Entscheidungsstichwort (Thema)
Transportgutbeschädigung. Beweisantrag. Konkrete und vollständige Tatsachenbehauptungen. Einlassung des Gegners. Sachverständigengutachten
Leitsatz (amtlich)
Der Inhalt eines Beweisantrags erfordert die spezifizierte Bezeichnung der Tatsachen, die bewiesen werden sollen; wie konkret die jeweiligen Tatsachenbehauptungen sein müssen, ist unter Berücksichtigung der Wahrheits- und Vollständigkeitspflicht (§ 138 Abs. 1 ZPO) anhand der Umstände des Einzelfalls, insb. der Einlassung des Gegners, zu beurteilen.
Normenkette
ZPO § 284
Verfahrensgang
Brandenburgisches OLG (Urteil vom 13.06.2001; Aktenzeichen 7 U 234/99) |
LG Frankfurt (Oder) (Urteil vom 19.08.1999) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerinnen wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Brandenburgischen OLG v. 13.6.2001 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht zum Nachteil der Klägerinnen erkannt hat.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des LG Frankfurt (Oder) v. 19.8.1999 wird auch hinsichtlich des der Klägerin zu 1) zugesprochenen Restbetrags der Sachverständigenkosten i.H.v. 728,30 DM nebst Zinsen zurückgewiesen.
Im übrigen Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerinnen nehmen die Beklagte wegen Beschädigung von Transportgut auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch.
Die Klägerin zu 2) beauftragte die Beklagte am 4.9.1996 mit dem Transport eines Mobilbaggers von Berlin nach Strausberg. Da einer der Zwillingsreifen auf der rechten Seite der Hinterachse defekt war, erhielt die Beklagte von der Klägerin zu 2) die Weisung, diesen bei einem Reifendienst in Fredersdorf reparieren zu lassen. Der mit dem Transport betraute Fahrer K. der Beklagten verlud den Bagger in Berlin auf einen Tieflader. Als er ihn in Fredersdorf von dem Tieflader herunterfahren wollte, kippte der Bagger um und fiel auf die linke Seite.
Die Klägerin zu 2) hat zur Schadenshöhe von dem Sachverständigen Z. ein Privatgutachten erstellen lassen und den ihr entstandenen Schaden (Sachschaden und Gutachterkosten) auf 103.224,30 DM beziffert. Davon hat sie mit Vereinbarung v. 9.10.1997 einen Teilbetrag i.H.v. 68.052,30 DM (unter Einschluss der Gutachterkosten) an die Klägerin zu 1) abgetreten.
Die Klägerinnen haben behauptet, der Unfall sei allein auf eine falsche Bedienung seitens des Fahrers der Beklagten zurückzuführen, der versucht habe, die hintere Starrachse durch Herunterdrücken des Auslegers anzuheben. Möglicherweise sei der Unfall auch dadurch begünstigt worden, dass der Bagger nicht symmetrisch auf dem Tieflader gestanden habe und dass sich zudem der Oberwagen durch den Bedienungsfehler des Fahrers verdreht habe.
Die Klägerinnen haben zuletzt beantragt - hinsichtlich der geänderten Empfangszuständigkeit im Klageantrag zu 2) im Wege einer unselbstständigen Anschlussberufung -,
1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zu 1 68.052,30 DM nebst Zinsen zu zahlen,
2. die Beklagte weiterhin zu verurteilen, nach Erfüllung gegenüber der Klägerin zu 1) an die B. Baugesellschaft mbH, R. -Damm, N., 35.172 DM nebst Zinsen zu zahlen.
Die Beklagte hat ihre Haftung dem Grunde und der Höhe nach in Abrede gestellt.
Das LG hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Das Berufungsgericht hat die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 26.165,40 DM nebst Zinsen an die Klägerin zu 1) bestätigt und die Klage im Übrigen abgewiesen.
Mit der Revision verfolgen die Klägerinnen ihr Klagebegehren weiter, soweit diesem bislang nicht entsprochen worden ist.
Die Beklagte war in der mündlichen Verhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht vertreten. Die Revisionsklägerinnen beantragen, durch Versäumnisurteil zu erkennen.
Entscheidungsgründe
I. Da die Beklagte säumig ist und auch die weiteren Voraussetzungen für den Erlass eines Versäumnisurteils vorliegen, ist über die Revision auf Antrag der Revisionsklägerinnen durch Versäumnisurteil zu erkennen.
II. Das Berufungsgericht hat der Klägerin zu 1) - unter Abweisung der weiter gehenden Klage - aus abgetretenem Recht der Klägerin zu 2) gem. § 429 Abs. 1, § 430 Abs. 2 HGB (in der bis zum 30.6.1998 geltenden Fassung, im Folgenden: HGB a.F.) Schadensersatz i.H.v. 26.165,40 DM nebst Zinsen zugesprochen. Dazu hat es ausgeführt:
Bei dem Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin zu 2) und der Beklagten handele es sich um einen Frachtführervertrag i.S.v. § 425 HGB a.F. Gemäß § 429 Abs. 1 HGB a.F. hafte der Frachtführer für Schäden am Transportgut, die in der Zeit von der Annahme bis zur Ablieferung desselben eingetreten seien, es sei denn, die Beschädigung beruhe auf Umständen, die auch durch die Sorgfalt eines ordentlichen Frachtführers nicht hätten abgewendet werden können. Im Streitfall sei die Beschädigung des Baggers nach der Übernahme und vor seiner Ablieferung eingetreten mit der Folge, dass die Beklagte, der der Entlastungsbeweis nicht gelungen sei, für den eingetretenen Schaden gem. § 429 Abs. 1 HGB a.F. einzustehen habe.
Die Schadensersatzverpflichtung der Beklagten belaufe sich jedoch nur auf insgesamt 26.165,40 DM. Dieser Betrag setze sich aus Reparaturaufwendungen i.H.v. 16.990 DM, Sachverständigenkosten i.H.v. 5.600 DM sowie der anteiligen Umsatzsteuer i.H.v. 16 % zusammen. Der erforderliche Reparaturbedarf stehe auf Grund des schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen D. und dessen mündlichen Erläuterungen dazu fest. Einen höheren Reparaturaufwand hätten die Klägerinnen jedenfalls nicht bewiesen.
Für das nach dem Unfall von der Klägerin zu 2) in Auftrag gegebene Parteigutachten seien Kosten i.H.v. 5.600 DM zzgl. Umsatzsteuer angemessen.
III. Die Revision hat Erfolg. Sie führt auch hinsichtlich der restlichen Gutachterkosten i.H.v. 728,30 DM zur Zurückweisung der Berufung der Beklagten und im Übrigen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen einer vertraglichen Haftung der Beklagten nach § 429 Abs. 1 HGB a.F. bejaht, weil die Klägerin zu 2) sie als Frachtführerin beauftragt hat und der streitgegenständliche Schaden in der Zeit zwischen der Übernahme des Transportgutes in Berlin und seiner Ablieferung am Bestimmungsort von der Beklagten schuldhaft verursacht worden ist. Davon ist auch in der Revisionsinstanz auszugehen, da die Beklagte das Berufungsurteil nicht angefochten hat.
2. Mit Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte sei lediglich zum Ersatz von Reparaturaufwendungen i.H.v. 16.990 DM zzgl. 16 % Umsatzsteuer verpflichtet, weil der Sachverständige D. einen darüber hinausgehenden Reparaturbedarf nicht für erforderlich gehalten habe.
a) Die Revision rügt allerdings vergeblich, das Berufungsgericht habe nicht annehmen dürfen, es gebe keinen Anlass, an der fachlichen Kompetenz des Sachverständigen D. zu zweifeln. Sie weist zwar zutreffend darauf hin, dass der Sachverständige in seinem an das Berufungsgericht gerichteten Schreiben v. 27.6.2000 mitgeteilt hat, dass er "auf Grund der ganz speziellen Spezifik (Baumaschine) hier einen weiteren Sachverständigen unseres Hauses (Herrn Dipl.-Ing. Wolfgang L.) beiziehen" würde, da seine eigene Sachkunde nicht vollständig ausreichend sei. Es trifft auch zu, dass den Prozessakten nicht entnommen werden kann, dass der gerichtlich bestellte Sachverständige D. bei der Erstattung seines schriftlichen Gutachtens v. 13.10.2000 einen weiteren Gutachter hinzugezogen hat, der ihm die möglicherweise fehlende eigene Sachkunde vermittelt hätte. Das verhilft der Revision jedoch nicht zum Erfolg.
Das Berufungsgericht hat den Parteien Ablichtungen des Schreibens des Sachverständigen D. v. 27.6.2000 übersandt. Ferner hat es im Verhandlungs- und Beweisaufnahmetermin v. 16.8.2000 den Beschluss verkündet, dass die Sachverständigenbegutachtung zur Höhe des von den Klägerinnen behaupteten Schadens (Ziff. I 2 des Beweisbeschlusses v. 19.4.2000) fortgesetzt werden sollte. Mit Verfügung des Senatsvorsitzenden v. 18.8.2000 wurde den Parteien zudem die Beauftragung des Sachverständigen D. mitgeteilt. Die Klägerinnen haben sich dazu nicht geäußert und geltend gemacht, dass dem Sachverständigen D. die erforderliche Sachkunde für das Beweisthema "Schadenshöhe" fehle. Ebensowenig ist die fehlende Sachkunde nach Erhalt des schriftlichen Gutachtens und im Rahmen der mündlichen Erläuterungen desselben durch den Sachverständigen D. gerügt worden. Unter diesen Umständen ist es den Klägerinnen gem. § 295 Abs. 1 ZPO verwehrt, sich in der Revisionsinstanz darauf zu berufen, das Berufungsgericht hätte das Gutachten des Sachverständigen D. nicht zur Grundlage seiner Entscheidung machen dürfen, sondern einen anderen kompetenten Sachverständigen mit der Erstattung des Gutachtens zur Schadenshöhe beauftragen müssen.
b) Ohne Erfolg bleibt auch die weitere Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe übersehen, dass nach Erstellung des Gutachtens D. zur Schadenshöhe eine Fallgestaltung vorgelegen habe, die das Gericht ausnahmsweise verpflichtet habe, wegen mangelnder Sachkunde des gerichtlich bestellten Sachverständigen entweder gem. § 412 Abs. 1 ZPO oder nach § 144 Abs. 1 ZPO ein weiteres Gutachten zur Bestätigung der Richtigkeit der Darlegungen des Privatgutachters Z. zur Schadenshöhe einzuholen.
Die Klägerinnen haben - wie bereits dargelegt - die fehlende Sachkunde Ds. nicht gerügt. Im Übrigen berücksichtigt die Revision nicht genügend, dass das Berufungsgericht der erheblichen Differenz zwischen dem Privatgutachten Z. und dem schriftlichen Gutachten des Sachverständigen D. durch eine mündliche Anhörung des Sachverständigen D. nachgegangen ist. Es hat sich dabei von den Ausführungen Ds., der sich mit dem Gutachten Z. bei seinen Erläuterungen auseinander gesetzt hat, überzeugen lassen. Wenn das Berufungsgericht danach auf die Einholung eines weiteren Gutachtens verzichtet, liegt darin kein Verstoß gegen § 412 Abs. 1 ZPO oder § 144 Abs. 1 ZPO.
c) Die Revision hat jedoch Erfolg, soweit sie rügt, das Berufungsgericht habe es verfahrensfehlerhaft unterlassen, den Privatsachverständigen Z. als Zeugen zu den nach dem Unfallereignis am Bagger vorhandenen Beschädigungen zu vernehmen, wie es von den Klägerinnen beantragt worden sei.
aa) Notwendiger Inhalt eines Beweisantrags ist die spezifizierte Bezeichnung der Tatsachen, welche bewiesen werden sollen; wie konkret die jeweiligen Tatsachenbehauptungen sein müssen, muss unter Berücksichtigung der Wahrheits- und Vollständigkeitspflicht (§ 138 Abs. 1 ZPO) anhand der Umstände des Einzelfalls, insbes. der Einlassung des Gegners, beurteilt werden.
bb) Die Klägerinnen haben in ihrem Schriftsatz v. 22.12.2000 u.a. ausgeführt, die erheblichen Abweichungen der Bewertungen der beiden Gutachter, die der vom Berufungsgericht bestellte Gutachter in keiner Weise erklärt habe, erforderten eine Fortsetzung der Beweisaufnahme. Sie würden den Sachverständigen Z. deshalb ausdrücklich dafür benennen, dass entgegen den Ausführungen des vom Berufungsgericht beauftragten Sachverständigen durch den Unfall ein Wertverlust i.H.v. 96.000 DM eingetreten sei und dass die Unfallbeseitigungskosten diesen Betrag erheblich überschritten hätten. In demselben Schriftsatz haben sich die Klägerinnen die Ausführungen des von der Klägerin zu 2) beauftragten Sachverständigen Z. zum Umfang der bei dem Unfallereignis entstandenen Schäden am Bagger und deren Reparaturmöglichkeit zu Eigen gemacht. Das reichte zur hinreichenden Konkretisierung der zu ermittelnden Tatsachen aus. Denn der Privatgutachter Z. hat zur Reparaturmöglichkeit des Baggers u.a. wie folgt Stellung genommen:
"Der beschädigte Oberwagen wäre komplett zu demontieren und zu entsorgen. Der Motor ist nicht weiter verwendbar. Ebenso das komplette Fahrerhaus. Alle Kabelbäume und Leitungen müssten neu verlegt werden. Ein neuer Oberwagenrahmen müsste beschafft werden. Allein die Ersatzteilpreise für diese Teile belaufen sich auf mehr als ca. 90.000 DM."
Der Privatgutachter Z. hat den Bagger - im Gegensatz zu dem gerichtlich bestellten Sachverständigen D., der sein Gutachten hauptsächlich auf der Grundlage der Fotos und der Ausführungen des Privatgutachters Z. erstellt hat - im beschädigten Zustand in Augenschein genommen und auf Grund seiner besonderen Sachkunde Feststellungen zu den vorhandenen Beschädigungen getroffen. Das Berufungsgericht hätte ihn deshalb gem. § 414 ZPO als sachverständigen Zeugen zum Zustand des Baggers nach dem Unfallereignis vernehmen müssen.
3. Die Revision hat auch Erfolg, soweit sie eine Erstattung der bislang nicht zuerkannten Kosten für die Einholung des Privatgutachtens Z. (728,30 DM) erstrebt. Sie führt insoweit zur Zurückweisung der Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil.
a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Schädiger die Kosten eines vom Geschädigten zur Schadensfeststellung (insbes. zur Bestimmung der Schadenshöhe) eingeholten Sachverständigengutachtens zu ersetzen hat, soweit dieses zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich ist (vgl. BGH v. 8.7.1999 - III ZR 159/98, BGHZ 142, 172 [185]).
Das Berufungsgericht hat auf der Grundlage der Äußerungen des Sachverständigen D., der Gutachterkosten i.H.v. 5.100 DM bis 6.100 DM für angemessen gehalten hat, den erforderlichen Kostenaufwand gem. § 287 ZPO auf einen Mittelwert von 5.600 DM zzgl. 16 % Umsatzsteuer festgesetzt. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
b) Die Klägerin zu 2) hat an den von ihr mit der Schadensfeststellung beauftragten Gutachter Z. unstreitig den geltend gemachten Betrag von 7.224,30 DM gezahlt. Ihr ist mithin in dieser Höhe ein Schaden entstanden. Der gerichtlich bestellte Sachverständige D. hat Gutachterkosten in einer Größenordnung von 5.100 DM bis 6.100 DM zzgl. 16 % Umsatzsteuer für angemessen gehalten. Bei Zugrundelegung des Höchstbetrags von 6.100 DM ergäbe sich ein Ersatzanspruch der Klägerin zu 1) von 7.076 DM. Bei dieser Sachlage hat die Klägerin zu 1 mit der Zahlung von 7.224,30 DM an den von ihr beauftragten Gutachter Z. nicht gegen ihre Schadensminderungspflicht verstoßen.
IV. Danach war auf die Revision der Klägerinnen das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit darin zu ihrem Nachteil erkannt worden ist. Die Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil war auch hinsichtlich des der Klägerin zu 1) zugesprochenen Restbetrags der Sachverständigenkosten i.H.v. 728,30 DM nebst Zinsen zurückzuweisen. Im übrigen Umfang der Aufhebung war die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 1176387 |
NJW 2004, 3429 |
BGHR 2004, 1383 |
FamRZ 2004, 1481 |
NJW-RR 2004, 1362 |
MDR 2004, 1016 |
DS 2005, 66 |
LMK 2004, 200 |
ProzRB 2004, 292 |