Leitsatz (amtlich)
Abschlagszahlungsregelungen, die vorsehen, dass der Auftraggeber trotz vollständig erbrachter Werkleistung einen Teil des Werklohns einbehalten darf, können zur Unwirksamkeit einer Sicherungsabrede betreffend eine Vertragserfüllungsbürgschaft führen, wenn sie in Verbindung mit dieser bewirken, dass die Gesamtbelastung durch die vom Auftragnehmer zu stellenden Sicherheiten das Maß des Angemessenen überschreitet (Anschluss an BGH, Urt. v. 9.12.2010 - VII ZR 7/10, BauR 2011, 677 = NZBau 2011, 229).
Normenkette
BGB § 307 Abs. 1, §§ 632a, 765 Abs. 1
Verfahrensgang
OLG München (Beschluss vom 29.01.2013; Aktenzeichen 13 U 3214/12 Bau) |
LG München I (Entscheidung vom 26.06.2012; Aktenzeichen 16 HKO 29336/11) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird der Beschluss des 13. Zivilsenats des OLG München vom 29.1.2013 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einer Vertragserfüllungsbürgschaft auf Zahlung von 327.500 EUR in Anspruch.
Rz. 2
Die Klägerin beauftragte die B. GmbH im Jahre 2008 unter Einbeziehung der VOB/B (2006) mit der Errichtung von 47 Wohneinheiten nebst Tiefgarage zu einem Pauschalfestpreis i. H. v. 6.550.000 EUR.
Rz. 3
Gemäß § 12.1.1 des Vertrags hatte die B. GmbH eine Vertragserfüllungsbürgschaft i. H. v. 5 % der Bruttoauftragssumme zu stellen. § 12.1.1 des Vertrags lautet:
"Ausführungsbürgschaft Zur Absicherung der vertragsgemäßen Erfüllung seiner Leistungspflichten, insb. der vertragsgemäßen Ausführung der Bau- und Planungsleistungen, der Rückerstattung evtl. Vorauszahlungen und Überzahlungen einschließlich Zinsen sowie von Schadensersatz- und Vertragsstrafeansprüchen stellt der AN dem AG eine Erfüllungsbürgschaft einer Deutschen Großbank oder eines Deutschen Kreditinstitutes öffentlichen Rechts oder eines allgemein anerkannten Kreditversicherers i. H. v. 5 % der Bruttoauftragssumme. Die Bürgschaft ist spätestens vor Auszahlung der ersten Abschlagszahlungen zu stellen. ... Die Bürgschaft ist unbedingt, unbefristet, unwiderruflich und selbstschuldnerisch auszustellen und hat den Verzicht auf das Recht zur Hinterlegung sowie die Einreden der Anfechtbarkeit, Aufrechenbarkeit und der Vorausklage gem. §§ 770, 771 BGB sowie den Hinweis zu enthalten, dass § 775 BGB nicht zur Anwendung kommt. Für die Einrede der Aufrechenbarkeit gilt dies nur insoweit, als die Gegenforderung nicht unbestritten oder rechtskräftig festgestellt ist. ..."
Rz. 4
Zudem sah § 10.5. des Vertrags einen Einbehalt von der Schlusszahlung i. H. v. 5 % der Bruttoauftragssumme zur Sicherung der Mängelansprüche der Klägerin vor, wobei die B. GmbH gem. § 10.5. i. V. m. § 12.1.2 des Vertrags berechtigt war, den Einbehalt durch Stellung einer Gewährleistungsbürgschaft in gleicher Höhe abzulösen.
Rz. 5
Bei diesen Regelungen handelt es sich um von der Klägerin vorformulierte und gestellte Geschäftsbedingungen.
Rz. 6
§ 13.1. des Vertrags erlaubte Abschlagsrechnungen nach dem Vertrag beigefügten Zahlungsplänen. Nach diesen sollten die drittletzte Abschlagszahlung i. H. v. 5 % der vereinbarten Vergütung mit "vollständige(r) Fertigstellung und Übergabe an den Kunden des Auftraggebers", die vorletzte Abschlagszahlung i. H. v. 5 % der vereinbarten Vergütung "nach Beseitigung der Mängel aus den Abnahmeprotokollen und Kundenunterschriften" und die letzte Abschlagszahlung i. H. v. 5 % der vereinbarten Vergütung "nach erfolgter Abnahme, Ablösung des Sicherheitseinbehalts für die Gewährleistung mit Bürgschaft und Fälligkeit der (vorletzten) Rate" fällig werden. Gemäß § 12.1.5 des Vertrags sollten die Zahlungspläne unbeachtlich sein und die Fälligkeit der Abschlagsforderungen sollte sich nach § 632a BGB richten, sofern die B. GmbH Sicherheiten gem. § 648a BGB verlangt.
Rz. 7
Im August 2008 verbürgte sich die Rechtsvorgängerin der Beklagten gegenüber der Klägerin entsprechend § 12.1.1 des Vertrags für die vertragsgemäße Erfüllung der Leistungspflichten der B. GmbH bis zu einem Betrag i. H. v. 327.500 EUR.
Rz. 8
Am 10.8.2008 stellte die B. GmbH bei dem AG P. einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen. Zwei Tage später stellte sie die Arbeiten an dem Bauvorhaben ein. Die Klägerin erklärte unter dem 13.8.2008 die Kündigung des Vertragsverhältnisses mit der B. GmbH gem. § 8 Nr. 2 VOB/B sowie aus wichtigem Grund. In der Folgezeit ließ sie das Bauvorhaben durch Drittunternehmen fertigstellen, wodurch ihr Mehrkosten i. H. v. 1.328.188,52 EUR entstanden.
Rz. 9
Die Klägerin nimmt die Beklagte aus der Bürgschaft auf Zahlung von 327.500 EUR in Anspruch. Das LG hat der Klage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht nach vorangegangenem Hinweis mit einstimmigem Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren auf Abweisung der Klage gerichteten Antrag weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 10
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Rz. 11
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Klägerin habe gegen die Beklagte einen durchsetzbaren Anspruch aus der Bürgschaft auf Zahlung von 327.500 EUR.
Rz. 12
Die von der Beklagten erhobene Einrede des § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB greife nicht durch. Die zwischen der Klägerin und der B. GmbH gem. § 12.1. des Vertrags getroffene Sicherungsabrede sei wirksam. Eine unangemessene Benachteiligung des Auftragnehmers i. S. d. § 307 Abs. 1 BGB liege bei einer fünfprozentigen Vertragserfüllungsbürgschaft nicht vor. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Abschlagszahlungsvereinbarung gem. § 13.1. des Vertrags in Verbindung mit den Zahlungsplänen. § 13.1. des Vertrags betreffe nicht die Sicherungsabrede zur Vertragserfüllungsbürgschaft, sondern enthalte Regelungen zu den Voraussetzungen, unter denen Abschlagszahlungen zu leisten seien. Diese Regelungen stellten eine für die Auftragnehmerin günstige Abweichung von der gesetzlichen Bestimmung des § 641 BGB dar. Die letzten drei Raten i. H. v. jeweils fünf Prozent seien nicht zur Erfüllungsbürgschaft hinzuzuaddieren.
Rz. 13
Zudem würde eine Unwirksamkeit der Zahlungspläne nicht zu einer Gesamtunwirksamkeit der Sicherungsabrede, sondern zur gesetzlichen Regelung des § 641 BGB führen.
II.
Rz. 14
Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann der Klägerin ein Zahlungsanspruch aus der Vertragserfüllungsbürgschaft nicht zuerkannt werden. Die Beklagte verteidigt sich gegen die Inanspruchnahme aus der Vertragserfüllungsbürgschaft u. a. mit dem ihr gem. § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB zustehenden Einwand, die der Bürgschaft zugrunde liegende Sicherungsvereinbarung im Bauvertrag sei unwirksam. Aufgrund der bisherigen Feststellungen kann die Wirksamkeit der Sicherungsabrede nicht bejaht werden.
Rz. 15
1. Zutreffend führt das Berufungsgericht zunächst aus, dass eine zwischen dem Auftraggeber und dem Auftragnehmer getroffene Sicherungsabrede, nach der letzterer eine Vertragserfüllungsbürgschaft zu stellen hat, den Auftragnehmer gem. § 307 Abs. 1 BGB unangemessen benachteiligt und unwirksam ist, wenn der Verwender missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne die Interessen des Vertragspartners hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (vgl. BGH, Urt. v. 9.12.2010 - VII ZR 7/10, BauR 2011, 677 Rz. 18 = NZBau 2011, 229; Urt. v. 20.4.2000 - VII ZR 458/97, BauR 2000, 1498, 1499, juris Rz. 30 = NZBau 2000, 424; jeweils m. w. N.). Nach ständiger Rechtsprechung des BGH kann sich die unangemessene Benachteiligung - wie das Berufungsgericht zu Recht erkennt - dabei auch aus einer Gesamtwirkung mehrerer, jeweils für sich genommen nicht zu beanstandender Vertragsbestimmungen ergeben (vgl. BGH, Urt. v. 1.10.2014 - VII ZR 164/12, BauR 2015, 114 Rz. 26 = NZBau 2014, 759; Urt. v. 9.12.2010 - VII ZR 7/10, BauR 2011, 677 Rz. 16 m. w. N. = NZBau 2011, 229).
Rz. 16
2. Rechtsfehlerhaft nimmt das Berufungsgericht hingegen an, dass hinsichtlich der Abschlagszahlungsregelung gem. § 13.1. des Vertrags i. V. m. den Zahlungsplänen und der Sicherungsabrede keine Gesamtschau vorzunehmen sei und daher eine Unwirksamkeit der Sicherungsabrede zur Vertragserfüllungsbürgschaft nicht angenommen werden könne.
Rz. 17
a) Abschlagszahlungsregelungen, aufgrund derer der Auftraggeber trotz vollständig erbrachter Werkleistung einen Teil des Werklohns einbehalten darf, ohne dem Auftragnehmer hierfür eine Sicherheit leisten zu müssen, bewirken einerseits, dass dem Auftragnehmer bis zur Schlusszahlung Liquidität entzogen wird und er darüber hinaus in Höhe des Einbehalts das Risiko trägt, dass der Auftraggeber insolvent wird und er in Höhe des Einbehalts mit der für seine Leistung zu beanspruchenden Werklohnforderung ausfällt. Der Auftraggeber andererseits erhält durch die Einbehalte nicht nur eine Sicherung vor Überzahlungen, er kann vielmehr gegen die einbehaltenen Restforderungen des Auftragnehmers jederzeit mit sonstigen Forderungen aus dem Werkvertrag aufrechnen. Die Einbehalte stellen damit eine Sicherung sämtlicher vertraglicher Ansprüche des Auftraggebers dar, also auch solcher, auf die sich die der Vertragserfüllungsbürgschaft zugrunde liegende Sicherungsabrede bezieht. Solche Abschlagszahlungsregelungen können daher zur Unwirksamkeit der Sicherungsabrede führen, wenn sie in Verbindung mit der Vertragserfüllungsbürgschaft bewirken, dass die Gesamtbelastung durch die vom Auftragnehmer zu stellenden Sicherheiten das Maß des Angemessenen überschreitet (vgl. BGH, Urt. v. 9.12.2010 - VII ZR 7/10, BauR 2011, 677 Rz. 23 f. = NZBau 2011, 229; OLG Celle, BauR 2015, 676, 678, juris Rz. 34 ff. = NZBau 2014, 696).
Rz. 18
b) Dies lässt sich nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht verneinen. Der B. GmbH, die bereits mit den mit der Stellung der fünfprozentigen Vertragserfüllungsbürgschaft verbundenen Aufwendungen belastet war, sollte bei wortlautgetreuer Auslegung der Regelungen von § 13.1. des Vertrags i. V. m. den Zahlungsplänen betreffend die letzten drei Abschlagsforderungen Liquidität i. H. v. weiteren 15 % der vereinbarten Vergütung entzogen werden. Insoweit hätte sie das Risiko getragen, wegen Insolvenz der Klägerin mit ihrer Forderung auszufallen.
Rz. 19
Nach dem Wortlaut der zwischen der Klägerin und der B. GmbH vereinbarten Zahlungspläne sollten die letzten drei Abschlagsforderungen abweichend von dem gesetzlichen Leitbild des § 632a BGB a. F. erst nach einem ggf. längeren Zeitraum nach der mangelfreien Fertigstellung des Bauwerks fällig werden. Zudem sollte die Fälligkeit der letzten drei Abschlagsforderungen von Voraussetzungen abhängig sein, die außerhalb des Einflussbereichs der B. GmbH lagen. So wäre die drittletzte Abschlagsforderung i. H. v. 5 % der vereinbarten Vergütung erst nach "Fertigstellung und Übergabe an den Kunden des Auftraggebers", d. h. erst nach der Übergabe sämtlicher 47 Wohneinheiten an die jeweiligen Erwerber, fällig geworden. Zwischen der mangelfreien Fertigstellung des Bauwerks und der Übergabe sämtlicher Wohneinheiten hätte, insb. wenn die Klägerin noch nicht für sämtliche Wohneinheiten Erwerber gefunden hatte, ein erheblicher Zeitraum liegen können, währenddessen die B. GmbH dem Insolvenzrisiko der Klägerin ausgesetzt gewesen wäre. Nichts anderes galt für die letzten beiden Abschlagsforderungen. Die vorletzte Abschlagsforderung sollte nach den Zahlungsplänen erst nach Beseitigung sämtlicher Mängel aus den Abnahmeprotokollen und Kundenunterschriften und die letzte Abschlagsforderung erst nach Fälligkeit der vorletzten fällig werden. Die Klägerin war danach berechtigt, die letzten beiden Abschlagszahlungen so lange einzubehalten, wie zwischen ihr und einem ihrer Kunden ein (Rechts-) Streit über die ordnungsgemäße Mängelbeseitigung bestand, aufgrund dessen der Kunde seine Unterschriftsleistung verweigert.
Rz. 20
Bei diesem Verständnis von § 13.1. des Vertrags i. V. m. den Zahlungsplänen war die Klägerin berechtigt, trotz Fertigstellung des Bauwerks 15 % des Werklohns einzubehalten. Gegen die Restforderungen der B. GmbH hätte sie jederzeit mit sonstigen Forderungen aus dem Werkvertrag aufrechnen können. Die Einbehalte stellten damit eine Sicherung sämtlicher vertraglicher Ansprüche der Klägerin dar, also auch solcher, auf die sich die der Vertragserfüllungsbürgschaft zugrunde liegende Sicherungsabrede bezieht. Die trotz Fertigstellung des Bauwerks nach dem Vertrag von der B. GmbH danach zu tragende Gesamtbelastung durch die von ihr zu stellenden Sicherheiten i. H. v. bis zu 20 % der vereinbarten Vergütung überschreitet das Maß des Angemessenen. Sie lässt sich durch das Interesse der Klägerin an Absicherung nicht rechtfertigen.
Rz. 21
c) Nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin der B. GmbH einen angemessenen Ausgleich für die genannten Nachteile zugestanden hat. Insbesondere hat das Berufungsgericht nicht festgestellt, inwieweit die Zahlungspläne für die B. GmbH im Übrigen günstiger als die gesetzliche Regelung des § 632a BGB a. F. waren und hierdurch ein angemessener Ausgleich geschaffen wurde.
III.
Rz. 22
Die Entscheidung des Berufungsgerichts kann daher keinen Bestand haben. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, § 563 Abs. 3 ZPO.
Rz. 23
1. Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen lässt sich nicht abschließend beurteilen, ob die Sicherungsabrede in Kombination mit den zwischen der Klägerin und der B. GmbH vereinbarten Zahlungsplänen die Auftragnehmerin unangemessen benachteiligte und gem. § 307 Abs. 1 BGB unwirksam ist. Die Auslegung der Zahlungspläne kann der Senat nicht selbst vornehmen, da es an hinreichenden Feststellungen fehlt. Diese wird das Berufungsgericht, ggf. auf der Grundlage ergänzenden Parteivorbringens, zu treffen haben.
Rz. 24
2. Die Klage ist auch nicht bereits aus anderen Gründen abweisungsreif. Sofern nicht die zwischen der Klägerin und der B. GmbH getroffene Sicherungsabrede aus den unter II. genannten Gründen unwirksam ist, steht der Klägerin nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts ein durchsetzbarer Anspruch auf Zahlung eines Betrags i. H. v. 327.500 EUR aus § 8 Nr. 2 Abs. 2 Satz 2 VOB/B (2006) i. V. m. § 765 Abs. 1 BGB gegen die Beklagte zu.
Rz. 25
a) Entgegen der Auffassung der Revision ist § 8 Nr. 2 Abs. 1 Fall 2 i. V. m. § 8 Nr. 2 Abs. 2 VOB/B (2006) wirksam. Wie der BGH mit Urt. v. 7.4.2016 - VII ZR 56/15 (WM 2016, 944, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen) zwischenzeitlich entschieden hat, verstoßen die gleichlautende Regelung des § 8 Abs. 2 Nr. 1 Fall 2 Nr. 2 VOB/B (2009) weder gegen §§ 103, 119 InsO noch sind sie gem. § 307 Abs. 1, 2 BGB wegen unangemessener Benachteiligung des Auftragnehmers unwirksam.
Rz. 26
b) Entgegen der Auffassung der Revision kann die Beklagte gegenüber der Klageforderung - vorbehaltlich der Ausführungen unter II. - nicht die Einrede des § 768 BGB erheben. Die Sicherungsabrede gem. § 12.1.1 des Vertrags ist - wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt - weder wegen unangemessener Benachteiligung des Auftragnehmers gem. § 307 Abs. 1 BGB noch gem. § 648a Abs. 7 BGB unwirksam.
Rz. 27
aa) Die Verpflichtung des Auftragnehmers zur Stellung einer Vertragserfüllungsbürgschaft i. H. v. 5 % der Bruttoauftragssumme ist für sich genommen nicht zu beanstanden, da das Verlangen von Vertragserfüllungssicherheiten in einer Größenordnung von bis zu 10 % der Auftragssumme nicht als missbräuchliche Durchsetzung der Interessen des Verwenders anzusehen ist (vgl. BGH, Urt. v. 7.4.2016 - VII ZR 56/15, WM 2016, 944 Rz. 72 m. w. N.).
Rz. 28
bb) § 12.1.1 des Vertrags führt nicht im Zusammenwirken mit § 10.2. des Vertrags zu einer Übersicherung der Mängelrechte der Auftraggeberin.
Rz. 29
Eine unangemessene Benachteiligung des Auftragnehmers liegt nicht vor, wenn die vom Auftraggeber gestellten Allgemeinen Geschäftsbedingungen dazu führen, dass der Auftragnehmer durch ein zeitliches Nebeneinander von Vertragserfüllungs- und Mängelsicherheit für einen jedenfalls erheblichen Zeitraum über die Abnahme hinaus für mögliche Mängelrechte des Auftraggebers eine Sicherheit i. H. v. 5 % der Auftragssumme zu leisten hat (vgl. BGH, Urt. v. 22.1.2015 - VII ZR 120/14, BauR 2015, 832 Rz. 18 = NZBau 2015, 223; Urt. v. 1.10.2014 - VII ZR 164/12, BauR 2015, 114 Rz. 23 = NZBau 2014, 759; Urt. v. 5.5.2011 - VII ZR 179/10, BauR 2011, 1324 Rz. 28 = NZBau 2011, 410).
Rz. 30
Die B. GmbH war gem. § 12.1.1 des Vertrags verpflichtet, eine Vertragserfüllungssicherheit von 5 % der Bruttoauftragssumme zu stellen. Nach § 10.2. des Vertrags war die Klägerin berechtigt, von der Schlusszahlung 5 % der Bruttoauftragssumme aus der Schlussrechnung als Mängelsicherheit einzubehalten. Beide Sicherheiten konnten jedoch nicht zeitgleich nebeneinander beansprucht werden. Entgegen der Auffassung der Revision war die Vertragserfüllungsbürgschaft nicht zeitlich unbegrenzt zu stellen, sondern gem. § 17 Nr. 8 Abs. 1 VOB/B (2006) mit Abnahme und Stellung der Sicherheit für die Mängelansprüche zurückzugeben. Der Vertrag enthält insoweit keine eigenständige Regelung, so dass auf die ergänzend anwendbaren Regelungen der Allgemeinen Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen (VOB/B 2006) zurückzugreifen ist.
Rz. 31
cc) Die Verpflichtung zur Stellung einer Vertragserfüllungsbürgschaft gem. § 12.1.1 des Vertrags ist nicht deshalb unwirksam, weil die Vertragserfüllungsbürgschaft unter Verzicht auf die Einreden des § 770 Abs. 1, 2 BGB zu stellen war.
Rz. 32
Es kann dahinstehen, ob eine solche Klausel den Auftragnehmer, insb., wenn der Ausschluss - wie hier im Hinblick auf § 770 Abs. 1 BGB - uneingeschränkt ist, den Auftragnehmer unangemessen benachteiligt (vgl. OLG Jena MDR 2010, 259, juris Rz. 12 f.; Ingenstau/Korbion/Joussen, VOB Teile A und B, 19. Aufl., § 17 Abs. 4 VOB/B Rz. 38 ff.; Thiele/Bütter, MDR 2003, 1025, 1026). Eine Unwirksamkeit dieses Teils der Klausel hätte nicht die Gesamtunwirksamkeit von § 12.1.1 des Vertrags zur Folge.
Rz. 33
Nur wenn der als wirksam anzusehende Teil im Gesamtgefüge des Vertrags nicht mehr sinnvoll, insb. der als unwirksam beanstandete Klauselteil von so einschneidender Bedeutung ist, dass von einer gänzlich neuen, von der bisherigen völlig abweichenden Vertragsgestaltung gesprochen werden muss, ergreift die Unwirksamkeit der Teilklausel die Gesamtklausel (BGH, Urt. v. 22.1.2015 - VII ZR 120/14, BauR 2015, 832 Rz. 19 = NZBau 2015, 223; Urt. v. 1.10.2014 - VII ZR 164/12, BauR 2015, 114 Rz. 27 = NZBau 2014, 759; Urt. v. 12.2.2009 - VII ZR 39/08, BGHZ 179, 374 Rz. 15 ff.).
Rz. 34
Die Regelungen zur inhaltlichen Ausgestaltung des Bürgschaftsvertrags im vierten Absatz von § 12.1.1 des Vertrags sind inhaltlich von der Verpflichtung zur Stellung einer Vertragserfüllungsbürgschaft im ersten Absatz von § 12.1.1 des Vertrags trennbar und haben nur untergeordnete Bedeutung. Die Vereinbarung, eine Vertragserfüllungsbürgschaft zu stellen, ist auch ohne die Regelungen zum Inhalt der Bürgschaft aus sich heraus verständlich und sinnvoll. Vor diesem Hintergrund bliebe selbst bei einer Unwirksamkeit der Regelungen des vierten Absatzes des § 12.1.1 des Vertrags die Verpflichtung der Auftragnehmerin bestehen, eine (einfache) Vertragserfüllungsbürgschaft zu stellen.
Rz. 35
dd) Aus demselben Grunde ist die Sicherungsabrede auch nicht deshalb unwirksam, weil sie die Verpflichtung beinhaltet, eine Vertragserfüllungsbürgschaft unter Verzicht auf das Recht des Bürgen zur Hinterlegung und auf den Befreiungsanspruch aus § 775 BGB zu stellen. Beide Verzichte wirken sich zudem nicht nachteilig auf die Rechtsstellung des Auftragnehmers aus.
Rz. 36
ee) Es kann dahinstehen, ob § 12.1.5 des Vertrags, wonach die Zahlungspläne unbeachtlich sein sollten und sich die Fälligkeit der Abschlagsforderungen nach § 632a BGB richten sollte, sofern die B. GmbH Sicherheiten gem. § 648a BGB verlangt, wegen Verstoßes gegen § 648a Abs. 7 BGB unwirksam ist, da dies nicht zu einer Unwirksamkeit von § 12.1.1 des Vertrags führen würde. § 12.1.5 des Vertrags ist inhaltlich von der Verpflichtung zur Stellung der Vertragserfüllungsbürgschaft gem. § 12.1.1 des Vertrags trennbar. Die Vereinbarung, eine Vertragserfüllungsbürgschaft zu stellen, ist auch ohne die Regelungen des § 12.1.5 des Vertrags aus sich heraus verständlich und sinnvoll.
Fundstellen