Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohnraummiete. Kündigung. Nichteinhaltung der formellen Kündigungsvoraussetzungen. Fehlende Darlegung des Kündigungsgrunds. Schadensersatzplicht des Vermieters
Leitsatz (amtlich)
Die Angabe der Gründe für die Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses ist eine bloße Obliegenheit des Vermieters, aus deren Verletzung der Mieter keine Schadensersatzansprüche (hier: Kosten eines außergerichtlich eingeschalteten Anwalts) herleiten kann.
Normenkette
BGB § 280 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
LG Potsdam (Urteil vom 10.12.2009; Aktenzeichen 11 S 45/09) |
AG Potsdam (Urteil vom 08.04.2009; Aktenzeichen 23 C 69/09) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der 11. Zivilkammer des LG Potsdam vom 10.12.2009 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 15.12.2009 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist.
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des AG Potsdam vom 8.4.2009 bezüglich der Abweisung der Klage auf Zahlung von Anwaltskosten i.H.v. 667,35 EUR nebst Zinsen wird zurückgewiesen.
Der Antrag der Beklagten auf Erstattung des nach Erlass des Berufungsurteils an die Kläger gezahlten Betrages von 667,35 EUR nebst Zinsen wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufungsinstanz haben die Kläger zu tragen. Die Kosten der Revisionsinstanz werden gegeneinander aufgehoben.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Kläger hatten von den Beklagten mit Vertrag vom 9.6.2005 eine Wohnung in P. gemietet. Mit Schreiben vom 25.11.2008 kündigten die Beklagten das Mietverhältnis ohne nähere Begründung unter Bezugnahme auf § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Der von den Klägern daraufhin eingeschaltete Rechtsanwalt wies die Kündigung zurück, weil keine Gründe vorlägen, die eine Kündigung rechtfertigten, und stellte den Klägern hierfür Gebühren i.H.v. 667,35 EUR in Rechnung. Die Beklagten kündigten erneut unter näherer Darlegung des geltend gemachten Eigenbedarfs und nahmen die Kläger aus der späteren Kündigung in einem anderen Verfahren mit Erfolg auf Räumung in Anspruch.
Rz. 2
Im vorliegenden Prozess haben die Kläger Zahlung eines Betrages von 667,35 EUR nebst Zinsen sowie Freistellung von weiteren Gebührenansprüchen ihrer Anwälte begehrt. Das AG hat die Klage abgewiesen. Das LG hat das erstinstanzliche Urteil unter Verwerfung der weitergehenden Berufung abgeändert und die Beklagten zur Zahlung von 667,35 EUR nebst Zinsen verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstreben die Beklagten die Abweisung der Klage auch hinsichtlich dieses Betrages sowie die Verurteilung der Kläger nach § 717 Abs. 3 ZPO zur Rückzahlung der insoweit von den Beklagten nach Erlass des Berufungsurteils gezahlten Urteilssumme nebst Zinsen.
Entscheidungsgründe
Rz. 3
Die Revision hat Erfolg.
I.
Rz. 4
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
Rz. 5
Den Klägern stehe ein Anspruch auf Erstattung der für die Zurückweisung der Kündigung entstandenen Anwaltsgebühren zu. Die Beklagten hätten die ihnen aufgrund des Mietvertrags obliegende vertragliche Pflicht, nicht grundlos oder formell unwirksam zu kündigen, schuldhaft verletzt und sich deshalb aus positiver Vertragsverletzung schadensersatzpflichtig gemacht.
Rz. 6
Die Kündigung vom 24.11.2008 sei gem. § 573 Abs. 3 BGB unwirksam gewesen, weil der Kündigungsgrund nicht weiter ausgeführt gewesen sei. Die Beklagten hätten es versäumt, sich über die formellen Kündigungsanforderungen hinreichend kundig zu machen; dafür hätte hier schon eine Lektüre der einschlägigen Vorschrift genügt, so dass der Rechtsirrtum jedenfalls nicht unvermeidbar gewesen sei.
II.
Rz. 7
Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung im entscheidenden Punkt nicht stand. Den Klägern steht wegen des Versäumnisses der Beklagten, die Gründe für ein berechtigtes Interesse an der Kündigung des Mietverhältnisses in der Kündigung vom 24.11.2008 näher anzugeben, kein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB gegen die Beklagten zu. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts trifft den Vermieter ggü. dem Mieter keine vertragliche Nebenpflicht, bei Ausspruch einer ordentlichen Kündigung deren formelle Voraussetzungen zu beachten.
Rz. 8
Nach der Rechtsprechung des BGH macht sich ein Vermieter, der schuldhaft - insb. unter Angabe falscher Tatsachen - eine (materiell) unberechtigte Kündigung ausspricht und dem Mieter dadurch die weitere Nutzung des Mietobjekts vorwerfbar streitig macht, wegen Verletzung der vertraglichen Pflicht zur Rücksichtnahme auf den Vertragspartner schadensersatzpflichtig, wenn der Mieter aufgrund der materiell unbegründeten Kündigung einen Schaden erleidet (BGH, Urt. v. 11.1.1984 - VIII ZR 255/82, BGHZ 89, 297, 302 - betreffend eine auf falsche Sachdarstellung gestützte Kündigung; BGH, Urt. v. 8.7.1998 - XII ZR 64/96, NZM 1998, 718 unter 2a - betreffend eine auf eine unwirksame AGB-Klausel gestützte Kündigung; BGH, Urt. v. 18.5.2005 - VIII ZR 368/03, NJW 2005, 2395, unter II 1 - betreffend eine Eigenbedarfskündigung ohne tatsächlichen Selbstnutzungswunsch). Von diesen Grundsätzen geht auch das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend aus.
Rz. 9
2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts lässt sich die genannte Rechtsprechung aber nicht auf den hier vorliegenden Fall übertragen. Denn vorliegend geht es nicht um die Frage, ob sich die Beklagten zu Unrecht auf einen nicht bestehenden (materiellen) Kündigungsgrund berufen haben, sondern um die Nichteinhaltung der formellen Kündigungsvoraussetzungen, hier die fehlende Angabe der Gründe für ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der ordentlichen Kündigung (§ 573 Abs. 3 BGB). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts gibt es aber keine vertragliche Nebenpflicht des Vermieters, eine aus formellen Gründen unwirksame Kündigung zu unterlassen; der Vermieter macht dem Mieter den Besitz der Mietsache auch nicht vorwerfbar streitig, wenn er einen materiell bestehenden Kündigungsgrund nicht oder nicht ausreichend in der Kündigung darlegt.
Rz. 10
Der Zweck der Begründungspflicht besteht darin, dem Mieter zum frühestmöglichen Zeitpunkt über seine Position Klarheit zu verschaffen und ihn in die Lage zu versetzen, rechtzeitig alles Erforderliche zur Wahrung seiner Interessen zu veranlassen (vgl. BT-Drucks. 6/1549, 6 f. zu § 564a Abs. 1 Satz 1 BGB a.F.). Nach der gesetzlichen Regelung ist die Begründung der ordentlichen Kündigung des Vermieters von Wohnraum Wirksamkeitsvoraussetzung, eine Kündigung ohne Angabe konkreter Gründe mithin von vornherein unwirksam (Blank/Börstinghaus, Miete, 3. Aufl., § 573 Rz. 173; vgl. auch BGH, Urt. v. 22.6.2005 - VIII ZR 326/04, WuM 2005, 584 unter II 2, betreffend § 569 Abs. 4 BGB). Dem Interesse des Mieters, die Kündigungsgründe frühzeitig zu erfahren und die Wahrnehmung seiner Rechte darauf einzustellen, wird somit bereits durch die Rechtsfolge der Unwirksamkeit einer nicht mit Gründen versehenen Kündigung umfassend Rechnung getragen. Welche nicht oder nicht ausreichend dargelegten Gründe den Vermieter zu der ausgesprochenen Kündigung veranlasst haben, ist für den Mieter angesichts der sich schon aus dem Begründungsmangel ergebenden Unwirksamkeit der Kündigung nicht mehr von Bedeutung.
Rz. 11
Die ordnungsgemäße Begründung der Kündigung liegt mithin in erster Linie im eigenen Interesse des Vermieters, weil das Mietverhältnis anderenfalls auch bei Vorliegen eines materiellen Kündigungsgrundes nicht beendet wird. Die Angabe des Kündigungsgrundes ist deshalb keine Nebenpflicht des Vermieters, auf deren Erfüllung der Mieter einen Anspruch hat, sondern eine Obliegenheit, die der Vermieter im eigenen Interesse zur Vermeidung von Rechtsnachteilen zu beachten hat. Die rechtliche Beurteilung, ob eine vom Vermieter ausgesprochene Kündigung dem gesetzlichen Begründungserfordernis genügt, ist dem eigenen Risikobereich des Mieters zuzuordnen; Anwaltskosten, die ihm insoweit - außerhalb eines gerichtlichen Prozesses - durch die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe zur Wahrnehmung seiner Interessen entstehen, sind deshalb grundsätzlich nicht erstattungsfähig.
III.
Rz. 12
Nach alledem kann das Urteil des Berufungsgerichts keinen Bestand haben, soweit zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist; es ist daher insoweit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat entscheidet in der Sache selbst, da der Rechtsstreit zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Dies führt zur Zurückweisung der Berufung der Kläger gegen das Urteil des AG, soweit dieses die Klage auf Zahlung von Anwaltskosten i.H.v. 667,35 EUR nebst Zinsen abgewiesen hat.
Rz. 13
Der (Inzident-)Antrag der Beklagten, die Kläger nach § 717 Abs. 3 Satz 2 ZPO zur Erstattung des entsprechenden, nach Erlass des Berufungsurteils vom 10.12.2009 gezahlten Betrages zu verurteilen, ist zurückzuweisen. Der Erstattungsanspruch nach § 717 Abs. 3 Satz 2 ZPO setzt voraus, dass die Leistung in der Zwangsvollstreckung beigetrieben wurde oder der Schuldner sie zur Abwendung einer drohenden Zwangsvollstreckung erbracht hat, die Leistung also auf den Vollstreckungswillen des Gläubigers zurückzuführen ist (vgl. BGH, Urt. v. 22.6.1976 - X ZR 44/74, NJW 1976, 2162 unter B II). Das ist hier nicht der Fall, denn die Beklagten haben bereits am 18.12.2009, mithin unmittelbar nach Erlass des Berufungsurteils und zu einem Zeitpunkt gezahlt, als ein Wille der Kläger, die Vollstreckung aus dem Berufungsurteil schon vor der Rechtskraft des Titels zu betreiben, für sie noch gar nicht erkennbar war. Nach ihrem eigenen Vorbringen haben sie die Zahlung vielmehr erbracht, um das Auflaufen weiterer Zinsen und Kosten, die sie bei einem Misserfolg ihrer Revision hätten tragen müssen, zu vermeiden. Die Erstattung des im Ergebnis ohne Rechtsgrund gezahlten Betrages können die Beklagten daher nicht im Wege des Antrags nach § 717 Abs. 3 ZPO geltend machen.
Fundstellen
NJW 2011, 6 |
NJW 2011, 914 |
ZAP 2011, 125 |
ZMR 2011, 278 |
ZfIR 2011, 114 |
JA 2011, 306 |
MDR 2011, 150 |
NJ 2011, 7 |
WuM 2011, 33 |
Info M 2011, 3 |
MietRB 2011, 33 |
NJW-Spezial 2011, 162 |
RdW 2011, 347 |
ZGS 2011, 133 |
IWR 2011, 94 |
MK 2011, 56 |
NRÜ 2011, 109 |
Rafa-Z 2011, 10 |
ZJS 2011, 277 |