sei. Jedenfalls lasse sich nicht feststellen, daß der Geschäftsführer der Beklagten mit Schädigungsvorsatz gehandelt habe.
II. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung jedenfalls insoweit nicht stand, als das Berufungsgericht einen Schadensersatzanspruch der Klägerin gemäß § 826 BGB (in Verbindung mit § 31 BGB) verneint hat.
1. Zutreffend nimmt das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit dem Landgericht an, daß die Erteilung der Rechnung der Beklagten vom 14. April 1993, die lediglich fingierte Position enthielt und mit welcher die an die Mitarbeiter der Klägerin gemachten unerlaubten Zuwendungen zumindest teilweise abgedeckt werden sollten, sittenwidrig war (vgl. BGH, Urteil vom 10. Dezember 1998 – III ZR 208/97, NJW 1999, 1024 unter II 2 m.w.Nachw.).
2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts fehlt es nicht deshalb an dem Nachweis eines Schadens der Klägerin, weil – ausgehend von einer behaupteten Kaufpreisschuld der Klägerin aufgrund der Bestellung vom 2. März 1992 in gleicher Höhe – diese Verbindlichkeit durch die am 4. Juni 1993 erfolgte Zahlung getilgt worden sei. Kommen mehrere Schulden in Betracht, so bestimmt nach § 366 BGB der Schuldner, welche von ihnen getilgt werden soll. Hat dieser seinen Willen erklärt, kann das zwecks Erfüllung einer nicht bestehenden Verbindlichkeit Geleistete zurückgefordert werden, auch wenn eine andere Schuld in gleicher Höhe bestand, die der Leistende nicht tilgen wollte; der Gläubiger kann gegenüber dem Rückforderungsanspruch des Leistenden (BGHZ 50, 227, 231 f; BGH, Urteil vom 18. April 1985 – VII ZR 309/84, NJW 1985, 2700 unter 2 m.w.Nachw.) lediglich mit der ihm zustehenden Forderung aufrechnen, nicht aber eine andere Anrechnung verlangen (Heimann/Trosien in RGRK-BGB, 12. Aufl., § 812 Rdn. 77; Soergel/Mühl, BGB, 11. Aufl., § 812 Rdn. 178 m.w.Nachw.; vgl. auch BGHZ 7, 123 ff).
Soweit nach der Behauptung der Beklagten zwischen deren Geschäftsführer und dem seinerzeit bei der Klägerin beschäftigten Zeugen S. Einverständnis bestanden haben soll, daß – neben der Vergütung für die Zuwendungen an die Mitarbeiter der Klägerin – die Forderung für die Lieferung von Lederwaren durch die Firma P. in die Rechnung vom 14. April 1993 „hineingerechnet” werden sollte, so daß die Zahlung der Klägerin auch der Tilgung einer insoweit bestehenden Kaufpreisforderung der Beklagten gedient habe, braucht die Klägerin sich diese Abrede nicht zurechnen zu lassen. Es entspricht anerkannter Rechtsprechung, daß Vereinbarungen, welche Angestellte, Bevollmächtigte oder sonstige Vertreter einer Partei im Einverständnis mit dem Vertragsgegner hinter dem Rücken und zum Nachteil des von ihnen vertretenen Geschäftsherrn treffen, gegen die guten Sitten verstoßen und nichtig sind (vgl. RGZ 136, 359, 360; BGH, Urteil vom 17. Mai 1988 – VI ZR 233/87, NJW 1989, 26 unter II; MünchKomm-Schramm, BGB, 3. Aufl., § 164 Rdn. 99 m.w.Nachw.).
Lag aber eine wirksame Bestimmung der Klägerin, mit der am 4. Juni 1993 erfolgten Überweisung des sich aus der Rechnung vom 14. April 1993 ergebenden Rechnungsbetrages von 154.592,20 DM (teilweise) eine Kaufpreisforderung der Beklagten aus der Lieferung von Lederwaren begleichen zu wollen, nicht vor, konnte insoweit auch keine Tilgungswirkung eintreten, so daß das Vermögen der Klägerin durch die Zahlung an die Beklagte gemindert worden ist.
3. Auch die Annahme des Berufungsgerichts, ein Schädigungsvorsatz des Geschäftsführers der Beklagten, sei es auch nur in Form des bedingten Vorsatzes, lasse sich nicht feststellen, hält den Rügen der Revision nicht stand.
a) Für das Vorliegen des Schädigungsvorsatzes im Sinne des § 826 BGB ist das Bewußtsein erforderlich, daß das Handeln den schädigenden Erfolg haben wird. Der Vorsatz braucht sich zwar nicht auf den genauen Kausalverlauf und den Umfang des Schadens zu erstrecken, muß jedoch die gesamten Schadensfolgen sowie Richtung und Art des Schadens umfassen. Für die Bejahung des Schädigungsvorsatzes reicht es aus, daß der Ersatzpflichtige den dem Ersatzberechtigten entstandenen Schaden zumindest in der Form des bedingten Vorsatzes zugefügt hat (BGH, Urteil vom 23. Juni 1987 – VI ZR 213/86, NJW 1987, 3205 unter III; BGH, Urteil vom 20. November 1990 – VI ZR 6/90, NJW 1991, 634 unter B II 4 b); die Feststellung der Schädigungsabsicht ist nicht erforderlich (BGHZ 8, 387, 393; siehe auch Steffen in RGRK-BGB § 826 Rdn. 33 m.w.Nachw.).
b) Unter den hier gegebenen Umständen besteht kein Zweifel, daß der Geschäftsführer der Beklagten mit der Erstellung der Rechnung vom 14. April 1993, die sämtlich fingierte Einzelposten enthielt, jedenfalls bedingt eine Schädigung der Klägerin in Kauf genommen hat, selbst wenn nach der Behauptung der Beklagten damit zugleich die Abrechnung am 2. März 1992 von der Klägerin bestellter Lederwaren erfolgen sollte. Durch die Erstellung dieser Rechnung, deren Bezahlung anschließend der Zeuge S. veranlaßte, wurde einmal, wie das Landgericht zutreffend angenommen hat, der Klägerin die Möglichkeit genommen, die Erfüllung einer der Rechnung tatsächlich zugrundeliegenden Forderung der Beklagten nachzuweisen, zumindest aber ein solcher Nachweis der Klägerin erheblich erschwert. Darüber hinaus sollte eine Überprüfung der Berechtigung der fingierten Rechnung vom 14. April 1993 im Hause der Klägerin verhindert werden, da andernfalls mit einer Rückforderung der Klägerin hätte gerechnet werden müssen; im übrigen konnte es mangels korrekter Rechnungsstellung zu Doppelzahlungen der Klägerin dann kommen, wenn die Beklagte eine weitere Rechnung über nach ihrer Behauptung tatsächlich bestellte Waren erteilte. Diese Umstände rechtfertigen aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung den Schluß, daß der Geschäftsführer der Beklagten jedenfalls vor der Möglichkeit einer Schädigung der Klägerin die Augen nicht verschlossen hat, vielmehr mit einer solchen rechnete und diese billigend in Kauf genommen hat.
4. Da der Klägerin somit ein Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung zusteht, scheidet auch die von der Beklagten hilfsweise erklärte Aufrechnung mit einer aus der Lederwarenlieferung der Firma P. hergeleiteten Kaufpreisforderung aus (§ 393 BGB).
5. Die Berufung der Beklagten gegen das landgerichtliche Urteil war daher unter Aufhebung des angefochtenen Urteils in vollem Umfang zurückzuweisen.
Unterschriften
Dr. Hübsch, Dr. Beyer, Ball, Wiechers, Dr. Wolst
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 14.06.2000 durch Mayer, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 539178 |
NJW 2000, 2896 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2000, 2313 |
MDR 2000, 1191 |
VersR 2000, 1551 |