Leitsatz (amtlich)
Wird der vom bestochenen Verhandlungsvertreter ausgehandelte Vertrag nicht von diesem, sondern vom Geschäftsherrn selbst abgeschlossen, so liegt zumindest ein Verschulden bei Vertragsschluß gegenüber dem Geschäftsherrn vor, dem die Schmiergeldzahlung verheimlicht wird.
Normenkette
BGB § 276
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Einzelrichters des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 26. Januar 2000 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin begehrt aus abgetretenem Recht von der Beklagten im Wege der Teilklage Rückzahlung eines von dem früheren Forderungsinhaber D. aufgrund eines Darlehensvertrages gezahlten Disagios.
Die Rechtsvorgängerin der Beklagten (zukünftig: Beklagte) schloß am 23. Dezember 1992 mit D. einen Darlehensvertrag über 12,2 Mio. DM mit Zinsbindung bis zum 31. Januar 2003 zur Finanzierung des Kaufpreises für ein Einkaufszentrum. Als Sicherheit sollte eine Grundschuld in derselben Höhe bestellt werden. Mit dem aus steuerlichen Gründen als sofort fällig vereinbarten Disagio in Höhe von 10% der Darlehenssumme wurde das Konto des Darlehensnehmers am 30. Dezember 1992 vereinbarungsgemäß belastet. In einem Anhang zum Darlehensvertrag, der ein Bearbeitungsentgelt von 30.500 DM vorsah, vereinbarten die Vertragsparteien bezüglich der Zinsen: „Das Darlehen wird mit einem Wandlungsrecht ausgestattet. Die dafür notwendige Vereinbarung erfolgt in den ersten Januartagen 1993.”
Bei den Darlehensverhandlungen wurde D. von seinem Mitarbeiter R. vertreten, der nach dem unter Beweis gestellten Vortrag der Klägerin von der Beklagten für den Vertragsabschluß, ohne daß D. davon wußte, eine „Provision” in Höhe von 30.500 DM erhalten haben soll.
Als D. vom Kaufvertrag über das Einkaufszentrum zurückgetreten war – das Darlehen war inzwischen durch weisungsgemäße Auszahlungen an die Verkäufer valutiert – und den Rücktritt der Beklagten mitgeteilt hatte, war diese mit einer vorzeitigen Aufhebung des Darlehensvertrages gegen Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung – abzüglich des nicht verbrauchten Teils des von D. entrichteten Disagios von 1.220.000 DM – grundsätzlich einverstanden. D. hielt indessen nunmehr den Darlehensvertrag wegen Dissenses, weil keine Einigung über das Wandlungsrecht zustande gekommen sei, für unwirksam und erklärte außerdem die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung, weil die „Provisionszahlung” an seinen Mitarbeiter nicht offengelegt worden sei. D. machte deshalb – zuletzt mit Schreiben vom 17. Januar 1995 – Rückzahlungsansprüche u.a. wegen des gezahlten Disagios geltend. Die Beklagte kündigte daraufhin das Darlehensverhältnis wegen Nichtbestellung der Sicherungsgrundschuld und berechnete unter Gutschrift des zurückgeflossenen Kaufpreises und des nicht verbrauchten Teils des von D. gezahlten Disagios eine Vorfälligkeitsentschädigung von 806.863,73 DM.
In einer auf den 6. Dezember 1994 datierten Abtretungserklärung trat D. die geltend gemachten Rückzahlungsansprüche sicherheitshalber an seinen Steuerberater, den Zeugen K., ab, der das Abtretungsangebot nach dem unter Beweis gestellten Vortrag der Klägerin noch am 6. Dezember 1994 angenommen haben soll.
Mit am 28. Februar 1995 der Beklagten zugestellter Pfändungs- und Überweisungsverfügung des Finanzamts H. vom 24. Februar 1995 wurden die angeblichen Rückzahlungsansprüche des Rechtsvorgängers der Klägerin gegen die Beklagte wegen einer Steuerforderung gegen D. in Höhe von über 7 Mio. DM gepfändet; die Pfändung wurde sowohl D. als auch dem Zeugen K. mit Schreiben vom 6. März 1995 mitgeteilt.
Der Zeuge K. trat die Rückzahlungsansprüche am 20. Dezember 1996 an die Klägerin ab. Sie begehrt mit ihrer Klage Zahlung von 66.000 DM nebst Zinsen als Teil des Disagiorückerstattungsanspruchs. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision, mit der die Klägerin ihren Klageanspruch weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt:
Die Klägerin sei zur Geltendmachung des behaupteten Anspruchs auf Zahlung an sich nicht aktivlegitimiert, weil sie nicht bewiesen habe, daß D. vor Zugang der Pfändungs- und Überweisungsverfügung des Finanzamts seinen angeblichen Rückzahlungsanspruch an den Zeugen K. abgetreten habe. Die Sachdarstellung des Zeugen, die Abtretung noch am 6. Dezember 1994, spätestens drei Tage später, angenommen zu haben, sei unglaubhaft, der Zeuge selbst unglaubwürdig. Dem Zeugen als steuerlichem Vertreter des D. seien die – der Pfändungs- und Überweisungsverfügung vom 24. Februar 1995 zugrunde liegenden – Änderungs- und Aufteilungsbescheide des Finanzamts vom 10. Mai 1994 und vom 25. August 1994 zeitnah bekannt gegeben worden. Er habe gewußt, daß die Pfändungsverfügung ins Leere gehen würde, wenn er vor Zustellung eine Abtretung zu pfändender Ansprüche annahm. Gleichwohl habe er die angebliche Annahme der Abtretung nicht schriftlich vermerkt. Für eine Abtretung der streitigen Forderung habe es auch keinen Anlaß gegeben, weil keine offenen Honorar- oder sonstige Ansprüche des Zeugen K. gegen D. bestanden hätten. Außerdem habe D. noch nach der angeblichen Abtretung von der Beklagten Zahlung an sich begehrt. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei deshalb davon auszugehen, daß die Abtretung erst nach der Pfändung vereinbart und zurückdatiert worden sei.
Die geltend gemachten Rückzahlungsansprüche seien im übrigen auch nicht begründet. Von einem Einigungsmangel könne keine Rede sein. Die Vertragsparteien hätten sich trotz der noch offenen Regelung des Wandlungsrechts sofort vertraglich binden wollen, um das Disagio noch im Jahr 1992 steuerlich wirksam werden zu lassen. Die von D. erklärte Anfechtung des Darlehensvertrages greife schon deshalb nicht durch, weil sie – wenn auch das Anfechtungsrecht als selbständiges Gestaltungsrecht beim Zedenten verbleibe – ohne Zustimmung des angeblichen Zessionars K. erklärt worden sei. Auch der auf der Grundlage einer ergänzenden Vertragsauslegung geltend gemachte Rückzahlungsanspruch bestehe nicht, da D. den Erwerb eines Zinswandlungsrechts abgelehnt habe.
II.
Diese Begründung hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Berufungsurteil beruht auf einem Verfahrensmangel, der zur Aufhebung führt. Das Berufungsgericht hätte nicht ohne Vernehmung des Zeugen D. zu dem Ergebnis kommen dürfen, die Abtretung der Rückzahlungsansprüche sei erst nach dem Zugang der Pfändungs- und Überweisungsverfügung vereinbart worden.
Die Klägerin hat mit der Berufungsbegründung vom 9. März 1999 vorgetragen, die Abtretung von D. an den Zeugen K. sei am 6. Dezember 1994 vereinbart worden und habe u.a. der Absicherung künftiger Honoraransprüche gedient. Für diesen Vortrag hat sie nicht nur K., sondern mit Schriftsatz vom 2. Juli 1999 (GA I 157) auch D. als Zeugen benannt. Das Berufungsgericht hat nur den Zeugen K. vernommen. Die insoweit vorgenommene Würdigung der Aussage als unglaubhaft und des Zeugen als unglaubwürdig ist für sich genommen nicht zu beanstanden; die mehreren insoweit erhobenen Verfahrensrügen der Revision hat der Senat geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet (§ 565 a ZPO). Das Berufungsgericht hätte aber vor einer abschließenden Würdigung – was die Revision mit Recht rügt – dem weiteren Beweisantritt der Klägerin nachgehen und den Zedenten D. als Zeugen zu dem behaupteten Zeitpunkt der Abtretung vernehmen müssen; daß die Klägerin nach Einvernahme des Zeugen K. nicht noch einmal ausdrücklich die Vernehmung des Zeugen D. gefordert hat, ändert entgegen der Ansicht der Beklagten nichts. Da dies nicht geschehen ist, beruht das Berufungsurteil auf einem Verfahrensfehler.
III.
Für den Fall, daß die Abtretung schon vor Zugang der Pfändungs- und Überweisungsverfügung vereinbart worden ist, wovon in der Revisionsinstanz zugunsten der Klägerin auszugehen ist, erweist sich das angefochtene Urteil auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 563 ZPO).
1. Zutreffend hat das Berufungsgericht allerdings eine Nichtigkeit des Darlehensvertrages wegen Dissenses verneint, weil die Vertragsparteien den Vertrag aus steuerlichen Gründen mit sofortiger Wirkung und bewußt ohne Einigung über ein Zinswandlungsrecht geschlossen haben. Dies wird von der Revision nicht angegriffen.
2. Rechtsfehlerfrei abgelehnt hat das Berufungsgericht auch eine ergänzende Vertragsauslegung mit dem Inhalt, dem Zedenten D. ein Zinswandlungsrecht gegen eine Prämie von 1,5% der Darlehenssumme zuzubilligen. Die Vereinbarung eines solchen Wandlungsrechts war zwar vorgesehen; sie wurde im Darlehensvertrag jedoch nicht getroffen, weil bei Abschluß des Vertrages die Prämienhöhe mit etwa 1,5% nur ungefähr bekannt war und auf einer unsicheren Grundlage keine Vereinbarung geschlossen werden sollte. Sie wurde deshalb zunächst auf einen späteren Zeitpunkt verschoben und dann wegen der inzwischen deutlich gestiegenen Prämie von D. abgelehnt. Bei dieser Sachlage kommt eine ergänzende Vertragsauslegung entgegen der Ansicht der Revision von vornherein nicht in Betracht. Auch die Ansicht der Revision, die Beklagte habe die Anfang 1993 gescheiterte einvernehmliche Festlegung der Wandlungsprämie mit der Folge des § 319 Abs. 1 Satz 2 BGB verzögert, entbehrt jeder Grundlage.
3. Das Berufungsgericht nimmt weiter an, die von D. mit Schreiben vom 17. Januar 1995 vorsorglich erklärte Anfechtung wegen arglistiger Täuschung habe schon deshalb nicht die Unwirksamkeit des Darlehensvertrages zur Folge gehabt, weil die Ausübung des Anfechtungsrechts als eines selbständigen Gestaltungsrechts durch den Zedenten der – hier fehlenden – Zustimmung des Zeugen K. als Zessionar bedurft hätte. Ob diese Ansicht zutrifft (vgl. dazu Staudinger/Busche, BGB 13. Bearb. § 413 Rdn. 14; Soergel/Zeiss, BGB 12. Aufl. § 401 Rdn. 2 a.E.), kann dahinstehen. Nach dem der Beurteilung in der Revisionsinstanz zugrunde zu legenden Klagevortrag steht der Klägerin ein Schadensersatzanspruch wegen Verschuldens beim Vertragsschluß zu, der u.a. auf Erstattung des Disagios gerichtet ist.
a) Die Klägerin hat unter Benennung von R. als Zeugen vorgetragen, daß die Beklagte ihm ohne Wissen von D. für den Abschluß des Darlehensvertrages ein Schmiergeld von 30.500 DM gezahlt habe (GA I 60). Auf der Grundlage dieses Vortrags, von dem in der Revisionsinstanz zugunsten der Klägerin auszugehen ist, bestand für die Beklagte gegenüber D. die Pflicht, die „Provisionsvereinbarung” offenzulegen (vgl. BGHZ 114, 87, 91 ff.). Es ist in hohem Maße anstößig, dem Verhandlungsführer des Vertragspartners, dem dieser vertraut, ein Schmiergeld für den Fall zu zahlen, daß es zum Vertragsschluß kommt. Dadurch wird die Gefahr heraufbeschworen, daß der Verhandlungsführer vor allem im eigenen „Provisionsinteresse” handelt und die Interessen des von ihm Vertretenen nicht in dem gebotenen Maße wahrnimmt. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist deshalb anerkannt, daß eine Schmiergeldvereinbarung grundsätzlich sittenwidrig ist und daß sich die daraus folgende Nichtigkeit regelmäßig auch auf den durch das Schmiergeld zustande gekommenen Hauptvertrag erstreckt (BGH, Urteil vom 4. November 1999 – IX ZR 320/98, WM 2000, 21, 22). Das gilt schon deshalb, weil der Vertreter im Zweifel ohne vorherige Information des Vertretenen nicht befugt ist, für diesen einen Vertrag mit dem Verhandlungspartner abzuschließen, der den Vertreter gerade bestochen hat (BGHZ 141, 357, 363 f.). Wird der vom bestochenen Verhandlungsvertreter ausgehandelte Vertrag nicht von diesem, sondern vom Geschäftsherrn selbst abgeschlossen, so liegt zumindest ein Verschulden bei Vertragsschluß gegenüber dem Geschäftsherrn vor, dem die Schmiergeldzahlung verheimlicht wird.
b) Hätte die Beklagte gegenüber D. ihre Aufklärungspflicht erfüllt, hätte dieser, wie die Klägerin unter Benennung von D. als Zeugen vorgetragen hat (GA I 117), den Darlehensvertrag mit der Beklagten nicht geschlossen. Dann aber wären weder ein Disagio noch eine Vorfälligkeitsentschädigung angefallen.
c) Da die von der Klägerin behauptete Abtretung von D. an K. sich nach dem ebenfalls unter Beweis gestellten Vortrag der Klägerin (GA II 205) auf sämtliche Forderungen des Zedenten bezog, die sich im Zusammenhang mit dem Disagio und der Vorfälligkeitsentschädigung ergaben, wäre die Klage somit auf der Grundlage des Klagevortrags für den Fall, daß die Abtretung von D. an K. vor Zugang der Pfändungs- und Überweisungsverfügung vereinbart worden ist, begründet, ohne daß es auf die Wirksamkeit der erklärten Anfechtung ankommt.
IV.
Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO) und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Bei der erneuten Verhandlung kann das Berufungsgericht zunächst den Zedenten D. zum Zeitpunkt der Abtretungsvereinbarung vernehmen. Wenn diese Vernehmung – ggfs. unter erneuter Anhörung des Zeugen K. – zur Überzeugung des Berufungsgerichts führen sollte, daß die Abtretung bereits vor Zugang der Pfändungs- und Überweisungsverfügung vereinbart gewesen ist, kommt es für die Entscheidung auf die Frage an, ob die Beklagte wegen Verletzung der Pflicht zur Aufklärung über die „Provisionsvereinbarung” auf Schadensersatz haftet.
Unterschriften
Nobbe, Bungeroth, van Gelder, Müller, Wassermann
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 16.01.2001 durch Herrwerth, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 547109 |
DB 2001, 1141 |
DStR 2001, 715 |
DStZ 2001, 447 |
NJW 2001, 1065 |
BGHR 2001, 246 |
EWiR 2001, 801 |
IBR 2001, 278 |
JurBüro 2001, 387 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2001, 457 |
ZAP 2001, 489 |
ZIP 2001, 406 |
ZfIR 2001, 185 |
MDR 2001, 496 |
ZBB 2001, 94 |
JAR 2001, 102 |