Leitsatz (amtlich)
a) Ein Automobilclub stellt regelmäßig weder eine auf berufsständischer Grundlage errichtete Vereinigung noch eine berufsstandsähnliche Vereinigung i. S. d. Art. 1 § 7 RBerG dar.
b) Zu den Voraussetzungen der Verbandsklagebefugnis gem. § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG, wenn ein Verstoß gegen § 1 UWG i. V. m. Art. 1 § 1 RBerG geltend gemacht wird.
Normenkette
RBerG Art. 1 §§ 1, 5, 6 Nr. 2, § 7; UWG §§ 1, 13 Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des OLG Frankfurt v. 15.2.2001 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger ist ein dem Deutschen Anwaltverein e. V. angehörender örtlicher Anwaltsverein. Er verfolgt nach § 4 seiner Satzung den Zweck, die beruflichen Interessen der im Bezirk des LG Frankfurt/M. zugelassenen Rechtsanwälte zu fördern.
Der Beklagte ist ein Automobil- und Reiseclub. Er versteht sich nach seiner Satzung als Interessengemeinschaft von Verkehrsteilnehmern des öffentlichen Dienstes. Mitglied kann neben Angehörigen des öffentlichen Dienstes, vergleichbarer Einrichtungen sowie von Selbsthilfeeinrichtungen für den öffentlichen Dienst jeder Verkehrsteilnehmer werden, sofern er den Zwecken und Zielen des Vereins zustimmt.
Eine Tochtergesellschaft des Beklagten, die A. GmbH, bietet Rechtsschutzversicherungen an, die der Beklagte vermittelt.
Der Kläger nimmt den Beklagten, der über keine Erlaubnis zur Rechtsberatung verfügt, wegen einer in dessen Mitgliederzeitschrift, Ausgabe 3/99, unter der Überschrift "JUR-INFO: Rechtsinformation rund um die Uhr!" erschienenen Werbung für eine telefonische Hotline auf Unterlassung in Anspruch. Er sieht in der über die Hotline abrufbaren Dienstleistung eine unerlaubte Rechtsberatung des Beklagten.
Der Beklagte ist dem entgegengetreten.
Das LG hat den Beklagten dem Klageantrag entsprechend unter Androhung von Ordnungsmitteln verurteilt, es zu unterlassen, ohne Erlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz geschäftsmäßig Dritte in rechtlichen Fragen zu beraten, insbesondere Clubmitglieder und Rechtsschutzversicherungsnehmer bei Rechtsfragen in den Bereichen Auto, Verkehr und Reisen sowie bei juristischen Problemen des täglichen Lebens, insbesondere im Nachbarschaftsrecht, im Arbeitsrecht, insbesondere bei Änderungskündigungen, sowie im Mietrecht und/oder für diese Tätigkeit zu werben, insbesondere mit folgenden Aussagen:
"JUR-INFO: Rechtsinformation rund um die Uhr! (...)"
"Kleine Nummer, große Wirkung: Unter der 0180 können Sie als Clubmitglied ab sofort rund um die Uhr beim AR. anrufen, wenn Sie ein rechtliches Problem in Sachen Auto, Verkehr oder Reise bedrückt! Falls Sie eine AR. -Rechtsschutzversicherung abgeschlossen haben, erstreckt sich dieser Service sogar auf weitere Bereiche, zum Beispiel auf Mietrechtsfragen und Vertragsangelegenheiten aller Art, ja sogar auf Fragen zum Arbeitsrecht. (...)"
"Unsere Experten führen Sie außerdem zuverlässig durch den gerichtlichen und behördlichen Zuständigkeitsdschungel oder weisen Ihnen den Weg zu einem kompetenten Rechtsanwalt. (...)"
"Als AR.- Vollrechtsschutz-Versicherter haben Sie noch mehr Vorteile: Hier braucht sich unsere sach- und fachkundige Hilfe nicht auf die drei Themenbereiche Auto, Verkehr und Reise zu beschränken, sondern schließt juristische Probleme des täglichen Lebens mit ein - unabhängig davon, ob dieser Leistungsumfang in Ihrem Rechtsschutzvertrag auch abgedeckt ist. Also zum Beispiel das richtige Verhalten bei Nachbarschaftsstreitigkeiten; die Frage, ob Sie eine Änderungskündigung Ihres Chefs akzeptieren müssen; oder Informationen, wie Sie einen zahlungsunwilligen Mieter zur Räson rufen können. (...)" insbesondere wenn dies geschieht wie aus der Anlage A 1 ersichtlich:
Die Berufung des Beklagten ist ohne Erfolg geblieben (OLG Frankfurt GRUR-RR 2002, 37).
Mit der Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat den Betrieb der Hotline durch den Beklagten als eine unerlaubte Rechtsberatung und daher diesen Betrieb sowie die Werbung für ihn als Verstoß gegen § 1 UWG angesehen. Dazu hat es ausgeführt:
Die Mitglieder des Beklagten könnten, wie dieser eingeräumt und in seiner Werbung auch herausgestellt habe, unter der vom Beklagten betriebenen Hotline grundsätzlich erlaubnispflichtige Rechtsberatung i. S. d. Art. 1 § 1 RBerG abrufen. Die Dienstleistung werde aus der insoweit maßgeblichen Sicht der angesprochenen Verkehrskreise von dem Beklagten selbst erbracht. Dieser sei keine berufsständische oder auf ähnlicher Grundlage gebildete Vereinigung und könne daher auch nicht die Rechtsberatung im Bereich Auto, Reise und Verkehr gem. Art. 1 § 7 RBerG erlaubnisfrei erbringen. Ebenfalls ohne Erfolg berufe sich der Beklagte auf Art. 1 § 5 RBerG, da er weder Rechtsschutzversicherer sei noch Rechtsschutzversicherungen vertreibe. Die Anwendung des Erlaubnisvorbehalts des Rechtsberatungsgesetzes verstoße nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG; denn der Beklagte biete eine umfassende und vollwertige Rechtsberatung an.
II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
1. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass der Beklagte aus der Sicht der angesprochenen Verkehrskreise über die in dem "JUR-INFO" angegebene Hotline eine von ihm selbst zu erbringende Rechtsberatung i. S. d. Art. 1 § 1 RBerG angeboten hat. Diese Beurteilung lässt einen Rechtsfehler nicht erkennen (vgl. BGH v. 9.10.1986 - I ZR 138/84, BGHZ 98, 330 [332] = MDR 1987, 208 - Unternehmensberatungsgesellschaft I) und wird auch von der Revision nicht beanstandet.
2. Ohne Erfolg greift die Revision die Beurteilung des Berufungsgerichts an, der Beklagte könne sich, soweit es um Rechtsberatung außerhalb der Bereiche Auto, Verkehr und Reisen gehe, nicht auf die Bestimmung des Art. 1 § 5 RBerG stützen. Dabei kann dahinstehen, inwieweit die A. GmbH gemäß dieser Vorschrift berechtigt ist, die in der in Rede stehenden Werbung beschriebenen rechtsbetreuenden Tätigkeiten selbst in eigener Person vorzunehmen. Jedenfalls nämlich darf sie sich nicht des Beklagten in der in der Werbung dargestellten Weise bedienen. Soweit die Revision gegenteiliger Auffassung ist, übersieht sie die Bestimmung des Art. 1 § 6 Nr. 2 RBerG. Danach darf die Erledigung von Rechtsangelegenheiten durch Personen oder Stellen der in Art. 1 §§ 1, 3 und 5 RBerG bezeichneten Art nur auf zu diesen in einem Angestelltenverhältnis stehende Personen übertragen werden. Der Begriff des Angestellten ist zwar weit auszulegen. Er setzt aber immerhin voraus, dass eine abhängige, weisungsgebundene Tätigkeit im Betrieb eines anderen ausgeübt wird (RGSt 72, 313 [314]; Weth in Henssler/Prütting, Bundesrechtsanwaltsordnung, Art. 1 § 6 RBerG Rz. 4 m. w. N.). Im Streitfall fehlt es an einem solchen Rechtsverhältnis zwischen dem Beklagten und seiner als Rechtsschutzversicherer tätigen Tochtergesellschaft A. GmbH.
3. Das Berufungsgericht hat seine Auffassung, der Beklagte könne sich bei der Rechtsberatung in den Bereichen Auto, Verkehr und Reisen nicht auf Art. 1 § 7 RBerG stützen, damit begründet, dass Zusammenschlüsse, die - wie der Beklagte - der Förderung von Interessen dienten, die jedermann haben könne, nicht zu den in dieser Bestimmung privilegierten Vereinigungen zählten. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung ebenfalls stand.
a) Der Beklagte stellt, anders als die Revision meint, keine auf berufsständischer Grundlage errichtete Vereinigung dar. Denn bei ihm kann außer den Angehörigen des öffentlichen Dienstes und den diesen gleichgestellten Personen auch jeder andere Verkehrsteilnehmer Mitglied werden, der den Zwecken und Zielen des Beklagten zustimmt. Es fehlt damit eine Verbundenheit der Vereinsmitglieder bei der Wahrnehmung beruflicher Standesinteressen (vgl. Chemnitz/Johnigk, Rechtsberatungsgesetz, 11. Aufl., Rz. 671).
b) Es handelt sich bei dem Beklagten aber auch nicht um eine berufsstandsähnliche Vereinigung i. S. d. Art. 1 § 7 RBerG. Eine solche liegt dann vor, wenn die Vereinigung auf der Grundlage der gleichen oder ganz ähnlichen wirtschaftlichen oder sozialen Stellung ihrer Mitglieder zur Wahrnehmung der für diese Stellung bezeichnenden wirtschaftlichen oder sozialen Interessen gebildet worden ist (vgl. BGH, Urt. v. 3.4.1985 - I ZR 29/83, GRUR 1986, 79 [80] - Mietrechtsberatung; BVerwG v. 14.4.1983 - 5 C 110/79, DVBl. 1983, 1249 [1250]). Danach sind insbesondere Mietervereine als auf ähnlicher Grundlage errichtete Vereinigungen i. S. d. genannten Bestimmung anzusehen (vgl. BGH, Urt. v. 3.4.1985 - I ZR 29/83, GRUR 1986, 79 [80] - Mietrechtsberatung; Chemnitz/Johnigk, Rechtsberatungsgesetz, 11. Aufl., Rz. 721-723, jeweils m. w. N.). Dasselbe soll nach einer im Schrifttum vertretenen Auffassung auch für Automobilclubs gelten, da diese hinsichtlich der (eher geringen) Homogenität ihrer Mitglieder mit Mietervereinen unmittelbar vergleichbar seien (Rennen/Caliebe, Rechtsberatungsgesetz, 3. Aufl., Art. 1 § 7 Rz. 8). Dem kann nicht zugestimmt werden. Ein Automobilclub stellt wegen der sehr großen Zahl der in Betracht kommenden Mitglieder aus fast allen Bevölkerungsschichten regelmäßig keine Vereinigung mehr dar, die auf der Grundlage einer gleichen oder ganz ähnlichen wirtschaftlichen oder sozialen Stellung ihrer Mitglieder zur Wahrnehmung der dafür bezeichnenden wirtschaftlichen oder sozialen Interessen gebildet ist (Weth in Henssler/Prütting, Bundesrechtsanwaltsordnung, Art. 1 § 7 RBerG Rz. 46; Chemnitz/Johnigk, Rechtsberatungsgesetz, 11. Aufl., Rz. 732). Der Beklagte versteht sich nach seiner Satzung zwar als Interessengemeinschaft von Verkehrsteilnehmern des öffentlichen Dienstes. Mitglied kann aber neben Angehörigen des öffentlichen Dienstes, vergleichbarer Einrichtungen sowie von Selbsthilfeeinrichtungen für den öffentlichen Dienst auch jeder andere Verkehrsteilnehmer werden, sofern er den Zwecken und Zielen des Vereins zustimmt. Damit steht der Beklagte grundsätzlich nahezu jedermann offen. Dementsprechend kann bei ihm von einer - zumindest - gewissen Homogenität des Kreises von Personen, die als Mitglieder in Betracht kommen, sowie von einer dort vorhandenen gleichgerichteten Interessenlage keine Rede sein.
4. Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen zu der Frage getroffen, ob die vom Kläger, dessen Klagebefugnis sich allein aus § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG ergeben kann (vgl. Chemnitz, AnwBl. 1998, 528 f.), beanstandete Verhaltensweise des Beklagten den Wettbewerb auf dem relevanten örtlichen und sachlichen Markt, d. h. auf dem Gebiet der Rechtsberatung in dem Bereich, in dem die beim LG Frankfurt/M. zugelassenen Rechtsanwälte tätig sind, wesentlich zu beeinträchtigen vermag. Diese Beurteilung kann jedoch auf der Grundlage der sonstigen vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen sowie des unstreitigen Sachverhalts nachgeholt werden (BGH, Urt. v. 28.11.1996 - I ZR 197/94, MDR 1997, 964 = GRUR 1997, 767 [770] = WRP 1997, 735 - Brillenpreise II). Zu berücksichtigen ist insbesondere, dass der in Art. 1 § 1 RBerG geregelte grundsätzliche Erlaubniszwang für rechtsbesorgende Tätigkeiten nicht nur berufsständischen Interessen, sondern auch dem allgemeinen Interesse an einer zuverlässigen Rechtspflege dient und seine Missachtung daher regelmäßig ohne das Hinzutreten weiterer Umstände als wettbewerbswidrig anzusehen ist (vgl. BGH, Urt. v. 16.3.1989 - I ZR 30/87, MDR 1989, 793 = GRUR 1989, 437 [438] = WRP 1989, 508 - Erbensucher; Urt. v. 13.3.2003 - I ZR 143/00, BGHReport 2003, 1086 = GRUR 2003, 886 [889] = WRP 2003, 1103 - Erbenermittler; GroßKomm/UWG/Teplitzky, § 1 Rz. G 116 m. w. N. in Fn. 479). Außerdem begründet die Verhaltensweise des Beklagten die erhebliche Gefahr, dass Mitbewerber in entsprechender Weise gegen das Verbot der unerlaubten Rechtsberatung verstoßen werden (vgl. BGH, Urt. v. 29.9.1994 - I ZR 138/92, MDR 1995, 380 = GRUR 1995, 122 [124] = WRP 1995, 104 - Laienwerbung für Augenoptiker; v. 28.11.1996 - I ZR 197/94, MDR 1997, 964 = GRUR 1997, 767 [769] - Brillenpreise II). Ohne Erfolg macht die Revision auch geltend, der Beklagte überschreite mit seiner beanstandeten Verhaltensweise jedenfalls nicht die Grenzen einer Erstberatung i. S. d. § 20 Abs. 1 S. 2 BRAGO. Die Revisionserwiderung weist hierzu mit Recht darauf hin, dass der Gesetzgeber mit der Einführung dieser Regelung dem Rechtsrat Suchenden den Gang zum Rechtsanwalt erleichtern wollte, nicht aber zu nicht autorisierten Rechtsberatern. Gerade auch eine erste Beratung im Sinne der genannten Vorschrift hat qualifiziert zu sein, da anderenfalls die Gefahr besteht, dass der Rechtsuchende von ihm in rechtlicher Hinsicht ggf. zustehenden Angriffs-, Verteidigungs- oder Gestaltungsmöglichkeiten schon überhaupt keine Kenntnis erlangt. Aus diesem Grund spricht der von der Revision herausgestellte Umstand, dass sich die vom Beklagten geleistete Beratungstätigkeit nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen auf eine "grobe Prüfung" beschränke, keineswegs gegen die Klagebefugnis des Klägers gem. § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG. Der Beurteilung der wesentlichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs steht nicht entgegen, dass der beklagte Verein nach seiner Einlassung für die Erteilung von Rechtsrat Rechtsanwälte einschaltet. Damit erfährt die beanstandete Tätigkeit des Vereins als verbotene Rechtsberatung wettbewerbsrechtlich keine andere Gewichtung.
III. Danach war die Revision des Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Fundstellen
BB 2004, 241 |
DB 2004, 1425 |
NJW 2004, 847 |
NWB 2004, 1238 |
BGHR 2004, 388 |
EWiR 2004, 721 |
GRUR 2004, 253 |
WM 2004, 940 |
AnwBl 2004, 249 |
MDR 2004, 823 |
NZV 2004, 181 |
VersR 2004, 929 |
WRP 2004, 487 |
NJW-Spezial 2004, 48 |
BRAK-Mitt. 2004, 136 |
KammerForum 2004, 138 |