Leitsatz (amtlich)
Jede vertragliche Abweichung von der VOB/B führt dazu, dass diese nicht als Ganzes vereinbart ist (BGH, Urt. v. 22.1.2004 - VII ZR 419/02 = BGHReport 2004, 647).
Normenkette
AGBG § 9
Verfahrensgang
OLG Hamm (Urteil vom 11.01.2002) |
LG Paderborn |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 34. Zivilsenats des OLG Hamm v. 11.1.2002 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des H. B. (Gemeinschuldner). Der Gemeinschuldner hat mit seiner im September 2000 erhobenen Klage 69.882,37 DM (= 35.730,29 EUR) Schadensersatz wegen mangelhafter Installation einer Wasserleitung verlangt. Die Beklagte hat ihm ein Wohnhaus errichtet. Nachrangig nach den Vertragsbedingungen der Beklagten ist die VOB/B vereinbart worden. Im Revisionsverfahren geht es allein um die Verjährung.
Der Gemeinschuldner ist Ende Juli 1992 in sein Haus eingezogen. Wegen anderweitiger Mängel haben sich die Parteien im August 1996 geeinigt. Mit Schreiben v. 25.11.1996 beanstandete der Gemeinschuldner Durchfeuchtungen im Keller. Die Beklagte erklärte sich alsbald bereit, den Keller anzuschauen, wenn auch unter Verwahrung gegen Gewährleistungsansprüche. Bei der gemeinsamen Besichtigung wurde eine Undichtigkeit der kupfernen Kaltwasserleitung infolge von Lochfraß festgestellt.
Die Beklagte demontierte das schadhafte Stück der Leitung und sandte es zur Untersuchung an das Prüfungsinstitut für Kupferleitungen in Frankfurt am Main. Im Mai 1998 ereignete sich ein zweiter Rohrbruch; im Januar 1999 lag immer noch kein Untersuchungsergebnis des Frankfurter Instituts vor. Daraufhin beantragte der Gemeinschuldner am 19.1.1999 die Einleitung eines selbstständigen Beweisverfahrens. Das hierzu erstattete Sachverständigengutachten v. 2.11.1999 hat die Ursache des Lochfraßes nicht eindeutig feststellen können.
Die Klage hatte in beiden Vorinstanzen keinen Erfolg. Der Kläger verfolgt den Anspruch mit der vom Senat zugelassenen Revision weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
Die Beurteilung richtet sich nach dem bis zum 31.12.2001 geltenden materiellen Recht (Art. 229 § 5 S. 1 EGBGB).
I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist der geltend gemachte Schadensersatzanspruch verjährt. Maßgeblich sei die zweijährige Frist gem. § 13 Nr. 4 Abs. 1 VOB/B. Diese Klausel sei verbindlich. Eine Inhaltskontrolle finde gem. § 23 Abs. 2 Nr. 5 AGBG nicht statt. Die Parteien hätten die VOB/B als Ganzes vereinbart. Deren Modifizierung durch die vorrangigen Vertragsklauseln stelle noch keinen wesentlichen Eingriff in das Gesamtgefüge der VOB/B dar.
Der Lauf der Verjährungsfrist habe mit dem Einzug des Gemeinschuldners 1992 begonnen. Bei Anzeige der Mängel des Rohrleitungssystems im November 1996 sei die Verjährungsfrist bereits abgelaufen gewesen.
II.
Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg. Der Schadensersatzanspruch des Klägers ist nicht verjährt.
1. Die Parteien haben die VOB/B nicht als Ganzes vereinbart.
Nach der neuen Rechtsprechung des BGH führt jede inhaltliche Abweichung von der VOB/B dazu, dass diese nicht als Ganzes vereinbart ist. Es kommt nicht darauf an, welches Gewicht der Eingriff hat (BGH, Urt. v. 22.1.2004 - VII ZR 419/02, BGHReport 2004, 647 = BauR 2004, 668).
Der von der Beklagten verwendete Formularvertrag enthält mehrere inhaltliche Abweichungen von der VOB/B, die im Übrigen entgegen der Auffassung des Berufungsgericht auch nach der älteren Rechtsprechung des BGH als Eingriff in die VOB/B als Ganzes anzusehen gewesen wären.
2. Da die VOB/B nicht als Ganzes vereinbart ist, ist § 13 Nr. 4 Abs. 1 VOB/B Gegenstand der Inhaltskontrolle nach dem AGB-Gesetz. Die isolierte Vereinbarung der kurzen Verjährung nach § 13 Nr. 4 VOB/B ist unwirksam (BGH, Urt. v. 10.10.1985 - VII ZR 325/84, BGHZ 96, 129 = MDR 1986, 224; Urt. v. 21.6.1990 - VII ZR 308/89, BGHZ 111, 388 [392] = MDR 1991, 40; ständige Rechtsprechung).
3. Die danach maßgebliche Verjährungsfrist von fünf Jahren (§ 638 Abs. 1 BGB) war bei Klageerhebung nicht abgelaufen.
Bei einem angenommenen Beginn des Laufs der Verjährungsfrist Anfang August 1992 haben die Parteien mit der einvernehmlichen Prüfung des Vorhandenseins des Mangels ab November 1996 die Verjährung rechtzeitig gehemmt (§ 639 Abs. 2 BGB). Dass die Beklagte sich bei der gemeinsamen Prüfung ausdrücklich gegen Ansprüche des Gemeinschuldners verwahrt hat, ist unschädlich (vgl. BGH, Urt. v. 21.4.1977 - VII ZR 135/76, BauR 1977, 348 [349]). Die Hemmung dauerte bis zum Antrag des Gemeinschuldners auf Einleitung des selbstständigen Beweisverfahrens fort. Dieser Antrag hat zur Unterbrechung der Verjährung geführt (§ 639 Abs. 1, § 477 Abs. 2 BGB). Die danach ab November 1999 beginnende neue Verjährung (§ 217 BGB) ist durch die Klageerhebung rechtzeitig unterbrochen worden (§ 209 Abs. 1 BGB).
III.
Das Berufungsurteil kann danach keinen Bestand haben. Das Berufungsgericht wird nunmehr den geltend gemachten Schadensersatzanspruch in der Sache zu prüfen haben.
Fundstellen
Haufe-Index 1159880 |
DB 2004, 2317 |
BGHR 2004, 1073 |
BauR 2004, 1142 |
NJW-RR 2004, 957 |
EWiR 2004, 831 |
IBR 2004, 367 |
IBR 2004, 370 |
WM 2004, 1245 |
ZfIR 2004, 523 |
MDR 2004, 1053 |
MDR 2006, 1151 |
ZfBR 2004, 555 |
BTR 2004, 175 |
BrBp 2004, 389 |
NZBau 2004, 385 |
IWR 2004, 75 |
JWO-VerbrR 2004, 187 |
JbBauR 2006, 332 |