Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Urteil vom 28.10.2021; Aktenzeichen I-5 U 29/21) |
LG Düsseldorf (Urteil vom 24.06.2020; Aktenzeichen 2b O 254/18) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 28. Oktober 2021 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Streithelferin trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Parteien streiten über die Pflicht zur Zahlung von "Negativzinsen" aus einem Schuldscheindarlehen.
Rz. 2
Das klagende Land schloss am 21. Mai 2004 mit der beklagten Zusatzversorgungskasse des öffentlichen Dienstes einen verzinslichen Darlehensvertrag über einen Betrag von 50.000.000 €, der an den Kläger ausgezahlt wurde. Die Konditionen wurden - mit Ausnahme der Vereinbarung zur Höhe eines Zinsabschlags, der zwischen den Parteien ausgehandelt wurde - vom Kläger vorgegeben. Über den Vertrag wurde ein Schuldschein ausgestellt. Dieser wird mit den Worten
"Das Land N. […] (Darlehensschuldner) schuldet der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder […] (Darlehensgläubiger) EUR 50.000.000 […]"
eingeleitet und beinhaltet im Anschluss folgende Angaben:
"1. Das Darlehen ist […] mit 0,013% p.a. unter dem 6-Monats-EURIBOR […] jährlich zu verzinsen.
Die Zinsen sind halbjährlich nachträglich am 26.05. und 26.11. eines jeden Jahres („Zinsfälligkeitstag“), erstmals am 26.11.2004, fällig.
[…]
3. Das Darlehen in Höhe des Nennbetrages ist zur Rückzahlung fällig am 26.05.2034.
4. Das Darlehen ist beiderseits unkündbar. Etwaige Kündigungsrechte des Darlehensschuldners nach § 489 des Bürgerlichen Gesetzbuchs sind ausgeschlossen.
[…]
6. Die Abtretung der Darlehensforderung ist im Ganzen zulässig. Blankoabtretungen sind ausgeschlossen. Die Abtretung ist dem Darlehensschuldner unverzüglich anzuzeigen. In jedem Fall wird der Darlehensschuldner Zins- und Tilgungsleistungen auf ein Konto des Darlehensgläubigers in der Bundesrepublik Deutschland überweisen. […]"
Rz. 3
Der Vertragszinssatz lag zum Zinsfälligkeitstag 27. Mai 2016 erstmals und seitdem durchgehend im negativen Bereich.
Rz. 4
Mit der Klage hat der Kläger die Zahlung eines unter Anwendung der Zinsformel errechneten Betrages in Höhe von 320.863,90 € für die Zeit bis zum 26. November 2018 nebst Verzugszinsen verlangt und ferner die Feststellung beantragt, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihm die sich seit dem 26. November 2018 aus dem Schuldscheindarlehen ergebenden Zinsen (6-M-EURIBOR - 0,013%) zu zahlen. Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der - vom Berufungsgericht zugelassenen - Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 5
Die - uneingeschränkt zugelassene - Revision ist unbegründet. Die vom Kläger vorsorglich erhobene Nichtzulassungsbeschwerde ist gegenstandslos (vgl. Senatsurteil vom 22. November 2016 - XI ZR 434/15, BGHZ 213, 52 Rn. 6).
I.
Rz. 6
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner unter anderem in WM 2022, 118 veröffentlichten Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Rz. 7
Dem Kläger stehe kein Anspruch auf Zahlung von "negativen Zinsen" aus Ziffer 1 des Schuldscheins in Verbindung mit § 488 BGB zu. Bei der Klausel handele es sich um eine von dem Kläger gestellte Allgemeine Geschäftsbedingung. Sie sei jedenfalls gemäß § 305c Abs. 2 BGB dahin auszulegen, dass eine weitere Zahlungspflicht der Beklagten neben der Kapitalüberlassung konkludent ausgeschlossen werden sollte. Hierfür spreche der Wortlaut der Klausel. Der darin verwendete Begriff "Zins" bedeute für den "Zinsschuldner", dass dieser etwas an seinen "Zinsgläubiger" zu leisten habe und umgekehrt, dass der "Zinsgläubiger" aufgrund der "Zinszahlungspflicht" etwas von seinem "Zinsschuldner" erhalte, weil er diesem etwas zur Verfügung gestellt habe. Diesem Verständnis entspreche auch, dass das gesetzliche Leitbild des Darlehensvertrags gemäß § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB keine Zinszahlungspflicht des Darlehensgebers an den Darlehensnehmer vorsehe. Darauf sei nach dem Kreis der durch die Klausel angesprochenen professionellen Marktteilnehmer abzustellen.
Rz. 8
Das von dem Kläger bevorzugte rein mathematische Verständnis der Klausel in Ziffer 1 des Schuldscheins stelle nach § 305c Abs. 2 BGB allenfalls eine weitere vertretbare Auslegungsmöglichkeit dar. Nach dem Satzteil "0,013% p.a. unter dem 6-Monats-EURIBOR" sei es zwar rein rechnerisch für jeden durchschnittlich aufmerksamen Betrachter klar, dass der Zinssatz auch unter 0% sinken könne. Zudem sei der Klausel keine besondere Zahlungsrichtung zu entnehmen, so dass auch eine Zahlung durch den Darlehensgeber vom Wortlaut gedeckt wäre. Allerdings verbiete sich eine isolierte Betrachtungsweise von Satzteilen einer Klausel. Bei Betrachtung des vollständigen Satzes der auszulegenden Klausel werde diese aufgrund des nicht aufzulösenden Widerspruchs zwischen der Verwendung der ihrem Wortlaut nach eindeutigen Begriffe "Zins" und "Darlehen" auf der einen Seite und der rein mathematischen Möglichkeit eines "Negativzinses" auf der anderen Seite unklar.
II.
Rz. 9
Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist.
Rz. 10
1. Das Berufungsgericht hat - wie der Senat mit Urteil vom 9. Mai 2023 (XI ZR 544/21, WM 2023, 1126, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt) für eine vergleichbare Zinsabrede bereits entschieden hat - im Ergebnis zu Recht einen Anspruch des Klägers auf Zahlung von "Negativzinsen" aus der unter Ziffer 1 des Schuldscheins enthaltenen Zinsabrede in Verbindung mit § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB verneint. Die dieser Würdigung zugrundeliegende Auslegung ergibt keine Rechtsfehler zum Nachteil des Klägers.
Rz. 11
a) Rechtsfehlerfrei und von der Revision unbeanstandet ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass es sich bei der Zinsabrede in dem Schuldschein um eine von dem Kläger gestellte Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne von § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB handelt, die der Senat selbst auslegen kann (vgl. Senatsurteile vom 13. November 2012 - XI ZR 500/11, BGHZ 195, 298 Rn. 15, vom 18. Januar 2022 - XI ZR 505/21, BGHZ 232, 227 Rn. 12 und vom 9. Mai 2023 - XI ZR 544/21, WM 2023, 1126 Rn. 16).
Rz. 12
b) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der üblicherweise beteiligten Kreise verstanden werden (Senatsurteile vom 16. Oktober 2018 - XI ZR 593/16, WM 2018, 2183 Rn. 14, vom 18. Januar 2022 - XI ZR 505/21, BGHZ 232, 227 Rn. 12 und vom 9. Mai 2023 - XI ZR 544/21, WM 2023, 1126 Rn. 17).
Rz. 13
Ansatzpunkt für die bei einer AGB-Klausel gebotene objektive, nicht am Willen der Vertragsparteien zu orientierende Auslegung ist in erster Linie ihr Wortlaut. Bei einem Gesamtklauselwerk müssen auch der Inhalt anderer Klauseln, mit der die auszulegende Klausel in einem erkennbaren Regelungszusammenhang steht, und ihr Zusammenwirken berücksichtigt werden (Senatsurteil vom 9. Mai 2023 - XI ZR 544/21, WM 2023, 1126 Rn. 18 mwN). Werden in Allgemeinen Geschäftsbedingungen Rechtsbegriffe verwendet, so sind sie in der Regel entsprechend ihrer juristischen Fachbedeutung zu verstehen, insbesondere wenn die Rechtssprache mit dem verwendeten Ausdruck einen fest umrissenen Begriff verbindet oder erkennbar auf eine gesetzliche Regelung Bezug genommen wird (Senatsurteil vom 9. Mai 2023 aaO mwN).
Rz. 14
Sofern nach Ausschöpfung aller in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeiten Zweifel verbleiben und zumindest zwei Auslegungsergebnisse rechtlich vertretbar sind, kommt die sich zu Lasten des Klauselverwenders auswirkende Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB zur Anwendung. Dabei bleiben allerdings solche Verständnismöglichkeiten außer Betracht, die zwar theoretisch denkbar, praktisch aber fernliegend und nicht ernstlich in Erwägung zu ziehen sind (Senatsurteil vom 9. Mai 2023 - XI ZR 544/21, WM 2023, 1126 Rn. 20 mwN).
Rz. 15
c) Hieran gemessen ist die Zinsabrede in dem Schuldschein dahin auszulegen, dass sie keinen Anspruch des Klägers auf Zahlung der rechnerisch ermittelten oder noch zu ermittelnden "Negativzinsen" begründet. Einer Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB bedarf es hierfür - anders als das Berufungsgericht meint - allerdings nicht. Insoweit bewendet es, weil eine Unklarheit nicht vorliegt, bei dem zweifelsfrei allein zutreffenden Auslegungsergebnis, dass die Zinsabrede lediglich die vertragstypische Pflicht des Darlehensnehmers - wie hier des Klägers - nach § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB zur Zahlung von Zinsen im Rechtssinne nachzeichnen soll. Dies ergibt sich unter Zugrundelegung des von den tatrichterlichen Feststellungen umfassten Gesamtklauselwerks aus dem Wortlaut von Ziffer 1 sowie aus dem Regelungszusammenhang mit der vorangestellten Einleitung und der nachfolgenden Ziffer 6. Diese Auslegung entspricht aus der objektiven Sicht der Parteien auch dem Verständnis redlicher und verständiger Vertragspartner. Ein davon abweichender Sinn der Zinsabrede, der zu einer für den Kläger günstigen Verständnismöglichkeit führte, ist ihr nicht beizumessen.
Rz. 16
aa) Nach ihrem Wortlaut besagt Ziffer 1 nur, zu welchem Zinssatz das "Darlehen […] zu verzinsen" ist. Indem für die Ermittlung des "Zinses" ohne ausdrückliche Festlegung einer Zinsuntergrenze auf den "6-Monats-EURIBOR" als Referenzzinssatz Bezug genommen wird, kann sich zwar rechnerisch und nach ihrem Wortlaut eine negative Zinsschuld ergeben, wenn der Referenzzinssatz hinter dem Zinsabschlag von "0,013%" betragsmäßig zurückbleibt. Ziffer 1 nennt jedoch keinen Schuldner, der die nominalen "Negativzinsen" zu zahlen hätte. In der Einleitung werden lediglich die Beklagte als "Darlehensgläubiger" und der Kläger als "Darlehensschuldner" bezeichnet. Ferner bestimmt Ziffer 6, dass der Darlehensschuldner "Zins- und Tilgungsleistungen" (nur) auf ein inländisches Konto des Darlehensgläubigers zu überweisen hat, wohingegen sich das Gesamtklauselwerk zu Zinsleistungen des Darlehensgläubigers nicht verhält.
Rz. 17
Die Klausel in Ziffer 1 bewirkt durch die Vereinbarung eines variablen Zinssatzes eine Reduktion bestehender Zinsänderungsrisiken. Die vereinbarte Zinsvariabilität als solche nimmt einerseits der Bank das Risiko einer langfristigen Kalkulation ab und sichert ihr bei nachträglich eintretenden Kostensteigerungen ihre Gewinnmarge; andererseits bewahrt sie den Kunden davor, dass die Bank mögliche künftige Kostenerhöhungen vorsorglich schon bei Vertragsschluss durch Risikozuschläge aufzufangen versucht. Hinsichtlich der Ausgestaltung der Zinsvariabilität bleibt die Zinsanpassung, da sie sich automatisch vollzieht, der Möglichkeit unauffälliger Einflussnahme seitens einer Partei entzogen. Darin liegt lediglich eine Regelung über die Höhe des Zinses im Rechtssinne, den der Darlehensnehmer nach § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB als Gegenleistung für die Überlassung der Darlehensvaluta an den Darlehensgeber zu zahlen hat (vgl. Senatsurteil vom 9. Mai 2023 - XI ZR 544/21, WM 2023, 1126 Rn. 23 mwN).
Rz. 18
Diese Zusammenhänge zieht auch das Berufungsgericht nicht in Zweifel. Es geht davon aus, Ziffer 1 sei in Bezug auf den Vertragszins eine besondere Zahlungsrichtung nicht zu entnehmen, so dass zwar auch eine Zahlungspflicht durch den Darlehensgeber vom Wortlaut dieser Klausel gedeckt wäre. Dabei handele es sich jedoch nur um eine weitere vertretbare Auslegungsmöglichkeit neben der Möglichkeit, die Klausel dahin auszulegen, dass eine Zahlungspflicht der Beklagten neben der Auszahlung der Darlehensvaluta konkludent ausgeschlossen sei. Damit misst das Berufungsgericht dem Begriff "Zins" in Ziffer 1 nicht die ihm gebührende Bedeutung zu und verabsäumt es, in die Auslegung die Einleitung und Ziffer 6 des Gesamtklauselwerks einzubeziehen. Allerdings wirkt sich dieser Rechtsfehler nicht zum Nachteil des Klägers aus, weil es sich bei der zu dessen Lasten vorgenommenen Auslegung bei rechtsfehlerfreier Anwendung von § 305c Abs. 2 BGB um das zweifelsfrei allein zutreffende Ergebnis handelt. Hierfür spricht schon die vom Kläger selbst gewählte Bezeichnung der geschuldeten Leistung als "Zins" im Zusammenhang mit der Bezeichnung des Schuldverhältnisses als "Darlehen" und der Parteien als "Darlehensschuldner" und "Darlehensgläubiger". Zwar ist die Terminologie einer Klausel grundsätzlich nicht allein maßgeblich. Sind aber ihr Wortlaut und Wortsinn aussagekräftig, so kommt ihnen wesentliche Bedeutung für die Auslegung zu (vgl. Senatsurteil vom 9. Mai 2023 - XI ZR 544/21, WM 2023, 1126 Rn. 24 mwN).
Rz. 19
Die Revision wendet hiergegen ohne Erfolg ein, das Berufungsgericht sei rechtsfehlerhaft von einem vermeintlich einheitlich verstandenen Zinsbegriff oder einem falsch verstandenen gesetzlichen Leitbild des § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB ausgegangen, wonach "Negativzinsen" bei Darlehensverträgen stets ausgeschlossen seien.
Rz. 20
(1) Zur Auslegung der Zinsabrede ist im Ausgangspunkt zunächst von dem Begriff "Zins" auszugehen. Dieser wird im Gesetz nicht definiert, sondern von der Privatrechtsordnung vorausgesetzt. Dabei hat sich unter dem Einfluss ökonomischer Aspekte ein einheitliches juristisches Begriffsverständnis durchgesetzt. Zins im Rechtssinne bedeutet danach das für die Möglichkeit des Gebrauchs von zeitweilig überlassenem Kapital zu leistende Entgelt, das zeitabhängig, aber zugleich gewinn- und umsatzunabhängig berechnet wird (Senatsurteil vom 9. Mai 2023 - XI ZR 544/21, WM 2023, 1126 Rn. 26 mwN). Nach dieser Definition kann ein Zins - weil ein Entgelt - nicht negativ werden. Anders als die Revision meint, ist es dabei ohne Belang, dass die Privatrechtsordnung einen negativen Basiszinssatz im Sinne von § 247 BGB anerkennt. Denn der Basiszinssatz ist als fiktive Rechengröße ausgestaltet, ohne aus sich heraus eine Zinsschuld begründen zu können (Senatsurteil vom 9. Mai 2023 aaO mwN).
Rz. 21
(2) Für die Auslegung der Zinsabrede darf allerdings der normative Zusammenhang nicht ausgeblendet werden. Maßgeblich ist vielmehr der konkrete Inhalt des Schuldverhältnisses, in dessen Rahmen die Verzinsung vereinbart ist (Senatsurteil vom 9. Mai 2023 - XI ZR 544/21, WM 2023, 1126 Rn. 27 mwN). Das hat das Berufungsgericht richtig erkannt und - von der Revision unbeanstandet - festgestellt, dass die Parteien ein Darlehensvertrag mit Zinsabrede nach § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB verbindet.
Rz. 22
Maßgeblich für die rechtliche Einordnung ist das vertragliche Pflichtenprogramm zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses (vgl. Senatsurteil vom 9. Mai 2023 - XI ZR 544/21, WM 2023, 1126 Rn. 28 mwN). Danach haben die Parteien einen Darlehensvertrag geschlossen. Bei einem Darlehensvertrag ist gemäß § 488 Abs. 1 Satz 1 BGB die vertragstypische Hauptleistungspflicht des Darlehensgebers - ohne Rücksicht auf den konkreten Inhalt der getroffenen Zinsabrede - die Verpflichtung, dem Darlehensnehmer einen Geldbetrag in der vereinbarten Höhe zur Verfügung zu stellen. Die vertragstypische Hauptpflicht des Darlehensnehmers besteht - außer in der Abnahme der Darlehensvaluta - gemäß § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB in der Rückzahlung des zur Verfügung gestellten Darlehens und in der Zahlung eines geschuldeten Zinses. Diese Voraussetzungen waren vorliegend bei Vertragsschluss gegeben. Der Umstand, dass sich während der Vertragslaufzeit rechnerisch eine negative Zinsschuld ergeben hat, ist insoweit ohne Belang (vgl. Senatsurteil vom 9. Mai 2023 aaO mwN).
Rz. 23
Entgegen der Auffassung der Revision kann aus der Ausstellung von Schuldscheinen nicht auf den Parteiwillen geschlossen werden, ein von dem gesetzlichen Leitbild des § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB abweichendes Pflichtenprogramm zu vereinbaren. Der äußeren Form der Vertragsgestaltung kann keine größere Bedeutung beigemessen werden als ihr nach dem Vertragsinhalt zukommt. Richtigerweise ist die Ausstellung des Schuldscheines für die Vertragsauslegung ohne Belang. Schuldscheindarlehen sind rechtlich keine Wertpapiere, sondern Darlehen, die allerdings mittels standardisierter Dokumentation anleiheähnlich ausgestaltet sind und wirtschaftlich die Vorteile klassischer Bankkredite und Schuldverschreibungen vereinen. Den Charakter als Darlehensvertrag mit der im Synallagma zur Kapitalüberlassungspflicht stehenden Pflicht des Darlehensnehmers zur Zinszahlung verliert das Schuldscheindarlehen aber dadurch nicht (Senatsurteil vom 9. Mai 2023 - XI ZR 544/21, WM 2023, 1126 Rn. 29 mwN).
Rz. 24
(3) Für die Auslegung der Zinsabrede ist somit der Zinsbegriff im Sinne des § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB zugrunde zu legen, was - vom Berufungsgericht richtig erkannt - einen Rückgriff auf das gesetzliche Leitbild gebietet.
Rz. 25
§ 488 Abs. 1 Satz 2 BGB verpflichtet den Darlehensnehmer, einen "geschuldeten" Zins zu zahlen. Hieraus und aus der Bezugnahme auf die "vereinbarten" Zinsen in § 488 Abs. 2 BGB wird deutlich, dass die Zinszahlungspflicht auf einer Vereinbarung der Vertragsparteien beruht. Als ergänzende Regelung des dispositiven Gesetzesrechts gibt § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB vor, worauf sich die Parteien eines Darlehensvertrags ohne Zinsabrede im Zweifel verständigt hätten. Wird unter Geltung des dispositiven Gesetzesrechts eine Zinsabrede getroffen, entlastet § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB die Vertragsparteien davon, eine umfassende rechtsgeschäftliche Regelung darüber zu treffen, was unter dem Begriff "Zins" im Sinne ihrer Vereinbarung zu verstehen sein soll. Es gilt dann der Zinsbegriff im Rechtssinne, soweit die Vertragsparteien keine abweichende Regelung getroffen oder die Ergänzung durch das dispositive Gesetzesrecht nicht ausgeschlossen haben. Dem entspricht es, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine ergänzende Vertragsauslegung ausscheidet, wenn die Vertragslücke durch Heranziehung des dispositiven Gesetzesrechts sachgerecht geschlossen werden kann. In diesem Sinne kommt § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB eine ähnliche Funktion wie einer Auslegungsregel zu (vgl. Senatsurteil vom 9. Mai 2023 - XI ZR 544/21, WM 2023, 1126 Rn. 31 mwN).
Rz. 26
Von diesen Grundsätzen hat sich das Berufungsgericht zu Recht leiten lassen. Durch die Verwendung der in § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB in geringfügiger Abwandlung enthaltenen Rechtsbegriffe "Zins", "Darlehen", "Darlehensgläubiger" und "Darlehensschuldner" hat es auf den allgemeinen Willen der Parteien geschlossen, ihrer Vereinbarung den Zinsbegriff im Rechtssinne zugrunde zu legen. Das steht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendete Rechtsbegriffe in der Regel entsprechend ihrer juristischen Fachbedeutung zu verstehen, insbesondere, wenn erkennbar auf eine gesetzliche Regelung Bezug genommen wird (Senatsurteil vom 9. Mai 2023 - XI ZR 544/21, WM 2023, 1126 Rn. 32 mwN).
Rz. 27
Da der Begriff "Zins" in § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB vorausgesetzt wird, hat das Berufungsgericht zum Zwecke der Vertragsauslegung auf das gesetzliche Leitbild zurückgegriffen. Dies lässt entgegen der Ansicht der Revision keinen Rechtsfehler erkennen. Ein gesetzliches Leitbild bietet sich als Bezugspunkt für die Auslegung eines Vertrags, für dessen Inhalt Allgemeine Geschäftsbedingungen maßgebend sind, schon deshalb an, weil das dispositive Gesetzesrecht für jeden Vertragstyp einen an der Gerechtigkeit orientierten Ausgleich der Interessen der Vertragsparteien enthält (vgl. Senatsurteil vom 9. Mai 2023 - XI ZR 544/21, WM 2023, 1126 Rn. 33 mwN). Es ist deswegen vom Erwartungshorizont eines verständigen und redlichen Vertragspartners regelmäßig mitumfasst.
Rz. 28
Obschon die jeweils durch Auslegung vorzunehmende Prüfung gegebenenfalls zu deckungsgleichen Ergebnissen führen kann, sind Vertragsauslegung, ergänzende Vertragsauslegung und AGB-rechtliche Inhaltskontrolle nicht gleichwertig, sondern liegt ihnen eine logische Prüfungsreihenfolge mit jeweils eigenem Prüfungsmaßstab zugrunde. Das übersieht die Revision, soweit sie unter Berufung auf eine vereinzelt vertretene Auffassung im Schrifttum (Fornasier, EWiR 2022, 197, 198; vgl. auch Feldhusen, BKR 2022, 475, 479; Renner, AcP 222 (2022) 217, 236 f.) davon ausgeht, die vom Berufungsgericht vorgenommene Vertragsauslegung anhand des gesetzlichen Leitbilds des § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB widerspreche der Systematik der §§ 305 ff. BGB und bewirke einen Vertragstypenzwang (vgl. Senatsurteil vom 9. Mai 2023 - XI ZR 544/21, WM 2023, 1126 Rn. 34).
Rz. 29
(4) Das Berufungsgericht hat ferner zutreffend angenommen, dass die geltend gemachten "Negativzinsen" nach dem gesetzlichen Leitbild des § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB keine Zinsen im Rechtssinne darstellen.
Rz. 30
Grundnorm des Darlehensrechts ist § 488 BGB, der nach seiner amtlichen Überschrift die vertragstypischen Pflichten beim Darlehensvertrag festlegt. Diese sind für das juristische Begriffsverständnis des Zinses leitbildend. Gemäß § 488 Abs. 1 Satz 1 BGB ist der Darlehensgeber aufgrund des Darlehensvertrags verpflichtet, dem Darlehensnehmer den Geldbetrag in der vereinbarten Höhe zur Verfügung zu stellen. Diese Pflicht umfasst die Überlassung und Belassung des Geldbetrages während der Vertragslaufzeit. Der Darlehensnehmer seinerseits hat das Darlehen nach § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB bei Fälligkeit zurückzuzahlen und als Gegenleistung für die Zurverfügungstellung des Geldbetrages den vertraglich vereinbarten Zins zu zahlen. Beim Darlehensvertrag stellt daher der Zins den Preis für die Kapitalnutzung dar (vgl. Senatsurteil vom 9. Mai 2023 - XI ZR 544/21, WM 2023, 1126 Rn. 36 mwN).
Rz. 31
Daraus lässt sich für das eingangs dargestellte juristische Begriffsverständnis des Zinses im Sinne des § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB ableiten, dass derjenige, der das Kapital zeitweilig erlangt (Darlehensnehmer), demjenigen, der das Kapital zur Verfügung stellt (Darlehensgeber), als Zins einen stets positiven Betrag zu zahlen hat. Dem Zinsbegriff im Rechtssinne ist sonach eine definitorische Untergrenze bei 0% immanent, bei deren Erreichen die Pflicht des Darlehensnehmers zur Zinszahlung entfällt. Damit lässt sich eine Umkehrung des Zahlungsstroms von dem Darlehensgeber an den Darlehensnehmer nicht vereinbaren (Senatsurteil vom 9. Mai 2023 - XI ZR 544/21, WM 2023, 1126 Rn. 37 mwN). Das entspricht auch der wirtschaftswissenschaftlichen Sicht. Im Wirtschaftsverkehr ist nämlich die Zurverfügungstellung von Kapital von einer Gegenleistung abhängig. Diese Gegenleistung in Form eines Zinses ist nicht anders als ein vom Kapitalnehmer an den Kapitalgeber zu zahlender, stets positiver Betrag vorstellbar. Dies zeigt sich auch an der Vorschrift des § 514 BGB, der den Ausnahmefall des unentgeltlichen Darlehensvertrags regelt, bei dem von der Laufzeit abhängige oder unabhängige Zahlungen oder sonstige Leistungen als Gegenleistung für das Darlehen nicht vereinbart werden (Senatsurteil vom 9. Mai 2023 aaO mwN).
Rz. 32
Aus § 489 Abs. 2 BGB, der ohne eine Einschränkung die Möglichkeit vorsieht, einen veränderlichen Zinssatz zu vereinbaren, auf dessen Grundlage sich rechnerisch eine negative Zinsschuld ergeben kann, kann die Revision nichts für sich Günstiges herleiten. Die Vorschrift bestätigt nur, dass es dem Zinsbegriff nicht widerspricht, wenn die Höhe der zu leistenden Vergütung nicht von vornherein feststeht, sondern sich nach bestimmten, möglicherweise wechselnden Umständen richtet. In der Sache ergänzt die Vorschrift § 488 Abs. 3 BGB, indem sie dem Darlehensnehmer die zusätzliche Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung des Darlehensvertrags einräumt, um ihn in die Lage zu versetzen, mit Hilfe des Kündigungsrechts marktgerechte Zinskonditionen zu vereinbaren. § 489 Abs. 2 BGB kann deshalb kein leitbildprägender Charakter für die Ausgestaltung der vertragstypischen Pflichten beim Darlehensvertrag entnommen werden. Diese ergeben sich vielmehr aus § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB (Senatsurteil vom 9. Mai 2023 - XI ZR 544/21, WM 2023, 1126 Rn. 38 mwN).
Rz. 33
(5) Unter Zugrundelegung des gesetzlichen Leitbilds des § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB ist die Zinsabrede in dem Schuldschein dahin auszulegen, dass die Beklagte nicht zur Zahlung der rechnerisch ermittelten oder noch zu ermittelnden "Negativzinsen" verpflichtet ist. Die Zinsabrede legt im Einklang mit § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB als Schuldner der Zinszahlungspflicht den Kläger fest. Das folgt aus der Zusammenschau von Ziffer 1 mit der mit ihr inhaltlich zu einer Einheit verbundenen Einleitung und der Ziffer 6, wonach "Darlehensschuldner" der Kläger ist und er als solcher "Zins- und Tilgungsleistungen" (nur) auf ein inländisches Konto des Darlehensgebers zu überweisen hat. Damit ist ein eindeutiger Bezug zu den in § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB geregelten Pflichten des Darlehensnehmers hergestellt, die - was jedenfalls die Rückzahlung des Darlehens anbelangt - nur ihn treffen können. Demgegenüber verhält sich das Gesamtklauselwerk zu Zinsleistungen der Beklagten, die in der Einleitung als "Darlehensgläubiger" bezeichnet wird, nicht. Das führt zu dem zweifelsfrei allein zutreffenden Auslegungsergebnis, dass die Zinsabrede lediglich die vertragstypische Pflicht des Darlehensnehmers nach § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB zur Zahlung von Zinsen im Rechtssinne nachzeichnen soll.
Rz. 34
bb) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Zinsabrede keine ausdrückliche Zinsuntergrenze enthält. Das hat das Berufungsgericht im Ergebnis richtig erkannt, soweit es davon ausgeht, Ziffer 1 könne nach § 305c Abs. 2 BGB im Zweifel auch dahin ausgelegt werden, dass in Bezug auf den zu zahlenden Vertragszins eine Zahlungspflicht des Darlehensgebers neben der Auszahlung der Darlehensvaluta konkludent ausgeschlossen sei. Dem Schweigen kommt schon kein Erklärungswert dieses Inhalts zu.
Rz. 35
(1) Die vereinbarte Zinsvariabilität spricht zwar für den übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien, dass sich die Verzinsung grundsätzlich nach den Marktverhältnissen nach Abschluss des Vertrags richtet (Senatsurteil vom 9. Mai 2023 - XI ZR 544/21, WM 2023, 1126 Rn. 41 mwN). Es ist deshalb in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, dass der Kunde, der sich für einen variablen Zinssatz entscheidet, damit nicht nur das Risiko der Erhöhung der Zinsen in Kauf nimmt, sondern auch die ihm vorteilhafte Chance einer Zinssenkung wahrnehmen will (BGH, Urteil vom 6. März 1986 - III ZR 195/84, BGHZ 97, 212, 220). Zur Begrenzung dieser Risiken können die Parteien eine Zinsober- und/oder eine Zinsuntergrenze vereinbaren. Haben die Parteien - wie hier - nichts dergleichen vereinbart, kann aus dem Fehlen einer Zinsuntergrenze nicht geschlossen werden, dass dem Darlehensnehmer gegebenenfalls ein Anspruch auf Zahlung von "Negativzinsen" zukommen soll. Denn die unterbliebene ausdrückliche Vereinbarung einer Zinsuntergrenze beruht darauf, dass die Parteien bei Vertragsschluss entweder davon ausgegangen sind, dass der variable Zins nach der von ihnen vereinbarten Zinsformel aufgrund der zu erwartenden Marktentwicklung nicht negativ werden könne, oder dass sie aufgrund des Leitbilds und der vertragstypischen Pflichten eines Darlehensvertrags angenommen haben, dass ohnehin nur den Darlehensnehmer, nicht aber den Darlehensgeber eine Zinszahlungspflicht treffen könne (vgl. Senatsurteil vom 9. Mai 2023 aaO).
Rz. 36
(2) Ohne Erfolg wendet die Revision hiergegen ein, dass eine Störung des Äquivalenzverhältnisses von Leistung und Gegenleistung bestünde, wenn die Beklagte bei Absinken des Referenzzinssatzes unterhalb des Zinsabschlags von "0,013%" ihre Refinanzierungsmarge ausweiten könnte, je weiter sich der Referenzzinssatz in den negativen Bereich entwickelt (vgl. hierzu die Nachweise im Senatsurteil vom 9. Mai 2023 - XI ZR 544/21, WM 2023, 1126 Rn. 42).
Rz. 37
Mit der Berufung auf das Äquivalenzprinzip bemüht die Revision einen Kontrollmaßstab, der nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei der Inhaltskontrolle von in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen Preis- oder Zinsanpassungsklauseln herangezogen wird (vgl. Senatsurteil vom 9. Mai 2023 - XI ZR 544/21, WM 2023, 1126 Rn. 43 mwN). Die Preisvereinbarung für die Hauptleistung unterliegt dagegen weder der Inhaltskontrolle, soweit sie Art und Umfang der Vergütung unmittelbar regelt, noch einer gerichtlichen Angemessenheitsprüfung. Dies folgt daraus, dass die Festlegung der Preise zum Kernbereich der Ausübung privatautonomer Handlungsfreiheiten gehört und daher primär einer Kontrolle durch den Wettbewerb unterliegt. Auch wenn Preisbestimmungen nicht individuell ausgehandelt werden, sondern in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten sind, kommt eine Preiskontrolle durch die Gerichte nach dem Willen des Gesetzgebers in der Regel nicht in Betracht. Die Vertragsparteien sind vielmehr nach dem Grundsatz der Privatautonomie berechtigt, Leistung und Gegenleistung frei zu bestimmen. Die Parteien widmen typischerweise gerade dem zu entrichtenden Preis eine hinreichende Aufmerksamkeit. Ihre regelmäßig hiervon abhängige Entscheidung für oder gegen einen Vertragsschluss ist Ausdruck einer individuellen und freien Entscheidung. Die Kontrollfreiheit gilt nicht nur für die Höhe des Preises, sondern auch für das Äquivalenzinteresse im Sinne der Angemessenheit des Preis-Leistungs-Verhältnisses. Es kann deshalb grundsätzlich auch nicht überprüft werden, ob dem Preis eine angemessene Leistung gegenübersteht (vgl. Senatsurteil vom 9. Mai 2023 - XI ZR 544/21, WM 2023, 1126 Rn. 43 mwN).
Rz. 38
So liegt der Fall auch hier. Die Zinsvereinbarung regelt die Höhe des vertraglich geschuldeten Zinses und stellt damit - was auch die Revision nicht in Abrede stellt - die Preishauptabrede für eine vertragliche Hauptleistung dar. Da nach § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB der vom Darlehensnehmer zu zahlende Zins der Preis für die Gewährung des Darlehens ist und seine Höhe oder Ausgestaltung eine durch gesetzliche Vorschriften nicht vorgegebene (privatautonome) Entscheidung der Vertragsparteien darstellt, ist die Bestimmung hierüber gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB der Inhaltskontrolle ebenso entzogen wie einer gerichtlichen Angemessenheitsprüfung. Daran ändert nichts, dass aus der Klausel der Umfang der vertraglichen Hauptleistung des Darlehensnehmers nicht unmittelbar ersichtlich ist, sondern hierfür noch der maßgebliche Referenzzinssatz heranzuziehen ist (vgl. Senatsurteil vom 9. Mai 2023 - XI ZR 544/21, WM 2023, 1126 Rn. 44 mwN).
Rz. 39
Entgegen der Auffassung der Revision kann das Äquivalenzprinzip im Rahmen der Vertragsauslegung nicht dazu herangezogen werden, um die Wertigkeit von Leistung und Gegenleistung neu zu bestimmen. Hierfür fehlt es bereits an einem Vergleichsmaßstab. Den Wert ihrer gegenseitig zu erbringenden Leistungen legen die Vertragsparteien privatautonom innerhalb der durch §§ 134, 138, 305 ff. BGB vorgegebenen Grenzen bei Vertragsschluss fest. Bei einem gegenseitigen Vertrag verspricht jede Vertragspartei ihre Leistung um der anderen willen und geht davon aus, dass die Leistung der anderen der ihren mindestens gleichwertig ist (vgl. Senatsurteil vom 9. Mai 2023 - XI ZR 544/21, WM 2023, 1126 Rn. 45 mwN). Eine Störung des Äquivalenzverhältnisses kann deshalb erst nach Vertragsschluss eintreten. Insoweit dient das Äquivalenzprinzip der Wiederherstellung der Vertragsgerechtigkeit. Dabei kommt wie bei der Vertragsauslegung dem vereinbarten Vertragstyp und der darin angelegten Risikoverteilung maßgebliche Bedeutung zu. Diese sieht bei einem Darlehensvertrag mit einem variablen Zins vor, dass - wie bereits dargelegt - bei sinkenden Marktzinsen der Darlehensgeber das Geschäftsrisiko trägt und er im ungünstigsten Fall von dem Darlehensnehmer keine Zinszahlung mehr beanspruchen kann (Senatsurteil vom 9. Mai 2023 aaO mwN).
Rz. 40
cc) Die Auslegung der Zinsklausel in Ziffer 1, dass die Beklagte keine "Negativzinsen" schuldet, entspricht aus der objektiven Sicht der Parteien auch dem Verständnis redlicher und verständiger Vertragspartner in ihrer Eigenschaft als professionelle Marktteilnehmer.
Rz. 41
(1) Für den Kunden ist die Refinanzierung der Bank oder - wie hier - der Zusatzversorgungskasse des öffentlichen Dienstes in der Regel nicht von Interesse, weil diese in die Risikosphäre der Bank bzw. des Darlehensgebers fällt (vgl. Senatsurteil vom 9. Mai 2023 - XI ZR 544/21, WM 2023, 1126 Rn. 48 mwN). Der verständigen Erwartung des Kunden entspricht es vielmehr, Zinsen für die ihm überlassene Darlehensvaluta zahlen zu müssen. Redlicherweise wird er nicht damit rechnen können, dass ihm umgekehrt Zinsen für die Kapitalnutzungsmöglichkeit bezahlt werden. Aus diesem Grund ist die Refinanzierung der Bank bzw. des Darlehensgebers in der Regel nicht vom Erwartungshorizont des Kunden umfasst. Nichts anderes gilt aus der Sicht des Darlehensgebers, der im vorliegenden Fall nicht Klauselverwender, sondern dessen Vertragspartner ist. Seine Erwartung ist mit der Überlassung der Darlehensvaluta berechtigterweise darauf gerichtet, diese nicht nur zurückzuerhalten, sondern mit der Verzinsung einen Gewinn zu erwirtschaften. Mit Rücksicht auf diese erkennbare Interessenlage ist es nicht zu vereinbaren, den Darlehensgeber zur Vergütung der von ihm erbrachten Hauptleistung verpflichtet anzusehen (vgl. Senatsurteil vom 9. Mai 2023 aaO mwN).
Rz. 42
(2) Die Vereinbarung des "6-Monats-EURIBOR" als Referenzzinssatz rechtfertigt keine andere Beurteilung. Die Vereinbarung eines bestimmten Referenzzinssatzes lässt keinen Rückschluss darauf zu, dass sich eine Bank kongruent zu diesem refinanziert; für eine tatsächliche Vermutung ist entgegen vereinzelt vertretener Auffassung im Schrifttum kein Raum (Senatsurteil vom 9. Mai 2023 - XI ZR 544/21, WM 2023, 1126 Rn. 49 mwN). In der Kreditpraxis ist es üblich, dass Banken eine "Mischfinanzierung" aus verschiedenen Refinanzierungsquellen mit institutsspezifischer unterschiedlicher Gewichtung betreiben. Dabei unterliegen die täglich neu abzuschließenden Refinanzierungsgeschäfte einer ständigen Veränderung. Aus diesem Grund lässt sich ein Kredit in der Regel weder einer bestimmten Refinanzierungsmaßnahme noch einer bestimmten Refinanzierungsart zuordnen. Der Referenzzinssatz wird sonach häufig nur als Bezugsgröße für die voraussichtliche Entwicklung der Refinanzierungskosten gewählt, nicht zuletzt auch, um den formellen Anforderungen des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB zu genügen, denen Zinsgleitklauseln unabhängig davon unterliegen, dass für sie die materiellen Anforderungen des § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht gelten (vgl. Senatsurteil vom 9. Mai 2023 aaO mwN).
Rz. 43
Unter diesem Gesichtspunkt hat sich in der Kreditpraxis der EURIBOR durchgesetzt. Er gibt den Durchschnittszinssatz an, zu dem eine Bank bereit ist, einer anderen Bank Gelder ohne Sicherheiten für eine bestimmte Zeit - wie hier sechs Monate - zur Nutzung zu überlassen. Diese Zusammenhänge können im unternehmerischen Geschäftsverkehr zwischen professionellen Marktteilnehmern als bekannt vorausgesetzt werden. Schon deswegen ist es vom Erwartungshorizont des Kunden nicht umfasst, dass sich eine Bank mit der Vereinbarung einer Zinsvariabilität und dem "6-Monats-EURIBOR" als Referenzzinssatz bereit erklärt, etwaige Zahlungen ihrer Refinanzierungspartner an ihn durchzureichen (vgl. Senatsurteil vom 9. Mai 2023 - XI ZR 544/21, WM 2023, 1126 Rn. 50 mwN). Dafür, dass dies vorliegend anders zu beurteilen wäre, weil Darlehensgeber keine Bank, sondern eine Zusatzversorgungskasse des öffentlichen Dienstes ist, sind keine Gründe ersichtlich.
Rz. 44
(3) Entgegen der Ansicht der Revision ist es aus Sicht eines redlichen und verständigen Vertragspartners ohne Belang, ob bei Absinken des Referenzzinssatzes unterhalb des Zinsabschlags von "0,013%" dem Darlehensnehmer der wirtschaftliche Wert des ihm vorteilhaften Abschlags entzogen werden würde, falls man nicht den Darlehensgeber zur Zahlung von "Negativzinsen" verpflichtet ansähe. Dies verkennt, dass Referenzzinssatz und Zinsabschlag miteinander verknüpft sind und nur zusammen die Abrede über die Höhe des Zinses darstellen. Es bleibt den Parteien dann - wie hier - unbenommen, zumindest stillschweigend eine Zinsuntergrenze von 0% zu vereinbaren.
Rz. 45
(4) Auch aus dem in Ziffer 4 vereinbarten beiderseitigen Kündigungsausschluss kann die Revision keine für den Kläger günstige Verständnismöglichkeit der Zinsabrede herleiten. Darin und in der in Ziffer 3 vereinbarten Fälligkeit des Darlehens zur Rückzahlung haben die Parteien ihren Willen zum Ausdruck gebracht, dass das Darlehen während der gesamten Vertragslaufzeit beim Kläger verbleiben soll, während nach Ziffer 1 Zinsen halbjährlich zur Zahlung fällig sein sollen. Hierauf hat sich die Beklagte aus Sicht eines verständigen und redlichen Vertragspartners eingelassen, weil ein Zahlungsausfall des Klägers praktisch ausgeschlossen war. Denn die anhaltende Leistungsfähigkeit der öffentlichen Hand wird durch die Steuerautonomie auf der einen Seite und die strenge aufsichtsbehördliche Überwachung der Einhaltung der haushaltsrechtlichen Grundsätze auf der anderen Seite gewährleistet (Senatsurteil vom 9. Mai 2023 - XI ZR 544/21, WM 2023, 1126 Rn. 53 mwN). Damit beschränkte sich das von der Beklagten zu tragende Risiko in erster Linie auf eine Zinsänderung, auf das die Parteien gesondert mit der in Ziffer 1 vereinbarten Zinsvariabilität reagiert haben.
Rz. 46
Diese Zusammenhänge lassen darauf schließen, dass sich der Kläger mit dem in Ziffer 4 vereinbarten beiderseitigen Kündigungsausschluss Planungssicherheit verschaffen wollte, das Darlehen nicht vorzeitig in voller Höhe zurückzahlen zu müssen, während die Beklagte auf eine dem Grunde nach fortwährende, wenn auch variable Einnahmequelle in Gestalt von Zinsen bedacht war. Darin erschöpft sich aus der Sicht redlicher und verständiger Vertragspartner der objektive Sinn dieser Vereinbarung und kann ihr - anders als die Revision meint - nicht die Bedeutung beigemessen werden, die Beklagte habe ihrem Willen Ausdruck verleihen wollen, das Risiko einer "Negativverzinsung" zu tragen (vgl. Senatsurteil vom 9. Mai 2023 - XI ZR 544/21, WM 2023, 1126 Rn. 54 mwN).
Rz. 47
dd) Entgegen der Auffassung der Revision ist der Zinsabrede keine andere, für den Kläger günstige Verständnismöglichkeit beizumessen, weil die Parteien mit der Wahl des "6-Monats-EURIBOR" als Referenzzinssatz zum Ausdruck gebracht hätten, dass nur eine Margensicherung vereinbart werden sollte, die den Kapitalnutzungswert am Markt widerspiegele.
Rz. 48
Träfe dies zu, wäre die vereinbarte Verzinsung nicht im Rechtssinne als Gegenleistung für die Zurverfügungstellung des Geldbetrages zu verstehen, sondern diente die Komponente des Referenzzinssatzes der gesonderten Vergütung des Geldwertänderungsrisikos (vgl. Feldhusen, BKR 2022, 475, 482; Lederer, AG 2022, R5; Radke, BKR 2019, 178, 179; Staudinger/Omlor, BGB, Neubearb. 2021, § 246 Rn. 42; Zellweger-Gutknecht, ZfPW 2015, 350, 368 ff.), welches bei steigenden Marktzinsen dem Darlehensgeber und bei sinkenden Marktzinsen dem Darlehensnehmer zugewiesen wäre (vgl. Feldhusen, aaO; Zellweger-Gutknecht, aaO S. 371). Dieses Klauselverständnis hätte die für den Kläger günstige Folge, dass bei Absinken des Referenzzinssatzes unterhalb des Zinsabschlags von "0,013%" sich der Zinsanspruch des Darlehensgebers in eine Zahlungspflicht umkehren würde.
Rz. 49
Diese Sichtweise trifft jedoch nicht zu. Sie steht - wie bereits dargelegt - weder mit dem Wortlaut der Ziffer 1 noch mit dem von dem gesetzlichen Leitbild des § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB geprägten Pflichtenprogramm der Parteien oder dem objektiven Erwartungshorizont redlicher und verständiger Vertragspartner in Einklang (vgl. Senatsurteil vom 9. Mai 2023 - XI ZR 544/21, WM 2023, 1126 Rn. 57).
Rz. 50
2. Ein Anspruch des Klägers ergibt sich nach den zugrunde zu legenden tatrichterlichen Feststellungen auch nicht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB). Darauf ist das Berufungsgericht von seinem Standpunkt aus folgerichtig nicht eingegangen, weil es an den hierfür erforderlichen Voraussetzungen fehlt. Insoweit liegt bereits keine ausfüllungsbedürftige Regelungslücke vor. Der von den Parteien geschlossene Darlehensvertrag enthält zwar keine ausdrückliche Regelung für den Fall, dass der in Ziffer 1 geregelte Zins rechnerisch unter null sinkt. Die Auslegung des Vertrags hat aber - wie dargelegt - ergeben, dass die Beklagte nach dem Regelungsplan der Vertragsparteien keine "Negativzinsen" schuldet.
Rz. 51
3. Aufgrund dessen kann sich der Kläger auch nicht auf die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) berufen. Die Parteien haben im Darlehensvertrag das Risiko, dass der Referenzzinssatz einschließlich des Zinsabschlags unter null absinkt, nur insoweit dem Darlehensgeber zugewiesen, als er von dem Darlehensnehmer keine Zinszahlung mehr beanspruchen kann. Das entspricht der gesetzlichen Risikoverteilung, die nicht über die Annahme einer Störung der Geschäftsgrundlage verändert werden darf (vgl. Senatsurteil vom 9. Mai 2023 - XI ZR 544/21, WM 2023, 1126 Rn. 59 mwN).
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Fundstellen
Dokument-Index HI15782878 |