Leitsatz (amtlich)
Der Käufer eines ehedem volkseigenen Miteigentumsbruchteils an einem mit einem Eigenheim bebauten Grundstück kann nach § 121 Abs. 2 SachenRBerG zum Ankauf des Bruchteils von dessen jetzigem Inhaber berechtigt sein.
Normenkette
SachenRBerG § 121 Abs. 2; DDR: VerkaufsG § 5
Verfahrensgang
LG Halle (Saale) |
OLG Naumburg |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 16. Dezember 1999 aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts Halle vom 14. Mai 1999 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten der Rechtsmittelzüge.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin ist seit dem Jahre 1950 Mieterin des auf dem Grundstück S.straße 14 a in H. errichteten Einfamilienhauses. Durch notariellen Vertrag vom 5. Juni 1990 mit dem „Justitiar beim Rat der Stadt H.”, der den Oberbürgermeister der Stadt vertrat, kaufte sie eine Miteigentumshälfte an dem Grundstück, die 1954 in Volkseigentum überführt worden war. Der Vertrag wurde im Grundbuch nicht mehr vollzogen. Mit Bescheid vom 19. August 1995 wurde der Miteigentumsanteil von dem Amt zur Regelung offener Vermögensfragen an die Beklagte, die Erbin der früheren Miteigentümerin, zurückübertragen.
Die Klägerin hat beantragt, festzustellen, daß ihr ein Ankaufsrecht nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz zusteht, das den Miteigentumbruchteil zum Gegenstand hat. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen.
Mit der Revision verfolgt die Klägerin den Feststellungsantrag weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht verneint einen Anspruch der Klägerin als Nutzerin und Käuferin eines Eigenheims nach § 121 Abs. 2 SachenRBerG. Nach dem Gesetzeswortlaut könne nur ein Gebäudekauf Ansprüche des Nutzers auslösen. Zwar liege es nicht fern, den Kauf eines Eigenheimgrundstücks einzubeziehen. Dies gelte aber nicht für den Kauf eines volkseigenen Miteigentumsanteils, denn § 121 Abs. 2 SachenRBerG lasse diesen Fall, obwohl er im Gesetz über den Verkauf volkseigener Gebäude vom 7. März 1990 (GBl. I S. 157) – im folgenden: Verkaufsgesetz/VerkaufsG – vorgesehen gewesen sei, unberücksichtigt. Auch eine analoge Anwendung der Vorschrift komme nicht in Frage, denn ein Miteigentumsanteil könne nicht Gegenstand eines Erbbaurechts sein, sein Ankauf durch den Nutzer sei nicht vorgesehen und laufe dem Ausgleichszweck des § 121 Abs. 2 SachenRBerG entgegen, denn der Zutritt eines neuen Teilhabers bringe Konfliktstoff in die Gemeinschaft.
Dies hält den Angriffen der Revision nicht stand.
II.
Die Klägerin hat das auf dem Grundstück, um dessen hälftiges Miteigentum die Parteien streiten, errichtete Eigenheim (Gebäude für den Wohnbedarf mit einer oder zwei Wohnungen, § 5 Abs. 2 SachenRBerG) aufgrund eines bis zum Ablauf des 18. Oktober 1989 abgeschlossenen Mietvertrags an diesem Tag und zu eigenen Wohnzwecken am 1. Oktober 1994 genutzt. Die Voraussetzungen, die § 121 Abs. 2 Buchst. a und c SachenRBerG für die Ansprüche des Nutzers nach Kapitel 2 des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes, darunter das geltend gemachte Ankaufsrecht, aufstellen, sind damit erfüllt. Entgegen der Meinung des Berufungsgerichts liegt aber auch das weitere Erfordernis, der Abschluß eines wirksamen, beurkundeten Kaufvertrags mit einer staatlichen Stelle der DDR bis zum Ablauf des 14. Juni 1990 (§ 121 Abs. 2 Buchst. b SachenRBerG) vor. Über die Wirksamkeit des Vertrags streiten die Parteien nicht. Die aufgrund der Kommunalverfassung vom 17. Mai 1990 (GBl. I S. 255) entstandene Stadt H., die jedenfalls nach Art. 231 § 8 Abs. 2 EGBGB als Vertragspartnerin der Klägerin gilt, ist als Trägerin der mittelbaren Staatsverwaltung „staatliche Stelle” im Sinne des § 121 Abs. 2 Buchst. b SachenRBerG. Der Kaufvertrag mit der Stadt hatte auch, wie es die Vorschrift verlangt, das von der Klägerin genutzte Eigenheim („dieses Eigenheim”) zum Gegenstand.
1. Allerdings hat die Klägerin nicht das Gebäude gekauft, denn Gebäudeeigentum (§ 288 Abs. 4 ZGB) war nicht begründet worden. Gegenstand des Kaufs war vielmehr das Grundeigentum, dieses wiederum beschränkt auf einen ideellen Bruchteil. Der Senat hat, was das Berufungsgericht offen gelassen hat, bereits entschieden, daß § 121 Abs. 2 Buchst. b SachenRBerG auch Kaufverträge über Eigenheimgrundstücke erfaßt (Urt. v. 9. Juli 1999, V ZR 404/97, WM 1999, 2034). Anders als der Kauf eines Grundstücks mitsamt dem Gebäude (§ 295 ZGB) stellte indessen auch nach dem Recht der DDR der Erwerb eines Miteigentumsanteils keine rechtliche Grundlage für die alleinige und dauernde Nutzung des Eigentums dar. Die Nutzungsbefugnisse der Miteigentümer waren, in den Grundzügen mit dem geltenden Recht vergleichbar, gemeinschaftlich, die Verwaltung des Eigentums stand allen Teilhabern gemeinschaftlich zu (§§ 35, 36 ZGB); gegen den Verlust der Nutzungsbefugnis durch Aufhebung der Eigentümergemeinschaft waren die Miteigentümer, in den Grenzen des § 41 ZGB, nicht gefeit. Gleichwohl genügt der vor der Gemeinsamen Erklärung vom 15. Juni 1990 abgeschlossene Kaufvertrag über den volkseigenen Bruchteil des Eigenheimgrundstücks den Anforderungen des § 121 Abs. 2 Buchst. b SachenRBerG. Denn das Verkaufsgesetz vom 7. März 1990, das die regelmäßige Grundlage für den Vertrauensschutz bildet, den § 121 Abs. 2 SachenRBerG dem Käufer gewährt (vgl. Czub in Czub/Schmidt-Räntsch/Frenz, SachenRBerG, § 121 Rdn. 102), sah den Verkauf volkseigener Miteigentumsanteile an Ein- und Zweifamilienhäusern vor (§ 5 VerkaufsG). Das Verkaufsgesetz verzichtete mithin darauf, den Verkauf volkseigenen Grundvermögens an die Bedingung zu knüpfen, daß der Erwerber die Befugnis zur alleinigen Nutzung des Wohnraums erlangte und gegen deren Verlust durch Aufhebung der Gemeinschaft gesichert war. Nach den Durchführungsbestimmungen (§ 4 DVO/VerkaufsG) war den Zwecken des Verkaufs Genüge getan, wenn der Käufer das Gebäude zum Zeitpunkt des Verkaufes bewohnte oder die künftige persönliche Nutzung durch ihn gesichert war. Das Sachenrechtsbereinigungsgesetz hat in § 121 Abs. 2 den Vertrauensschutz zwar auf Mieter (Pächter und sonstige vertraglich Nutzungsberechtigte) beschränkt, weitergehende Bedingungen an das Recht zum Ankauf oder zum Erwerb eines Erbbaurechts aber nicht gestellt. Die Zielsetzung des Verkaufsgesetzes, in der sich angesichts des bevorstehenden Beitritts die Vermögensmehrung durch Auskehr öffentlichen Grundeigentums mit gewerbefördernden und wohnungswirtschaftlichen Vorstellungen vermischte, hat es nicht verlassen. § 121 Abs. 2 SachenRBerG schützt mithin den Vermögenserwerb des Käufers auch dann, wenn die Verwendung des Eigentums zu Wohnzwecken rechtlich nur unvollkommen abgesichert ist.
2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die Befugnis des Käufers eines volkseigenen Miteigentumsanteils, aus § 121 Abs. 2 SachenRBerG Rechte herzuleiten, mit den Grundsätzen des Kapitels 2 des Gesetzes, auf die die Vorschrift verweist, vereinbar.
a) Zwar kommt ein Anspruch des Nutzers auf Bestellung eines Erbbaurechtes (§§ 3, 15 Abs. 1, 32 ff SachenRBerG) nicht in Frage, denn die Belastung eines ideellen Miteigentumsanteils am Grundstück mit einem solchen Recht ist nicht möglich. Die Bestellung des Erbbaurechts für den Nutzer ist aber nur eines von mehreren Instrumenten der Sachenrechtsbereinigung, die dem Nutzer nicht in jedem Falle nebeneinander zur Auswahl stehen. Die gesetzlichen Ansprüche des Nutzers können, wie § 15 Abs. 2 und Abs. 3 SachenRBerG zeigen, in besonderen Fällen auf den Ankauf des Grundstücks oder den Erwerb des Erbbaurechts beschränkt sein; in anderen Fällen (§ 15 Abs. 4 i.V.m. §§ 81 ff SachenRBerG) steht dem Nutzer weder das eine noch das andere Recht zu, vielmehr ist er auf eine Teilhabe am Vermögenswert verwiesen. Der Käufer des ehedem volkseigenen Miteigentumsanteils ist, mit diesen Grundsätzen übereinstimmend, auf das Recht, den Anteil des nunmehrigen Eigentümers, regelmäßig gegen die Hälfte des Bodenwertes, anzukaufen (§§ 65, 68 ff SachenRBerG), beschränkt.
b) Allerdings ist im Sachenrechtsbereinigungsgesetz die Entstehung einer Bruchteilsgemeinschaft zwischen dem Nutzer und dem bisherigen Alleineigentümer des Grundstücks nicht vorgesehen. Beschränkt sich der Anspruch des Nutzers auf eine Teilfläche (§§ 22 ff SachenRBerG), ist deren Abschreibung aber nicht möglich oder zweckmäßig, verweisen §§ 65 Abs. 2, 66 Abs. 2, 67 SachenRBerG die Beteiligten auf die Begründung und den Ankauf von Wohnungs- und Teileigentum. Ebenso bestehen Bedenken, mehrere Inhaber eines Nutzungsrechtes jeweils für sich zum Ankauf eines ideellen Bruchteils am Grundstück zuzulassen (vgl. Krauß, in: Czub/Schmidt-Räntsch/Frenz aaO, § 65 Rdn. 19). Denn das Sachenrechtsbereinigungsgesetz bietet keine Grundlage dafür, in das dem Grundeigentümer nach Ausübung der Rechte des Nutzers verbleibende Eigentum einzugreifen. Als Inhaber eines verbleibenden Miteigentumsanteils wäre er dem Anspruch seines Teilhabers, jederzeit die Gemeinschaft aufzuheben (§ 749 BGB), vor allem aber auch dem Aufhebungsrecht des Gläubigers ausgesetzt, der den Miteigentumsanteil des Nutzers gepfändet hat (§ 751 Satz 2 BGB; Krauß aaO und Rdn. 28; Vossius, SachenRBerG, 2. Aufl., § 66 Rdn. 11). Hierum geht es im Streitfalle aber nicht. Die Bruchteilsgemeinschaft am Grundstück besteht fort. Die Beklagte verliert ihr Eigentum, den restituierten Bruchteil, vollständig. Der Mitberechtigte, dessen Rechtsstellung durch den Anspruch der Klägerin keine Beeinträchtigung finden darf, war den Risiken der Bruchteilsgemeinschaft schon bisher ausgesetzt.
c) Die Überlegungen, die dazu führten, dem Mieter das Vorkaufsrecht nach dem Vermögensgesetz zu versagen, wenn nur ein Eigentumsbruchteil Gegenstand der Restitution ist (§ 20 Abs. 2 VermG), lassen sich auf das Ankaufsrecht des Nutzers nach § 121 Abs. 2 SachenRBerG nicht übertragen. Ein auf den restituierten Eigentumsbruchteil beschränktes Vorkaufsrecht liefe leer, wenn die Miteigentümer gemeinsam das gesamte Grundstück veräußern (Plesse, in: Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, VermG, § 20 Rdn. 16). Das Ankaufsrecht des Nutzers am Bruchteil läßt sich auf diese Weise nicht überspielen, denn er kann es jederzeit ausüben; für den Fall der Veräußerung gewährt ihm die Eintragung eines Vermerks über die Eröffnung des Vermittlungsverfahrens in das Grundbuch Schutz (§ 92 Abs. 5 und 6 SachenRBerG).
d) Der Hinweis schließlich, dem vom Ankaufsrecht des Nutzers nicht betroffenen Miteigentümer dürfe kein (störender) Teilhaber aufgezwungen werden, geht fehl. Dieser Möglichkeit ist er als Teilhaber einer Bruchteilsgemeinschaft ohnehin ausgesetzt. Den Ausgleich der Interessen, auf den das Berufungsgericht abhebt, sucht § 121 Abs. 2 SachenRBerG im Verhältnis des Nutzers zum weichenden Miteigentümer, nicht dagegen zu dessen künftigem Teilhaber herbeizuführen.
III.
Von der Verfassungsmäßigkeit des § 121 Abs. 2 SachenRBerG hat der Senat im Hinblick auf die Gesetzeskraft des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Mai 2001 [1 BvR 933/99] auszugehen (§ 31 Abs. 2 BVerfGG).
IV.
Das Urteil der ersten Instanz ist mithin wieder herzustellen (§ 565 Abs. 3 ZPO).
Die Kosten der Rechtsmittelzüge trägt die Beklagte (§§ 91, 97 Abs. 1 ZPO).
Unterschriften
Wenzel, Tropf, Schneider, Klein, Lemke
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 22.06.2001 durch Kanik Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
BGHR 2001, 867 |
BGHR |
Nachschlagewerk BGH |
VIZ 2001, 619 |
WM 2001, 1911 |
ZfIR 2001, 832 |
NJ 2002, 37 |