Entscheidungsstichwort (Thema)
Beamter. Schuldhafte Versetzung in vorzeitigenRuhestand. Ersatz der Beihilfeleistungen
Leitsatz (amtlich)
Der Schädiger hat im Falle der Verletzung eines Beamten, die zu dessen Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand geführt hat, dem Dienstherrn nicht die Beihilfeleistungen zu ersetzen, die dieser aufgrund nicht unfallbedingter Heilmaßnahmen zu erbringen hat.
Normenkette
BGB § 842; BayBG Art. 96; BBG § 87 a
Verfahrensgang
OLG Nürnberg (Urteil vom 21.03.2001) |
LG Nürnberg-Fürth |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 21. März 2001 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Das klagende Land (Kläger) begehrt im Wege des Schadensersatzes aus übergegangenem Recht nach Art. 96 S. 1 BayBG die Erstattung von Beihilfeleistungen, die es an seinen wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzten Polizeibeamten S. erbracht hat.
Am 29. Juni 1990 wurde S. bei der Aufnahme eines Verkehrsunfalls durch einen bei der Beklagten haftpflichtversicherten Lkw schwer verletzt. Die volle Haftung der Beklagten für die Unfallfolgen steht zwischen den Parteien außer Streit. Aufgrund der bei dem Unfall erlittenen Verletzungen wurde S. mit Ablauf des Monats Januar 1993 in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. Der Kläger erbrachte in der Zeit vom 23. März 1994 bis 24. Februar 2000 an S. Beihilfeleistungen in Höhe von 80.404,71 DM, die auf nicht unfallbedingten Heilbehandlungsmaßnahmen beruhen.
Das Landgericht hat der auf Erstattung dieses Betrags gerichteten Klage mit Ausnahme eines geringfügigen Teils der geltend gemachten Zinsen stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Antrag weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Kläger der geltend gemachte Schadensersatzanspruch nicht zu. Er könne von der Beklagten nicht die Erstattung von Beihilfeleistungen verlangen, die er aufgrund nicht unfallbedingter Heilbehandlungsmaßnahmen an S. erbracht habe. Ein gesetzlicher Forderungsübergang gem. Art. 96 S. 1 BayBG finde nur statt, wenn zwischen dem Schadensersatzanspruch des geschädigten Beamten und der Leistung des Dienstherrn ein zeitlicher und sachlicher Zusammenhang (Kongruenz) bestehe. Dieser sei hier nicht gegeben. Die Beihilfeleistungen für nicht unfallbedingte Heilbehandlungsmaßnahmen dienten nämlich nicht dem Ausgleich eines diesem entstandenen Schadens; sie begründeten allenfalls einen eigenen, aus übergegangenem Recht nicht ersatzfähigen Schaden des Klägers. Denn sie beruhten auf dessen originären Pflichten aus dem Beamten- bzw. Ruhestandsbeamtenverhältnis sowie der Beihilfeberechtigung des S., die mit seiner Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit grundsätzlich lebenslang bestehe. Anders als Angehörige eines Beamten, die durch dessen Tod ihre Unterhaltsansprüche und damit auch ihre bisherige Absicherung im Krankheitsfall verlören, behalte der verletzte Beamte im Falle der Dienstunfähigkeit seine Beihilfeberechtigung. Dies gelte auch dann, wenn der Beamte wegen Dienstunfähigkeit in den vorzeitigen Ruhestand versetzt werde. Die Versetzung in den Ruhestand beende das Beamtenverhältnis nämlich nicht schlechthin, sondern wandle es in ein besonderes Ruhestandsverhältnis um. Manche Rechte gälten im Ruhestand fort. So verhalte es sich auch mit der Beihilfeberechtigung. Mit der Fortdauer des Beihilferechts trotz Dienstunfähigkeit verwirkliche sich der Anspruch auf lebenslange Absicherung im Krankheitsfall, den der Beamte bereits mit Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit erworben habe.
Zwar sei aus schadensrechtlicher Sicht auch der Beihilfeanspruch im Ruhestand als funktionaler Bestandteil des Entgelts zu qualifizieren; er sei ein Äquivalent für die erbrachte Leistung aus der aktiven Beamtenzeit. Werde der Beamte unfallbedingt in den vorzeitigen Ruhestand versetzt, so entgehe dem Dienstherrn bis zum Erreichen des gesetzlichen Ruhestandsalters die weitere Leistung des Beamten. Dieser Umstand rechtfertige es jedoch nicht, den Schädiger des Beamten auch zum Ersatz solcher Einzelleistungen heranzuziehen, die nicht unfallbedingt seien, sondern die der Dienstherr aufgrund der Beihilfeberechtigung auch ohne den Unfall hätte erbringen müssen.
Dem Kläger stehe der geltend gemachte Anspruch auch dann nicht zu, wenn man davon ausgehe, daß der Eintritt des Beamten in den vorzeitigen Ruhestand eine strikte beihilferechtliche Zäsur bewirke, die zur Folge habe, daß der Beamte seinen bisherigen Beihilfeanspruch verliere und mit Beginn des Ruhestandsverhältnisses einen eigenständigen Beihilfeanspruch neu erwerbe. Denn auch bei einer solchen Betrachtung verliere der Geschädigte durch das schädigende Ereignis nicht den Anspruch auf beihilferechtliche Erstattung konkreter Einzelleistungen, sondern lediglich die abstrakte Absicherung für mögliche spätere Krankheitsfälle. Es könne offen bleiben, ob der Schädiger zumindest zum Ausgleich derjenigen Kosten verpflichtet sei, die für eine vergleichbare Absicherung im Krankheitsfall aufzuwenden seien. Denn der Kläger mache einen solchen abstrakten Anspruch gerade nicht geltend. Vielmehr bestehe er auf Ersatz konkreter Beihilfeleistungen.
II.
Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand. Der Kläger hat gegen die Beklagte aus übergegangenem Recht des Polizeibeamten S. keinen Anspruch auf Ersatz nicht unfallbedingter Heilbehandlungskosten.
1. Wird ein Beamter körperlich verletzt, geht ein gesetzlicher Schadensersatzanspruch, der ihm infolge der Körperverletzung gegen einen Dritten zusteht, gem. Art. 96 S. 1 BayBG insoweit auf den Dienstherrn über, als dieser während einer auf der Körperverletzung beruhenden Aufhebung der Dienstfähigkeit oder infolge der Körperverletzung zur Gewährung von Leistungen (Art. 90 Abs. 1 BayBG) verpflichtet ist. Gegenstand des gesetzlichen Forderungsübergangs ist im Streitfall der auf §§ 7 Abs. 1 StVG, 11 StVG, 823 Abs. 1, 843 BGB i.V.m. § 3 Nr. 1 PflVG beruhende gesetzliche Anspruch des Polizeibeamten S. gegen die Beklagte auf Ersatz seines durch den Unfall verursachten Schadens. Ein Bestandteil dieses unfallbedingten Vermögensschadens sind die – hier nicht im Streit befindlichen – durch den Unfall veranlaßten notwendigen Behandlungskosten. Dagegen wird ein Anspruch auf Ersatz der Krankheitskosten, die S. unfallunabhängig nach seinem vorzeitigen Eintritt in den Ruhestand entstanden sind, von dem gesetzlichen Forderungsübergang nicht erfaßt. Hinsichtlich dieser Kosten fehlt die gem. Art. 96 S. 1 BayBG vorausgesetzte Ursächlichkeit des Unfalls.
a) Das Erfordernis der Kausalität folgt bereits aus dem Wortlaut dieser Bestimmung. Danach ist Voraussetzung für den Forderungsübergang auf den Dienstherrn, daß dem Beamten ein gesetzlicher Schadensersatzanspruch infolge der Körperverletzung gegen einen Dritten zusteht. Nur ein solcher Anspruch geht auf den Dienstherrn über, und zwar in dem Umfang, in dem dieser während einer auf der Körperverletzung beruhenden Aufhebung der Dienstfähigkeit oder infolge der Körperverletzung zur Erbringung von Leistungen verpflichtet ist. Daraus folgt, daß die Leistungspflicht des Dienstherrn entweder trotz vorübergehender Nichtleistung des Dienstes (während … einer Aufhebung der Dienstfähigkeit) aufrechterhalten worden oder durch die Körperverletzung hervorgerufen (infolge der Körperverletzung) sein muß. Nur soweit dieser Zusammenhang zwischen der Verletzung und der Leistungspflicht des Dienstherrn besteht, findet ein Forderungsübergang statt. Hinsichtlich der Verpflichtung zu Beihilfeleistungen für Heilbehandlungen ist diese Voraussetzung erfüllt, soweit der Dienstherr Leistungen aus Anlaß der Verletzung des Beamten zu erbringen hat (vgl. Senatsurteil vom 15. März 1983 – VI ZR 156/80 – VersR 1983, 686 m.w.N.). Das ist bei nicht unfallbedingten Heilbehandlungsmaßnahmen nicht der Fall.
b) Für dieses Verständnis von Art. 96 S. 1 BayBG spricht auch die Entstehungsgeschichte dieser Norm. Sie entspricht ihrem Wortlaut nach den Bestimmungen der §§ 52 S. 1 BRRG und 87 a S. 1 BBG. Inhaltsgleiche Vorschriften finden sich in den Beamtengesetzen aller anderen Bundesländer (vgl. die Zusammenstellung bei Battis, BBG, 2. Aufl., § 87 a). Sie gehen zurück auf die in § 139 S. 1 des Deutschen Beamtengesetzes von 1937 (DBG) enthaltene Regelung, welche erstmals einen gesetzlichen Forderungsübergang auf den Dienstherrn vorsah, jedoch nur für den Fall, daß dieser infolge eines Ereignisses zur Gewährung oder Erhöhung von Versorgungsbezügen aus Anlaß der körperlichen Verletzung des Beamten verpflichtet war. § 139 DBG wurde im Jahre 1953 wörtlich in das Bundesbeamtengesetz als § 168 BBG übernommen (vgl. Senatsurteil BGHZ 21, 113, 120 f.; Fürst, GKÖD, Stand: Mai 1990, § 87 a, Rdnr. 1; Schütz/Cecior, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, 5. Aufl., Stand: Februar 2002, § 99 LBG NW, Rdnr. 1 a).
An die Stelle dieser Vorschrift ist mit Wirkung vom 1. Juli 1957 die Regelung der §§ 52 S. 1 BRRG, 87 a S. 1 BBG getreten. Diese Bestimmungen hatten zunächst folgenden Wortlaut:
Wird ein Beamter körperlich verletzt oder getötet, so geht ein gesetzlicher Schadensersatzanspruch, der dem Beamten oder seinen Hinterbliebenen infolge der Körperverletzung oder seinen Hinterbliebenen infolge der Körperverletzung oder der Tötung gegen einen Dritten zusteht, insoweit auf den Dienstherrn über, als dieser
- während einer auf der Körperverletzung beruhenden Aufhebung der Dienstfähigkeit zur Gewährung von Dienstbezügen oder
- infolge der Körperverletzung oder der Tötung zur Gewährung einer Versorgung oder einer anderen Leistung
verpflichtet ist.
Damit ist die Legalzession auch auf den Fall der Gewährung von Dienstbezügen während einer vorübergehenden Dienstunfähigkeit des verletzten Beamten erstreckt worden (Fürst, aaO; Rahmfeld, RiA 1962, 132). In dem von dem Ausschuß für Beamtenrecht des Deutschen Bundestages vorgelegten schriftlichen Bericht über den Entwurf des Ersten Beamtenrechtsrahmengesetzes heißt es, mit der gesetzlichen Anerkennung, daß auch während einer vorübergehenden Dienstunfähigkeit ein Schadensersatzanspruch des verletzten Beamten bestehe, der auf den Dienstherrn übergehe, werde erreicht, daß der Schädiger eines Beamten nicht besser stehe als der Schädiger einer anderen Person (BT-Drucks. 2/3363, S. 7 zu § 48 a des Entwurfs). Mit dieser Neuregelung wurde jedoch ein gesetzlicher Forderungsübergang hinsichtlich Beihilfeleistungen für nicht unfallbedingte Heilbehandlungsmaßnahmen nicht herbeigeführt. Zwar enthielten die Vorschriften der § 52 S. 1 BRRG und § 87 a S. 1 BBG a.F. jeweils das Tatbestandsmerkmal Leistung (in Ziff. 2), wozu nach allgemeinem Verständnis auch Beihilfen zählen (Rahmfeld, aaO, S. 135; vgl. Art. 90 Abs. 1, Abs. 4 BayBG; Senatsurteil vom 28. Februar 1989 – VI ZR 208/88 – VersR 1989, 486 f.; zu § 99 LBG NRW: Senatsurteil vom 17. Dezember 1985 – VI ZR 155/84 – VersR 1986, 463, 464; zu § 103 HBG: Senatsurteil vom 15. März 1983 – VI ZR 156/80 – VersR 1983, 686). Damit waren aber nur die Beihilfeleistungen gemeint, die der Beamte aus Anlaß eines Unfalls beanspruchen kann (Rahmfeld, aaO), also Beihilfen für unfallbedingte Heilmaßnahmen. Dafür, daß der Gesetzgeber mit der Neuregelung den gesetzlichen Forderungsübergang auch auf solche Beihilfeleistungen ausdehnen wollte, die der Dienstherr dem verletzten Beamten für nicht unfallbedingte Heilbehandlungsmaßnahmen zu erbringen hat, gibt es in den Gesetzesmaterialien keinen Anhaltspunkt.
Mit Wirkung vom 1. August 1985 ist die Regelung der §§ 52 BRRG, 87 a BBG dahingehend abgeändert worden, daß auch Schadensersatzansprüche der Versorgungsberechtigten und der Angehörigen von Beamten und Versorgungsberechtigten aus der Verletzung eigener Rechtsgüter übergangsfähig sind (Battis, aaO, Rdnr. 2). Damit ist zum einen die frühere erweiternde Auslegung, die als Beamte im Sinne der §§ 52 BRRG, 87 a BBG a.F. auch Ruhestandsbeamte ansah (vgl. grundlegend BGHZ [GS] 9, 179, 187 ff.), in der ausdrücklichen Einbeziehung in den Wortlaut der Vorschriften aufgegangen (Plog/Wiedow/Lemhöfer, BBG/BeamtVG, Stand: August 2002, § 87 a Rdnr. 5). Zum anderen ist mit der Neufassung der Kreis der Berechtigten auf versorgungsberechtigte Hinterbliebene und auf Angehörige der (aktiven) Beamten erweitert worden (Plog/Wiedow/Lemhöfer, aaO, Rdnr. 2). Darüber hinaus ist in sachlicher Hinsicht klargestellt worden, daß sich der gesetzliche Forderungsübergang auch bei Beamten während einer auf der Körperverletzung beruhenden – vorübergehenden – Aufhebung der Dienstfähigkeit auf sonstige Leistungen erstreckt, die nicht Dienstbezüge im bisherigen weiteren Sinne sind (Plog/Wiedow/Lemhöfer, aaO m.w.N.). Davon betroffen sind insbesondere auch Beihilfeleistungen (vgl. Fürst, aaO). Wie aus der Begründung des Entwurfs der Bundesregierung zum Gesetz zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften (BT-Drucks. 10/2114, S. 4) hervorgeht, sollten die betreffenden Bestimmungen mit dieser Neuregelung im übrigen lediglich eine redaktionelle Änderung erfahren. Der für den gesetzlichen Forderungsübergang nach bisherigem Verständnis dieser Vorschriften erforderliche Zusammenhang zwischen der Verletzung und der Leistungspflicht des Dienstherrn in dem Sinne, daß nur solche Leistungen zu einem Anspruchsübergang führen, die aus Anlaß der Verletzung zu erbringen sind, ist mit der Neuregelung nicht aufgegeben worden. Insbesondere ist nicht erkennbar, daß der Gesetzgeber den Forderungsübergang mit dieser Neufassung auf Beihilfeleistungen für nicht unfallbedingte Heilbehandlungskosten des verletzten Beamten erstrecken wollte.
c) Diese Gesetzesauslegung entspricht auch dem Sinn und Zweck der genannten Vorschriften. Der in ihnen angelegte gesetzliche Forderungsübergang soll bewirken, daß die Leistungen des Dienstherrn (bzw. der Versorgungskasse) aus Anlaß der Schädigung weder dem Schädiger zugute kommen, noch zu einer doppelten Entschädigung des Geschädigten führen (vgl. u.a. BGHZ [GS] 9, 179, 190; Senatsurteile BGHZ 59, 154, 157 und vom 17. November 1959 – VI ZR 207/58 – VersR 1960, 85, 86; OLG Koblenz, OLG-Report 2002, 257, 258; Schütz/Cecior, aaO, Rdnr. 2; Plog/Wiedow/Lemhöfer, aaO, Rdnr. 1; Fürst, aaO, Rdnr. 2, jeweils m.w.N.). Der in §§ 52 BRRG, 87 a BBG und den entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften getroffenen Regelung liegt ebenso wie der Bestimmung des § 116 SGB VII (früher: § 1542 RVO) der Gedanke der Schadensverlagerung zugrunde (vgl. Fürst, aaO, Rdnr. 2 f.). Mit dem gesetzlichen Forderungsübergang soll sichergestellt werden, daß Leistungen sozialer Sicherung und sozialer Fürsorge, die durch Opfer und Leistungen anderer aufgebracht werden, nicht demjenigen zugute kommen, der den Schadensfall verantwortlich herbeigeführt hat (BGHZ [GS] aaO). Dieser Gesichtspunkt des gebotenen sozialverträglichen Ausgleichs kommt nur zum Tragen, wenn zwischen dem schädigenden Ereignis und den Leistungen des Dienstherrn ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Dieser ist Voraussetzung für den gesetzlichen Forderungsübergang (vgl. Fürst, aaO, Rdnr. 16; Weiß/Niedermaier/Conrad, Bayer. Beamtengesetz, Stand: 1. Juni 2002, Art. 96 Anm. 9 b; Schütz/Cecior, aaO, Rdnr. 7). Die Schadensersatzansprüche gegen den Dritten müssen zudem dem gleichen Zweck dienen und sich auf dieselbe Zeit beziehen wie die Leistungen, zu denen der Dienstherr verpflichtet ist (Grundsatz der sachlichen und zeitlichen Kongruenz, vgl. Senatsurteil vom 15. März 1983 – VI ZR 156/80 – aaO). Weiter ist erforderlich, daß die betreffende Leistung des Dienstherrn bei einer Gesamtbetrachtung zumindest auch dazu bestimmt ist, einen Ausgleich der unfallbedingten Aufwendungen des Geschädigten herbeizuführen (Senatsurteile vom 18. Januar 1977 – VI ZR 250/74 – VersR 1977, 427 und vom 15. März 1983 – VI ZR 156/80 – aaO). An diesen Voraussetzungen fehlt es, wenn der Dienstherr dem verletzten Beamten – wie im Streitfall – nicht unfallbedingte Beihilfeleistungen gewährt. Die Aufwendungen für solche Heilbehandlungsmaßnahmen, welche nicht durch den Unfall veranlaßt worden sind, hat der Schädiger nicht zu verantworten. Diese Kosten wären nämlich nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge auch ohne den Unfall entstanden und von dem Dienstherrn des verletzten Beamten nach Maßgabe des im konkreten Fall anwendbaren Beihilfebemessungssatzes anteilig zu erstatten gewesen. Deshalb ist es nicht gerechtfertigt, diese Kosten auf den Schädiger abzuwälzen.
d) Dem steht nicht entgegen, daß nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats der Schädiger im Falle der Tötung eines Beamten grundsätzlich verpflichtet ist, dem Dienstherrn des Beamten Beihilfeleistungen zu ersetzen, die dieser den Hinterbliebenen zu erbringen hat (vgl. Senatsurteil vom 17. Dezember 1985 – VI ZR 155/84 – VersR 1986, 463). Entgegen der Auffassung der Revision unterscheidet sich die jener Entscheidung zugrunde liegende Fallgestaltung in einem wesentlichen Punkt von der derjenigen des Streitfalls. Allerdings ist beiden Sachverhalten gemein, daß die betreffenden Heilbehandlungsmaßnahmen, zu denen Beihilfe gewährt wird, jeweils nicht durch den Unfall des Beamten ausgelöst worden sind. In rechtlicher Hinsicht besteht aber zwischen beiden Fallgestaltungen ein wichtiger Unterschied. Zutreffend weist das Berufungsgericht darauf hin, daß es im Streitfall um einen – auf den Dienstherrn übergegangenen – Schadensersatzanspruch des verletzten Beamten selbst geht, während dem sogenannten „Hinterbliebenen-Fall” Ersatzansprüche Dritter, nämlich der Angehörigen gem. § 844 Abs. 2 BGB zugrunde lagen. In einem solchen Fall bestimmt sich die Ersatzpflicht des Schädigers nach den gesetzlichen Unterhaltsansprüchen, die die Hinterbliebenen gegen ihren Ernährer bei dessen Fortleben gehabt hätten (Senatsurteil vom 24. Juni 1969 – VI ZR 284/67 – VersR 1969, 897, 898). Der getötete Beamte war nach §§ 1360 a, 1610 BGB verpflichtet, die im Fall der Erkrankung seiner Angehörigen entstehenden Kosten zu tragen, wofür ihm u.a. sein Beihilfeanspruch gegen den Dienstherrn zur Verfügung stand. Durch den Tod des Beamten haben dessen Angehörige ihre unterhaltsrechtlichen Ansprüche verloren. Darin besteht ihr Schaden, den sie gem. § 844 Abs. 2 BGB ersetzt verlangen können (vgl. BGHZ [GS] 9, 179, 187; Senatsurteil vom 17. Dezember 1985 – VI ZR 155/84 – aaO). Ebenso wie zuvor der Unterhaltsanspruch sind die Beihilfeleistungen dazu bestimmt, die Angehörigen von den Aufwendungen im Krankheitsfall zu entlasten. Deshalb ist in einem solchen Fall dem Erfordernis der sachlichen Kongruenz der Ansprüche als einer notwendigen Voraussetzung für den gesetzlichen Forderungsübergang genügt (vgl. Senatsurteil vom 18. Januar 1977 – VI ZR 250/74 – aaO).
e) Entgegen der Auffassung der Revision kann der auf Ersatz konkreter Beihilfeleistungen gerichtete Anspruch des Klägers nicht mit Erfolg darauf gestützt werden, daß der verletzte Polizeibeamte S. durch die unfallbedingte Versetzung in den Ruhestand die auf dem aktiven Beamtenstatus beruhende Beihilfeberechtigung verloren hat. Diesem Umstand kommt schadensrechtlich deswegen keine Bedeutung zu, weil S. mit seinem Eintritt in den Ruhestand statt dessen eine Beihilfeberechtigung als Ruhestandsbeamter erworben hat und nunmehr aufgrund dieser Berechtigung seine Krankheitskosten anteilig ersetzt verlangen kann. Dabei kann dahinstehen, ob es sich, wie das Berufungsgericht meint, bei der beamtenrechtlichen Beihilfeberechtigung um ein einheitliches Recht handelt, welches mit der Übernahme des Beamten auf Lebenszeit lebenslang – von Modifikationen im Beihilfebemessungssatz abgesehen unverändert – fortbesteht oder ob beamtenrechtlich zwischen der Beihilfeberechtigung aus dem aktiven Dienstverhältnis und derjenigen aus dem Rechtsverhältnis als Versorgungsempfänger zu unterscheiden ist (so OLG Frankfurt, VersR 1997, 1297; ähnlich OLG Koblenz, VRS 82, 280 f.; Saarländisches OLG, Urteil vom 7. Juni 1996 – 3 U 198/95; Plog/Wiedow/Lemhöfer, aaO, § 87 a Rdnr. 34; a.A.: OLG Koblenz, OLG-Report 2002, 257, 259; Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschaden, 7. Aufl., Rdnr. 551, Fn. 44; Weiß/Niedermaier/Conrad, Bayer. Beamtengesetz, aaO, Art. 96 Anm. 16 a; Schmalzl, VersR 1998, 210; Ebener/Schmalz, VersR 2002, 594). Streitgegenstand ist hier nicht ein Anspruch auf Ersatz der mit der Versetzung in den Ruhestand weggefallenen Beihilfeberechtigung als solcher, sondern ein Anspruch auf Ersatz konkreter Beihilfeleistungen. Insoweit ist der Polizeibeamte S. aber nicht geschädigt, denn ihm sind die Kosten der notwendigen Heilbehandlungen mindestens in dem Umfang, in dem er sie als aktiver Beamter zu beanspruchen gehabt hätte (§ 14 Abs. 1 BhV), ersetzt worden. Vergleicht man die infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretene Vermögenslage mit derjenigen, die sich ohne jenes Ereignis ergeben hätte (sogenannte Differenzhypothese), läßt sich rechnerisch ein Schaden des Polizeibeamten S. nicht feststellen.
Allerdings kann es in Fällen, in denen die rechnerische Schadensbilanz den Normzweck der Haftung nicht zureichend erfaßt, geboten sein, die Differenzrechnung „normativ” zu korrigieren. Eine wertende Korrektur kommt insbesondere dann in Betracht, wenn die Vermögenseinbuße durch überobligationsmäßige Leistungen des Geschädigten oder durch Leistungen von Dritten, die den Schädiger nicht entlasten sollen, rechnerisch ausgeglichen wird. Ob die Differenzbilanz der Schadensentwicklung in diesem Sinne gerecht wird, ist aufgrund einer umfassenden Bewertung der gesamten Interessenlage, wie sie durch das schädigende Ereignis zwischen dem Schädiger, dem Geschädigten und gegebenenfalls dem leistenden Dritten besteht, sowie unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck aller in Betracht kommenden Rechtsnormen zu bestimmen (Senatsurteil vom 7. November 2000 – VI ZR 400/99 – VersR 2001, 196, 197 m.w.N.). Bei der Prüfung der Frage, ob sich Leistungen Dritter schadensmindernd bzw. schadensausschließend auswirken, ist auf den Zweck der Drittleistung abzustellen und der aus § 843 Abs. 4 BGB abgeleitete allgemeine Rechtsgedanke zu beachten, wonach Maßnahmen, die der sozialen Sicherung und Fürsorge gegenüber dem Geschädigten entspringen, dem Schädiger nicht zugute kommen dürfen (Senatsurteile BGHZ 10, 107, 108; 21, 112, 114 ff.; vom 29. November 1977 – VI ZR 177/76 – VersR 1978, 249, 250 und vom 7. November 2000 – VI ZR 400/99 – aaO, jeweils m.w.N.).
Nach diesen Grundsätzen kommt im Streitfall eine wertende Korrektur der rechnerischen Schadensbilanz hinsichtlich der konkreten Beihilfeleistungen nicht in Betracht. Diese stellen zwar eine Leistung mit Fürsorgecharakter dar, dienen aber – im Unterschied zu Dienst- oder Versorgungsbezügen (vgl. Senatsurteil vom 20. Januar 1961 – VI ZR 92/60 – NJW 1961, 1110; BGHZ 42, 76, 83; 59, 154, 156) – ihrer Zweckbestimmung nach nicht dazu, den verletzten Polizeibeamten S. von unfallbedingten Aufwendungen zu entlasten. Beihilfen, die der Dienstherr dem verletzten Beamten zu nicht unfallbedingten Heilbehandlungsmaßnahmen gewährt, dienen nicht zum Ausgleich des Unfallschadens des Beamten. Deshalb wäre es nicht gerechtfertigt, sie auf den Schädiger abzuwälzen.
2. Der Senat verkennt nicht, daß die Begrenzung des gesetzlichen Forderungsübergangs auf Beihilfen für unfallbedingte Heilbehandlungsmaßnahmen eines verletzten Beamten dazu führen kann, daß der Schädiger eines Beamten dadurch, daß er zu dessen nicht unfallbedingten Krankheitskosten überhaupt nicht herangezogen wird, weniger belastet wird als derjenige, der einen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer verletzt hat und seine Ersatzpflicht durch Zahlung entsprechender Versicherungsbeiträge erfüllen muß (vgl. Senatsurteile vom 17. Dezember 1985 – VI ZR 155/84 – aaO, S. 465 und vom 28. Februar 1989 – VI ZR 208/88 – VersR 1989, 486 f.; Schmalzl, aaO; Ebener/Schmalz, aaO). Damit wird der vom Gesetzgeber verfolgte Zweck des gesetzlichen Forderungsübergangs, den Schädiger eines Beamten nicht besser zu stellen als den Schädiger einer anderen Person (BT-Drucks. 2/3363, aaO), auf diesem Wege nicht erreicht. Dies ist in dem System der vom Dienstherrn gewählten Krankheitsvorsorge durch Beihilfe angelegt und kann nicht zur Folge haben, daß der Schädiger in einem solchen Fall mit Kosten belastet wird, die nicht durch den Unfall veranlaßt sind und deren Umfang im Einzelfall weit über die Höhe der Aufwendungen hinausgehen kann, die der Schädiger eines versicherungspflichtigen Arbeitnehmers durch Zahlung der Versicherungsbeiträge auszugleichen hat. Der Umstand, daß der Dienstherr dem unfallbedingt in den Ruhestand versetzten Beamten Fürsorgeleistungen erbringen muß, obwohl dessen Gesamtlebensleistung durch den Unfall verkürzt worden ist, mag zwar einen Schaden des Dienstherrn begründen. Dieser wird aber von dem gesetzlichen Forderungsübergang nicht erfaßt.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Müller, Greiner, Wellner, Pauge, Stöhr
Fundstellen
Haufe-Index 891985 |
BGHZ 2004, 223 |
BGHZ |
NJW 2003, 1864 |
BGHR 2003, 324 |
NVwZ 2003, 635 |
Nachschlagewerk BGH |
ZBR 2003, 166 |
DÖD 2003, 141 |
MDR 2003, 388 |
NZV 2003, 228 |
VR 2004, 251 |
VersR 2003, 330 |
ZfS 2003, 178 |
DVBl. 2003, 610 |
PVR 2003, 157 |
LMK 2003, 83 |