Leitsatz (amtlich)
Der Verzug mit der Bezahlung einer Abschlagsforderung endet jedenfalls nach Abnahme und Erteilung einer Schlussrechnung.
Normenkette
VOB/B § 16
Verfahrensgang
KG Berlin (Urteil vom 27.06.2001) |
LG Berlin |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 26. Zivilsenats des KG v. 27.6.2001 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin nimmt ihren ehemaligen Prozessbevollmächtigten auf Schadensersatz in Anspruch, weil er einen Anspruch auf Ersatz von Verzugszinsen unsachgemäß verfolgt habe.
Die Klägerin erbrachte für die Deutsche Reichsbahn (DR) Bauleistungen. Dem Auftrag lag die VOB/B zu Grunde. Am 13.11.1992 erstellte die Klägerin eine Rechnung über ca. 12 Mio. DM, die später vereinbarungsgemäß als 6. Abschlagsrechnung angesehen wurde. Nachdem die DR einen Betrag von 1.744.383,99 DM akzeptiert hatte, mahnte die Klägerin den vollen Rechnungsbetrag am 11.1.1993 mit Frist zum 21.1.1993 zur Zahlung an. Am 10.3.1993 legte die Klägerin eine Schlussrechnung über knapp 10 Mio. DM.
Im Vorprozess hat die Klägerin von der DR Zahlung von über 7,7 Mio. DM nebst 7 % Zinsen über dem Diskontsatz der Deutschen Bundesbank seit dem 24.9.1994 verlangt. Nach nur teilweisem Klageerfolg verfolgte sie in der Berufung, nunmehr vertreten durch den Beklagten, den Hauptanspruch nebst Zinsen ab dem 1.3.1993. Die Mahnung v. 11.1.1993 war vom Beklagten unstreitig nicht in den Rechtsstreit eingeführt worden. Streitig ist, ob sie dem Beklagten vorlag. Das KG erkannte auf eine Zahlungspflicht von 2.961.894,49 DM nebst Zinsen ab dem 24.9.1994 und wies den Zinsanspruch für den Zeitraum v. 1.3.1993 bis zum 23.9.1994 mit der Begründung ab, der Zinsbeginn zum 1.3.1993 sei nicht näher dargelegt worden; zu diesem Zeitpunkt sei die Schlussrechnungsforderung noch nicht fällig gewesen.
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Ersatz des Schadens in Anspruch, der ihr dadurch entstanden sei, dass der Beklagte vor dem Berufungsgericht hinsichtlich der Verzinsung unzureichend vorgetragen habe. Insbesondere habe er die Mahnung v. 11.1.1993 nicht in den Prozess eingeführt, obwohl ihm diese mit den Prozessunterlagen überreicht worden sei. Das LG hat die auf Zahlung von 612.537,52 DM nebst Zinsen gerichtete Klage abgewiesen, die Berufung, mit der Zahlung von 623.424,76 DM verlangt worden ist, ist erfolglos geblieben.
In der Revision verfolgt die Klägerin den Schadensersatz weiter, den sie nach einem Zinsanspruch von 1 % über dem Lombardsatz v. 1.3.1993 bis zum 23.9.1994 aus einem Betrag von 1.988.597,75 DM, mithin in Höhe eines Betrages von 220.736,91 DM, berechnet.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Auf das Schuldverhältnis findet das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung Anwendung (Art. 229 § 5 S. 1 EGBGB).
I.
Das Berufungsgericht führt aus, dem Beklagten könne allenfalls vorgehalten werden, dass er den Werklohnanspruch der Klägerin jedenfalls wegen eines Teils der Zinsen nicht auch auf die als 6. Zwischenrechnung angesehene Rechnung v. 13.11.1992 und den von der DR anerkannten Betrag gestützt habe. Ein derartiger Fehler führe nicht zum Erfolg der Klage. Ansprüche auf Abschlagszahlung seien nur solange einklagbar, bis die Schlussrechnung vorliege. Der Verzug mit Abschlagszahlungen ende mit Vorlage der Schlussrechnung. Der Auftragnehmer könne den Auftraggeber erst nach Ablauf der Prüfungsfrist aus § 16 Nr. 3 Abs. 1 VOB/B erneut in Verzug setzen.
Ein Anspruch der Klägerin auf Ersatz des Schadens, der dadurch entstanden sei, dass der Beklagte den Verzugszinsanspruch für die Zeit v. 1.3.1993 bis zum 10.3.1993 nicht begründet habe, bestehe nicht, weil die Klägerin insoweit ihren Schadensersatzanspruch abgetreten habe.
II.
Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
Zutreffend verneint das Berufungsgericht einen Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen den Beklagten aus Verletzung des Anwaltsvertrags. Die Revision wendet sich nicht gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Klägerin könne den Schaden nicht geltend machen, der durch möglicherweise entgangene Verzugszinsen v. 1.3. bis zum 10.3.1993 entstanden ist, weil sie ihren möglichen Anspruch insoweit abgetreten habe. Der Senat hat deshalb nur zu beurteilen, ob der Klägerin Verzugszinsen für die Zeit v. 11.3.1993 bis zum 23.9.1994 dadurch entgangen sein könnten, dass der Beklagte die ihm möglicherweise vorliegende Mahnung v. 11.1.1993 nicht in den Prozess eingeführt hat. Das ist nicht der Fall.
1. Mit dem Abschluss des Bauvertrages entsteht für den Auftragnehmer die Werklohnforderung. Sie kann nach dem Vergütungssystem der VOB/B unter verschiedenen Voraussetzungen durchgesetzt werden.
a) Nach § 16 Nr. 1 VOB/B hat der Auftragnehmer einen Anspruch auf Abschlagszahlungen. Diese Regelung bezweckt, den vorleistungspflichtigen Auftragnehmer zu entlasten und die gerade bei Bauleistungen mit der Vorfinanzierung verbundenen wirtschaftlichen Nachteile auszugleichen (BGH, Urt. v. 21.2.1985 - VII ZR 160/83, MDR 1985, 750 = BauR 1985, 456 [457] = ZfBR 1985, 174; Urt. v. 26.2.1987 - VII ZR 217/85, BauR 1987, 453 = ZfBR 1987, 200). Der Anspruch auf Abschlagszahlungen ist auf Anzahlungen in Bezug auf den Vergütungsanspruch für das Gesamtwerk gerichtet und dadurch gekennzeichnet, dass Zahlungen darauf nur vorläufig sind bis zur Feststellung einer endgültigen Vergütung des Auftragnehmers durch die Schlussrechnung (BGH, Urt. v. 19.3.2002 - X ZR 125/00, BGHReport 2002, 662 = MDR 2002, 997 = BauR 2002, 1257 [1259] = IBR 2002, 350 = NZBau 2002, 390 = ZfBR 2002, 558; Urt. v. 23.1.1986 - IX ZR 46/85, MDR 1986, 845 = BauR 1986, 361, 365 [366] = ZfBR 1986, 162). Diese auf vorläufige Vergütung gerichtete Abschlagsforderung ist ein schuldrechtlicher Anspruch i. S. d. § 241 S. 1 BGB, der vom Gläubiger mit Eintritt der Fälligkeit selbstständig geltend gemacht werden kann. Er kann deshalb z. B. selbstständig verjähren (BGH, Urt. v. 5.11.1998 - VII ZR 191/97, MDR 1999, 221 = BauR 1999, 267 = IBR 1999, 68, 90 = ZfBR 1999, 98). Ebenso kann ein Verzug des Auftraggebers unter den Voraussetzungen des § 16 Nr. 5 Abs. 3 VOB/B begründet werden.
b) Nach § 16 Nr. 3 Abs. 1 VOB/B hat der Auftragnehmer einen Anspruch auf Schlusszahlung alsbald nach Prüfung und Feststellung der von ihm vorgelegten Schlussrechnung. Der Anspruch wird spätestens zwei Monate nach Zugang der Schlussrechnung fällig. Aus dieser Regelung, wie auch aus der Abschlagszahlungsvereinbarung, folgt, dass der Auftragnehmer nach Beendigung des Vertrages seine Leistung prüfbar endgültig abzurechnen hat. In dieser Abrechnung ist die gesamte Vergütung einschließlich der vergütungsgleichen Ansprüche darzustellen und der Saldo, der sich durch Abzug der Voraus- und Abschlagszahlungen ergibt, zu ermitteln. Abschlagszahlungen sind ebenso wie Vorauszahlungen lediglich Rechnungsposten, die nicht auf einzelne Leistungspositionen des Vertrags bezogen werden können (BGH, Urt. v. 11.2.1999 - VII ZR 399/97, BGHZ 140, 365 [373 f.] = MDR 1999, 671; Urt. v. 24.1.2002 - VII ZR 196/00, BGHReport 2002, 574 = MDR 2002, 812 = BauR 2002, 938 [939] = IBR 2002, 235 = NZBau 2002, 329 = ZfBR 2002, 473; Urt. v. 2.5.2002 - VII ZR 249/00, BauR 2002, 1407 [1408] = IBR 2002, 352 = NZBau 2002, 562 = ZfBR 2002, 673).
2. Jedenfalls nach Abnahme und Erteilung der Schlussrechnung ist das Recht zur vorläufigen Abrechnung erloschen und damit auch die Berechtigung, eine vorläufige Abrechnung durchzusetzen und Verzugsfolgen daraus fortwirken zu lassen (vgl. auch BGH, Urt. v. 21.2.1985 - VII ZR 160/83, MDR 1985, 750 = BauR 1985, 456 = ZfBR 1985, 174). Die Fälligkeit der Abschlagsforderungen wirkt nach einer Abnahme und Erteilung der Schlussrechnung nicht fort. Die Abschlagsforderung verliert durch die endgültige Abrechnung zwangsläufig ihren selbstständigen Charakter. Sie verliert auch ihre Durchsetzbarkeit. Ein Verzug wird beendet (Ernst in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 286 Rz. 98). Entgegen der Auffassung der Revision bleibt sie auch nicht als unselbstständiger Bestandteil der Schlussrechnungsforderung bestehen, soweit identische Leistungen abgerechnet werden. Es gibt nur eine Werklohnforderung. Deren Fälligkeit kann nur einheitlich geregelt sein.
Aus der Entscheidung des Senats v. 15.6.2000 (BGH v. 15.6.2000 - VII ZR 30/99, MDR 2000, 1187 = BauR 2000, 1482 = IBR 2000, 479 = NZBau 2000, 507 = ZfBR 2000, 537) folgt nichts anderes. Der Senat hat in dieser Entscheidung hervorgehoben, dass der Auftragnehmer seinen Anspruch auf Abschlagszahlung jedenfalls dann verfolgen kann, wenn er zwar eine Schlussrechnung gestellt hat, jedoch eine Abnahme oder deren unberechtigte Verweigerung nicht nachweisen kann. In diesem Fall ist davon auszugehen, dass er noch vorleistungspflichtig ist, so dass es auch gerechtfertigt ist, ihm einen Anspruch auf Abschlagszahlungen zuzubilligen. Anders ist das jedoch, wenn die Abnahme erklärt und die Schlussrechnung erteilt ist.
3. Das Vergütungssystem der VOB/B nimmt in Kauf, dass das Recht zur vorläufigen Abrechnung jedenfalls nach Abnahme und Erteilung der Schlussrechnung endet und dadurch ein Zeitraum von höchstens zwei Monaten entsteht, in dem die Vergütungsforderung nicht fällig ist und deshalb ein Verzug für diesen Zeitraum nicht begründet sein kann. Dem liegt die Wertung zu Grunde, dass der Auftraggeber in diesem Zeitraum die Gelegenheit haben muss, die Schlussrechnung zu prüfen. Das gilt unabhängig davon, ob überhaupt Abschlagsforderungen erhoben worden sind. Ein Verzug mit Zahlung des endgültig festgestellten Betrages kann nur unter den Voraussetzungen des § 16 Nr. 5 Abs. 3 VOB/B erneut begründet werden. Unberührt davon bleibt das Recht des Auftragnehmers, die Ansprüche zu verfolgen, die sich aus dem Verzug mit der Begleichung von Abschlagsforderungen ergeben. Diese Ansprüche gehen nicht unter. Der Auftragnehmer ist z. B. nicht gehindert, einen Schaden zu verfolgen, der daraus entstanden ist, dass die Abschlagsforderung nicht beglichen worden ist und deshalb der entsprechende Geldbetrag dem Auftragnehmer nicht zur Begleichung von eigenen Schulden oder zur Kapitalanlage zur Verfügung stand. Begrenzt ist lediglich der Zeitraum des Verzuges, sodass die sich aus § 16 Nr. 5 Abs. 3 VOB/B hergeleiteten Verzugszinsen i. H. v. 1 % über dem Lombardsatz nicht mehr ab dem Zeitpunkt verlangt werden können, zu dem nach einer Abnahme die Schlussrechnung erteilt worden ist.
4. Auf dieser Grundlage hatte der Beklagte keine Möglichkeit, im Vorprozess einen ab dem 11.3.1993 berechneten Anspruch auf Ersatz der nach § 16 Nr. 5 Abs. 3 VOB/B berechneten Verzugszinsen durch Vorlage der Mahnung v. 11.1.1993 durchzusetzen. Denn diese Mahnung betraf die 6. Abschlagsrechnung. Mit Ablauf der darin bis zum 21.1.1993 gesetzten Frist konnte die DR nur mit ihrer Verpflichtung zur Begleichung der Abschlagsrechnung in Verzug geraten. Dieser Verzug endete mit Erteilung der Schlussrechnung am 10.3.1993.
Fundstellen
Haufe-Index 1159884 |
DB 2004, 2811 |
BGHR 2004, 1074 |
BauR 2004, 1146 |
NJW-RR 2004, 957 |
EWiR 2004, 995 |
IBR 2004, 361 |
ZIP 2004, 1507 |
ZfIR 2004, 748 |
MDR 2004, 993 |
ZfBR 2004, 552 |
BTR 2004, 176 |
BrBp 2004, 424 |
NJW-Spezial 2004, 118 |
NZBau 2004, 386 |
BauRB 2004, 257 |
FSt 2005, 391 |
JbBauR 2006, 365 |