Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstmaliges Bestreiten einer anspruchsbegründenden Tatsache. Zulässigkeit. Berufungsinstanz. Haustürsituation. Tatsächlich und rechtlich selbstständiger Gesamtstreitstoff. Vertraglich eingeräumtes Widerrufsrecht. Widerrufsbelehrung. Beitrittserklärung
Leitsatz (amtlich)
Hat das Berufungsgericht die Entscheidung dahingestellt bleiben lassen, ob es das erstmalige Bestreiten einer anspruchsbegründenden Tatsache (hier: des Vorliegens einer Haustürsituation) zulassen darf, kann das Revisionsgericht diese Entscheidung nicht anstelle des Berufungsgerichts treffen.
Normenkette
ZPO § 531 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Wiesbaden (Urteil vom 04.11.2010; Aktenzeichen 8 S 12/10) |
AG Rüdesheim am Rhein (Entscheidung vom 01.04.2010; Aktenzeichen 2 C 277/09) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 8. Zivilkammer des LG Wiesbaden vom 4.11.2010 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Der Beklagte beteiligte sich mit Beitrittserklärung vom 24.4.2006, die am 2.5.2006 angenommen wurde, an der Klägerin, einem geschlossenen Fonds in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, deren Zweck im Halten und Veräußern von Anteilen an Investmentvermögen besteht, welche von Kapitalgesellschaften ausgegeben werden. Unter den ihm in dem Beitrittsformular angebotenen Beteiligungsmöglichkeiten wählte er das Beteiligungsprogramm Multi D und verpflichtete sich zu monatlichen Ratenzahlungen von 50 EUR zzgl. 5 % Agio über einen Zeitraum von 40 Jahren, beginnend mit dem 1.7.2006 (Vertragssumme: 25.200 EUR), und einer jährlichen Dynamisierung der Rateneinlagen um 5 %.
Rz. 2
Das Beitrittsformular enthält folgende, von dem Beklagten unterschriebene Widerrufsbelehrung:
Widerrufsbelehrung Ich bin an meine auf den Abschluss der oben genannten Beitrittserklärung gerichtete Willenserklärung nicht mehr gebunden, wenn ich sie binnen zwei Wochen widerrufe. Die M. GbR verzichtet auf ein etwaiges vorzeitiges Erlöschen des Widerrufsrechts nach den gesetzlichen Bestimmungen (§§ 312d Abs. 3, 355 Abs. 3 BGB). Mit dem Widerruf meiner Willenserklärung kommt auch meine Beteiligung an der M. GbR nicht wirksam zustande. Form des Widerrufs Der Widerruf muss in Textform (z.B. Brief, Fax) erfolgen. Der Widerruf muss keine Begründung enthalten. Fristablauf Der Lauf der Frist für den Widerruf beginnt einen Tag, nachdem ich diese Widerrufsbelehrung unterschrieben habe und mir - ein Exemplar dieser Widerrufsbelehrung und - mein schriftlicher Vertragsantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde bzw. meines Vertragsantrages zur Verfügung gestellt wurden. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Adressat des Widerrufs Der Widerruf ist zu senden an die M. GbR, G. str., M., Telefon: (0) 6, Fax: (0) 6 Widerruf bei bereits erhaltener Leistung Habe ich vor Ablauf der Widerrufsfrist bereits Leistungen von der M. GbR erhalten, so kann ich mein Widerrufsrecht dennoch ausüben. Widerrufe ich in diesem Fall, so muss ich empfangene Leistungen jedoch binnen 30 Tagen an die M. GbR zurückgewähren und der M. GbR die von mir aus den Leistungen gezogenen Nutzungen herausgeben. Die Frist beginnt mit Absendung des Widerrufs. Kann ich die von der M. GbR mir gegenüber erbrachten Leistungen ganz oder teilweise nicht zurückgewähren - beispielsweise weil dies nach dem Inhalt der erbrachten Leistungen ausgeschlossen ist -, so bin ich verpflichtet, insoweit Wertersatz zu leisten. Dies gilt auch für den Fall, dass ich die von der M. GbR erbrachten Leistungen bestimmungsgemäß genutzt habe. Die Verpflichtung zum Wertersatz kann ich vermeiden, wenn ich die Leistungen vor Ablauf der Widerrufsfrist nicht in Anspruch nehme."
Rz. 3
Der Beklagte zahlte lediglich eine Rate.
Rz. 4
Die Klägerin verlangt im Urkundenprozess vom Beklagten die rückständigen Raten (einschließlich Dynamisierung) von Juli 2006 bis Dezember 2009i.H.v. insgesamt 2.359,20 EUR nebst Zinsen sowie vorgerichtliche Anwaltskosten i.H.v. 316,18 EUR. Mit der Klageerwiderung vom 4.2.2010 hat der Beklagte seine Beitrittserklärung außerordentlich gekündigt, wegen arglistiger Täuschung angefochten und deren Widerruf erklärt.
Rz. 5
Das AG hat die Klage abgewiesen; das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerin.
Entscheidungsgründe
Rz. 6
Die Revision der Klägerin hat Erfolg und führt unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
A.
Rz. 7
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Rz. 8
Der Beklagte habe seine Beitrittserklärung wirksam widerrufen. Es könne dahinstehen, ob das erstmalige Bestreiten des Bestehens einer sog. Haustürsituation bei der Abgabe der Beitrittserklärung des Beklagten durch die Klägerin in der Berufungsinstanz noch berücksichtigt werden könne. Der Widerruf sei unabhängig von dem Vorhandensein einer Haustürsituation wirksam, da die Klägerin dem Beklagten ein vertragliches Widerrufsrecht eingeräumt habe, dessen Ausübungsfrist im Zeitpunkt der Erklärung des Widerrufs nicht abgelaufen gewesen sei, weil die Widerrufsbelehrung nicht den gesetzlichen Anforderungen genügt habe. Auf den Widerruf des Beitritts fänden die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft Anwendung mit der Folge, dass die Klägerin die rückständigen Raten wegen Bestehens der Durchsetzungssperre nicht mehr isoliert geltend machen könne. Die Klage sei daher abzuweisen.
B.
Rz. 9
Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung im entscheidenden Punkt nicht stand.
Rz. 10
I. Die Revision ist unbeschränkt zulässig.
Rz. 11
Zwar hat das Berufungsgericht die Zulassung der - im Tenor uneingeschränkt zugelassenen - Revision damit begründet, dass die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO im Hinblick auf die Frage vorlägen, welchen rechtlichen Anforderungen die Widerrufsbelehrung unter Berücksichtigung der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft genügen müsse.
Rz. 12
Die Zulassung der Revision kann nach ständiger Rechtsprechung des BGH nur auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffs beschränkt werden, der Gegenstand eines Teilurteils sein oder auf den der Revisionskläger selbst seine Revision beschränken könnte. Unzulässig ist es, die Zulassung auf einzelne von mehreren Anspruchsgrundlagen oder auf bestimmte Rechtsfragen zu beschränken (s. nur BGH, Urt. v. 3.6.1987 - IVa ZR 292/85, BGHZ 101, 276, 278; Urt. v. 20.5.2003 - XI ZR 248/02, ZIP 2003, 1240, 1241). Danach kann hier nicht davon ausgegangen werden, dass das Berufungsgericht die Zulassung auf die Frage der inhaltlichen Anforderungen der Widerrufsbelehrung beschränken wollte.
Rz. 13
II. Zu Recht wendet sich die Revision gegen die Ansicht des Berufungsgerichts, der Beklagte habe aufgrund eines ihm vertraglich eingeräumten Widerrufsrechts seine Beitrittserklärung am 4.2.2010 wirksam widerrufen.
Rz. 14
1. Nach herrschender Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum kann ein Widerrufsrecht nicht nur von Gesetzes wegen bestehen, sondern grundsätzlich auch im Vereinbarungswege festgelegt werden. Danach können Vertragspartner - als Ausprägung der Vertragsfreiheit - ein Widerrufsrecht vertraglich vereinbaren und für die nähere Ausgestaltung sowie die Rechtsfolgen auf die §§ 355, 357 BGB verweisen (vgl. Staudinger/Kaiser, BGB [2004], § 355 Rz. 11; Palandt/Grüneberg, BGB, 71. Aufl., Vorb v § 355 Rz. 5; Bamberger/Roth/Grothe, BGB, 2. Aufl., § 355 Rz. 4; NK-BGB/Ring, 2. Aufl., § 355 Rz. 26; zur vertraglichen Vereinbarung einer Verlängerung der Widerrufsfrist vgl. BGH, Urt. v. 13.1.2009 - XI ZR 118/08, WM 2009, 350 Rz. 16 f.).
Rz. 15
2. Ob einer Widerrufsbelehrung, die keine Beschränkung darauf enthält, dass sie nur in gesetzlich vorgesehenen Fällen gelten soll, die Vereinbarung eines vertraglichen Widerrufsrecht entnommen werden kann, kann hier dahingestellt bleiben (vgl. zu dieser Problematik BGH, Urt. v. 15.10.1980 - VIII ZR 192/79, WM 1980, 1386, 1387, insoweit in BGHZ 78, 248 nicht abgedruckt; Urt. v. 30.6.1982 - VIII ZR 115/81, WM 1982, 1027; Urt. v. 6.12.2011 - XI ZR 401/10, ZIP 2012, 262 Rz. 17 und - XI ZR 442/10, juris Rz. 24; OLG Hamburg, Urt. v. 19.6.2009 - 11 U 210/06, juris Rz. 121; OLG Köln, Urt. v. 22.7.2009 - 27 U 5/09, juris Rz. 22 f.; Masuch in MünchKomm/BGB, 6. Aufl., § 360 Rz. 15; Ebnet, NJW 2011, 1029, 1030 f.; Godefroid, Verbraucherkreditverträge, 3. Aufl., Rz. 486 f.; Münscher, WuB I G 1.5.2003; Corzelius, EWiR 2009, 243, 244; Tetzlaff, GWR 2012, 88). Denn der Beklagte hätte ein ihm vertraglich eingeräumtes Widerrufsrecht jedenfalls nicht fristgemäß ausgeübt.
Rz. 16
a) Der Beklagte war - ein vertraglich eingeräumtes Widerrufsrecht unterstellt - nach der Widerrufsbelehrung berechtigt, seine Beitrittserklärung binnen zwei Wochen zu widerrufen. Der Lauf der Frist hätte danach einen Tag, nachdem er die Widerrufsbelehrung unterschrieben hatte und ihm ein Exemplar der Belehrung sowie sein schriftlicher Vertragsantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde bzw. seines Vertragsantrags zur Verfügung gestellt worden waren, begonnen. Diese Zweiwochenfrist, die am 25.4.2006 zu laufen begonnen hätte, wäre am 4.2.2010, als sein Prozessbevollmächtigter den Widerruf erklärte, längst abgelaufen gewesen.
Rz. 17
b) Für den Beginn der Widerrufsfrist kommt es nicht darauf an, ob die Widerrufsbelehrung den Anforderungen an eine Belehrung über ein gesetzliches Widerrufsrecht entspricht. Den Formulierungen des Beitrittsformulars lässt sich - wenn man der Widerrufsbelehrung überhaupt die Einräumung eines vertraglichen Widerrufsrechts entnehmen wollte - im Wege der Auslegung jedenfalls nicht entnehmen, die Klägerin habe dem Beklagten nicht nur ein vertragliches Widerrufsrecht mit der in der Widerrufsbelehrung beschriebenen Ausgestaltung einräumen wollen, sondern sich darüber hinaus auch verpflichtet, ihm gegenüber alle im Falle eines gesetzlichen Widerrufsrechts einzuhaltenden gesetzlichen Belehrungspflichten erfüllen zu wollen und ihm bei deren Nichteinhaltung ein unbefristetes Widerrufsrecht einzuräumen.
Rz. 18
aa) Bei der Auslegung der Vertragserklärung ist der Hintergrund der gesetzlichen Widerrufsvorschriften in den Blick zu nehmen:
Rz. 19
Die Fälle des gesetzlichen Widerrufsrechts, die eine Durchbrechung des Grundsatzes "pacta sunt servanda" darstellen, sind enumerativ und abschließend geregelt (§ 355 Abs. 1 Satz 1 BGB) und knüpfen an bestimmte gesetzliche Merkmale an (s. insoweit auch BGH, Urt. v. 6.12.2011 - XI ZR 401/10, ZIP 2012, 262 Rz. 17 und - XI ZR 442/10, juris Rz. 24). Wird einem Vertragspartner vertraglich ein Widerrufsrecht eingeräumt, das ihm nach dem Gesetz nicht zusteht, z.B. weil der Vertragsschluss außerhalb einer "Haustürsituation" erfolgt und es daher an der vom Gesetz typisierten Situation eines strukturellen Ungleichgewichts fehlt, kann nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass sich die Vertragspartner gleichwohl in einer solchen Situation begegnen. Sie sind vielmehr grundsätzlich als vom Gesetz gleichgewichtig eingeschätzte Vertragspartner anzusehen. Dann bestimmt sich der Inhalt des Widerrufsrechts aber auch ausschließlich durch Auslegung ihrer vertraglichen Vereinbarung.
Rz. 20
bb) Vor diesem Hintergrund bedarf es dann, wenn ein Unternehmer einem Verbraucher, ohne dazu gesetzlich verpflichtet zu sein, ein Widerrufsrecht eingeräumt hat, konkreter Anhaltspunkte in der getroffenen Vereinbarung dafür, dass zwar das Widerrufsrecht als solches von den gesetzlichen Voraussetzungen (z.B. einer Haustürsituation) unabhängig sein soll, gleichwohl die für die Ausübung des Widerrufsrechts vereinbarte Frist nur dann in Gang gesetzt werden soll, wenn der Unternehmer dem Anleger zusätzlich eine Belehrung erteilt hat, die den Anforderungen für ein gesetzliches Widerrufsrecht (hier: §§ 312, 355 BGB in der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 20.11.2001, BGBl. I, 3138) entspricht.
Rz. 21
Derartige Anhaltspunkte bestehen vorliegend nicht. Ein vernünftiger Empfänger der Erklärung der Klägerin konnte den Formulierungen der Widerrufsbelehrung nicht entnehmen, dass die Klägerin sich für den Fall, dass ein gesetzliches Widerrufsrecht nicht besteht, verpflichten wollte, dem Anleger vertraglich ein unbefristetes Widerrufsrecht einräumen zu wollen, wenn die von ihr in der Widerrufsbelehrung genannten Voraussetzungen des Widerrufsrechts nicht den vom Gesetz für ein gesetzliches Widerrufsrecht aufgestellten Anforderungen genügten.
Rz. 22
Für die gegenteilige Auslegung reicht es nicht aus, dass sich die Klägerin bei den Formulierungen an den Vorgaben des gesetzlichen Widerrufsrechts orientiert hat. Dies ist ersichtlich lediglich dem Umstand geschuldet, dass die Widerrufsbelehrung für den Fall des Eingreifens einer gesetzlichen Verpflichtung zur Belehrung in das Formular aufgenommen wurde, und besagt deshalb nichts für einen Willen der Klägerin, nicht bestehende Belehrungspflichten übernehmen und erfüllen zu wollen. Ebenso wenig folgt aus der Tatsache, dass die Klägerin selbstverständlich beabsichtigte, im Falle des Eingreifens eines gesetzlichen Widerrufsrechts mit der Belehrung die gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen, aus der Sicht eines verständigen Empfängers ein Anhaltspunkt dafür, dass er sein (möglicherweise vertragliches) Widerrufsrecht unter anderen als unter den formulierten Voraussetzungen werde ausüben können.
Rz. 23
Auch aus dem Umstand, dass die Klägerin unter Hinweis auf §§ 312d Abs. 3, 355 Abs. 3 BGB auf ein "etwaiges vorzeitiges Erlöschen" des Widerrufsrechts nach diesen Vorschriften verzichtet hat, folgt aus der maßgeblichen Sicht des Anlegers nicht, dass die Klägerin die gesetzlichen Belehrungspflichten auch in dem Fall erfüllen wollte, dass der Vertragsschluss nicht in einer Haustürsituation erfolgte. Es kann dahinstehen, ob der in der Widerrufsbelehrung erklärte Verzicht auf ein vorzeitiges Erlöschen des Widerrufsrechts nach den gesetzlichen Bestimmungen überhaupt dahin ausgelegt werden kann, er solle ggf. auch dann gelten, wenn die gesetzlichen Bestimmungen mangels Vorliegens eines gesetzlichen Widerrufsrechts schon nicht anwendbar sind und allenfalls ein vertraglich eingeräumtes Widerrufsrecht in Rede steht. Jedenfalls kommt in diesem Verzicht nicht zum Ausdruck, dem Anleger sämtliche Rechte, die das Gesetz dem Verbraucher in der besonders schutzwürdigen Situation eines Geschäftsabschlusses in einer Haustürsituation gewährt, selbst dann einräumen zu wollen, wenn eine solche Situation nicht gegeben ist. Der Verbraucher kann der Erklärung allenfalls entnehmen, dass der Unternehmer ihm damit ein Widerrufsrecht unter den in der Belehrung formulierten Voraussetzungen einräumt. Die Bezugnahme auf die gesetzlichen Bestimmungen ist für ihn nur insoweit von Bedeutung, als das ihm gegenüber formulierte Widerrufsrecht (dadurch) nicht eingeschränkt wird.
Rz. 24
III. Der Senat kann in der Sache nicht abschließend selbst entscheiden (§ 563 Abs. 1 ZPO).
Rz. 25
1. Das AG hat festgestellt, dass der Beitritt des Beklagten "unstreitig" in einer sog. Haustürsituation erfolgt ist. Das Berufungsgericht hat die Entscheidung darüber, ob es das nach seinen - von der Klägerin nicht mit einem Tatbestandsberichtigungsantrag nach § 320 ZPO angegriffenen (s. hierzu BGH, Urt. v. 10.5.2011 - II ZR 227/09, ZIP 2011, 1362 Rz. 19 m.w.N.) - bindenden Feststellungen erstmalige Bestreiten der Haustürsituation durch die Klägerin in der Berufungsinstanz zulassen darf, dahingestellt lassen. Diese Entscheidung kann der Senat nicht an Stelle des Berufungsgerichts treffen (st.Rspr., s. nur BGH, Urt. v. 22.2.2006 - IV ZR 56/05, BGHZ 166, 227 Rz. 12 m.w.N.).
Rz. 26
2. Für das wiedereröffnete Berufungsverfahren weist der Senat auf Folgendes hin.
Rz. 27
a) Sollte das Berufungsgericht das erstmalige Bestreiten der Haustürsituation durch die Klägerin in der Berufungsinstanz für unzulässig halten (§ 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO), stünde fest, dass der Beitritt des Beklagten in einer Haustürsituation nach § 312 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB (in der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 20.11.2001, BGBl. I, 3138) erfolgt ist. Diese Vorschrift findet auf Verträge über den Beitritt zu einer Gesellschaft, die wie die Klägerin der Kapitalanlage dienen soll, nach der vom Gerichtshof der Europäischen Union bestätigten (Urt. v. 15.4.2010 - C 215/08, ZIP 2010, 772) ständigen Rechtsprechung des Senats Anwendung (s. hierzu nur BGH, Urt. v. 12.7.2010 - II ZR 292/06, BGHZ 186, 167 Rz. 12 - FRIZ II).
Rz. 28
Diesen Beitritt hätte der Beklagte wirksam widerrufen. Sein Widerruf vom 4.2.2010 wäre fristgerecht, weil die Widerrufsbelehrung nicht den gesetzlichen Anforderungen (§§ 312, 355 BGB) entspricht.
Rz. 29
Der Schutz des Verbrauchers erfordert nach der ständigen Rechtsprechung des BGH eine möglichst umfassende, unmissverständliche und aus dem Verständnis der Verbraucher eindeutige Belehrung (s. nur BGH, Urt. v. 4.7.2002 - I ZR 55/00, ZIP 2002, 1730, 1731; Urt. v. 12.4.2007 - VII ZR 122/06, BGHZ 172, 58 Rz. 13; Urt. v. 10.3.2009 - XI ZR 33/08, BGHZ 180, 183 Rz. 14; s. nunmehr § 360 Abs. 1 BGB). Die Widerrufsbelehrung hat dem Verbraucher die ihm durch den Widerruf eröffneten wesentlichen Rechte und Pflichten bewusst zu machen; in ihr sind die tatsächlichen materiellen Rechtsfolgen der Erklärung des Widerrufs abzubilden (vgl. BGH, Urt. v. 12.4.2007 - VII ZR 122/06, BGHZ 172, 58 Rz. 11, 13 ff.; Urt. v. 2.2.2011 - VIII ZR 103/10, ZIP 2011, 572 Rz. 17).
Rz. 30
Diesen Anforderungen genügt die dem Beklagten erteilte Belehrung nicht, ohne dass der Senat an dieser Stelle entscheiden müsste, wie die Widerrufsbelehrung im Falle des Widerrufs einer Beteiligung an einer Anlagegesellschaft im Einzelnen formuliert werden muss (Probleme insoweit aufzeigend Podewils, MDR 2010, 117 ff.; Guggenberger, ZGS 2011, 397 ff.). Die Belehrung entspricht schon deshalb nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil sie lediglich auf aus dem Widerruf folgende Pflichten des Beklagten hinweist, nicht jedoch darauf, wie sich der Widerruf auf (etwaige) Rechte des Beklagten im Hinblick auf von ihm bereits an die Klägerin geleistete Zahlungen auswirkt. Ein solcher Hinweis war nicht deshalb entbehrlich, weil der Beklagte nach der konkreten Vertragsgestaltung Zahlungen erst nach Ablauf der Widerrufsfrist leisten musste. Es kommt nicht darauf an, ob vertragliche Leistungen nach der von der Klägerin beabsichtigten Vertragsgestaltung ausgeschlossen sein sollten, sondern ob sie nach der tatsächlichen Vertragsgestaltung auch ausgeschlossen waren. Das war vorliegend nicht der Fall. Zum einen war der Beklagte berechtigt, Zahlungen bereits vor dem festgelegten Fälligkeitstermin und damit auch vor Ablauf der Widerrufsfrist zu entrichten (§ 271 Abs. 2 BGB). Zudem waren die Fälligkeitstermine handschriftlich einzutragen; schon nach der vertraglichen Gestaltung war mithin die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, die Fälligkeit von Zahlungen vor Ablauf der Widerrufsfrist zu vereinbaren. Im Übrigen geht die von der Klägerin verwendete Widerrufsbelehrung selbst davon aus, dass Leistungen vor Ablauf der Widerrufsfrist in Betracht kamen; andernfalls hätte es nicht des in der Belehrung enthaltenen Hinweises bedurft, dass im Falle eines wirksamen Widerrufs bereits empfangene Leistungen zurückzugewähren seien (vgl. BGH, Urt. v. 2.2.2011 - VIII ZR 103/10, ZIP 2011, 572 Rz. 19).
Rz. 31
b) Sollte das Berufungsgericht in der wiedereröffneten Berufungsverhandlung erneut zu dem Ergebnis gelangen, dass der Widerruf der Beitrittserklärung durch den Beklagten wirksam ist, führte dies, wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat, nach der ständigen Rechtsprechung des Senats zur Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft und zur Ermittlung des Wertes des Gesellschaftsanteils des fehlerhaft beigetretenen Gesellschafters im Zeitpunkt seines Ausscheidens (s. nur BGH, Urt. v. 2.7.2001 - II ZR 304/00, BGHZ 148, 201, 207 f.; Urt. v. 12.7.2010 - II ZR 492/06, BGHZ 186, 167 Rz. 11 f. - FRIZ II; Urt. v. 17.5.2011 - II ZR 285/09, ZIP 2011, 1359 Rz. 14, 17). Das stünde einem Erfolg der Klage entgegen.
Rz. 32
Zwar wäre der Beklagte mit Zugang des Widerrufs mit Wirkung "ex nunc" aus der Klägerin ausgeschieden, mit (u.a.) der Folge, dass er zur Zahlung rückständiger, noch nicht erbrachter (Einlage-)Leistungen an die Gesellschaft verpflichtet bliebe (st.Rspr., s. nur BGH, Beschl. v. 5.5.2008 - II ZR 292/06, ZIP 2008, 1018 Rz. 9 m.w.N. - FRIZ I). Diesen Anspruch kann die Klägerin jedoch nicht mehr isoliert geltend machen. Nach der vom Berufungsgericht insoweit zutreffend gesehenen ständigen Rechtsprechung des Senats unterliegen sowohl die Ansprüche des Gesellschafters gegen die Gesellschaft als auch die der Gesellschaft gegen die Gesellschafter zum Stichtag des Ausscheidens einer Durchsetzungssperre; die gegenseitigen Ansprüche werden zu unselbständigen Rechnungsposten der Auseinandersetzungsrechnung (s. nur BGH, Urt. v. 15.5.2000 - II ZR 6/99, ZIP 2000, 1208, 1209; Urt. v. 2.7.2001 - II ZR 304/00, BGHZ 148, 201, 207 f.; Urt. v. 12.7.2010 - II ZR 492/06, BGHZ 186, 167 Rz. 12 - FRIZ II; Urt. v. 17.5.2011 - II ZR 285/09, ZIP 2011, 1359 Rz. 14, 17). Der Senatsentscheidung vom 16.12.2002 (II ZR 109/01, BGHZ 153, 214 ff.) ist nichts Abweichendes zu entnehmen.
Rz. 33
Das Berufungsgericht hat jedoch nicht in den Blick genommen, dass die unter Verkennung der Durchsetzungssperre auf Zahlung gerichtete Klage im ordentlichen Verfahren als Minus ein Feststellungsbegehren enthält, das darauf gerichtet ist, dass die entsprechende Forderung in die Auseinandersetzungsrechnung der Parteien eingestellt wird (s. nur BGH, Urt. v. 9.3.1992 - II ZR 195/90, NJW 1992, 2757, 2758; Urt. v. 15.5.2000 - II ZR 6/99, ZIP 2000, 1208, 1210; Urt. v. 18.3.2002 - II ZR 103/01, NZG 2002, 519). Im Urkundenprozess vermag diese Auslegung der Klage jedoch nicht zum Erfolg zu verhelfen; sie wäre insoweit als im Urkundenprozess unstatthaft abzuweisen (s. hierzu BGH, Urt. v. 22.5.2012 - II ZR 2/11, Umdr. S. 17 f., z.V.b.; s. auch Musielak/Voith, ZPO, 9. Aufl., § 597 Rz. 2).
Rz. 34
c) Sollte das Berufungsgericht das Bestreiten der Haustürsituation durch die Klägerin für zulässig erachten, wird es zu prüfen haben, ob das Gesprächsprotokoll als Urkundenbeweis i.S.d. §§ 592, 595 ZPO zum Nachweis der von der Klägerin behaupteten Bestellung i.S.d. § 312 Abs. 3 Nr. 1 BGB ausreicht. Es wird dabei in den Blick zu nehmen haben, dass die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Klägerin (s. nur BGH, Urt. v. 15.4.2010 - III ZR 218/09, BGHZ 185, 192 Rz. 14 m.w.N.) mit Hilfe des Gesprächsprotokolls nachweisen müsste, dass der Beklagte den Vermittler zu konkreten Vertragsverhandlungen in seine Wohnung bestellt hat (vgl. BGH, Urt. v. 19.11.1998 - VII ZR 424/97, ZIP 1999, 70, 71 f.; s. auch Urt. v. 15.4.2010 - II ZR 218/09, BGHZ 185, 192 Rz. 13 ff. sowie OLG Bremen, Urt. v. 29.2.2012 - 1 U 66/11, juris Rz. 34 f.). Eine den Anforderungen des § 312 Abs. 3 Nr. 1 BGB genügende Einladung liegt aber nur dann vor, wenn vorher der Gegenstand der Verhandlungen hinreichend konkret bezeichnet wird und sich die Einladung auf eine bestimmte Art von Leistungen bezieht, damit der Verbraucher in der Lage ist, sich auf das Angebot des Unternehmers vorzubereiten und nicht der für Haustürsituation typischen Überrumpelungsgefahr ausgesetzt ist.
Rz. 35
d) Soweit das Berufungsgericht das Bestreiten der Haustürsituation durch die Klägerin für zulässig halten und das Vorliegen der Haustürsituation als im Urkundenverfahren nicht beweisbar ansehen sollte, wird es sich mit den weiteren vom Beklagten geltend gemachten Gründen der Berechtigung seiner außerordentlichen Kündigung - die ebenfalls zur Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft führen würden (s. nur BGH, Urt. v. 21.7.2003 - II ZR 387/02, BGHZ 156, 46, 51 ff.) - zu befassen haben.
Fundstellen
Haufe-Index 3253514 |
DStR 2012, 10 |
NJW 2012, 8 |
NZG 2013, 101 |
WM 2012, 1620 |
ZAP 2012, 1098 |
JZ 2012, 638 |
MDR 2012, 1245 |
PAK 2012, 182 |