Entscheidungsstichwort (Thema)
Gemeinsame Baustelle. Haftungsfreistellung eines nicht selbst tätigen Unternehmers. Gestörtes Gesamtschuldverhältnis. Haftung wegen Auswahl- oder Organisationsverschuldens, Verletzung von Verkehrssicherungspflichten
Leitsatz (amtlich)
a) Der nicht selbst auf der gemeinsamen Betriebsstätte tätige Unternehmer, der neben seinem nach § 106 Abs. 3, 3. Alt. SGB VII haftungsprivilegierten Verrichtungsgehilfen lediglich nach §§ 831, 823, 840 Abs. 1 BGB als Gesamtschuldner haftet, ist ggü. dem Geschädigten nach den Grundsätzen des gestörten Gesamtschuldverhältnisses von der Haftung für erlittene Personenschäden freigestellt (vgl. § 840 Abs. 2 BGB); ein im Innenverhältnis zwischen dem Verrichtungsgehilfen und dem Geschäftsherrn etwa bestehender arbeitsrechtlicher Freistellungsanspruch bleibt dabei außer Betracht.
b) Die Haftung des nicht auf der gemeinsamen Betriebsstätte tätigen Unternehmers bleibt im Rahmen des gestörten Gesamtschuldverhältnisses auf die Fälle beschränkt, in denen ihn nicht nur eine Haftung wegen vermuteten Auswahl- und Überwachungsverschuldens gem. § 831 BGB, sondern eine eigene "Verantwortlichkeit" zur Schadensverhütung, etwa wegen der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten oder wegen eines Organisationsverschuldens trifft (Bestätigung des BGH, Urt. v. 11.11.2003 - VI ZR 13/03, BGHZ 157, 9 = BGHReport 2004, 441 m. Anm. Hülbach = MDR 2004, 395 = VersR 2004, 202).
Normenkette
BGB § 831 Gd, § 823; BGB Ha; BGB § 840 Abs. 1-2; SGB VII § 106 Abs. 3, 3. Alt.
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 12. Zivilsenats in Darmstadt des OLG Frankfurt vom 18.12.2003 wird zurückgewiesen.
Auf die Revision der Beklagten zu 1) wird das vorgenannte Urteil im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zu ihrem Nachteil erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionsinstanz, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger macht gegen die Beklagten materielle und immaterielle Schadensersatzansprüche aus einem Unfall geltend, den er als Arbeitnehmer einer Dachdeckerfirma erlitten hat, die als Subunternehmerin der W. N. GmbH & Co. KG das Dach einer Kindertagesstätte eindecken sollte.
Als er am 21.4.1998 auf der geschalten Dachfläche Aufmaß für die erforderliche Ziegelmenge nehmen wollte, stürzte er durch eine mit Dachpappe überdeckte Öffnung für ein Dachfenster ca. fünf Meter tief auf den Betonfußboden und erlitt dabei schwerste Verletzungen. Die zuständige Bau-Berufsgenossenschaft hat den Unfall als Arbeitsunfall anerkannt.
Der Kläger hat ursprünglich (auch) die Generalunternehmerin W. N. GmbH & Co. KG (künftig: KG) in Anspruch genommen, welche an dem Bau die Zimmererarbeiten durchführte. Nachdem diese sich zwischenzeitlich in der Insolvenz befindet, ist das Verfahren gegen sie abgetrennt worden. Nunmehr verlangt der Kläger von deren nach Ablehnung der Insolvenzeröffnung mangels Masse in Liquidation befindlicher persönlich haftender Gesellschafterin W. N. GmbH, der Beklagten zu 1), und der Firma W. N. Systembau GmbH, der Beklagten zu 2), mit der vorliegenden Klage Schadensersatz.
Das LG hat die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht das landgerichtliche Urteil unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung abgeändert und die Beklagte zu 1) zur Zahlung von insgesamt 24.804,13 EUR (Schmerzensgeld und Verdienstausfall) verurteilt. Ferner hat es festgestellt, dass die Beklagte zu 1) verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aus dem genannten Arbeitsunfall zu ersetzen, soweit die entsprechenden Ansprüche nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder sonstigen Dritten übergegangen sind. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Beklagte zu 1) ihr Klageabweisungsbegehren und der Kläger sein Klagebegehren aus der Berufungsinstanz gegen die Beklagte zu 2) weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die im Liquidationsstadium fortbestehende Beklagte zu 1) hafte als persönlich haftende Gesellschafterin der Generalunternehmerin, der KG, für deren Verbindlichkeiten gem. §§ 161 Abs. 2, 128 S. 1 HGB. Die Generalunternehmerin sei dem Kläger für die Folgen seines Sturzes nach §§ 831 Abs. 1, 823 Abs. 1, 847 Abs. 1 BGB verantwortlich, wovon sie weder durch sozialrechtliche Privilegierungen noch infolge eines sog. gestörten Gesamtschuldverhältnisses befreit sei. Der Sturz des Klägers sei durch rechtswidriges Verhalten der für die Baustelle Verantwortlichen der Generalunternehmerin, für die diese nach § 831 Abs. 1 S. 1 BGB einzustehen habe, mitverursacht worden. Das rechtswidrige Verhalten ergebe sich aus dem Unterlassen, den Fensterausschnitt im Dach ausreichend zu sichern. Eine diesbezügliche Rechtspflicht ergebe sich aus § 12a der Unfallverhütungsvorschrift Bauarbeiten (VGB 37) der Bau-Berufsgenossenschaft in der Fassung vom 1.1.1997, welche die allgemeine Verkehrssicherungspflicht konkretisiere. Den Kläger treffe auch keine eigene Verantwortlichkeit für seinen Sturz, die ihm nach § 254 Abs. 1 BGB anspruchsmindernd angelastet werden könne. Der Kläger, der als Mitarbeiter der mit der Dachdeckung beauftragten Firma bereits zu Ausführungen von Arbeiten an den Dachkandeln tätig gewesen und das Dach zum Unfallzeitpunkt im Auftrag seines Arbeitgebers zum Zwecke der Aufnahme eines Aufmaßes für die erforderlichen Dachziegel betreten habe, habe auf die Einhaltung der Allgemeinen Unfallverhütungsvorschriften am Bau vertrauen dürfen. Das LG sei zwar "gut vertretbar" von einer gemeinsamen Betriebsstätte i.S.d. § 106 Abs. 3 SGB VII im Zusammenhang mit den Zimmerer- und Dachdeckerarbeiten ausgegangen, die Haftungsprivilegierung komme jedoch grundsätzlich nicht dem beteiligten Unternehmer zugute, der nicht selbst auf der gemeinsamen Betriebsstätte tätig werde. Die mithin gegebene Haftung der Beklagten zu 1) aus §§ 831 Abs. 1, 823 Abs. 1 BGB entfalle auch nicht nach den Grundsätzen der sog. gestörten Gesamtschuld. Es stehe bereits nicht fest, dass es überhaupt einen - vom Kläger nicht in Anspruch genommenen - Erstschädiger als Gesamtschuldner gebe, da die Parteien zu einem insoweit erforderlichen Verschulden im Rahmen der Haftung aus § 823 Abs. 1 BGB nichts vorgetragen hätten. Im Übrigen störe die sozialrechtliche Haftungsprivilegierung ein entsprechendes Gesamtschuldverhältnis nicht, da der arbeitsrechtliche Freistellungsanspruch bei ihrem Hinwegdenken ebenfalls zu einer Haftung des Unternehmers als Zweitschädiger im Innenverhältnis zu seinen Arbeitnehmern als Erstschädiger führe.
Ansprüche gegen die Zweitbeklagte bestünden dagegen nicht. Allein aus der Tatsache, dass zwei ihrer Mitarbeiter auf der Baustelle tätig gewesen seien, lasse sich ihre Haftung nicht herleiten. Dass diese Mitarbeiter für die Verkehrssicherung Verantwortung getragen hätten, habe der Kläger nicht unter Beweis gestellt.
II.
A. Revision der Beklagten zu 1):
Das Berufungsurteil hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand, soweit das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten zu 1) bejaht hat.
1. Das Berufungsgericht ist zwar mit Recht davon ausgegangen, dass die KG als Generalunternehmerin für das rechtswidrige unerlaubte Verhalten ihrer mit den Zimmererarbeiten betrauten Verrichtungsgehilfen wegen der unterlassenen Absicherung der Absturzstelle als Geschäftsherr im Rahmen des § 831 Abs. 1 S. 1 BGB haftungsrechtlich einzustehen hat. Eine Rechtspflicht zur Absicherung von Öffnungen in einer Dachfläche hat das Berufungsgericht zutreffend aus der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht hergeleitet, die hier durch § 12a der Unfallverhütungsvorschrift Bauarbeiten (VGB 37) der Bau-Berufsgenossenschaft Frankfurt/M. in der Fassung v. 1.1.1997 dahin konkretisiert wird, dass bei Öffnungen in Dachflächen Einrichtungen vorhanden sein müssen, die ein Abstürzen, Hineinfallen oder Hineintreten verhindern.
2. Aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist - entgegen der Auffassung der Revision der Beklagten zu 1) - weiter die Beurteilung des Berufungsgerichts, den Kläger treffe auch keine eigene Verantwortlichkeit an seinem Sturz, die ihm nach § 254 Abs. 1 BGB anspruchsmindernd entgegengehalten werden könne. Soweit die Beklagte zu 1) meint, dem Kläger sei gleichwohl vorzuwerfen, das Dach ohne jegliche Rücksprache betreten zu haben, obwohl für ihn erkennbar gewesen sei, dass die Zimmererarbeiten in diesem Dachbereich noch nicht abgeschlossen gewesen seien, vermag dies keine abweichende Beurteilung zu rechtfertigen. Denn die Allgemeinen Unfallverhütungsvorschriften am Bau erfordern insb. dann besondere Beachtung, wenn Arbeiten noch nicht abgeschlossen sind und sich in diesem Stadium erhöhter Gefährdung mit Bauarbeiten beschäftigte Personen fremder Unternehmen auf der Baustelle aufhalten. Unter diesen Umständen ist gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, der Kläger habe auf die Einhaltung der Allgemeinen Unfallverhütungsvorschriften am Bau beim Betreten des Daches auch ohne besondere Rückfrage nach etwaigen - noch nicht gesicherten - Gefahrenstellen vertrauen dürfen, aus Rechtsgründen nichts zu erinnern.
3. Rechtlich nicht zu beanstanden ist ferner die Auffassung des Berufungsgerichts, die KG sei nicht nach § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII haftungsprivilegiert. Denn eine Haftungsfreistellung nach dieser Norm kann nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats zugunsten des versicherten Unternehmers nur dann eingreifen, wenn dieser auf der gemeinsamen Betriebsstätte selbst tätig wird (BGH, Urt. v. 3.7.2001 - VI ZR 198/00, BGHZ 148, 209 [212] = MDR 2001, 1239 = BGHReport 2001, 680 m. Anm. Grüneberg; Urt. v. 3.7.2001 - VI ZR 284/00, BGHZ 148, 214 [217] = MDR 2001, 1238 = BGHReport 2001, 678; Urt. v. 11.11.2003 - VI ZR 13/03, BGHZ 157, 9 [14] = BGHReport 2004, 441 m. Anm. Hülbach = MDR 2004, 395; Urt. v. 24.6.2003 - VI ZR 434/01, BGHReport 2003, 1204 = MDR 2003, 1232 = VersR 2003, 1260 [1261 f.]). Dies war hier nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht der Fall.
4. Das Berufungsurteil hält jedoch den Angriffen der Revision der Beklagten zu 1) nicht stand, soweit es die Möglichkeit eines Haftungsausschlusses nach den Grundsätzen des sog. gestörten Gesamtschuldverhältnisses verneint.
a) Nach diesen Grundsätzen können in den Fällen, in denen zwischen mehreren Schädigern ein Gesamtschuldverhältnis besteht, Ansprüche des Geschädigten gegen einen Gesamtschuldner (Zweitschädiger) auf den Betrag beschränkt sein, der auf diesen im Innenverhältnis zu dem anderen Gesamtschuldner (Erstschädiger) endgültig entfiele, wenn die Schadensverteilung nach § 426 BGB nicht durch eine sozialversicherungsrechtliche Haftungsprivilegierung des Erstschädigers gestört wäre (st.Rspr.: BGH, Urt. v. 12.6.1973 - VI ZR 163/77, BGHZ 61, 51 [55]; Urt. v. 11.11.2003 - VI ZR 13/03, BGHZ 157, 9 [14] = BGHReport 2004, 441 m. Anm. Hülbach = MDR 2004, 395; Urt. v. 17.2.1987 - VI ZR 81/86, MDR 1987, 749 = NJW 1987, 2669 [2670]; Urt. v. 24.6.2003 - VI ZR 434/01, BGHReport 2003, 1204 = MDR 2003, 1232 = VersR 2003, 1260 [1261 f.]). Die Beschränkung der Haftung des Zweitschädigers beruht dabei auf dem Gedanken, dass einerseits die haftungsrechtliche Privilegierung nicht durch eine Heranziehung im Gesamtschuldnerausgleich unterlaufen werden soll, es aber andererseits bei Mitberücksichtigung des Grundes der Haftungsprivilegierung, nämlich der anderweitigen Absicherung des Geschädigten durch eine gesetzliche Unfallversicherung nicht gerechtfertigt wäre, den Zweitschädiger den Schaden alleine tragen zu lassen. Deshalb hat der Senat den Zweitschädiger in solchen Fällen in Höhe des Verantwortungsteils freigestellt, der auf den Erstschädiger im Innenverhältnis entfiele, wenn man seine Haftungsprivilegierung hinwegdenkt, wobei unter "Verantwortungsteil" die Zuständigkeit für die Schadensverhütung und damit der eigene Anteil des betreffenden Schädigers an der Schadensentstehung zu verstehen ist (BGH, Urt. v. 11.11.2003 - VI ZR 13/03, BGHZ 157, 9 = BGHReport 2004, 441 m. Anm. Hülbach = MDR 2004, 395 = VersR 2004, 202).
b) Mit Recht wendet sich die Revision der Beklagten zu 1) in diesem Zusammenhang gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, es stehe mangels Sachvortrags der Parteien zum Verschulden nicht fest, dass es überhaupt einen - vom Kläger nicht in Anspruch genommenen - nach §§ 823 Abs. 1, 840 Abs. 1 BGB gesamtschuldnerisch haftenden Erstschädiger gebe.
Nachdem das Berufungsgericht einen rechtswidrigen Verstoß gegen eine die allgemeine Verkehrssicherungspflicht konkretisierende Unfallverhütungsvorschrift festgestellt hat, wird das Verschulden der hierfür verantwortlichen Mitarbeiter der KG indiziert (BGH, Urt. v. 8.5.1956 - VI ZR 48/55, VersR 1956, 435 [436]; Urt. v. 13.7.1965 - VI ZR 73/64, VersR 1965, 1055 [1056]). Unter diesen Umständen war weiterer Sachvortrag hierzu nicht erforderlich. Hiervon gehen auch beide Parteien aus.
c) Das sich insoweit ergebende Gesamtschuldverhältnis ist auch gestört, da zugunsten der Erstschädiger die sozialrechtliche Haftungsprivilegierung des § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII wegen der Tätigkeit auf einer gemeinsamen Betriebsstätte eingreift.
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats erfasst die Haftungsfreistellung des § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII über die Fälle der Arbeitsgemeinschaft hinaus sämtliche betrieblichen Aktivitäten von Versicherten mehrerer Unternehmen, die bewusst und gewollt bei einzelnen Maßnahmen ineinandergreifen, miteinander verknüpft sind, sich ergänzen oder unterstützen, wobei es ausreicht, dass die gegenseitige Verständigung stillschweigend durch bloßes Tun erfolgt (BGH, Urt. v. 17.10.2000 - VI ZR 67/00, BGHZ 145, 331 [336] = MDR 2001, 155 = BGHReport 2001, 43; Urt. v. 24.6.2003 - VI ZR 434/01, BGHReport 2003, 1204 = MDR 2003, 1232 = VersR 2003, 1260 [1261 f.], m.w.N.). Erforderlich ist ein bewusstes Miteinander im Arbeitsablauf, das sich zumindest tatsächlich als ein aufeinander bezogenes betriebliches Zusammenwirken mehrerer Unternehmen darstellt.
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Die Tätigkeiten der Zimmerleute und der Dachdecker waren nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bei der Errichtung des Daches aufeinander bezogen und jedenfalls dergestalt miteinander verknüpft, dass sie sich "ablaufbedingt in die Quere kommen" konnten (BGH, Urt. v. 16.12.2003 - VI ZR 103/03, BGHZ 157, 213 [217] = BGHReport 2004, 585 = MDR 2004, 687, m.w.N.).
d) Besteht mithin zugunsten der Mitarbeiter der KG, welche die Unfallstelle nicht ausreichend abgesichert hatten, ein Haftungsprivileg i.S.d. § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII, kommen die Grundsätze des gestörten Gesamtschuldverhältnisses zur Anwendung, wie sie der Senat in seinem Urt. v. 11.11.2003 - VI ZR 13/03 - (BGH, Urt. v. 11.11.2003 - VI ZR 13/03, BGHZ 157, 9 = BGHReport 2004, 441 m. Anm. Hülbach = MDR 2004, 395 = VersR 2004, 202) im einzelnen konkretisiert hat.
Danach ist der nicht selbst auf der gemeinsamen Betriebsstätte tätige Unternehmer, der neben seinem nach § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII haftungsprivilegierten Verrichtungsgehilfen lediglich nach §§ 831, 823, 840 Abs. 1 BGB als Gesamtschuldner haftet, ggü. dem Geschädigten nach den Grundsätzen des gestörten Gesamtschuldverhältnisses von der Haftung für erlittene Personenschäden ebenfalls grundsätzlich freigestellt (vgl. § 840 Abs. 2 BGB). Dies beruht auf dem Grundgedanken, dass in den Fällen, in denen auf der einen Seite nur eine Gefährdungshaftung oder eine Haftung aus vermutetem Verschulden, auf der anderen Seite jedoch erwiesenes Verschulden vorliegt, im Innenverhältnis derjenige den ganzen Schaden tragen soll, der nachweislich schuldhaft gehandelt hat.
Ein im Innenverhältnis zwischen dem Verrichtungsgehilfen und dem Geschäftsherrn etwa bestehender arbeitsrechtlicher Freistellungsanspruch bleibt dabei - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - außer Betracht. Diese Besonderheiten des innerbetrieblichen Schadensausgleichs gelten grundsätzlich nur im Innenverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Sie beschränken weder Haftpflichtansprüche von außerhalb des Betriebes stehenden Dritten (st.Rspr.;BGH, Urt. v. 19.9.1989 - VI ZR 349/88, MDR 1990, 142 = CR 1990, 525 = VersR 1989, 1197 [1198]; Urt. v. 23.1.1990 - VI ZR 209/89, MDR 1990, 530 = VersR 1990, 387 [388]; Urt. v. 21.12.1993 - VI ZR 103/93, MDR 1994, 452 = VersR 1994, 477 [478] sowie BAG VersR 1958, 54 [55]) noch können sie umgekehrt bei einer Haftungsprivilegierung des Arbeitnehmers im Rahmen des gestörten Gesamtschuldverhältnisses die haftungsrechtliche "Verantwortlichkeit" des Arbeitgebers im Verhältnis zum geschädigten außenstehenden Dritten erweitern. Denn die Verteilung des Risikos im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bzw. die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gehen den Geschädigten grundsätzlich nichts an (so bereits Gamillscheg, VersR 1967, 513 [516]).
Hiernach ist die Haftung des nicht auf der gemeinsamen Betriebsstätte tätigen Unternehmers im Rahmen des Gesamtschuldverhältnisses auf die Fälle beschränkt, in denen ihm nicht nur eine Haftung wegen vermuteten Auswahl- und Überwachungsverschuldens gem. § 831 BGB, sondern eine eigene Verantwortlichkeit zur Schadensverhütung, etwa wegen der Verletzung von - eigenen, nicht an Arbeitnehmer delegierbaren - Verkehrssicherungspflichten oder wegen eines Organisationsverschuldens trifft.
Dies wird das Berufungsgericht, welches bei seiner Entscheidungsfindung das Senatsurteil v. 11.11.2003 - VI ZR 13/03 (BGH, Urt. v. 11.11.2003 - VI ZR 13/03, BGHZ 157, 9 = BGHReport 2004, 441 m. Anm. Hülbach = MDR 2004, 395 = VersR 2004, 202) noch nicht kennen konnte, bei seiner erneuten Verhandlung zu beachten und ggf. seine tatsächlichen Feststellungen zu ergänzen haben.
B. Revision des Klägers:
Die Revision des Klägers gegen die Abweisung seiner Klage gegen die Beklagte zu 2) hat keinen Erfolg.
Die Beurteilung des Berufungsgerichts, allein aus der Tatsache, dass zwei der Mitarbeiter der Beklagten zu 2) auf der Baustelle tätig gewesen seien, lasse sich ihre Haftung nicht herleiten, weil der Kläger nicht unter Beweis gestellt habe, dass diese Mitarbeiter für die Verkehrssicherung Verantwortung getragen hätten, lässt - entgegen der Auffassung der Revision - Rechts- bzw. Verfahrensfehler nicht erkennen.
Das von der Revision herangezogene erstinstanzliche Vorbringen des Klägers war nicht geeignet, in schlüssiger Weise eine der Beklagten zu 2) als Geschäftsherr über § 831 BGB haftungsrechtlich zuzurechnende Verletzung von Verkehrssicherungspflichten darzutun. Denn der Kläger hat nicht vorgetragen, dass und welche Mitarbeiter der Zweitbeklagten auf der Baustelle mit der Verlegung der Dachpappe als deren Verrichtungsgehilfen betraut waren. Soweit die Revision in diesem Zusammenhang meint, es "liege auf der Hand", dass die Zweitbeklagte für die Generalunternehmerin mit der Verlegung der Dachpappebahnen als Subunternehmerin tätig geworden sei, so kann dem nicht beigetreten werden. Nachdem die Beklagte zu 2) ausdrücklich bestritten hatte, dass ihre beiden Mitarbeiter, die als Hilfskräfte auf der Baustelle zum Unfallzeitpunkt anwesend gewesen seien, mit dem Unfallgeschehen und mit der entsprechenden Verkehrssicherungspflicht etwas zu tun gehabt hätten, wäre weiterer Sachvortrag des Klägers zur entsprechenden Aufgabenverteilung auf der Baustelle erforderlich gewesen.
Fundstellen
Haufe-Index 1406409 |
NJW 2005, 3144 |
BGHR 2005, 1442 |
BauR 2006, 108 |
ZAP 2005, 1177 |
DAR 2005, 568 |
MDR 2006, 26 |
NZV 2005, 515 |
VersR 2005, 1397 |
NZBau 2005, 576 |
r+s 2005, 395 |