Leitsatz (amtlich)
Ansprüche auf Bestellung einer Dienstbarkeit nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz (hier: Recht zum Befahren und Betreten eines ehedem volkseigenen Grundstücks zu Zwecken des Zugverkehrs) werden auch dann vom Vermögenszuordnungsrecht verdrängt, wenn das genutzte Grundstück zwischenzeitlich an einen Dritten veräußert wurde (im Anschluss an BGH, Urt. v. 10.1.2003 - V ZR 206/02, MDR 2003, 563 = BGHReport 2003, 477 = WM 2003, 1671).
Normenkette
SachenRBerG § 1 Abs. 2, § 116; VZOG §§ 2, 4
Verfahrensgang
Brandenburgisches OLG (Urteil vom 23.10.2002) |
LG Frankfurt (Oder) |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Brandenburgischen OLG v. 23.10.2002 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger kaufte mit notariellem Vertrag v. 29.10.1991 von der B. G. H. i.L., einem Treuhandunternehmen, zwei (damals noch abzuvermessende) Grundstücke. Auf den Grundstücken befinden sich Bahngleise, welche von der Beklagten, ebenfalls einem Treuhandunternehmen, zum Betrieb ihres Zementwerkes, vornehmlich zum Rangieren und Zusammenstellen von Zügen, genutzt werden.
Der Kläger hat die Beklagte auf Unterlassung der Benutzung der Gleisanlagen in Anspruch genommen. Die Beklagte hat den Anspruch hinsichtlich eines Gleisstrangs anerkannt, im Übrigen Abweisung der Klage und widerklagend die Verurteilung des Klägers beantragt, zu ihren Gunsten eine Dienstbarkeit mit dem Inhalt zu bewilligen, die Grundstücke des Klägers zum Zwecke des Zugverkehrs sowie der Instandsetzung und Instandhaltung zu befahren und zu betreten. Das LG hat die Beklagte dem Anerkenntnis gemäß verurteilt, die weiter gehende Klage abgewiesen und der Widerklage Zug um Zug gegen Zahlung einer Rente stattgegeben. Das OLG hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben und die Widerklage abgewiesen.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des Urteils des LG. Der Kläger beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der Beklagten stehe ein Anspruch auf Bestellung einer Dienstbarkeit nach § 116 SachenRBerG nicht zu, da die Inanspruchnahme der Grundstücke des Klägers für die Erschließung des eigenen Grundstücks nicht erforderlich sei. Die Beklagte verfüge über einen Bahnanschluss, den sie ohne Inanspruchnahme der Grundstücke des Klägers erreichen könne. Das betriebliche Interesse, die Grundstücke des Klägers zu Rangierzwecken zu benutzen, genüge nicht.
II.
Die Revision hat keinen Erfolg.
1. Wie der Senat, allerdings nach Erlass des Berufungsurteils, entschieden hat, kann ein Treuhandunternehmen von einem anderen Treuhandunternehmen nicht die Bestellung einer Dienstbarkeit nach § 116 SachenRBerG verlangen, wenn zwischen den Unternehmen eine Zuordnungslage bestanden hat (BGH v. 10.1.2003 - V ZR 206/02, MDR 2003, 563 = BGHReport 2003, 477 = WM 2003, 1671). Hiervon ist revisionsrechtlich auszugehen. Denn die Beklagte, die die Rechtsverteidigung gegenüber dem Unterlassungsanspruch des Klägers (§ 1004 BGB) auf die Einwendung stützt, ihr stehe ein Recht zum Besitz (§ 986 BGB) aus § 116 SachenRBerG zu und den Anspruch auf Bereinigung zur Grundlage der Widerklage macht, trägt vor, ihr Rechtsvorgänger, der VEB Ze. R. , sei Fondsinhaber der Gleisanlagen gewesen. Die Fondsinhaberschaft habe sich bei der Rechtsnachfolge in das Volkseigentum an Grund und Boden gegenüber der Rechtsträgerschaft des VEB Z. H. , aus dem die Rechtsvorgängerin des Klägers hervorgegangen ist, durchgesetzt (vgl. § 11 Abs. 2 THG; BVerwG v. 13.10.1994 - 7 C 48/93, ZIP 1994, 1978 = VIZ 1995, 99). Zwischen der Rechtsvorgängerin des Klägers und der Beklagten, deren Rechtsvorgänger Rechtsträger ihrer Betriebsgrundstücke gewesen ist, bestand danach eine Zuordnungslage.
2. a) Allerdings besteht eine solche Rechtslage nicht zwischen den Parteien, denn der Kläger ist als rechtsgeschäftlicher Erwerber der ehedem volkseigenen Flächen, auch wenn seine Rechtsvorgängerin ein Treuhandunternehmen war, nicht Zuordnungsbeteiligter. Nach § 4 VZOG kann der Präsident der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (bzw. die von ihm ermächtigte Stelle) die Feststellung, welcher Treuhandgesellschaft ein Grundstück oder Gebäude in welchem Umfang zu übertragen ist, zwar auch dann treffen, wenn sich die Kapitalanteile nicht mehr in der Hand der Anstalt befinden oder, §§ 4 Abs. 3, 2 Abs. 1 S. 2 VZOG, wenn der Vermögensgegenstand veräußert wird. Gegenstand der Zuordnung ist aber die Zuordnungslage vor der Privatisierung oder der Veräußerung. Zwischen einer Treuhandgesellschaft und dem Rechtsnachfolger in einen Vermögensgegenstand einer anderen Treuhandgesellschaft ist eine Zuordnungsmöglichkeit nicht gegeben.
b) Dies ändert indessen nichts am Vorrang der Vermögenszuordnung vor der Sachenrechtsbereinigung (vgl. § 1 Abs. 2 SachenRBerG), von der der Senat ausgeht und die insbesondere für den gesetzlichen Vermögensübergang nach § 11 Abs. 2 THG gilt (dazu Czub in Czub/Schmidt-Räntsch/Frentz, SachenRBerG, § 1 Rz. 142). Die Zuordnung von Immobilienvermögen zwischen Treuhandunternehmen nach § 11 Abs. 1 THG, § 2 5. DVO THG i. V. m. § 4 ZOG ist abschließend. Auch die spätere Einzelrechtsnachfolge in Vermögenswerte der Treuhandunternehmen ändert hieran nichts.
aa) Dem Vorrang der Vermögenszuordnung als solchem lässt sich nicht entgegen halten, dem Zuordnungsrecht fehlten die geeigneten Mittel, der Nutzung ehedem volkseigener Grundstücke kraft Fondsinhaberschaft Rechnung zu tragen. Abgesehen von dem Fall, dass die Fondsinhaberschaft, wenn sie das Grundstück in allen seinen Beziehungen erfasste, die Rechtsträgerschaft verdrängt (oben zu 1), kommen in Mischfällen auch Grundstücksteilungen in Betracht, wenn der Umfang des Fonds und seine Bedeutung für die Teilhabe des Unternehmens am Wirtschaftsverkehr dies rechtfertigt (zutreffend Schmitt-Habersack, § 11 THG Rz. 22). Der durch das Registerverfahrenbeschleunigungsgesetz v. 20.12.1993 (BGBl I, 2182, 2227) eingefügte § 2 Abs. 2b, 2. Hs. VZOG, auf den § 4 Abs. 3 VZOG verweist, erlaubt überdies die Bestellung beschränkter dinglicher Rechte zu Gunsten eines der beteiligten Unternehmen (§ 5 Abs. 5 BoSoG). Diese können auf die betrieblichen Erfordernisse, dem der Fonds diente, abstellen.
bb) Der Rechtsnachfolger in Grundvermögen der Treuhandunternehmen hat die erworbenen Grundstücke oder Rechte in der Gestalt hinzunehmen, in der sie sich aus der Zuordnung kraft Gesetzes darstellen (zur deklaratorischen Natur des Zuordnungsbescheids bei einfach gelagerten Sachverhalten vgl. BGH, Urt. v. 14.7.1995 - V ZR 39/94, MDR 1996, 307 = WM 1995, 1776). Soweit die Zuordnung nach § 4 VZOG rechtsgestaltenden Charakter hat, etwa bei der Begründung beschränkter dinglicher Rechte, gilt Entsprechendes. In dieses Zuordnungsergebnis mit den Mitteln der Sachenrechtsbereinigung einzugreifen, fehlt es an einer Rechtfertigung. Allerdings kann der Erwerber, wenn die Zuordnung aus dem Grundbuch nicht ersichtlich ist (vgl. aber § 4 Abs. 2 VZOG i. V. m. § 38 GBO), von der Zuordnungslage abweichende Rechte erwerben (§ 892 BGB). Den öffentlichen Glauben des Grundbuches einzuschränken, liegt aber außerhalb der Zielsetzungen des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes.
cc) Die Anordnung über den Bau und Betrieb von Anschlussbahnen v. 13.5.1982 (GBl. DDR, 1982, Sonderdruck Nr. 1080) und die Anordnung über die Regelung der Rechtsbeziehungen zwischen der Deutschen Reichsbahn und den Anschlussbahnen v. 4.7.1974 (GBl. DDR I S. 357) enthalten keine Vorschriften, aus denen die Beklagte das in Anspruch genommene Recht gegen den Kläger herleiten könnte. Dasselbe gilt für die Regelungen über Energie-, Wasser- und Abwasserleitungen im Grundbuchbereinigungsgesetz und der dazu ergangenen Verordnung.
3. Eine Zurückverweisung der Sache zur Prüfung, ob der Beklagten wegen der behaupteten Fondsinhaberschaft ihres Rechtsvorgängers an der Gleisanlage Teile der Grundstücke des Klägers zustehen oder ob zu ihren Gunsten ein dingliches Recht an den Grundstücken begründet werden konnte, scheidet aus. Auch wenn, was der Senat offen lässt, im ersteren Falle eine Teilung unmittelbar durch Gesetz erfolgt wäre, hat der Kläger die im Grundbuch ohne Flächenabzug ausgewiesenen Grundstücke in ihrem gesamten Umfang erworben. Eine Dienstbarkeit oder eine sonstige dingliche Berechtigung der Beklagten zur Nutzung der Gleisanlage ist bislang nicht begründet worden. Nach der Veräußerung an den Kläger kann dies auch nicht mehr geschehen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 1058756 |
BuW 2003, 952 |
BGHR 2004, 15 |
VIZ 2004, 30 |
WM 2004, 677 |
ZfIR 2004, 128 |
MDR 2004, 148 |
NJ 2004, 323 |