Verfahrensgang
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Aussetzung des Verfahrens wird abgelehnt.
Die Revision des Klägers gegen den Beschluss des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 10. März 2021 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Streitwert: bis 40.000 €
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs der auf Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärung des Klägers.
Rz. 2
Der Kläger erwarb im September 2015 einen gebrauchten Mercedes zum Kaufpreis von 35.500 €. Zur Finanzierung des über eine Anzahlung von 15.500 € hinausgehenden Kaufpreises schlossen die Parteien mit Datum vom 3. September 2015 einen Darlehensvertrag über 20.000 €. Das Darlehen sollte in 48 Monatsraten zu je 300 € und einer Schlussrate von 7.237,35 € zurückgezahlt werden. Seite 1 des Darlehensvertrags enthält folgende Angabe über die Verzugsfolgen:
"Für ausbleibende Zahlungen wird Ihnen der gesetzliche Zinssatz für Verzugszinsen berechnet. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz."
Rz. 3
Mit Schreiben vom 16. Oktober 2018 erklärte der Kläger den Widerruf seiner auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung. Die Beklagte wies den Widerruf als verfristet zurück. Mit Anwaltsschreiben vom 14. Februar 2019 verlangte der Kläger von der Beklagten die Rückzahlung der von ihm geleisteten Raten und bot der Beklagten die Übergabe und Übereignung des finanzierten Fahrzeugs an. Im September 2019 löste der Kläger das Darlehen vertragsgemäß vollständig ab.
Rz. 4
Mit der Klage hat der Kläger zuletzt (1.) die Zahlung von 37.137,35 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen (hilfsweise: nach) Herausgabe des finanzierten Fahrzeugs und (2.) die Feststellung, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug befinde, begehrt. Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der - vom Senat zugelassenen - Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 5
Die Revision ist unbegründet.
I.
Rz. 6
Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Rz. 7
Der Kläger habe seine auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung nicht wirksam widerrufen. Der Widerruf sei verfristet, weil die dem Kläger zur Verfügung gestellte Vertragsurkunde alle für die Ingangsetzung der Widerrufsfrist erforderlichen Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB enthalten habe. Im Hinblick auf die erteilte Widerrufsinformation könne sich die Beklagte auf die Gesetzlichkeitsfiktion gemäß Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB berufen. Die dem Kläger erteilten weiteren Pflichtangaben unter anderem über den Verzugszins seien ebenfalls nicht zu beanstanden.
II.
Rz. 8
Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand.
Rz. 9
Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein wirksamer Widerruf des streitgegenständlichen, gemäß § 358 Abs. 3 BGB mit einem Kaufvertrag über ein Kraftfahrzeug verbundenen (Allgemein-)Verbraucherdarlehensvertrags nicht verneint werden. Das Berufungsgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass dem Kläger bei Abschluss des Darlehensvertrags gemäß § 495 Abs. 1 i.V.m. § 355 BGB ein Widerrufsrecht zustand und die Widerrufsfrist nicht zu laufen begann, bevor der Kläger die Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB erhalten hatte. Es hat aber zu Unrecht angenommen, dass die Beklagte ihre aus § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 (in der hier maßgeblichen, vom 11. Juni 2010 bis zum 20. März 2016 geltenden Fassung) i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB resultierende Verpflichtung, über den Verzugszinssatz und die Art und Weise seiner etwaigen Anpassung zu unterrichten, ordnungsgemäß erfüllt hat.
Rz. 10
Wie der Senat nach Erlass der Berufungsentscheidung entschieden und im Einzelnen begründet hat, erfordert zwar die Information über den Verzugszinssatz und die Art und Weise seiner etwaigen Anpassung nach Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB nach den Maßstäben des nationalen Rechts nicht die Angabe des zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden konkreten Prozentsatzes (vgl. Senatsurteil vom 5. November 2019 - XI ZR 650/18, BGHZ 224, 1 Rn. 52 mwN). Im Geltungsbereich der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates (ABl. 2008, L 133, S. 66, berichtigt in ABl. 2009, L 207, S. 14, ABl. 2010, L 199, S. 40 und ABl. 2011, L 234, S. 46) genügt dies aber den Anforderungen des Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB nicht, sondern verlangt die Angabe des zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden konkreten Prozentsatzes (vgl. Senatsurteil vom 12. April 2022 - XI ZR 179/21, WM 2022, 979 Rn. 11 f.). Dem ist die Beklagte nicht nachgekommen.
III.
Rz. 11
Das Berufungsurteil erweist sich jedoch aus anderen Gründen als richtig, so dass die Revision zurückzuweisen ist (§ 561 ZPO).
Rz. 12
1. Der vom Kläger verfolgte Zahlungsanspruch aus § 358 Abs. 4 Satz 1 BGB in der bis zum 27. Mai 2022 geltenden Fassung (im Folgenden: aF) i.V.m. § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB auf Rückgewähr der von ihm an die Beklagte geleisteten Zins- und Tilgungszahlungen ist jedenfalls derzeit unbegründet. Insoweit steht der Beklagten - was sie mit der Klageerwiderung geltend gemacht hat - nach § 358 Abs. 4 Satz 1 aF i.V.m. § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB gegenüber dem vorleistungspflichtigen Kläger ein Leistungsverweigerungsrecht zu, bis sie das finanzierte Fahrzeug zurückerhalten hat oder der Kläger den Nachweis erbracht hat, dass er das Fahrzeug abgesandt hat. Dass die Beklagte angeboten hätte, das Fahrzeug beim Kläger abzuholen (§ 357 Abs. 4 Satz 2 BGB), ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Das Leistungsverweigerungsrecht nach § 358 Abs. 4 Satz 1 aF i.V.m. § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB steht der Beklagten - was der Senat mit Urteil vom 25. Januar 2022 (XI ZR 559/20, WM 2022, 418 Rn. 17) entschieden und im Einzelnen begründet hat - auch in Bezug auf die von dem Kläger nach der Widerrufserklärung auf das Darlehen erfolgten Zahlungen zu. Soweit die Revision meint, die Beklagte könne sich auf das Leistungsverweigerungsrecht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht stützen, weil sie den Rückgewähranspruch des Klägers bereits dem Grunde nach in Abrede stelle, trifft dies nicht zu. Für den Kläger besteht in entsprechender Anwendung des § 322 Abs. 2 BGB die Möglichkeit, Zahlung "nach" Herausgabe des Fahrzeugs zu verlangen, was er in seinem Zahlungsantrag (lediglich) hilfsweise berücksichtigt hat. Dies setzt allerdings des Weiteren voraus, dass die Beklagte mit der Entgegennahme des Fahrzeugs im Verzug der Annahme ist (vgl. Senatsurteil vom 27. Oktober 2020 - XI ZR 498/19, BGHZ 227, 253 Rn. 29). Das ist hier aber nicht der Fall.
Rz. 13
Der Gläubigerverzug setzt grundsätzlich ein tatsächliches Angebot nach § 294 BGB voraus. Ein solches hat der Kläger nicht abgegeben. Soweit nach § 295 BGB ausnahmsweise ein wörtliches Angebot genügen kann, liegen dessen Tatbestandsvoraussetzungen nicht vor. Nach dieser Vorschrift genügt ein wörtliches Angebot des Schuldners unter anderem dann, wenn der Gläubiger ihm erklärt hat, dass er die Leistung nicht annehmen werde. Hierfür fehlt es vorliegend aber bereits an einer bestimmten und eindeutigen Erklärung der Beklagten, dass sie die Leistung nicht annehmen werde (vgl. Senatsurteil vom 14. Juni 2022 - XI ZR 552/20, WM 2022, 1371 Rn. 18 mwN). Die Beklagte hat sich vielmehr überhaupt nicht zu der Frage geäußert, ob sie - würde es denn tatsächlich angeboten werden - das Fahrzeug entgegennehmen werde. Allein darin, dass die Beklagte vorgerichtlich und im Rechtstreit das Vorliegen der materiell-rechtlichen Voraussetzungen eines wirksamen Widerrufs bestritten hat, liegt nicht die Erklärung, dass sie die Leistung nicht annehmen werde (vgl. Senatsurteil vom 14. Juni 2022 - XI ZR 552/20, aaO mwN). Davon abgesehen waren die wörtlichen Angebote des Klägers zur Herbeiführung eines Annahmeverzugs der Beklagten auch deshalb unzureichend, weil er damit seiner Vorleistungspflicht nicht genügt hat. Im Schreiben vom 16. Oktober 2018 forderte er die Beklagte lediglich zur Rückabwicklung des Vertrags auf, worunter - was durch den späteren Klagehauptantrag bestätigt wurde - lediglich eine Zug-um-Zug-Leistung verstanden werden konnte. Im Anwaltsschreiben vom 14. Februar 2019 bot der Kläger der Beklagten das finanzierte Fahrzeug zwar an, womit aber im Hinblick auf den späteren Hauptantrag erneut nur eine Zug-um-Zug-Leistung gemeint war.
Rz. 14
Vorsorglich weist der Senat für ein etwaiges Folgeverfahren darauf hin, dass aus der Abweisung des Rückgewähranspruchs als derzeit unbegründet lediglich in Rechtskraft erwächst, dass der Kläger gegen die Beklagte bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung keinen zur Zahlung fälligen Anspruch hatte, nicht dagegen, dass die Beklagte einem solchen Anspruch nicht weitere Einreden und Einwendungen entgegenhalten kann (vgl. Senatsurteil vom 30. März 2021 - XI ZR 193/20, BKR 2021, 371 Rn. 18 mwN).
Rz. 15
2. Mangels Herbeiführung eines Annahmeverzugs der Beklagten kann auch der Antrag auf dessen Feststellung keinen Erfolg haben.
IV.
Rz. 16
Der Antrag des Klägers auf Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs über die Vorabentscheidungsersuchen des Landgerichts Ravensburg vom 8. Januar 2021 (2 O 160/20, 2 O 320/20, juris) und vom 19. März 2021 (2 O 282/19, 2 O 384/19, 2 O 474/20, 2 O 480/20, juris) hat keinen Erfolg, weil sich die dort aufgeworfenen Fragen vorliegend nicht stellen oder - im Hinblick auf die Vorleistungspflicht des Käufers und Darlehensnehmers und eine diesbezügliche Vorlagepflicht - vom Senat bereits beantwortet worden sind (vgl. Senatsurteil vom 26. Oktober 2021 - XI ZR 608/20, WM 2021, 2248 Rn. 19 f.).
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Fundstellen
Dokument-Index HI15399815 |