Entscheidungsstichwort (Thema)
Entschädigungsanspruch nach Art. 233 EGBGB wegen Grundstücksnutzung durch Träger der öffentlichen Verwaltung. Komplexer Wohnungsbau. Richtwert für Geschosswohnungsbau
Leitsatz (amtlich)
Der Anspruch des Eigentümers gegen den Träger der öffentlichen Verwaltung auf Entschädigung für die Nutzung eines Grundstücks, das ohne eine Ordnung der rechtlichen Beziehungen im Rahmen des komplexen Wohnungsbaus für Zwecke der öffentlichen Verwaltung in Anspruch genommen wurde, beruht auf Art. 233 § 2a Abs. 1 Satz 8 EGBGB.
Der Anspruch beträgt 2 % p.a. des gemäß § 20 Abs. 2 SachenRBerG geminderten für den Geschoßwohnungsbau in dem Gebiet festgestellten Richtwerts.
Normenkette
EGBGB 1986 Art. 233 § 2a Abs. 1 S. 8
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 21. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 23. Februar 2001 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Kläger wurden am 27. August 1996 als Eigentümer eines 69.420 qm großen Grundstücks in L. in das Grundbuch eingetragen. Das Grundstück ist – neben anderen Grundstücken – in den 80er Jahren für den komplexen Wohnungsbau (L. -G. Wohnkomplex VIII) in Anspruch genommen und mit Wohngebäuden und öffentlichen Anlagen bebaut worden. Seine Überführung in Volkseigentum oder eine vertragliche Regelung der Nutzung des Grundstücks erfolgten nicht.
36.823 qm des Grundstücks nutzt die beklagte Stadt, überwiegend für öffentliche Zwecke, nämlich für Verkehrswege, Schulen und andere öffentliche Einrichtungen. Im Jahre 1995 leitete sie für das Grundstück ein Bodensonderungsverfahren ein. Auf ihr Ersuchen vom 29. Juni 1995 wurde am 15. August 1995 ein Vermerk gemäß § 6 Abs. 4 BoSoG in das Grundbuch eingetragen.
Die Kläger verlangen für die Nutzung des Grundstücks durch die Beklagte im Zeitraum vom 1. Juli 1995 bis 31. Dezember 1995 90.768,69 DM Entschädigung zuzüglich Zinsen. Das Landgericht hat der Klage bis auf einen Teil der verlangten Zinsen stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Mit der Revision erstrebt sie die Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht sieht den Anspruch der Kläger nach Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 8 EGBGB als begründet an. Es meint, der Anspruch betrage nach dem zur Bestimmung seiner Höhe anzuwendenden Sachenrechtsbereinigungsgesetz gemäß §§ 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 20 Abs. 2, 19 Abs. 2 Satz 2, Abs. 5 SachenRBerG 2% p.a. des um den pauschalen Abschlag von einem Drittel verminderten Bodenrichtwerts des Grundstücks von 370 DM/qm.
II.
Die Revision ist im Endergebnis begründet.
1. Die Revision macht allerdings ohne Erfolg geltend, die Ansprüche der Kläger wegen der Nutzung des Grundstücks durch die Beklagte fänden ihre Grundlage in Art. 233 § 2 a Abs. 9 EGBGB und seien nach den dort bestimmten Grundsätzen zu bemessen.
a) Art. 233 § 2 a Abs. 9 EGBGB ist in das Sachenrechtsänderungsgesetz vom 21. September 1994 auf Vorschlag des Rechtsausschusses des Bundestages eingefügt worden. Die Vorschrift wurde als befristete „Notordnung” für notwendig erachtet, weil die Rechtsverhältnisse an zu öffentlichen Zwecken genutzten Privatgrundstücken grundsätzlich nicht der Sachenrechtsbereinigung unterliegen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SachenRBerG). Damit endete der durch Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 1 EGBGB für die Träger der öffentlichen Verwaltung bewirkte Rechtsschutz insoweit grundsätzlich mit Ablauf des 31. Dezember 1994. Zur Aufrechterhaltung eines privatrechtlichen Rechts zum Besitz bis zum Erlaß eines Gesetzes zur Bereinigung der betroffenen Rechtsverhältnisse bedurfte es eines besonderen Moratoriumstatbestandes (vgl. Senatsurt. v. 24. Mai 1996, V ZR 148/94, WM 1996, 1860, 1862; Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 12/7425, S. 56, 57, 92). Die bei Inkrafttreten des Sachenrechtsänderungsgesetzes ausstehende Regelung ist durch das Grundstücksrechtsbereinigungsgesetz vom 26. Oktober 2001 zwischenzeitlich getroffen worden. Die zivilrechtliche Bereinigung der Inanspruchnahme von Grundstücken in der ehemaligen DDR zu öffentlichen Zwecken erfolgt hiernach grundsätzlich nach dem Verkehrsflächenbereinigungsgesetz (vgl. Senatsurt. v. 18. Januar 2002, V ZR 104/01, WM 2002, 768, 771; BT-Drucks. 14/6204, S. 1, 11, 13, 23, 25), das Art. 1 des Grundstücksrechtsbereinigungsgesetzes bildet.
b) Soweit Grundstücke im Rahmen des komplexen Wohnungsbaus ohne eine Überführung in Volkseigentum bebaut worden sind, verhält es sich anders. Die Ordnung der Eigentumsverhältnisse an den im Rahmen dieser Maßnahmen bebauten Grundstücken erfolgt, auch soweit die Bebauung öffentlichen Zwecken dient, nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 SachenRBerG) bzw. nach dem das Sachenrechtsbereinigungsgesetz ergänzenden Bodensonderungsgesetz (vgl. § 20 Abs. 3 ff SachenRBerG). Damit aber beruht das Recht der Träger der öffentlichen Verwaltung zum Besitz der betroffenen Grundstücke seit dem 1. Januar 1995 auf dem Anspruch auf den Erwerb des Eigentums nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz (Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 3 EGBGB). Der Entschädigungsanspruch der Eigentümer wegen der Vorenthaltung ihres Besitzes folgt nicht aus dem ergänzenden Moratoriumstatbestand von Art. 233 § 2 a Abs. 9 EGBGB, sondern aus der allgemeinen Regelung von Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 8 EGBGB. Die Höhe des Anspruchs wird von den Regelungen des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes über den Erbbauzins bestimmt. Die dem Moratoriumsbesitz aus Art. 233 § 2 a Abs. 9 EGBGB korrespondierenden Entschädigungsgrundsätze finden keine Anwendung.
Das wird durch das Verkehrsflächenbereinigungsgesetz bestätigt. § 13 Abs. 2 VerkFlBerG ordnet den Vorrang des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes ausdrücklich an, soweit die Ordnung der Nutzung privater Grundstücke durch die Träger der öffentlichen Verwaltung nach dem Sachenrechtsrechtsbereinigungsgesetz zu erfolgen hat. Dem widerspräche es, die Entschädigungsgrundsätze von Art. 233 § 2 a Abs. 9 EGBGB auch dort anzuwenden, wo das Besitzrecht auf dem allgemeinen Besitzrecht wegen eines nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz zu ordnenden Zustands beruht (vgl. Hirschinger, NJ 2001, 570, 574; Trimbach/Matthiesen, VIZ 2002, 1, 8).
c) Für den Gesetzgeber bestand auch keine Veranlassung, die in Art. 233 § 2 a Abs. 9 EGBGB geschaffene „Notordnung” und die dort bestimmte Entschädigungsregelung auf solche öffentlich genutzten Grundstücke zu erstrecken, die im Bereich einer komplexen Bebauung liegen. Die Rechtsverhältnisse an diesen Grundstücken sind bewußt einer endgültigen Regelung im Wege der Sachenrechtsbereinigung bzw. Bodensonderung zugeführt worden, um die Bereinigung der rechtlichen Zuordnung aller Grundstücke, die im Rahmen einer Maßnahme des komplexen Wohnungsbaus in Anspruch genommen worden sind, nach einheitlichen Grundsätzen zu gewährleisten (Regierungsentwurf zum SachenRÄndG, BT-Drucks. 12/5992, S. 66; Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 12/7425, S. 60 f). Für die Zeit bis zum Abschluß der Bereinigung ist das Moratorium aus Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 1 EGBGB durch das Sachenrechtsänderungsgesetz an die bereinigungsrechtlichen Tatbestände angepaßt (Satz 3) und mit einer auf diese Fälle zugeschnittenen Entgeltverpflichtung (Satz 8) versehen worden (BT-Drucks. 12/5992, S. 184; BT-Drucks. 12/7425, S. 91). Für die zu öffentlichen Zwecken genutzten Grundstücke verblieb daneben nur insoweit ein Bedürfnis für eine vorläufige Regelung der Besitzverhältnisse, als diese nicht in ein einheitliches Bebauungskonzept eingebunden sind. Für diese Fälle wurde das in Art. 233 § 2 a Abs. 9 EGBGB geregelte eigenständige Besitzmoratorium geschaffen (vgl. Senatsurt. v. 24. Mai 1996, V ZR 148/96, aaO 1861; BT-Drucks. 14/6204, S. 25; Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum VermBerG-RegE, BT-Drucks. 13/11041, S. 31).
d) Die vom Gesetzgeber gewollte Beschränkung von Art. 233 § 2 a Abs. 9 EGBGB auf öffentlich genutzte Grundstücke, deren Bebauung außerhalb des komplexen Wohnungsbaus vorgenommen wurde, findet auch in der Systematik der gesetzlichen Regelungen Ausdruck.
Die in Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 8 EGBGB bestimmte Entgeltpflicht beruht auf dem in Satz 3 der Vorschrift geregelten Besitzrecht. Dieses gilt in den in §§ 3 Abs. 3, 4, 121 SachenRBerG bezeichneten Fällen weiter. Dieses – auch den Kommunen eingeräumte – Besitzrecht (vgl. § 9 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 SachenRBerG) umfaßt nach der Verweisung von § 4 Nr. 2 und 3 SachenRBerG nicht nur den Besitz an Grundstücken, die im Rahmen des staatlichen und genossenschaftlichen Wohnungsbaus bebaut worden sind (vgl. § 6 Nr. 2 SachenRBerG), sondern auch den Besitz an solchen Grundstücken, die von staatlichen Stellen für die Errichtung von öffentlichen Zwecken dienenden Gebäuden, baulichen Anlagen, Verkehrsflächen und für andere Zwecke des Gemeingebrauchs wie Parkanlagen und Grünflächen verwendet wurden, soweit die Verwendung oder Bebauung im Rahmen des komplexen Wohnungsbaus erfolgte (§ 7 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 7 a bb, § 11 SachenRBerG). Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 3, 8 EGBGB stellen damit nach der Systematik des Gesetzes besondere Bestimmungen für die in einem komplexen Baugebiet belegenen, zu öffentlichen Zwecken genutzten Grundstücke dar. Auch das schließt für den Anwendungsbereich dieser Bestimmungen die Geltung von Art. 233 § 2 a Abs. 9 EGBGB aus.
e) Daß Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 8 EGBGB nicht durch Art. 233 § 2 a Abs. 9 EGBGB verdrängt wird, wird auch nicht durch Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 9 EGBGB in Frage gestellt. Zwar bleiben nach dieser Bestimmung gesetzliche Regelungen unberührt, die ein abweichendes Nutzungsentgelt oder einen früheren Beginn der Zinszahlungspflicht begründen. Die Regelung besagt damit aber entgegen der Ansicht der Revision nicht, daß Art. 233 § 2 a Abs. 9 EGBGB den Bestimmungen in Abs. 1 vorgeht. Hierzu hätte es angesichts der bewußt auf die Fälle der Sachenrechtsbereinigung zugeschnittenen Vorschrift von Art. 233 § 2 a Abs. 1 EGBGB der Bestimmung eines ausdrücklichen Vorrangs in Art. 233 § 2 a Abs. 9 EGBGB bedurft.
2. Das Berufungsurteil ist auch insoweit frei von Rechtsfehlern, als es die von den Klägern aus Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 8 EGBGB verlangte Entschädigungsanspruch wegen der Nutzung des Grundstücks durch die Beklagte auf 2 % p.a. des um den Abschlag von einem Drittel geminderten Bodenrichtwerts der für die zur Wohnbebauung in Anspruch genommenen Flächen des Grundstücks bemißt.
a) Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 8 EGBGB stellt die Bereinigung nach dem Bodensonderungsgesetz der Bereinigung nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz gleich. Die Beklagte schuldet für die Nutzung der von ihr in Anspruch genommenen Teilfläche des Grundstücks seit der Einleitung des Verfahrens zur Bereinigung der Eigentumsverhältnisse an dem Grundstück Nutzungsentgelt. Der genaue Zeitpunkt, an welchem das Verfahren nach dem Bodensonderungsgesetz eingeleitet worden ist, ist nicht festgestellt. Hierauf kommt es auch nicht an, weil ein solches Verfahren auf jeden Fall vor dem 1. Juli 1995, von dem an die Kläger Entgelt verlangen, eingeleitet war. Das folgt schon aus dem Ersuchen der Beklagten vom 29. Juni 1995 um Eintragung eines Vermerks nach § 6 Abs. 4 BoSoG.
b) Zur Höhe des Nutzungsentgelts verweist Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 8 EGBGB auf die Regelungen des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes zum Erbbauzins. Der Verweis bedeutet nicht, daß diese Vorschriften deckungsgleich auf den Moratoriumszins anzuwenden sind (vgl. Senatsurt. v. 18. Februar 2000, V ZR 324/98, WM 2000, 1160, 1162, u. v. 14. Dezember 2001, V ZR 212/01, WM 2002, 768, 771).
Der nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz geschuldete Erbbauzins wird durch die Größe des für die Bebauung in Anspruch genommenen Grundstücks, dessen Wert und die Art der Bebauung bestimmt.
aa) Die Größe des betroffenen Grundstücks und seine Inanspruch-nahme zur Bebauung müssen nicht übereinstimmen. Soweit die Bebauung eines Grundstücks seine bauliche Nutzbarkeit nicht erschöpft und das Grundstück weiter bebaut werden kann, ist der Bereinigungsanspruch des Nutzers gemäß §§ 22 ff SachenRBerG auf die für seine Maßnahmen in Anspruch genommene Fläche begrenzt. Dieselbe Begrenzung gilt seit Ablauf des 31. Dezember 1994 für das Recht des Nutzers zum Besitz (Senatsurt. v. 27. September 1996, V ZR 115/95, WM 1997, 121, 123). Nur für diese Fläche schuldet er Nutzungsentschädigung gemäß Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 8 EGBGB.
Die Größe der von der Beklagten genutzten Teilfläche des Grundstücks beträgt nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien 36.823 qm.
bb) Ausgangspunkt der Bemessung des Erbbauzinses ist der Bodenwert des Grundstücks (§ 43 Abs. 2 Satz 1 SachenRBerG). Liegt ein Richtwert nach § 196 BauGB vor, ist von diesem Wert auszugehen (§ 19 Abs. 5 Satz 1 SachenRBerG). So verhält es sich hier.
Der vom Berufungsgericht festgestellte Richtwert von 370 DM/qm hat die zum Geschoßwohnungsbau genutzten Flächen des Baugebiets zum Gegenstand. Entgegen der Meinung der Revision ist auch für die Bestimmung des Anspruchs der Kläger auf Entschädigung wegen der zu öffentlichen Zwecken von der Beklagten genutzten Teilfläche des Grundstücks von diesem Wert auszugehen.
§ 20 SachenRBerG führt dazu, daß der Bodenwert von Grundstücken, die im Rahmen des komplexen Wohnungsbaus bebaut worden sind, abweichend von ihrem Verkehrswert zu bestimmen ist. Ausgangspunkt der Wertbemessung ist der Wert des unbebauten baureifen Grundstücks. Dieser Wert ist um die Kosten für die Erschließung, Vermessung und Baureifmachung zu mindern, die werterhöhend in den Bodenwert einfließen. Zur Bestimmung des bereinigungsrechtlich maßgeblichen Werts müssen diese Kosten ausgesondert werden, weil sie regelmäßig nicht von den Eigentümern getragen worden sind (Erman/Ebbing, BGB, 10. Aufl., §§ 19, 20 SachenRBerG Rdn. 10; MünchKomm-BGB/Wendtland, 3. Aufl., § 19 SachenRBerG Rdn. 5; Vossius, § 19 SachenRBerG Rdn. 8, BT-Drucks. 12/5992 S. 210). Für den Bereich des komplexen Wohnungsbaus muß darüber hinaus ein Betrag für einen fiktiven Flächenverlust abgesetzt werden, zu dem es bei einer Bebauung der betroffenen Grundstücke bei Anwendbarkeit des Baugesetzbuchs gekommen wäre. Das wird dadurch erreicht, daß vom Bodenwert ein Abzug in Höhe eines Drittels gemacht wird (§ 20 Abs. 2 SachenRBerG). Der Abzug erfolgt unabhängig von den tatsächlichen Kosten der Erschließung und der Verwendung des betroffenen Grundstücks innerhalb des Wohngebiets. Hierdurch sollen einerseits die Berechnung vereinfacht und andererseits Unterschiede ausgeglichen werden, die daraus resultieren, daß im Rahmen des komplexen Wohnungsbaus einzelne Grundstücke als Verkehrs- oder Grünflächen in Anspruch genommen wurden und damit keinen konkret feststellbaren Verkehrswert haben, während andere Grundstücke zu gewerblichen Zwecken bebaut worden sind und damit einen den Wert der zur Wohnbebauung verwendeten Grundstücke übersteigenden Verkehrswert haben. Auf die Tatsache und die Art der Bebauung hatten die Eigentümer keinen Einfluß. Die insoweit zufällig begründeten Unterschiede sollen nicht zu einer unterschiedlichen Bestimmung des Ankaufspreises oder des Erbbauzinses bei der Sachenrechtsbereinigung führen und perpetuiert werden (Vossius, § 20 SachenRBerG Rdn. 6). Die Eigentümer aller Grundstücke des Wohnungsbaugebiets bilden daher zur Bestimmung des Bodenwerts als Grundlage der Geldleistungspflichten nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz eine fiktive Gemeinschaft. Der Wert aller Grundstücke des Baugebiets wird unabhängig von ihrer Bebauung oder ihrer Verwendung in grundsätzlich derselben Höhe angenommen (§ 20 Abs. 2 SachenRBerG), soweit ein Richtwert vorliegt, mit dem Richtwert. Der Ausgleich der tatsächlichen Wertunterschiede erfolgt zwischen den Nutzern, die die bestehenden oder zu bildenden Grundstücke innerhalb des Plangebiets erwerben (vgl. § 20 Abs. 5 SachenRBerG).
cc) Dem Ziel von §§ 19, 20 SachenRBerG, durch die Annahme eines fiktiven Werts die Berechnung auszuscheidender werterhöhender Umstände zu erleichtern und Unterschiede bei der Bebauung im Rahmen des komplexen Wohungsbaus auszuscheiden, muß auch bei der Bemessung des aus Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 8 EGBGB geschuldeten Nutzungszinses Rechnung getragen werden. Die Ziele von §§ 19, 20 SachenRBerG würden verfehlt, wenn nur die im Bereinigungsverfahren festzusetzende Entschädigung der Eigentümer für den Verlust oder die dingliche Sicherung der Bebauung der Grundstücke pauschalierend und ausgleichend erfolgte, und nicht auch die Bestimmung der für die Dauer des Bereinigungsverfahrens geschuldeten Nutzungsentschädigung.
Übergeordneter Zweck des komplexen Wohnungsbaus der DDR war die Errichtung von Wohnungen im staatlichen oder genossenschaftlichen Wohnungsbau. Für diesen sieht § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SachenRBerG 2 % des Bodenwerts als Erbbauzins vor. Dieser Satz gilt auch für die Höhe der während der Dauer des Bodensonderungsverfahrens geschuldeten Entschädigung. Unterschiede bei der Verwendung eines Grundstücks oder von Teilflächen eines Grundstücks haben insoweit keine Bedeutung.
c) Zutreffend hat das Berufungsgericht auch eine Herabsetzung der Nutzungsentschädigung gemäß § 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SachenRBerG abgelehnt.
Der Senat hat schon im Urteil vom 18. Februar 2000, V ZR 324/98, WM 2000, 1160, 1162, eine Herabsetzung der Entschädigung in der sogenannten Eingangsphase für die Fälle der Bodensonderung abgelehnt. Im Urteil vom 14. Dezember 2001, V ZR 212/01, WM 2002, 768, 771 = NL-BzAR 2002, 128 mit Anm. Schramm S. 105, hat er zu dieser Frage allgemein Stellung genommen, die Ablehnung der Herabsetzung verallgemeinert und auf die Fälle des freiwilligen Landtauschs gemäß § 54 LwAnPG erstreckt. Diese Rechtsprechung hat der Senat im Urteil vom 22. März 2002, V ZR 210/01, Umdruck S. 4, 5, bisher unveröffentlicht, bestätigt. Die Revisonsbegründung gibt keinen Anlaß zu ihrer Aufgabe.
3. Die Entschädigung aus Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 8 EGBGB steht jedoch nur dem Eigentümer eines Grundstücks zu.
Die Kläger sind erst am 27. August 1997 in das Grundbuch eingetragen worden. Durch die Eintragung wurde nach dem als Anlage zur Klageschrift vorgelegten Grundbuchauszug die Auflassung des Grundstücks an die Kläger vollzogen. Damit können den Klägern aus ihrem Eigentum an dem Grundstück keine Ansprüche wegen dessen Nutzung durch die Beklagte im Zeitraum vom 1. Juli 1995 bis zum 31. Dezember 1995 zustehen. Eine Abtretung dieser Ansprüche der Voreigentümerin haben sie in den Tatsacheninstanzen nicht behauptet.
Die Vorinstanzen und die Parteien haben das Fehlen der Aktivlegitimation der Kläger bisher übersehen. Die Behauptung der Abtretung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ist nicht wirksam in den Rechtsstreit eingeführt. Durch die Aufhebung des Berufungsurteils und die Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht erhalten die Kläger hierzu Gelegenheit.
Unterschriften
Tropf, Krüger, Klein, Lemke, Gaier
Fundstellen
Haufe-Index 779209 |
BGHR 2002, 1079 |
BGHR |
DNotI-Report 2002, 134 |
Nachschlagewerk BGH |
VIZ 2002, 580 |
WM 2003, 142 |
ZfIR 2002, 832 |
MDR 2002, 1302 |
NJ 2003, 142 |
GuG 2003, 124 |