Leitsatz (amtlich)
a) Die Revision kann nicht darauf gestützt werden, dass das Berufungsgericht seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen habe.
b) Eine im Rahmen eines selektiven Vertriebssystems getroffene Vereinbarung über Verkaufsziele zwischen einem Automobil-Vertragshändler (A-Händler) und einem ihm zugeordneten B-Händler, die dem B-Händler eine Bezugsbindung auferlegt, ist auch dann nicht vom Verbot des Art. 81 Abs. 1 EG freigestellt und demzufolge gem. Art. 81 Abs. 2 EG nichtig, wenn die Bezugspflicht des B-Händlers nur dahin geht, sich um die Abnahme einer bestimmten Anzahl von Neufahrzeugen zu bemühen.
Normenkette
ZPO §§ 513, 565; EG Art. 81; EGV 1475/95 Art. 4, 6
Verfahrensgang
OLG Braunschweig (Urteil vom 12.12.2002; Aktenzeichen 2 U 71/02) |
LG Braunschweig |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des OLG Braunschweig v. 12.12.2002 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien schlossen am 26.9.1996 einen Renault-Servicevertrag über den Vertrieb von Renault-Neufahrzeugen und -Originalersatzteilen. Die Beklagte war seinerzeit Renault-Vertragshändlerin - sog. A-Händlerin -, die im Vertrag als "Service" bezeichnete Klägerin war ihr als sog. B-Händlerin zugeordnet. Unmittelbare Vertragsbeziehungen zu der Deutschen Renault AG unterhielt die Klägerin nicht.
In Art. III des Renault-Servicevertrages ist unter der Überschrift "Verkaufsziele" unter Ziff. 3.2 folgende Regelung enthalten:
"Der Service bemüht sich, außer bei höherer Gewalt (insb. durch Arbeitskampf) rechtzeitig so viele Fahrzeuge zu bestellen, dass die in der jährlichen Anlage I festgelegten Verkaufsziele erreicht werden können. Der Händler bemüht sich, außer bei höherer Gewalt, die betreffende Vertragsware zu liefern, sofern DR (= Deutsche Renault AG) ihm diese geliefert hat.
Die Verpflichtungen laut diesem Art. 3.2 sind i.S.v. Art. 12.2.1 für Service und die Händler wesentliche Pflichten."
Art. XII sieht unter Ziff. 12.2.1 ein außerordentliches Kündigungsrecht beider Vertragsteile für den Fall vor, dass die andere Vertragspartei eine der ihr obliegenden wesentlichen Verpflichtungen nicht erfüllt. Die Anlage 1 zum Renault-Servicevertrag enthält die von den Parteien jährlich einvernehmlich festzusetzende Absatzzielmenge an Neuwagen, Lager- und Ausstellungsfahrzeugen sowie Vorführwagen, ferner eine Absatzzielsetzung für Originalersatzteile. In einem "Formular A zur Anlage I - 1999" ist für das dritte Quadrimester 1999 ein nach Fahrzeugtypen aufgeschlüsseltes Absatzziel von 54 Renault-Neufahrzeugen festgelegt.
Im Juni 1999 sprach die Deutsche Renault AG ggü. der Beklagten die ordentliche Kündigung des A-Händlervertrages zum 30.6.2001 aus. Die Klägerin ging ab September 1999 dazu über, die von ihr verkauften Renault-Neufahrzeuge über einen anderen Renault A-Händler zu beziehen, mit dem sie nach Ablauf des mit der Beklagten geschlossenen Servicevertrages zum 30.6.2001 einen neuen B-Händlervertrag abschloss. Im dritten Quadrimester 1999 nahm sie weniger als 54 Renault-Neufahrzeuge von der Beklagten ab, wodurch dieser unstreitig ein Einnahmeausfall i.H.v. 47.491,75 DM (24.282,15 EUR) entstand. Seit September 1999 bezog die Klägerin von der Beklagten keine Neufahrzeuge mehr. Die Zahl der von ihr im dritten Quadrimester 1999 verkauften Renault-Neufahrzeuge lag über 54. Ähnlich verhielt es sich nach Darstellung der Beklagten hinsichtlich des Verkaufs von Renault-Originalersatzteilen, deren Bezug über die Beklagte die Klägerin gleichfalls im September 1999 einstellte.
Die Beklagte hat gegen die zuletzt i.H.v. 34.162,11 EUR unstreitige Klageforderung mit einem Schadensersatzanspruch wegen ihres Einnahmeausfalls für das dritte Quadrimester 1999i.H.v. 24.282,15 EUR aufgerechnet und im Wege der Widerklage Auskunft über die von der Klägerin in der Zeit v. 1.9.1999 bis 30.6.2001 verkauften und nicht über sie, die Beklagte, bestellten Renault-Neufahrzeuge und Renault-Ersatzteile begehrt. Das LG Braunschweig hat die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung für begründet erachtet und der Klage daher nur i.H.v. 9.879,96 EUR nebst Zinsen stattgegeben. Die weiter gehende Zahlungsklage und die Widerklage hat es abgewiesen.
Gegen dieses Urteil haben beide Parteien beim OLG Braunschweig Berufung eingelegt. Auf die Berufung der Klägerin, die hilfsweise die Verweisung an das für Kartellsachen zuständige OLG Celle beantragt hatte, hat das OLG der Klage in vollem Umfang stattgegeben; die Berufung der Beklagten hat es zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte die in den Vorinstanzen erfolglose Auskunftswiderklage weiter. Hinsichtlich der Zahlungsklage erstrebt sie die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils mit der Maßgabe, dass der die Aufrechnungsforderung übersteigende Teil der Klageforderung der Klägerin nur Zug um Zug gegen Erfüllung der mit der Widerklage begehrten Auskunft zuerkannt werde. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Die Berufungen, die Klage und die Widerklage seien zulässig. Gemäß § 513 Abs. 2 ZPO komme es auf eine etwaige Unzuständigkeit des LG Braunschweig und damit auf den Hilfsantrag der Klägerin nicht an.
Die Berufung der Klägerin sei auch begründet. Die Absatzzielvereinbarung in Art. III des Renault Servicevertrages der Parteien sei unter Berücksichtigung der EG-Gruppenfreistellungsverordnung Nr. 1475/95 auszulegen. Nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 3 dieser Verordnung dürften aus einer Absatzzielvereinbarung nur "Bemühensverpflichtungen", dagegen keine einklagbare Pflicht des Händlers auf Abnahme von Vertragswaren hergeleitet werden. Art. 6 Abs. 1 Nr. 7 der Verordnung stehe ferner einem Verbot des Querbezugs von Vertragsware innerhalb des Vertriebssystems im gemeinsamen Markt entgegen. Die vertragliche Regelung der Parteien entspreche daher nur dann der Verordnung, wenn aus dem Verfehlen des vereinbarten Absatzziels keine Schadensersatzpflicht der Klägerin hergeleitet werden könne. In Ermangelung einer sonstigen Anspruchsgrundlage stehe der Beklagten auch der mit der Widerklage verfolgte Auskunftsanspruch nicht zu. Deren Berufung sei daher unbegründet.
II.
Die Entscheidung des Berufungsgerichts hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
1. Ohne Erfolg bleibt die Rüge der Revision, das OLG Braunschweig sei für die Entscheidung über die Berufung nicht zuständig gewesen, weil die zweitinstanzliche Zuständigkeit für Kartellsachen in Niedersachsen bei dem OLG Celle konzentriert sei.
a) Die Rüge scheitert allerdings nicht bereits daran, dass ein etwaiger Zuständigkeitsmangel in der Berufungsinstanz gem. § 295 ZPO durch rügelose Verhandlung zur Sache geheilt worden wäre. Die Bestimmung des § 295 ZPO, die gem. § 525 ZPO im Berufungsverfahren entsprechend anwendbar ist, gilt nach ihrem Abs. 2 nicht für die Verletzung von Vorschriften, auf deren Befolgung eine Partei wirksam nicht verzichten kann. Das ist, wie sich aus § 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, S. 2 ZPO ergibt, bei der ausschließlichen Zuständigkeit, auch bei der hier in Betracht kommenden ausschließlichen sachlichen Zuständigkeit des Kartellgerichts nach § 87 Abs. 1 GWB (Musielak/Heinrich, ZPO, 4. Aufl., § 40 Rz. 4, 5; Bornkamm in Langen/Bunte, Kartellrecht, 9. Aufl., § 95 GWB Rz. 2, m.w.N.), der Fall.
b) Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats zur Rechtslage vor dem In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses v. 27.7.2001 (BGBl. I, 1887, ZPO-Reformgesetz) wäre die Rüge aber in der Revisionsinstanz deswegen unbeachtlich, weil die Unzuständigkeit des OLG Braunschweig weder von der Klägerin noch von der Beklagten in der Berufungsinstanz beanstandet worden ist. Denn danach konnte die Rüge, dass im vorhergehenden Rechtszug ein für Kartellsachen zuständiger Spruchkörper hätte entscheiden müssen, im Berufungs- oder Revisionsrechtszug nur dann mit Erfolg erhoben werden, wenn - was hier nicht der Fall ist - die Partei glaubhaft machte, dass sie ohne ihr Verschulden außerstande war, die Rüge bereits in der Vorinstanz zu erheben (BGHZ 36, 105 [108] - Export ohne WBS; Bornkamm in Langen/Bunte, Kartellrecht, 9. Aufl., § 91 GWB Rz. 16). Diese auf das Jahr 1961 zurückgehende Rechtsprechung stützt sich auf die damals in § 528 ZPO enthaltene und mit Wirkung v. 1.7.1977 in § 529 Abs. 2 ZPO übernommene Regelung, dass in vermögensrechtlichen Streitigkeiten das Berufungsgericht die ausschließliche Zuständigkeit des Gerichts erster Instanz nicht von Amts wegen prüft und dass eine Rüge des Beklagten ausgeschlossen ist, wenn er im ersten Rechtszug ohne die Rüge zur Hauptsache verhandelt hat und dies nicht genügend entschuldigt.
c) Diese Bestimmung, deren entsprechende Geltung für das Revisionsverfahren aus § 566 ZPO a.F. hergeleitet wurde (BGHZ 36, 105 [108] - Export ohne WBS), ist indessen durch das ZPO-Reformgesetz als Folgeänderung zu § 513 Abs. 2 ZPO n.F. gestrichen worden (Begründung des Regierungsentwurfs zum ZPO-Reformgesetz, BT-Drucks. 14/4722, 102). Nach dieser Vorschrift kann die Berufung nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat. Das gilt auch für den Fall, dass es sich bei der vom Erstrichter missachteten Zuständigkeit eines anderen Gerichts um eine ausschließliche Zuständigkeit handelt. Darauf, ob in erster Instanz eine Zuständigkeitsrüge erhoben worden oder ohne Verschulden unterblieben ist, kommt es nicht mehr an.
d) Die Zuständigkeitsrüge der Revision bleibt aber deswegen ohne Erfolg, weil § 513 Abs. 2 ZPO gem. § 565 ZPO auf die Revision entsprechende Anwendung findet.
aa) Das ergibt sich allerdings nicht bereits aus dem Wortlaut der dem § 566 ZPO a.F. entsprechenden Bestimmung des § 565 ZPO n.F.
Verzichtbare Rügen, die die Zulässigkeit der Klage betreffen (§ 529 Abs. 1 ZPO a.F.) und zu denen auch die in § 529 Abs. 2 a.F. geregelte Zuständigkeitsrüge gezählt wurde, sind nicht Regelungsgegenstand des § 513 Abs. 2 ZPO n.F. Weggefallen ist mit der Streichung des § 529 Abs. 2 ZPO a.F. ferner die dort getroffene Ausnahmeregelung (näher Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl., § 529 Rz. 2, 11), nach der die ausschließliche Zuständigkeit vom Berufungsgericht nicht von Amts wegen zu prüfen war. Die Bestimmung des § 532 ZPO n.F., die den Regelungsgehalt der Abs. 1 und 4 des § 529 ZPO a.F. übernimmt und auf die sich die Verweisung in § 565 ZPO n.F. bezieht, betrifft nur verzichtbare Zulässigkeitsrügen, zu denen die Rüge der Unzuständigkeit wegen ausschließlicher Zuständigkeit eines anderen Gerichts nicht gehört (arg. § 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, S. 2 ZPO).
Nach dem Wortlaut der Neuregelung würde es damit für das Revisionsverfahren bei dem Grundsatz bewenden, dass Zuständigkeitsfragen vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen sind, soweit die Prüfung der Zuständigkeit nicht durch § 545 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen ist (so Wenzel in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., Aktualisierungsband, § 557 Rz. 23). Letzteres ist indessen nur für die Zuständigkeit des Gerichts erster Instanz der Fall, der in dem hier erörterten Zusammenhang keine Bedeutung zukommt.
bb) Ein solches Ergebnis wäre indessen mit dem Willen des Gesetzgebers, wie er aus dem Regelungskonzept des ZPO-Reformgesetzes deutlich wird, nicht zu vereinbaren. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs zu § 513 Abs. 2 und § 545 Abs. 2 ZPO (BT-Drucks. 14/4722, 94, 106) soll die Nachprüfung der Zuständigkeit des vorinstanzlichen Gerichts durch das Rechtsmittelgericht nicht ausgeweitet, sondern im Gegenteil im Interesse der Verfahrensbeschleunigung und der Entlastung der Rechtsmittelgerichte deutlich eingeschränkt und damit zugleich vermieden werden, dass die von dem vorinstanzlichen Gericht geleistete Sacharbeit wegen fehlender Zuständigkeit hinfällig wird. § 513 Abs. 2 ZPO schließt deshalb die Nachprüfung der vom Gericht erster Instanz angenommenen Zuständigkeit durch das Berufungsgericht nicht mehr nur für den Fall einer in erster Instanz schuldhaft versäumten Rüge, sondern generell aus. Entsprechendes gilt für § 545 Abs. 2 ZPO, nach dessen Wortlaut - eine Ausnahme gilt nach der Rechtsprechung des BGH für die internationale Zuständigkeit (BGH v. 28.11.2002 - III ZR 102/02, BGHZ 153, 82 [84 ff.] = MDR 2003, 348 = BGHReport 2003, 248; Urt. v. 27.5.2003 - IX ZR 203/02, BGHReport 2003, 1111 = MDR 2003, 1256 = WM 2003, 1542, für die Revision; ebenso für § 513 Abs. 2 ZPO BGH, Urt. v. 16.12.2003 - XI ZR 474/02, BGHReport 2004, 549 = MDR 2004, 707 = NJW 2004, 1456, unter II 1) - die Zuständigkeit des Gerichts erster Instanz der Nachprüfung durch das Revisionsgericht schlechthin entzogen sein soll.
Es ist auch kein Grund erkennbar, der dafür sprechen könnte, die Entscheidung des Berufungsgerichts über seine Zuständigkeit einer weiter gehenden Kontrolle zu unterwerfen als die entsprechende Entscheidung des Gerichts erster Instanz. In Anbetracht dessen hält es der Senat für ausgeschlossen, dass der Gesetzgeber mit dem ZPO-Reformgesetz die bis zu dessen In-Kraft-Treten bestehende Beschränkung der Möglichkeit, in der Revisionsinstanz die Unzuständigkeit des Berufungsgerichts zu rügen, beseitigen und die positive Entscheidung des Berufungsgerichts über seine Zuständigkeit einer unbeschränkten Nachprüfung durch das Revisionsgericht unterwerfen wollte. Er versteht die Verweisung des § 565 ZPO n.F. vielmehr dahin, dass zu den für die Berufungsinstanz geltenden und auf die Revision entsprechend anzuwendenden Vorschriften über "die Rügen der Unzulässigkeit der Klage" auch die Vorschrift des § 513 Abs. 2 ZPO zu zählen ist. Die Revision kann folglich nicht darauf gestützt werden, dass das Berufungsgericht seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat.
2. Auch in der Sache bleiben die Rügen der Revision ohne Erfolg. Das Berufungsgericht hat eine Schadensersatzpflicht der Klägerin wegen Verstoßes gegen die in Art. III Ziff. 3.2 des Servicevertrages getroffene Verkaufszielvereinbarung im Ergebnis zu Recht verneint.
a) Rechtsfehlerfrei geht das Berufungsgericht davon aus, dass die Vertragsklausel an Art. 85 EGV (jetzt Art. 81 EG) zu messen ist. Der Servicevertrag der Parteien ist Teil eines Vertriebsnetzes der Deutschen Renault AG, das sich auf das gesamte Territorium der Bundesrepublik Deutschland erstreckt. Schon aus diesem Grunde sind die Wettbewerbsbeschränkungen in dem Servicevertrag, dessen Inhalt von der Deutschen Renault AG vorgegeben ist und der hinsichtlich der für ein selektives Vertriebssystem typischen Wettbewerbsbeschränkungen inhaltlich weitgehend mit dem Renault-A-Händlervertrag übereinstimmt, geeignet, den innergemeinschaftlichen Handel zu beeinträchtigen.
b) Die in Art. III Ziff. 3.2 des Servicevertrages getroffene Verkaufszielvereinbarung verstößt gegen das Verbot des Art. 81 Abs. 1 EG und ist deshalb nach Art. 81 Abs. 2 EG nichtig, soweit sie Grundlage einer Schadensersatzpflicht der Klägerin wegen des von der Beklagten beanstandeten Verhaltens sein könnte.
aa) Gemäß Art. 4 Abs. 1 Nr. 3 der auf das hier zu beurteilende Rechtsverhältnis noch anzuwendenden Verordnung (EG) Nr. 1475/95 über die Anwendung von Art. 85 Abs. 3 des Vertrages auf Gruppen von Vertriebs- und Kundendienstvereinbarungen über Kraftfahrzeuge (fortan: Verordnung Nr. 1475/95) ist zwar eine Verpflichtung des Händlers, sich zu bemühen, in einem bestimmten Zeitraum innerhalb des Vertragsgebiets Vertragswaren mindestens in dem Umfang abzusetzen, der von den Vertragspartnern einvernehmlich oder bei fehlendem Einverständnis durch einen sachverständigen Dritten festgesetzt worden ist, vom Verbot des Art. 85 Abs. 1 EGV freigestellt. Damit stimmt Art. III Nr. 3.2 des Servicevertrages insofern überein, als dem B-Händler keine Abnahmepflicht, sondern nur eine "Bemühenspflicht" im Hinblick auf den Fahrzeugabsatz auferlegt wird.
Die Klausel kommt aber insoweit nicht in den Genuss der Freistellung nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 3 der Verordnung Nr. 1475/95, als sie nicht lediglich eine Pflicht des B-Händlers statuiert, sich um den Absatz einer bestimmten Anzahl von Renault-Neufahrzeugen zu bemühen, sondern darüber hinaus auch die Bestellung dieser Fahrzeuge bei dem A-Händler, der Partner des Servicevertrages ist, zum Gegenstand der "Bemühenspflicht" des B-Händlers macht. Denn dadurch wird zugleich eine Bezugsbindung des B-Händlers wenn nicht bezweckt, so doch jedenfalls bewirkt, die geeignet ist, ihn daran zu hindern, Renault-Neufahrzeuge für seinen Absatz von anderen Mitgliedern des selektiven Renault-Vertriebssystems, auch solchen im europäischen Ausland, zu beziehen. Für eine derartige Beschränkung der Freiheit des Kraftfahrzeughändlers, innerhalb des Gemeinsamen Marktes Vertragswaren bei einem Unternehmen des Vertriebsnetzes seiner Wahl zu erwerben, gilt die Gruppenfreistellung durch die Verordnung Nr. 1475/95 nach deren Art. 6 Abs. 1 Nr. 7 nicht.
bb) Allein eine Bezugsbindung der Klägerin kommt als Grundlage des Schadensersatzbegehrens der Beklagten in Betracht. Das von den Parteien für das dritte Quadrimester 1999 einvernehmlich festgelegte Absatzziel von 54 Neufahrzeugen hat die Klägerin nach den Feststellungen des Berufungsgerichts unstreitig übertroffen. Die vom Berufungsgericht erwogene Frage, welche Sanktionen an die Verfehlung eines einvernehmlich festgelegten Absatzziels zulässigerweise geknüpft werden können, stellt sich im Streitfall daher nicht. Die Beklagte begründet ihr Schadensersatzbegehren auch nicht mit mangelnden Absatzbemühungen der Klägerin. Der Schaden, den sie geltend macht, besteht vielmehr ausschließlich in dem Einnahmeausfall, den sie dadurch erlitten hat, dass die Klägerin seit September 1999 Renault-Neufahrzeuge nicht mehr von ihr, der Beklagten, sondern von einem anderen A-Händler bezogen hat.
Entgegen der von der Revision geteilten Auffassung des LG lässt sich eine Schadensersatzpflicht der Klägerin auch nicht damit begründen, dass die Klägerin, obwohl sie in der Lage gewesen wäre, die vereinbarte Anzahl von Fahrzeugen bei der Beklagten zu bestellen und diese abzusetzen, ohne anerkennenswerten Grund Fahrzeuge von dritter Seite bezogen und dadurch die Erreichung des gemeinsamen Absatzziels der Parteien vereitelt habe. Denn auch diese Begründung setzt denknotwendig eine - wenn auch eingeschränkte - Bezugsbindung der Klägerin voraus, die, wie dargelegt, mangels Freistellung von dem Verbot des Art. 81 EG nicht wirksam vereinbart werden konnte. Eine Bezugspflicht ggü. der Beklagten, von der die Klägerin sich nicht ohne vernünftigen Grund hätte lossagen dürfen, bestand somit nicht.
III.
Die Revision der Beklagten ist nach alledem mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 1332602 |
NJW 2005, 1660 |
BGHR 2005, 870 |
ZAP 2005, 447 |
EuZW 2005, 286 |
WRP 2005, 628 |
ELF 2005, 133 |
EuLF 2005, 167 |
ProzRB 2005, 209 |
WuW 2005, 521 |