Leitsatz (amtlich)
Bei der Beurteilung der Herkunftstäuschung im Rahmen des § 1 UWG, die erst durch eine von den Parteien verwandte Kennzeichnung hervorgerufen wird, gelten die aus dem Kennzeichnungsrecht bekannten Grundsätze zur Verwechslungsgefahr. Eine nach § 1 UWG unzulässige vermeidbare Herkunftstäuschung kann danach auch dann vorliegen, wenn der Verkehr bei dem nachgeahmten Produkt oder der nachgeahmten Kennzeichnung annimmt, es handele sich um eine Zweitmarke des Originalherstellers, oder wenn er von geschäftlichen oder organisatorischen Beziehungen zwischen den beteiligten Unternehmen ausgeht.
Normenkette
UWG § 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird unter Zurückweisung der Anschlußrevision der Klägerin das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 4. Februar 1998 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht zum Nachteil der Beklagten erkannt hat.
Im Umfang der Aufhebung wird auf die Berufung der Beklagten das Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 28. Dezember 1995 teilweise abgeändert.
Die Klage wird auch im übrigen abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin, die u.a. Schneidwaren herstellt und vertreibt, führt in ihrem Vertriebsprogramm seit 1975 die Messerserie „VIER STERNE”. Die Klingen dieser Messer tragen auf der linken Seite eine durchsichtige, abziehbare Folie, auf der in jeweils roter Farbe gehalten links der Name und der Sitz der Klägerin, in der Mitte das „ZWILLING”-Bildzeichen und rechts die Bezeichnung der Messerserie wie nachstehend wiedergegeben angeführt sind:
Verschiedene Messer aus der Serie der Klägerin haben – verkleinert – folgendes Aussehen:
Auf der anderen Klingenseite der „VIER STERNE”-Messer befinden sich in anthrazitfarbener eingeätzter Schrift u.a. Name und Anschrift der Klägerin sowie ebenfalls das „ZWILLING”-Bildzeichen.
Ob die Messer dieser Serie mit einer zusätzlichen Kennzeichnung auf dem Griff angeboten werden, ist zwischen den Parteien streitig.
Die Beklagte zu 1 vertreibt u.a. die Messerserie „CORDON BLEU” des japanischen Schneidwarenherstellers Y.. Die Messer weisen auf der linken Seite der Klinge in roter Farbe den in der Firma der Beklagten zu 1 enthaltenen Namen „WILH. DRACHE”, das Bildzeichen „Schmied am Amboß” und die Messerserie „CORDON BLEU” wie nachstehend wiedergegeben auf:
Die Messer der Serie der Beklagten sehen – verkleinert – wie folgt aus:
Die Klägerin hat geltend gemacht, die Beklagten hätten den Gesamteindruck der wettbewerblich eigenartigen „VIER STERNE”-Messerserie nachgeahmt und eine in Farbe und Aufbau verwechslungsfähige Kennzeichnung gewählt.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagten zu verurteilen,
es zu unterlassen, Messer der nachfolgend wiedergegebenen Messerserie „CORDON BLEU”
und/oder
mit der angeführten Beschriftung anzubieten, feilzuhalten, in den Verkehr zu bringen und/oder zu bewerben,
- Auskunft darüber zu erteilen, seit wann und in welchem Umfang sie Handlungen gemäß Ziffer I.1. begangen haben, insbesondere welche Umsätze sie mit diesen Messern getätigt haben und welche Werbeaufwendungen sie hierfür veranlaßt haben, und zwar aufgeschlüsselt nach DM-Werten und Kalendermonaten;
- festzustellen, daß die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die in Ziffer I.1. beschriebenen Handlungen bisher entstanden ist und/oder noch entstehen wird.
Die Beklagten sind dem entgegengetreten. Sie sind der Auffassung, der von der Klägerin hergestellten Messerserie komme keine wettbewerbliche Eigenart zu. Die Messer der Serie „CORDON BLEU” und die beanstandete Beschriftung auf den Messerklingen hielten einen ausreichenden Abstand zu der Serie der Klägerin.
Die Beklagten haben sich schließlich auf Verwirkung und Verjährung berufen.
Das Landgericht hat die Beklagten verurteilt, es zu unterlassen, Messer der Serie „CORDON BLEU” mit der beanstandeten Beschriftung anzubieten, feilzuhalten, in den Verkehr zu bringen und/oder zu bewerben. Der Auskunfts- und Feststellungsklage hat das Landgericht stattgegeben. Die weitergehende gegen den Vertrieb der Messer aufgrund der Formgebung unabhängig von der angebrachten Beschriftung gerichtete Unterlassungsklage hat das Landgericht abgewiesen.
Das Berufungsgericht hat unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung das vom Landgericht ausgesprochene Unterlassungsgebot aufrechterhalten, jedoch auf die beanstandete Beschriftung in roter Farbe beschränkt und festgestellt, daß die Beklagten zum Schadensersatz für die mit dem Unterlassungsgebot beanstandete Verhaltensweise ab 29. Juli 1992 (Beklagter zu 3) bzw. 31. Juli 1992 (Beklagten zu 1 und 2) verpflichtet sind. In diesem Umfang hat das Berufungsgericht die Beklagten auch zur Auskunftserteilung verurteilt.
Gegen dieses Urteil richten sich die Revision der Beklagten und die Anschlußrevision der Klägerin. Mit ihrer Revision erstreben die Beklagten die vollständige Abweisung der Klage. Die Anschlußrevision der Klägerin richtet sich gegen die teilweise Abweisung ihres Auskunfts- und Schadensersatzantrags. Beide Parteien beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels der Gegenseite.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat einen Unterlassungsanspruch der Klägerin nach § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt der vermeidbaren Herkunftstäuschung bejaht und ausgeführt:
Die rote Kennzeichnung der Klägerin auf der linken Klingenseite der Messer verfüge über die geforderte wettbewerbliche Eigenart. Sie weise eine einprägsame und individuelle Gestaltung auf, die geeignet sei, die interessierten Verkehrskreise auf die betriebliche Herkunft der Erzeugnisse hinzuweisen. Wettbewerbliche Eigenart im Sinne eines Herkunftshinweises komme der Kennzeichnung durch ihre auf der besonderen Gestaltung und Anordnung der Einzelelemente beruhenden Gesamtwirkung zu. Die Funktion der Kennzeichnung werde nicht dadurch beeinträchtigt, daß die Folie abziehbar sei. Bei der Werbung und beim Verkauf sei die Folie angebracht und deshalb geeignet, herkunftshinweisend zu wirken.
Die von den Beklagten angeführten Drittprodukte stellten diese Wirkung der klägerischen Kennzeichnung nicht in Frage und engten den Schutzbereich auch nicht ein. Die Drittprodukte wichen in ihrer Gesamtwirkung deutlich von der Kennzeichnung der Klägerin ab.
Die Eignung der Kennzeichnung der Klägerin, auf die betriebliche Herkunft hinzuweisen, sei zusätzlich durch die langjährige erfolgreiche Marktpräsenz seit 1975 beachtlich gesteigert. Der Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Produkte stimme – wie das Berufungsgericht näher ausgeführt hat – derart überein, daß die Gefahr betrieblicher Verwechslungen bestehe. Bei der Kennzeichnung der Beklagten fänden sich sämtliche Merkmale wieder, die den Gesamteindruck der Kennzeichnung der Klägerin prägten.
Den Beklagten sei auch subjektiv der Vorwurf unlauteren Verhaltens zu machen. Sie seien mit ihrem Produkt auf den Markt gegangen, ohne sich darum zu kümmern, ob sie Rechtspositionen der Klägerin verletzten, obwohl sich für sie eine solche Gefahr habe aufdrängen müssen. Die Ansprüche der Klägerin seien nicht verwirkt.
Das Auskunfts- und Schadensersatzverlangen der Klägerin sei im Hinblick auf die von den Beklagten erhobene Einrede der Verjährung allerdings auf den Zeitraum von drei Jahren vor Klageerhebung begrenzt.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Dagegen ist die Anschlußrevision unbegründet. Die Revision führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Abweisung der Klage.
Die Annahme des Berufungsgerichts, die Messer der Serie „CORDON BLEU” der Beklagten stimmten mit den „VIER STERNE”-Messern der Klägerin und deren (roter) Kennzeichnung auf den Klingen nach dem Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Produkte derart überein, daß die Gefahr einer Verwechslung der betrieblichen Herkunft der Produkte bestehe, hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Im rechtlichen Ansatz zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, daß die Übernahme einer Gestaltungsform, die nicht (mehr) unter Sonderrechtsschutz steht, nach § 1 UWG wettbewerbswidrig sein kann, wenn das Erzeugnis von wettbewerblicher Eigenart ist und besondere Umstände hinzutreten, die die Nachahmung unlauter erscheinen lassen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 8.11.1984 – I ZR 128/82, GRUR 1985, 876, 877 = WRP 1985, 397 – Tchibo/Rolex; Urt. v. 6.2.1986 – I ZR 243/83, GRUR 1986, 673, 675 = WRP 1986, 377 – Beschlagprogramm; Urt. v. 22.6.1995 – I ZR 119/93, GRUR 1995, 581, 583 = WRP 1995, 908 – Silberdistel; Urt. v. 6.11.1997 – I ZR 102/95, GRUR 1998, 477, 478 = WRP 1998, 377 – Trachtenjanker; für technische Erzeugnisse: BGH, Urt. v. 8.12.1999 – I ZR 101/97, GRUR 2000, 521, 523 = WRP 2000, 493 – Modulgerüst, m.w.N.). Zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen besteht eine Wechselwirkung. Je größer die wettbewerbliche Eigenart und je höher der Grad der Übernahme ist, desto geringer sind die Anforderungen an die besonderen Umstände, die die Wettbewerbswidrigkeit begründen (vgl. BGH, Urt. v. 17.6.1999 – I ZR 213/96, GRUR 1999, 1106, 1108 = WRP 1999, 1031 – Rollstuhlnachbau).
Für die Prüfung in der Revisionsinstanz ist davon auszugehen, daß die Kennzeichnung der Messer der Klägerin die für den Wettbewerbsschutz erforderliche wettbewerbliche Eigenart besitzt und daß diese aufgrund langjähriger Benutzung der Kennzeichnung eine Steigerung erfahren hat.
Wettbewerbliche Eigenart setzt voraus, daß die konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale eines Erzeugnisses geeignet sind, die angesprochenen Verkehrskreise auf die betriebliche Herkunft oder die Besonderheiten des Erzeugnisses hinzuweisen (vgl. BGH GRUR 1995, 581, 583 – Silberdistel; GRUR 2000, 521, 523 – Modulgerüst). Dabei kann die wettbewerbliche Eigenart auch in der Kennzeichnung des Produkts liegen (vgl. BGH, Urt. v. 28.1.1977 – I ZR 109/75, GRUR 1977, 614, 615 – Gebäudefassade, m.w.N.).
Das Berufungsgericht hat die Eignung der Kennzeichnung der Klägerin, herkunftshinweisend zu wirken, in der roten Farbe, der langgestreckten rechteckigen Form einschließlich der umrandenden Linie und dem symmetrischen Aufbau mit dem in das Zentrum gestellten Bildzeichen der Klägerin sowie den rechts und links angeordneten Beschriftungen gesehen. Darauf, daß das Berufungsgericht bei der Feststellung der wettbewerblichen Eigenart nicht sämtliche Elemente der Kennzeichnung der Klägerin in die Betrachtung einbezogen hat (vgl. hierzu II 2 b), kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Das Erfordernis der wettbewerblichen Eigenart besagt nur, daß für den wettbewerbsrechtlichen Schutz alle diejenigen Erzeugnisse in Betracht kommen, bei denen der Verkehr Wert auf ihre betriebliche Herkunft legt und gewohnt ist, aus bestimmten Merkmalen auf die betriebliche Herkunft zu schließen (vgl. BGHZ 50, 125, 130 – Pulverbehälter).
Das Berufungsgericht hat weiter angenommen, daß die wettbewerbliche Eigenart durch langjährige Benutzung der Kennzeichnung eine Steigerung erfahren hat. Es hat dazu festgestellt, daß die „VIER STERNE”-Messerserie der Klägerin seit 1978 mit der in Frage stehenden Kennzeichnung versehen wird und mit erheblichen Stückzahlen auf dem Markt ist. Die tatrichterlichen Feststellungen zur wettbewerblichen Eigenart und ihrer Steigerung nimmt die Revision rügelos hin.
2. Mit Erfolg wendet sich die Revision aber dagegen, daß das Berufungsgericht aufgrund der Übereinstimmung bestimmter, vom Verkehr als Herkunftszeichen angesehener Merkmale die Gefahr einer betrieblichen Herkunftstäuschung bejaht hat.
a) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, daß sich bei der Kennzeichnung der Beklagten sämtliche Merkmale wiederfänden, die den Gesamteindruck der Kennzeichnung der Klägerin prägten. Beide Kennzeichnungen seien in roter Farbe gehalten. Identisch sei weiterhin das Format der Kennzeichnungen in der Form eines langgestreckten, schlanken Rechtecks. Die Beschriftung sei wie bei den Produkten der Klägerin symmetrisch um ein scherenschnittartiges Bildelement mit einer figürlichen Darstellung (bei den Beklagten: „Schmied am Amboß”) gruppiert, die im Zentrum stehe und durch kräftige rote Flächen den Blickpunkt der Kennzeichnung bilde. Entsprechend der Kennzeichnung der Klägerin finde sich bei den Produkten der Beklagten auf der linken Seite der Firmenhinweis und auf der rechten Seite der Kennzeichnung die Produktbezeichnung der Messerserie sowie ein Hinweis auf die Fertigungsqualität. Die Unterschiede der Kennzeichnungen seien geringfügig. Ein nicht unbeachtlicher Teil der Verbraucher werde die Messer der Beklagten, die auch ohne die Kennzeichnungen nach ihrer Gestaltung sehr ähnlich seien, unmittelbar mit den „VIER STERNE”-Messern der Klägerin verwechseln. Diejenigen Verbraucher, denen die inhaltlichen Unterschiede der Klingenkennzeichnungen auffielen, gingen, weil sich die Messer der Parteien sehr nahekämen, davon aus, es handele sich um eine Zweitserie der Klägerin oder jedenfalls um Produkte eines Anbieters, der mit der Klägerin in geschäftlichen oder organisatorischen Beziehungen stehe.
b) Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen und des unstreitigen Sachverhalts läßt sich aber weder eine unmittelbare Herkunftstäuschung noch eine solche im weiteren Sinne oder unter dem Gesichtspunkt des Serienzeichens bejahen.
aa) Bei der Feststellung einer unmittelbaren Herkunftstäuschung der Messer der Parteien aufgrund des Gesamteindrucks ihrer Kennzeichnung hat das Berufungsgericht bei dem Vergleich der Kennzeichen der Parteien – rechtsfehlerhaft – nur einzelne ihrer Elemente (Farbe, Format, Aufbau und Anordnung von Einzelelementen) in die Betrachtung einbezogen. Diese Elemente hat es isoliert mit der von der Beklagten verwandten Kennzeichnung auf Übereinstimmungen verglichen.
Zwar brauchen nicht alle Gestaltungsmerkmale des Produktes eines Wettbewerbers übernommen zu werden; vielmehr kommt es darauf an, daß gerade die übernommenen Gestaltungsmerkmale geeignet sind, im Verkehr auf die betriebliche Herkunft hinzuweisen (vgl. BGH, Urt. v. 6.5.1999 – I ZR 199/96, GRUR 1999, 923, 926 = WRP 1999, 831 – Tele-Info-CD). Bei der Beurteilung der Herkunftstäuschung im Rahmen des § 1 UWG, die erst durch eine von den Parteien verwandte Kennzeichnung hervorgerufen wird, gelten aber die aus dem Kennzeichenrecht bekannten Grundsätze zur Verwechslungsgefahr (v. Gamm, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl., Kap. 21 Rdn. 58; Sambuc, Der UWG-Nachahmungsschutz, Rdn. 601). Mithin ist auch hier davon auszugehen, daß der Verkehr ein Kennzeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen, wie es ihm bei der konkreten Verwendung entgegentritt, aufnimmt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. BGH, Urt. v. 20.10.1999 – I ZR 110/97, GRUR 2000, 608, 610 = WRP 2000, 529 – ARD-1). Indem das Berufungsgericht bei der Feststellung der Herkunftstäuschung nur einzelne Elemente der Kennzeichnung der Klägerin mit denjenigen der Beklagten verglichen hat, hat sich das Berufungsgericht von seinem (zutreffenden) Ausgangspunkt der Feststellung des Gesamteindrucks der Kennzeichen der Parteien gelöst und nicht aufgrund einer umfassenden tatrichterlichen Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls geprüft, ob eine Täuschung des Verkehrs eintritt (vgl. BGH, Urt. v. 14.1.1999 – I ZR 203/96, GRUR 1999, 751, 753 = WRP 1999, 816 – Güllepumpen, m.w.N.).
Bei der Annahme, ein nicht unbeachtlicher Teil der Verbraucher werde die „CORDON BLEU”-Messer der Beklagten unmittelbar mit denjenigen der „VIER STERNE”-Messer der Klägerin verwechseln, hat das Berufungsgericht nicht genügend auf die unterschiedlichen Bildelemente abgestellt. Während das von der Klägerin verwandte Bildzeichen die „ZWILLING”-Marke der Klägerin zeigt, weist die Kennzeichnung der Beklagten die Darstellung des „Schmied am Amboß” auf. Auch die Unterschiede bei den Firmenzeichen hat das Berufungsgericht nicht berücksichtigt. Beide Parteien geben in den Kennzeichnungen ihre unterschiedlichen Firmenbezeichnungen an. Schließlich enthalten die Kennzeichnungen ebenfalls die verschiedenen Bezeichnungen der Messerserien – „****VIER STERNE MESSER” einerseits und „CORDON BLEU” andererseits – und die unterschiedlichen Fertigungsqualitäten (FRIODUR® ICE HARDENED/Rostfrei Geschmiedet).
Diese Gestaltungselemente, die überwiegend einen unmittelbaren Bezug zur Herkunft der Produkte haben, hat das Berufungsgericht in die Beurteilung, ob der Verkehr über die Herkunft der Produkte getäuscht wird, nicht einbezogen, sondern nur auf Übereinstimmungen bei Farbe, Format, Aufbau und Anordnung der Einzelelemente der Kennzeichnung der Parteien abgestellt.
Von einer unmittelbaren Herkunftstäuschung i.S. von § 1 UWG aufgrund des Eindrucks der sich gegenüberstehenden Kennzeichen der Messerserien ist dagegen auch unter Berücksichtigung der gesteigerten wettbewerblichen Eigenart der Kennzeichnung der Klägerin nicht auszugehen. Dies vermag der Senat auf der Grundlage des vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalts, des beiderseitigen Parteivortrags sowie der zu den Akten gereichten Fotos der Messerserien und der vorgelegten Originalmesser der Parteien selbst zu entscheiden, ohne daß es weiterer Aufklärung durch den Tatrichter bedarf.
Das von der Klägerin verwandte Kennzeichen wird maßgeblich geprägt durch die in der Mitte auf rotem Grund scherenschnittartig wiedergegebene Darstellung der „ZWILLING”-Marke, die noch durch die Wiederholung der Angabe „ZWILLING” im links angeführten Firmenzeichen der Klägerin unterstrichen wird und – in geringerem Maße – durch die Angabe der Firma der Klägerin sowie die Bezeichnung der Messerserie. In der Wirkung tritt hinter diesen Merkmalen die rechteckige Form des klägerischen Kennzeichens und die Anordnung der Einzelelemente zurück. Das Kennzeichen der Beklagten weist hierzu in den prägenden Bestandteilen deutliche Abweichungen auf. Zentral angeordnet ist eine über die Umrandung nach oben hinausragende Bilddarstellung („Schmied am Amboß”), die keine Gemeinsamkeiten mit der „ZWILLING”-Marke aufweist. Hinzu kommt eine auf die Beklagte zu 1 hinweisende Firmenbezeichnung und die abweichende Angabe der Messerserie und der Fertigungsqualitäten, die sich insgesamt von dem Kennzeichen der Klägerin abheben. Danach verbleiben an übereinstimmenden Merkmalen die rote Farbe, die zur Kennzeichnung nach den Feststellungen des Berufungsgerichts allerdings auch von einem dritten Wettbewerber verwandt wird, und – mit den vom Berufungsgericht festgestellten Einschränkungen – die rechteckige Umrandung und der Aufbau der Kennzeichnung, die eine Herkunftstäuschung jedoch nicht zu begründen vermögen.
Eine Verwechslungsgefahr hinsichtlich der Produkte der Parteien läßt sich auch nicht unter Heranziehung der vom Berufungsgericht angeführten Ähnlichkeit in der Gestaltung der Messer annehmen. Das Berufungsgericht hat nämlich festgestellt, daß Klingenform und -material durch die jeweilige Funktion überwiegend vorgegeben sind und der Messergriff sowie der Messerkropf – wenn auch geringe – Unterschiede aufweisen.
bb) Allerdings ist das Berufungsgericht für den Fall, daß Verbrauchern die inhaltlichen Unterschiede der Klingenkennzeichnungen auffallen, von einer mittelbaren Verwechslungsgefahr oder einer Herkunftsverwechslung im weiteren Sinne ausgegangen und hat angenommen, diese Verbraucher nähmen an, es handele sich bei den „CORDON BLEU”-Messern der Beklagten um eine Zweitserie der Klägerin oder jedenfalls um Produkte eines Anbieters, der mit der Klägerin geschäftlich oder organisatorisch verbunden sei. Auch dies ist nicht frei von Rechtsfehlern.
Im Kennzeichenrecht kann eine Verwechslungsgefahr gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG auch dann gegeben sein, wenn der Verkehr zwar nicht der Gefahr unmittelbarer Verwechslungen der Kollisionszeichen erliegt, sondern i.S. der in § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG besonders angesprochenen Gefahr des gedanklichen Inverbindungbringens der einander gegenüberstehenden Kennzeichen die angegriffene Bezeichnung infolge teilweiser Übereinstimmung mit der Klagemarke in einem wesensgleichen Stamm dem Inhaber der Klagemarke zuordnet (Verwechslungsgefahr unter dem Aspekt des Serienzeichens) oder trotz Erkennens der gegebenen Unterschiede der Zeichen wegen teilweiser Übereinstimmung von der Annahme wirtschaftlicher oder organisatorischer Zusammenhänge zwischen den Markeninhabern ausgeht (BGH GRUR 2000, 608, 609 – ARD-1).
Eine nach § 1 UWG unzulässige vermeidbare Herkunftstäuschung kann ebenfalls vorliegen, wenn der Verkehr bei dem nachgeahmten Produkt oder der nachgeahmten Kennzeichnung annimmt, es handele sich um eine Zweitmarke des Originalherstellers (vgl. BGH GRUR 1998, 477, 480 – Trachtenjanker) oder wenn er von geschäftlichen oder organisatorischen Beziehungen zwischen den beteiligten Unternehmen ausgeht (vgl. BGH, Urt. v. 26.10.1962 – I ZR 21/61, GRUR 1963, 152, 156 – Rotaprint; Urt. v. 4.1.1963 – Ib ZR 95/61, GRUR 1963, 423, 428 – coffeinfrei; GRUR 1977, 614, 616 – Gebäudefassade; v. Gamm aaO Kap. 21 Rdn. 30 und 58; Sambuc aaO Rdn. 100 und 601). Zu der Annahme des Berufungsgerichts, Verbraucher, denen die inhaltlichen Unterschiede der Kennzeichnungen der Parteien auffielen, würden die Messer der Beklagten für eine Zweitserie der Klägerin halten oder von wirtschaftlichen oder organisatorischen Beziehungen der Parteien ausgehen, sind keine näheren tatsächlichen Feststellungen getroffen. Es sind dafür auch keine hinreichenden Anhaltspunkte ersichtlich. In diesem Zusammenhang legt das Berufungsgericht seiner Beurteilung wiederum einen Gesamteindruck der Kennzeichnungen der Parteien zugrunde, der auf einer – unzulässigen – zergliedernden Betrachtungsweise der Kennzeichen beruht. Die oben angeführten deutlichen Abweichungen, vor allem auch die – auffällig angebrachte – unterschiedliche Herstellerangabe, sprechen gegen die Annahme einer Zweitmarke der Klägerin oder organisatorischer oder wirtschaftlicher Verflechtungen der Parteien.
Damit scheiden die von der Klägerin geltend gemachten wettbewerbsrechtlichen Ansprüche nach § 1 UWG einschließlich des Anspruchs auf Auskunftserteilung (§ 242 BGB) und auf Feststellung von Schadensersatz aus.
III. Danach war auf die Revision unter Aufhebung der Vorentscheidungen die Klage abzuweisen, während die Anschlußrevision unbegründet war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Erdmann, Starck, Pokrant, Büscher, Raebel
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 15.06.2000 durch Führinger Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
DB 2001, 531 |
BGHR |
NJW-RR 2001, 405 |
GRUR 2001, 251 |
Nachschlagewerk BGH |
WRP 2001, 153 |
Mitt. 2001, 215 |