Leitsatz (amtlich)
a) Übernimmt ein neu zugelassener Arzt in einer Gemeinschaftspraxis eine vakant gewordene Vertragsarztstelle, so kollidiert im Falle seines freiwilligen Ausscheidens aus der Praxis das durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Interesse der verbleibenden Ärzte, die Gemeinschaftspraxis in dem bisherigen Umfang fortzuführen, mit dem Grundrecht des ausscheidenden Arztes auf Berufsfreiheit. Der auftretende Konflikt ist nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz zu lösen.
b) Eine gesellschaftsvertragliche Regelung, die dem neu eingetretenen Vertragsarzt für den Fall, daß er freiwillig aus der Gemeinschaftspraxis ausscheidet, die Pflicht auferlegt, auf seine Zulassung als Kassenarzt zu verzichten, verstößt jedenfalls dann nicht gegen § 138 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GG, wenn der Ausscheidende wegen der relativ kurzen Zeit seiner Mitarbeit die Gemeinschaftspraxis noch nicht entscheidend mitprägen konnte.
Normenkette
GG Art. 12 Abs. 1; BGB § 138 Abs. 1, § 705; SGB V § 103 Abs. 6
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 21. Februar 2001 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Kläger sind seit 1975 in einer Gemeinschaftspraxis als Kassenärzte in E. miteinander verbunden. Im Jahre 1992 erweiterten sie die Praxis um einen dritten Kollegen. Nach dem Ausscheiden seines Vorgängers trat der Beklagte am 1. Januar 1996 in die Gemeinschaftspraxis ein, nachdem er durch den Zulassungsausschuß für Ärzte I im Zulassungsbezirk N.-W. am 29. August 1995 die Zulassung als Vertragsarzt erhalten hatte und sein Eintritt in die Praxis der Kläger genehmigt worden war. Die Vergabe kassenärztlicher Zulassungen im Planungsbereich E. war zum damaligen Zeitpunkt gem. §§ 101, 103 SGB V beschränkt.
Nachdem es im Rahmen der Verhandlungen der Parteien über den Abschluß eines Gesellschaftsvertrages zu Unstimmigkeiten gekommen war, erklärte der Beklagte am 13. Mai 1996 die Kündigung zum 30. Juni 1996, woraufhin die Kläger ihrerseits am 14. Mai 1996 das Vertragsverhältnis fristlos kündigten. Der Zulassungsausschuß für Kassenärzte stellte daraufhin die Beendigung der Gemeinschaftspraxis zum 13. Mai 1996 fest.
Der nicht unterzeichnete Entwurf eines Gesellschaftsvertrages zwischen den Parteien sah für beide Seiten die Möglichkeit vor, im ersten Jahr die Zusammenarbeit mit einer Frist von sechs Wochen zum jeweiligen Quartalsende kündigen zu können. Ein Abfindungsanspruch sollte dem Beklagten für diesen Fall nicht zustehen. Weiter sollte nach § 17 des Vertragsentwurfs für den Fall des Ausscheidens der Beklagte einem fünfjährigen Verbot unterliegen, sich in E. und dem gleichnamigen Landkreis als Arzt in freier Praxis zur Ausübung privat- und/oder kassenärztlicher Tätigkeit niederzulassen.
Nach seinem Ausscheiden aus der Gemeinschaftspraxis der Kläger eröffnete der Beklagte zunächst eine Einzelpraxis in E., dann in R.. Auf seine E.er Zulassung verzichtete er zum 31. Juli 1997, woraufhin die Vertragsarztstelle neu ausgeschrieben wurde. Der Zulassungsausschuß erteilte einem Bewerber die Zulassung, der zu einem Eintritt in die Praxis der Kläger nicht bereit war, während ein anderer Bewerber, Dr. Wa., der hierzu bereit gewesen wäre, nicht zum Zuge kam. Der gegen die Entscheidung eingelegte Widerspruch der Kläger und des Beklagten war erfolglos; zur Begründung der Zurückweisung des Widerspruchs der Kläger führte der Berufungsausschuß für Ärzte I für den Bezirk der kassenärztlichen Vereinigung N.– W. aus, die ausgeschriebene Stelle beziehe sich nicht auf die Nachfolge des Beklagten als Mitglied der von den Klägern geführten Gemeinschaftspraxis, sondern auf die Nachfolge der vom Beklagten in E. geführten Einzelpraxis. Geschützte Interessen der Kläger nach § 103 Abs. 6 i.V.m. Abs. 4 SGB V seien daher nicht berührt.
Die Kläger haben vorgetragen, sie hätten sich im Rahmen der Verhandlungen über den Abschluß eines Gesellschaftsvertrages mit dem Beklagten mündlich darüber geeinigt, daß er für den Fall seines Ausscheidens auf die Zulassung verzichte, um so der klägerischen Praxis den dritten Vertragsarztsitz zu erhalten. Eine solche Verpflichtung zum Verzicht bestehe darüber hinaus vertragsimmanent aufgrund des Ausscheidens während der vereinbarten Probezeit. Hätte der Beklagte unmittelbar mit dem Ausscheiden auf seine Zulassung verzichtet, hätte nach § 103 Abs. 6 i.V.m. Abs. 4 SGB V bei der Neuausschreibung des Kassenarztsitzes nur ein Bewerber zum Zuge kommen können, der zum Eintritt in die Gemeinschaftspraxis bereit gewesen wäre. Dr. Wa. hätte daher in diesem Fall den Vorzug erhalten müssen. Da dieser zur Zahlung eines Kaufpreises von 480.000,00 DM für den Anteil an der Praxis bereit gewesen wäre, sei ihnen, den Klägern, ein Schaden in entsprechender Höhe entstanden. Dessen Ersatz verlangen sie von dem Beklagten.
Der Beklagte hat vorgetragen, eine Verpflichtung zum Verzicht auf die Zulassung als Vertragsarzt für den Fall des Ausscheidens habe weder unter dem Gesichtspunkt einer entsprechenden Vereinbarung mit den Klägern noch dem einer vertraglichen Nebenpflicht bestanden. Angesichts der durch Art. 12 GG garantierten Berufs- und Berufsausübungsfreiheit wäre eine derartige Verpflichtung im übrigen auch unwirksam.
Die Klage blieb in beiden Vorinstanzen ohne Erfolg. Mit der Revision verfolgen die Kläger ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, eine Verpflichtung des Beklagten zum Verzicht auf die Zulassung als Kassenarzt mit Ausscheiden aus der Gemeinschaftspraxis der Kläger habe selbst dann nicht bestanden, wenn er eine solche Zusage gemacht hätte. Denn auf jeden Fall wäre eine derartige Verpflichtung wegen Verstoßes gegen § 138 BGB nichtig. Das hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
Der Beklagte war verpflichtet, im Zeitpunkt seines Ausscheidens aus der Gemeinschaftspraxis auf die Zulassung als Kassenarzt zu verzichten. Diese Verpflichtung folgte – wie der Senat in Ermangelung weiterer für die Auslegung bedeutsamer Gesichtspunkte selber entscheiden kann – auch ohne dahingehende ausdrückliche Abmachung aus Sinn und Zweck der im Entwurf des Gesellschaftsvertrages zwischen den Parteien vereinbarten Probezeit in Verbindung mit dem Umstand, daß der Beklagte die Zulassung als Kassenarzt gerade als Nachfolger seines Vorgängers in der Gemeinschaftspraxis der Kläger erhalten hatte (vgl. dazu unten I. 1. c). Sie ist nicht gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig.
1. Die Kläger haben ein berechtigtes Interesse an dem Erhalt der dritten Vertragsarztstelle.
a) Dieses Interesse ist durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützt. Art. 12 Abs. 1 GG enthält ein einheitliches Grundrecht der Berufsfreiheit, das sich dem Grunde nach auf die Berufswahl wie die Berufsausübung erstreckt (BVerfGE 7, 377, 402 st.Rspr.).
Wird die Tätigkeit als Kassenarzt in zulässiger Weise in einer Gemeinschaftspraxis ausgeübt, so stellt die Wahl einer solchen Praxisform eine Entscheidung für eine bestimmte Art der Berufsausübung dar und ist ebenfalls durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützt. Diesem Schutz ist immanent, daß die Gemeinschaftspraxis in der Form und mit der Anzahl von Vertragsärzten grundsätzlich weiterbetrieben werden kann, die für sie vorgesehen ist. Deshalb hat der Gesetzgeber die Verkleinerung einer Gemeinschaftspraxis durch das Ausscheiden eines Vertragsarztes in § 103 Abs. 6 SGB V erschwerten Bedingungen unterworfen. Das Bundessozialgericht hat aus dem Sinn und Zweck dieser Bestimmung für die Ärzte einer Gemeinschaftspraxis ein eigenes Recht hergeleitet, nach dem Ausscheiden eines Vertragsarztes ein Ausschreibungsverfahren für dessen Nachfolge einzuleiten, obwohl das Gesetz ursprünglich nur dem Ausscheidenden ein derartiges Recht einräumen wollte (BSG, NZS 1999, 470). Zudem hat es entschieden, daß im Nachbesetzungsverfahren Ärzten, welche die Tätigkeit des ausgeschiedenen Arztes in der Gemeinschaftspraxis nicht fortsetzen wollen, auf der Grundlage des § 103 Abs. 4 Satz 3 SGB V keine Zulassung erteilt werden darf (BSGE 85, 1).
b) Ob den Klägern auch das Grundrecht auf Schutz des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) zur Seite steht, kann offenbleiben.
Zum verfassungsrechtlich geschützten Eigentum gehören zwar alle vermögenswerten Rechtspositionen, die das bürgerliche Recht einem privaten Rechtsträger als Eigentum zuordnet (BVerfGE 95, 64, 82). Das Verhältnis von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG zu Art. 12 Abs. 1 GG ist jedoch dadurch geprägt, daß das Grundrecht auf Schutz des Eigentums das Erworbene, das Ergebnis der Betätigung, das Grundrecht der Berufsfreiheit dagegen den Erwerb, die Betätigung als solche, schützt. Wird in die Freiheit der individuellen Erwerbs- und Leistungsbetätigung eingegriffen, so ist der Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG berührt; begrenzt er mehr die Innehabung und Verwendung vorhandener Vermögensgüter, so kommt der Schutz des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG in Betracht (BVerfGE 30, 292, 335).
Der Schwerpunkt des vorliegenden Falles liegt bei der Erwerbsbetätigung. Wenn Art. 14 Abs. 1 GG trotzdem eingriffe, wären die Mitglieder einer Gemeinschaftspraxis aber auch durch ihn geschützt. Gesetzliche Eigentumsbindungen (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) müssen zur Erreichung des angestrebten Zieles geeignet und notwendig sein und dürfen nicht weitergehen, als der Schutzzweck reicht (BVerfGE 79, 174, 198). Sie dürfen überdies nicht unzumutbar sein (BVerfGE 76, 220, 238). Von solchen Bindungen hat der Gesetzgeber für den Fall, daß ein Vertragsarzt die Gemeinschaftspraxis verläßt, zugunsten der verbleibenden Mitglieder nicht nur abgesehen, sondern die von den verbleibenden Mitgliedern nicht gewollte Verkleinerung sogar erschwert.
c) Diesen grundrechtlich geschützten Interessen der Kläger steht – worauf das Berufungsgericht zu Recht hinweist – das Grundrecht des Beklagten auf Berufsfreiheit gegenüber. Dieser Konflikt ist nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz zu lösen, der fordert, daß nicht eine der widerstreitenden Rechtspositionen bevorzugt und maximal behauptet wird, sondern alle einen möglichst schonenden Ausgleich erfahren (BVerfGE 93, 1, 21 m.w.N.). Dabei ist zu ermitteln, welche verfassungsrechtliche Position für die konkret zu entscheidende Frage das höhere Gewicht hat (BVerfGE 2, 1, 72 f.). Die schwächere Position darf nur so weit zurückgedrängt werden, wie das logisch und systematisch zwingend erscheint; ihr sachlicher Grundwertgehalt muß in jedem Fall respektiert werden (BVerfGE 28, 243, 261). Dem trägt der vom Senat in ständiger Rechtsprechung vertretene Grundsatz der nach beiden Seiten interessengerechten Auslegung Rechnung (Sen.Urt. v. 3. April 2000 – II ZR 194/98, WM 2000, 1195).
Die Auffassung des Berufungsgerichts, ohne entsprechenden Ausgleich für den Verzicht auf die Zulassung werde dem ausscheidenden Vertragsarzt das Risiko des Scheiterns der Zusammenarbeit während der Probezeit einseitig auferlegt, so daß seine Lebensgrundlage aufs Spiel gesetzt werde, wird diesem Maßstab nicht gerecht. Der Beklagte hatte seine Zulassung wegen seiner Bereitschaft erhalten, in die Gemeinschaftspraxis einzutreten. Sein Ausscheiden aus der Gemeinschaftspraxis der Kläger nur wenige Monate nach der Aufnahme seiner Tätigkeit rechtfertigt es, von ihm den Verzicht auf seine Zulassung zu verlangen. Der Beklagte war auf Probe in der Gemeinschaftspraxis tätig. Er sollte im ersten Jahr der Zusammenarbeit ein monatliches Fixum erhalten und an den Gewinnen und Verlusten nicht beteiligt werden. Beiden Seiten wurde nach dem Entwurf des Gesellschaftsvertrages das Recht eingeräumt, das Vertragsverhältnis ohne Folgen – wie etwa Abfindungsansprüchen – kurzfristig zu beenden; beide Vertragsparteien haben hiervon auch Gebrauch gemacht. Ohne eine derartige Probezeit könnte angesichts des erforderlichen Maßes an persönlicher und fachlicher Übereinstimmung ein neuer Partner nur schwer in die Gemeinschaftspraxis aufgenommen werden. Andererseits würde die Probezeit für die aufnehmenden Vertragsärzte – worauf die Revision zutreffend hinweist – zum unkalkulierbaren Risiko, könnte der ausscheidende Arzt seine Zulassung mitnehmen, mit der Folge, daß der Vertragsarztsitz für die aufnehmende Praxis erlischt. Für den ausscheidenden Arzt ist der Zulassungsverzicht nicht einschneidender als für jeden Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis während der Probezeit endet: Nach der Kündigung und dem Verlust der Zulassung steht er lediglich da, wo er wenige Wochen oder Monate vorher gestanden hat; er muß sich erneut nach einer Stelle umschauen. Jeder vernünftig Handelnde wird für diese Zeit daher keine nicht oder nur schwer rückgängig zu machende Dispositionen treffen, so daß von zwangsweise eintretenden einschneidenden Folgen privater und finanzieller Art entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht die Rede sein kann. Genauso hat sich auch der Beklagte verhalten, indem er unstreitig, während er für die Kläger arbeitete, in T. wohnen blieb. Auch der Umstand, daß er seine eigene Praxis in E. nach einem halben Jahr wieder aufgab, um eine Praxis in R. zu eröffnen, spricht dagegen, daß der Wechsel des Zulassungsbezirkes für ihn einschneidende private Folgen gehabt hätte, und läßt eher vermuten, daß er zum Zeitpunkt des Beginns der Zusammenarbeit mit den Klägern noch dabei war, sich beruflich zu orientieren. Außerdem haben die Kläger unter Beweisantritt vorgetragen, daß der Beklagte schon im März 1996, mithin nach gerade zweimonatiger Tätigkeit, auf der Suche nach eigenen Praxisräumen war.
Der Beklagte war im Ergebnis viel zu kurz als Vertragsarzt in der Praxis der Kläger tätig, um eine Rechtsposition erlangt zu haben, die gegenüber derjenigen der Kläger vorrangig sein könnte. Er hatte noch nicht in die Praxis investiert, insbesondere keine Einlage in das Gesellschaftsvermögen erbracht. Auch von daher ergibt sich kein Argument, ihm die überhaupt erst durch die Aufnahme in die Praxis erlangte Zulassung auf deren Kosten zu erhalten. Soweit das Berufungsgericht das Recht des Beklagten auf freie Ortswahl beeinträchtigt sieht, besteht ein solches seit der Einführung der Zulassungsbeschränkung zum 1. Januar 1993 durch den Gesetzgeber ohnehin nicht mehr.
2. Aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Zulässigkeit von Wettbewerbsverboten läßt sich nach Auffassung des Senates eine Sittenwidrigkeit des Verzichts auf die Zulassung nicht herleiten. Richtig ist zwar, daß der Senat ein zeitlich unbefristetes und örtlich unbeschränktes Wettbewerbsverbot für den aus einer Sozietät ausscheidenden Rechtsanwalt für sittenwidrig erachtet hat, weil es auf ein lebenslanges Berufsverbot hinauslief (Urt. v. 28. April 1986 – II ZR 254/85, WM 1986, 1251). Damit ist aber der vorliegende Fall nicht zu vergleichen. Zum einen kann eine Zulassung, wenn auch oft mit einem Ortswechsel verbunden, in jedem nicht gesperrten Bezirk erlangt werden, was die Frist erheblich relativiert, zum anderen steht es dem die Zulassung aufgebenden Arzt frei, sich in gesperrten Bezirken auf eine Vertragsarztstelle zu bewerben. Von einem örtlich unbeschränkten Wettbewerbsverbot durch Zulassungsverzicht kann daher nicht ausgegangen werden. Auch aus der „Laborärzteentscheidung” des I. Zivilsenats (I ZR 102/94, NJW 1997, 799) folgt nichts anderes, weil es dort um ein Wettbewerbsverbot für Weiterbildungsassistenten ohne eigene Kassenzulassung ging und der Assistent sich außerhalb des örtlichen Geltungsbereiches des Wettbewerbsverbots frei niederlassen durfte. Dem Urteil des Senats vom 14. Juli 1997 (II ZR 238/96, WM 1997, 1707) ist ebenfalls mangels Vergleichbarkeit des Sachverhalts eine Sittenwidrigkeit des Zulassungsverzichts nicht zu entnehmen: Wie bei einer vergleichbaren Entscheidung des Oberlandesgerichts München (MedR 1996, 567 ff.) ging es dort um einen Fall des Ausscheidens eines Praxispartners nach langjähriger Zusammenarbeit, nicht aber während der ersten Monate; zum anderen lag der Senatsentscheidung ein zeitlich unbefristetes Wettbewerbsverbot für den ausgeschiedenen Tierarzt zugrunde, was mit der vorliegenden Konstellation nicht verglichen werden kann.
3. Nicht zu folgen vermag der Senat auch der Auffassung des Oberlandesgerichts, ein Verzicht auf die Zulassung sei allenfalls gegen Zahlung einer Karenzentschädigung nach §§ 74 ff. HGB analog zulässig. Es ist schon äußerst fraglich, ob der Beklagte angesichts seiner im Vertragsentwurf vorgesehenen künftigen Gesellschafterstellung unter den Schutz der genannten Vorschriften fällt. Einer direkten wie analogen Anwendung stehen auf jeden Fall Sinn und Zweck der Probezeit, wonach das Vertragsverhältnis in kurzer Frist für beide Seiten folgenlos beendet werden kann, entgegen, so daß ein rechtlich geschütztes Dispositionsinteresse des ausscheidenden Arztes nicht angenommen werden kann.
II. Ein Schadensersatzanspruch der Kläger kann nicht von vornherein verneint werden.
1. Den Klägern kann nicht vorgehalten werden, sie hätten nach dem Ausscheiden des Beklagten aus der Gemeinschaftspraxis ein eigenes Ausschreibungsverfahren für dessen Nachfolge einleiten können. Zu dem Zeitpunkt, zu dem der Beklagte ausschied, existierte die neue Rechtsprechung des Bundessozialgerichts noch nicht. Im Zeitpunkt der Entscheidung des Bundessozialgerichts war der etwaige Schaden bereits eingetreten.
2. Die Kläger haben unter Beweisantritt vorgetragen, Dr. Wa. wäre bereit gewesen, schon im Jahre 1996 gegen Zahlung von 480.000,00 DM in die Gemeinschaftspraxis einzutreten. Soweit das Berufungsgericht ausführt, es sei unsicher, ob Dr. Wa. überhaupt den Zuschlag erhalten hätte, übersieht es die Bedeutung der Regelung des § 103 Abs. 6 SGB V für die Zulassungsentscheidung, wenn die Vertragsarztstelle einer Gemeinschaftspraxis zu besetzen und ein eintrittswilliger Bewerber vorhanden ist. Auch wenn die Verwaltungspraxis im Jahre 1996 teilweise anders war als nach der neueren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, wurde schon zwei Jahre zuvor deutlich die Auffassung vertreten, daß die Interessen der verbleibenden Partner der Gemeinschaftspraxis im Zulassungsverfahren ein besonderes Gewicht hätten, ja sogar vorrangig seien (Steinhilper, MedR 1994, 232; Wertenbruch, MedR 1996, 485, 489). Auch der Berufungsausschuß für Ärzte I für den Bezirk der kassenärztlichen Vereinigung N.-W. ist offensichtlich dieser Auffassung gewesen, weil er in seiner Begründung für die Zurückweisung des Widerspruchs der Kläger entscheidend darauf abgestellt hat, die ausgeschriebene Stelle beziehe sich nicht auf die Nachfolge des Beklagten als Mitglied der von den Klägern geführten Gemeinschaftspraxis, sondern auf die Nachfolge der vom Beklagten in E. eröffneten Einzelpraxis, weshalb geschützte Interessen der Kläger nach § 103 Abs. 6 i.V.m. Abs. 4 SGB V nicht berührt seien.
III. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es unter Heranziehung von § 287 ZPO die erforderlichen Feststellungen zur Schadenshöhe, gegebenenfalls nach Ergänzung des Vortrags der Parteien, treffen und die etwa notwendigen Beweise erheben kann. Das Berufungsgericht wird ferner die neue Rechtsprechung des Senats zu berücksichtigen haben, wonach Anspruchsinhaber nicht die Kläger in Person, sondern die von ihnen gebildete Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist (Urt. v. 29. Januar 2001 – II ZR 331/00, ZIP 2001, 330; Beschl. v. 18. Februar 2002 – II ZR 331/00, ZIP 2002, 614). Falls dem nicht schon durch die Änderung des Rubrums Rechnung getragen werden könnte, wäre jedenfalls eine Umstellung der Klage sachdienlich.
Unterschriften
Röhricht, Hesselberger, Henze, Kraemer, Münke
Fundstellen
Haufe-Index 848006 |
BGHZ |
BGHZ, 389 |
DB 2002, 2318 |
DStR 2002, 1999 |
DStZ 2002, 844 |
NJW 2002, 3536 |
NWB 2002, 4096 |
BGHR 2002, 1035 |
BGHR |
Nachschlagewerk BGH |
MDR 2003, 208 |
VersR 2003, 118 |
JURAtelegramm 2003, 232 |