Leitsatz (amtlich)
a) Eine Verletzung der Unterhaltungs- und Werterhaltungspflicht hinsichtlich der von einer LPG im Rahmen von Kreispachtverträgen übernommenen Gebäude, baulichen Anlagen und des übernommenen Inventars ist nur anzunehmen, wenn die LPG gegen die Grundsätze einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung verstoßen hat, wie sie unter den Bedingungen der sozialistischen Wirtschaftsordnung geherrscht haben.
b) Haben die Parteien eines Kreispachtvertrages die der LPG an sich obliegende Unterhaltungs- und Werterhaltungspflicht in eine wertmäßige Verbindlichkeit umgewandelt, schuldet die LPG im Regelfall nur noch die Erfüllung dieser Verbindlichkeit. Der Grundstückseigentümer kann nach Auflösung der Vertragsbeziehungen aus abgetretenem Recht ebenfalls nur diesen Anspruch geltend machen. Die Umstände rechtfertigen keine Anpassung nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage.
Normenkette
VertragsG-DDR §§ 104, 105 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Senats für Landwirtschaftssachen des Oberlandesgerichts Naumburg vom 12. Februar 2002 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als es um die Höhe des zuerkannten Anspruchs wegen der Nichtrückgabe des toten Inventars geht und soweit mehr als 23.408 DM (= 11.968,32 EUR) nebst Zinsen hinsichtlich des Anspruchs wegen Wertminderung von Gebäuden und baulichen Anlagen zuerkannt worden sind.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts – Landwirtschaftsgericht – Naumburg vom 3. März 2000 wird zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die Teilabweisung der Klage hinsichtlich des Anspruchs wegen Wertminderung von Gebäuden und baulichen Anlagen richtet.
Im übrigen wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Mit Vertrag vom 19. Oktober 1954 verpachtete M. G. den in Sch. gelegenen Teil seines landwirtschaftlichen Betriebes nebst totem und lebendem Inventar an eine Rechtsvorgängerin der Beklagten, die LPG „N. W.” Sch. (im folgenden: LPG). Die Pächterin übernahm die laufende Unterhaltung und Pflege und verpflichtete sich zur Rückgabe nach Pachtende in dem Wert, den der Betrieb bei Übernahme hatte.
Mit Wirkung vom 1. Januar 1955 trat der Rat des Kreises Querfurt an die Stelle der LPG in den Pachtvertrag ein und schloß mit der LPG einen Nutzungsvertrag über den Pachtgegenstand ab.
Am 28. April 1969 trafen der Rat des Kreises und die LPG eine Vereinbarung, wonach die der LPG obliegende Werterhaltungspflicht hinsichtlich der Gebäude und baulichen Anlagen in eine wertmäßige Verbindlichkeit umgewandelt wurde, die bei Beendigung der Nutzung Grundlage für die Abrechnung sein sollte. Der Schätzwert der Gebäude und baulichen Anlagen wurde mit 23.828 M/DDR angegeben.
1984 starb M. G. und wurde von seinem Sohn R. beerbt. Dieser vereinbarte mit dem Rat des Kreises, daß der ursprüngliche Pachtvertrag vom 19. Oktober 1954 mit Wirkung vom 1. Juli 1985 unwirksam sein sollte. An seine Stelle sollten neue Nutzungsverträge treten, von denen drei in der Folgezeit abgeschlossen wurden.
Am 3. Juli 1986 verstarb R. G. . Die Klägerin ist seine Miterbin, die im Wege der Erbauseinandersetzung den landwirtschaftlichen Grundbesitz in Sch. und eventuell aus dem Nutzungsvertrag herrührende Ansprüche übertragen erhielt.
Mit Bescheid vom 19. Oktober 1990 teilte der Landkreis Querfurt mit, daß er den Nutzungsvertrag nach § 51 LwAnpG mit Wirkung vom 1. Januar 1991 auflöse. In der Folgezeit erhielt die Klägerin alle Gebäude und baulichen Anlagen zurück.
Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche aus abgetretenem Recht des Rates des Kreises gegen die Beklagte geltend, und zwar wegen Nichtherausgabe des Inventars und wegen Wertminderung der genutzten Gebäude und baulichen Anlagen.
Der zunächst von allen Miterben erhobenen Klage auf Zahlung von 480.000 DM nebst Zinsen hat das Landwirtschaftsgericht wegen Wertminderung der Gebäude und baulichen Anlagen – unter Berücksichtigung einer Zahlung der Beklagten von 420 DM wegen eines Maschinenschuppens – in Höhe von 23.408 DM nebst Zinsen stattgegeben. Im übrigen hat es die Klage, die auch auf Feststellung einer weiteren Wertersatzpflicht für lebendes und totes Inventar gerichtet war, abgewiesen.
Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht der Zahlungsklage in Höhe von 346.011,43 DM (= 176.912,83 EUR) nebst Zinsen stattgegeben (Wertminderung der Gebäude und baulichen Anlagen und Ersatz für Nichtherausgabe toten Inventars). Das weitergehende Rechtsmittel und die Berufung der Beklagten sind ohne Erfolg geblieben. Mit der Revision, die der Senat nur insoweit angenommen hat, als es um die Höhe des Anspruchs wegen Nichtrückgabe des toten Inventars und um den 23.408 DM übersteigenden Betrag hinsichtlich der geltend gemachten Wertminderung der Gebäude und baulichen Anlagen geht, verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels. Ihre Anschlußrevision, mit der sie wegen Wertminderung von Gebäuden und baulichen Anlagen den von dem Oberlandesgericht nicht zugesprochenen Betrag von 146.593,07 DM weiterverfolgt hat, hat der Senat nicht angenommen.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht meint, der Klägerin stehe aus abgetretenem Recht des Rates des Kreises nach §§ 104, 105 Abs. 2 VertragsG-DDR ein Anspruch auf Schadensersatz wegen der Nichtrückgabe des toten Inventars in Höhe von 211.747,43 DM zu. Der Höhe nach hat es diesen Anspruch nach dem Wert solcher Inventargegenstände bemessen, die zur Fortführung eines Betriebes, wie ihn die LPG geführt habe, unter den 1991 geltenden marktwirtschaftlichen Bedingungen notwendig und brauchbar waren.
Wegen der Wertminderung der Gebäude und baulichen Anlagen billigt das Berufungsgericht der Klägerin 134.264 DM zu. Es ist der Auffassung, die Vereinbarung über die Ablösung der Werterhaltungspflicht durch eine wertmäßige Verbindlichkeit bedürfe im Hinblick auf die Veränderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage der Anpassung. Auszugleichen sei danach der – hochzurechnende – tatsächliche Wert der Gebäude und baulichen Anlagen, den die Vertragsparteien zur Grundlage der Berechnung gemacht hätten. Die Differenz zwischen diesem „Sollwert” und dem seinerzeitigen Wert bei Übergabe sei von der Beklagten zu ersetzen.
II.
Soweit der Senat die Revision der Beklagten angenommen hat, hält das Urteil des Berufungsgerichts einer rechtlichen Prüfung nicht stand.
1. Bei der Bewertung des der Klägerin aus abgetretenem Recht des Rates des Kreises zustehenden Schadensersatzanspruchs wegen der Nichtrückgabe des toten Inventars legt das Berufungsgericht falsche Maßstäbe an. Nach der Rechtsprechung des Senats zu den Kreispachtverträgen (BGHZ 127, 285; 127, 297; 129, 288) trifft die LPG hinsichtlich der übernommenen Gebäude, baulichen Anlagen und des übernommenen Inventars eine Unterhaltungspflicht nur im Rahmen einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung, wie sie unter den Bedingungen der sozialistischen Wirtschaftsordnung geherrscht haben (BGHZ 122, 391, 394; 127, 297, 312, 315). Nur insoweit konnte die LPG daher bei Verletzung der Werterhaltungspflicht von dem Rat des Kreises auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden (§§ 104, 105 Abs. 2 VertragsG-DDR).
Das hat allerdings entgegen der Auffassung der Revision nicht zur Folge, daß nur der Wert des Inventars zu ersetzen wäre, den dieses im Zeitpunkt der Übergabe an die LPG hatte. Dies ergibt sich insbesondere nicht aus § 107 Abs. 2 VertragsG-DDR. Diese Norm erlaubt es, die Zahlung eines Geldbetrages durch Naturalrestitution zu ersetzen. Das bedeutet aber nicht, daß der Schadensersatzanspruch durch Herausgabe des Inventars in Natur regelmäßig erfüllt wäre. Vielmehr ist, wenn das Inventar nicht ordnungsgemäß erhalten oder ersetzt wurde, auch die Wertdifferenz auszugleichen (vgl. Wenzel, AgrarR 1996, 37, 40). Dabei kommt es nicht auf den ursprünglichen Wert an, sondern darauf, welchen Wert das ordnungsgemäß erhaltene (oder ersetzte) Inventar in dem Zeitpunkt hatte bzw. gehabt hätte, in dem es zurückzugeben war (BGHZ 127, 297, 312). Anderenfalls bliebe die Verletzung der Erhaltungspflicht weitgehend sanktionslos.
Bei Zugrundelegung einer Unterhaltungspflicht zu den Bedingungen der zu DDR-Zeiten herrschenden sozialistischen Wirtschaftsordnung besteht entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kein Anspruch auf Inventar, das zur Fortführung eines Betriebes unter den 1991 geltenden marktwirtschaftlichen Bedingungen notwendig und brauchbar war. Die LPG mußte vielmehr nach den Grundsätzen arbeiten, wie sie sich aus dem Gesetz über die landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften und den dazu erlassenen Musterstatuten und unter den dabei herrschenden finanziellen Bedingungen ergaben (vgl. auch § 25 LPGG). Dies verkennt das Berufungsgericht. Es billigt der Klägerin einen Mehrwert zu, auf den sie keinen Anspruch hat (vgl. für Gebäude Senat, Urt. v. 29. November 1996, LwZR 8/95, AgrarR 1997, 45).
Das angefochtene Urteil hat daher insoweit keinen Bestand. Bei der Neubewertung ist – bezogen auf die Einwendungen der Beklagten – von folgendem auszugehen.
Soweit die Revision meint, die LPG sei nicht zur Erhaltung von Inventargegenständen verpflichtet gewesen, die der Pflanzenproduktion gedient hätten, so ist daran zwar richtig, daß die LPG eine Unterhaltungspflicht nur im Rahmen einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung trifft (BGHZ 127, 297, 315; für Gebäude: Wenzel, AgrarR 1997, 33, 36). Wenn sich also ihr Produktionsbereich geändert hat und infolgedessen bestimmte Inventargegenstände nicht mehr benötigt wurden, so ist sie nicht gehalten, diese Gegenstände im Falle der Abnutzung zu ersetzen oder entsprechend den Entwicklungen zu modernisieren. Ob von einem solchen Sachverhalt auszugehen ist, läßt sich aber dem Sachvortrag der Beklagten nicht entnehmen. Sie verweist nur auf die Registereintragung, wonach zum 1. Januar 1976 ein LPG-Zusammenschluß erfolgt ist, aus dem die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die LPG (T) „K. M.” L. hervorgegangen ist. Damit genügt sie ihrer Darlegungslast nicht. Sie muß Umstände dartun, aus denen sich ergibt, daß sie die Unmöglichkeit der Herausgabe des Inventars nicht zu vertreten hat (vgl. Wenzel, AgrarR 1997, 33, 37). Allein die Umwandlung in eine LPG der Tierproduktion besagt nichts über die Verwendungsfähigkeit des übernommenen Inventars. Zum einen ist auch eine LPG (T) zur Bodennutzung und -bearbeitung befähigt (vgl. Musterstatut der LPG-Tierproduktion Nr. 26). Zum anderen bliebe die Möglichkeit einer Nutzung des Inventars im Rahmen von – angestrebten (vgl. Musterstatut Nr. 19 ff.) – kooperativen Beziehungen gerade mit Genossenschaften der Pflanzenproduktion. Die bloße Umwandlung der LPG in einen Tierproduktionsbetrieb ist daher nicht hinreichend aussagekräftig.
Soweit die Revision die Auffassung vertritt, der Beklagten könne nicht die Verantwortung für die den Maschinen-Traktoren-Stationen (MTS) übergebenen Maschinen zugewiesen werden, trifft dies zwar insoweit zu, als eine Unterhaltungs- und Ersetzungspflicht der LPG entfallen ist, wenn sie Maschinen im Rahmen ordnungsgemäßer Bewirtschaftung an die MTS abgegeben hat. Auch insoweit verweist die Revision indes nicht auf Sachvortrag, der auf einen solchen Übergang schließen läßt. Feststeht nämlich nach dem Übergabeprotokoll von 1954, daß die Maschinen von M. G. an die LPG übergeben worden sind. Die Beklagte müßte daher im einzelnen vortragen und unter Beweis stellen, daß die Maschinen aus dem Fonds der LPG herausgegangen und an die MTS gegeben wurden. Außer einer Liste, die die Angabe „MTS” bei einzelnen Gegenständen enthält, ergibt der Sachvortrag dazu aber nichts. Es wird nicht einmal vorgetragen, wann, von wem und aus welchem Anlaß diese Liste gefertigt wurde. Damit genügt die Beklagte ihrer Darlegungspflicht nicht.
Soweit es bei der Bewertung auf die Größe des Betriebs ankommen sollte, wird das Berufungsgericht prüfen müssen, ob die Zugrundelegung von ca. 80 ha durch den Sachverständigen zutreffend ist. Allerdings bezog sich der ursprüngliche Pachtvertrag, den M. G. mit dem Rat des Kreises geschlossen hatte, auf eine Fläche dieser Größenordnung. Die Nutzungsverträge, die R. G. nach dem Tode seines Vaters mit dem Rat des Kreises geschlossen hat, umfaßten demgegenüber nur noch rund 53 ha.
2. Rechtlich nicht haltbar ist des weiteren die Anwendung der Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage zur Rechtfertigung des zugesprochenen Anspruchs auf Ersatz der Wertminderung von Gebäuden und baulichen Anlagen.
Das Berufungsgericht trifft keine konkreten Feststellungen dazu, was Geschäftsgrundlage der Vereinbarung von 1969 über die Ablösung der Werterhaltungspflicht gewesen sein soll. In Betracht kommt allenfalls die Vorstellung von einem Fortbestand der Sozial- und Wirtschaftsordnung der DDR. Inwieweit ein Wegfall dieses Umstands auf die Vereinbarung zwischen dem Rat des Kreises und der LPG Auswirkungen gehabt haben soll, die zu einer Anpassung nötigen, ist nicht ersichtlich. Die Wiedervereinigung und der damit verbundene Untergang der sozialistischen Wirtschaftsordnung hat das Äquivalenzverhältnis der Vereinbarung aus dem Jahre 1969 nicht erschüttert. Die wertmäßige Verbindlichkeit, die an die Stelle der Unterhaltungspflicht getreten ist, wird nicht dadurch beeinflußt, daß das System der DDR untergegangen ist. Schon aus diesem Grund verbietet sich die Anwendung der Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage.
Soweit das Berufungsgericht außerdem meint – was allerdings eher in den Kontext einer Vertragsauslegung paßt -, die Vertragspartner hätten eine zukunftsorientierte Vereinbarung getroffen und an eine Abrechnung „bei Beendigung der Nutzung” gedacht, so ist das zwar richtig, erlaubt aber nicht den Schluß, der Übernahmewert per 1. Juli 1953, der der Vereinbarung zugrunde gelegt worden sei, habe nach dem Willen der Vertragsparteien den tatsächlichen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnissen entsprechen sollen, die bei der Rückgabe der Gebäude und baulichen Anlagen gegeben gewesen seien. Der Hinweis auf die Beendigung der Nutzung hat lediglich die Bedeutung, daß bei der Abrechnung, die naturgemäß bei Beendigung der Nutzung vorzunehmen ist, hinsichtlich der Gebäude und baulichen Anlagen die wertmäßige Verbindlichkeit maßgeblich ist. Jede andere Deutung verbietet sich schon deshalb, weil die Ablösung der Unterhaltungspflicht durch die Vereinbarung einer wertmäßigen Verbindlichkeit der LPG das Recht gegeben hat, die Gebäude abzureißen. Dann fehlt es an einer Grundlage für Wertberechnungen zum Zeitpunkt der Rückgabe. Solche Berechnungen sollten gerade durch die Begründung einer wertmäßigen Verpflichtung ersetzt werden. Die Vorgehensweise des Berufungsgerichts bedeutet demgegenüber im Ergebnis wieder die Zubilligung eines Schadensersatzanspruchs wegen unterlassener Gebäudeunterhaltung. Dazu war die LPG aber gerade nicht mehr verpflichtet. Geschuldet wird nur die wertmäßige Verbindlichkeit (s. auch Wenzel, AgrarR 1997, 33, 36). Insoweit ist daher das Urteil des Landwirtschaftsgerichts, das nur diesen Anspruch zuerkannt hat, wieder herzustellen.
Unterschriften
Wenzel, Krüger, Lemke
Fundstellen
Haufe-Index 886516 |
BGHR 2003, 449 |
BGHR |
Nachschlagewerk BGH |
VIZ 2003, 300 |
MDR 2003, 323 |
NJ 2003, 201 |
AuUR 2003, 187 |