Entscheidungsstichwort (Thema)
Verjährungsbeginn von Rückzahlungsansprüchen wegen Gaspreisüberzahlung erst mit Erteilung der Jahresabrechnung
Leitsatz (amtlich)
Die Verjährung von Rückzahlungsansprüchen wegen Gaspreisüberzahlungen beginnt nicht bereits mit den jeweils geleisteten Abschlagszahlungen, sondern erst mit der anschließenden Erteilung der Jahresabrechnung zu laufen.
Normenkette
BGB §§ 195, § 199 ff.; AVBGasV §§ 25, 27
Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 25.05.2011; Aktenzeichen 318 S 241/10) |
AG Hamburg-Altona (Urteil vom 13.10.2010; Aktenzeichen 319A C 143/09) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der Zivilkammer 18 des LG Hamburg vom 25.5.2011 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als hinsichtlich der Widerklage zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des AG Hamburg-Altona vom 13.10.2010 wird auch insoweit zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Beklagte wird von der Klägerin aufgrund eines am 19.11.2001 geschlossenen Sondervertrages leitungsgebunden mit Erdgas versorgt. Zu Preisänderungen enthält der Vertrag eine Klausel, wonach der Versorger berechtigt ist, seine Preise der Preisentwicklung auf dem Wärmemarkt anzupassen. Im Übrigen verweist der Vertrag ergänzend auf die Bestimmungen der AVBGasV. Die Klägerin erhöhte ihre Gasbezugspreise seit Vertragsbeginn mehrfach. Mit Schreiben vom 25.9.2004 widersprach die Beklagte einer zum 1.10.2004 angekündigten Erhöhung des bis dahin geltenden Arbeitspreises von netto 3,135 Cent/kWh mit der Erklärung, sie halte die Preiserhöhung für unbillig und wolle deshalb bis zum Nachweis der Billigkeit nur den alten Preis zzgl. eines Sicherheitsaufschlags von zwei Prozent weiterzahlen.
Rz. 2
Die Klage, mit der die Klägerin die in den Abrechnungszeiträumen vom 26.5.2004 bis zum 19.5.2008 nicht gezahlten Erhöhungsbeträge der von ihr vorgenommenen Preisanpassungen i.H.v. insgesamt 1.952 EUR geltend gemacht hat, ist in den Vorinstanzen abgewiesen worden. Die Widerklage i.H.v. 1.653,79 EUR, mit der die Beklagte für den Zeitraum vom 25.5.2005 bis zum 13.5.2009 die Rückerstattung von ihr geleisteter Zahlungen begehrt hat, soweit diese einen Arbeitspreis von 3,135 Cent/kWh übersteigen, hat lediglich i.H.v. 951,83 EUR nebst Zinsen Erfolg gehabt. Den darüber hinausgehenden Betrag von 701,96 EUR, mit dem die Widerklage im Berufungsrechtszug abgewiesen worden ist, verfolgt die Beklagte mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 3
Die Revision hat Erfolg.
I.
Rz. 4
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
Rz. 5
Da die Preisanpassungsklausel und die darauf gestützten Preiserhöhungen unwirksam seien, habe die Beklagte, soweit sie im streitigen Zeitraum mehr als den bis zum 1.10.2004 geltenden Arbeitspreis von 3,135 Cent/kWh gezahlt habe, ohne Rechtsgrund geleistet. Allerdings seien bei Einreichung der Widerklage am 7.12.2009 diejenigen Rückforderungsansprüche i.H.v. 701,96 EUR bereits verjährt gewesen, die auf die von ihr im Jahre 2005 erbrachten (Abschlags-)Zahlungen entfielen, so dass die Klägerin aufgrund der von ihr erhobenen Verjährungseinrede in diesem Umfang eine Rückzahlung verweigern könne. Die dreijährige Verjährungsfrist habe schon mit den jeweiligen Abschlagszahlungen und nicht erst mit der Jahresabrechnung vom 2.6.2006 für den Zeitraum vom 25.5.2005 bis 19.5.2006 zu laufen begonnen. Denn bereits die Abschlagszahlungen seien rechtsgrundlos erfolgt, soweit die Klägerin bei ihnen gem. § 25 Abs. 2 AVBGasV auch Preiserhöhungsbeträge in Ansatz gebracht habe, die wegen der Unwirksamkeit der Preisanpassungsklausel nicht geschuldet gewesen seien.
Rz. 6
Dieser auch in einem Urteil des BGH vom 26.4.1989 (VIII ZR 12/88) zum Ausdruck gekommenen Sichtweise stehe nicht entgegen, dass in einem weiteren Beschluss vom 7.12.2010 (KZR 41/09) die Vorauszahlungen auf Netznutzungsentgelte nicht als selbständige Teilleistungen, sondern lediglich als unselbständige Rechnungsposten des geschuldeten Entgelts angesehen worden seien und angenommen worden sei, dass bei Unbilligkeit einer Preisanpassung insoweit nur ein auf das Gesamtjahr bezogener Rückforderungsanspruch bestanden habe. Hier liege wegen der Unwirksamkeit der in die Bestimmung der Abschlagsbeträge eingeflossenen Preisänderung eine Fallgestaltung vor, die derjenigen bei einer Unwirksamkeit der Vorauszahlungsabrede selbst ähnele. Dementsprechend habe die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB hinsichtlich der im Jahre 2005 geleisteten Abschlagszahlungen bereits mit dem Ende des Jahres 2005 zu laufen begonnen, da die Beklagte aufgrund ihres im Jahre 2004 gegen die Preiserhöhungen erhobenen Widerspruchs hinreichende Kenntnis von den einen Rückzahlungsanspruch begründenden Umständen gehabt habe und in der Lage gewesen sei, die auf diesen Zeitraum entfallenden Überzahlungen gerichtlich klären zu lassen.
II.
Rz. 7
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Rz. 8
1. Das Berufungsgericht ist in Übereinstimmung mit der Senatsrechtsprechung (zuletzt BGH, Urt. v. 14.3.2012 - VIII ZR 113/11, juris Rz. 15 ff., zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen; VIII ZR 93/11, juris Rz. 17 ff. m.w.N.) davon ausgegangen, dass die von der Klägerin verwendete Preisanpassungsklausel und die hierauf gestützten Preiserhöhungen unwirksam sind und dass der Beklagten deshalb ein Rückzahlungsanspruch i.H.v. weiteren 701,96 EUR zusteht, um die die Beklagte, ausgehend von dem bis zum 1.10.2004 in Ansatz gebrachten Arbeitspreis von 3,135 Cent/kWh, mit ihren im Zeitraum vom 25.5.2005 bis zum 31.12.2005 geleisteten Abschlägen die von der Klägerin unter dem 2.6.2006 abgerechneten Vergütungsansprüche für Gaslieferungen überzahlt hat. Darüber besteht im Revisionsrechtszug kein Streit mehr. Mit Recht rügt die Revision jedoch, dass das Berufungsgericht für den Verjährungsbeginn an die während des Jahres 2005 geleisteten Abschlagszahlungen und nicht an die unter dem 2.6.2006 erteilte Jahresabrechnung angeknüpft hat.
Rz. 9
2. Der von der Beklagten geltend gemachte Rückzahlungsanspruch unterliegt - wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat - der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB). Diese beginnt gem. § 199 Abs. 1 BGB grundsätzlich mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Die letztgenannte Voraussetzung hat das Berufungsgericht mit Blick auf den von der Beklagten unter dem 25.9.2004 erhobenen Widerspruch gegen die seinerzeit anstehende Gaspreiserhöhung unangegriffen festgestellt. Zu Unrecht hat es dagegen angenommen, dass ein Rückzahlungsanspruch der Beklagten bereits zum Zeitpunkt der einzelnen im Jahre 2005 geleisteten Abschlagszahlungen und nicht erst im Zuge der anschließenden Jahresabrechnung vom 2.6.2006 entstanden ist.
Rz. 10
a) Abschlagszahlungen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie nur vorläufig bis zu einer im Wege der Abrechnung festzustellenden endgültigen Vergütung zu leisten sind, und bilden insoweit lediglich (unselbständige) Rechnungsposten der abzurechnenden Gesamtleistung, ohne dass sie auf einzelne Teilleistungen bezogen werden können (BGH, Urt. v. 19.3.2002 - X ZR 125/00, WM 2002, 2257 unter II 3a; v. 15.4.2004 - VII ZR 471/01, NJW-RR 2004, 957 unter II 1a und b; Beschluss vom 7.12.2010 - KZR 41/09, ZNER 2011, 314 Rz. 3). Dementsprechend haben Abschlagszahlungen ihren Rechtsgrund in der ihnen zugrunde liegenden vertraglichen Abrede, die zugleich dahin geht, dass sie, wenn sie geleistet sind, ungeachtet ihrer jeweiligen sachlichen Berechtigung in die Endabrechnung einzustellen und mit dem endgültigen Vergütungsanspruch, wie er sich danach unter Berücksichtigung der hiergegen erhobenen sachlichen Einwände ergibt, zu verrechnen sind. Ein Anspruch auf Rückzahlung kommt erst dann in Betracht, wenn die geleisteten Abschlagszahlungen nach dem Ergebnis der vereinbarten Endabrechnung einen entsprechenden Überschuss an Abschlagsbeträgen ergeben (BGH, Urt. v. 19.3.2002 - X ZR 125/00, a.a.O., unter II 3a, b; v. 2.5.2002 - VII ZR 249/00, NJW-RR 2002, 1097 unter II 1; Beschluss vom 7.12.2010 - KZR 41/09, a.a.O.) oder wenn der Gläubiger es in von ihm zu vertretender Weise verabsäumt, die geschuldete Abrechnung nach Fälligkeit der Abrechnungspflicht innerhalb angemessener Frist vorzunehmen (vgl. BGH, Urt. v. 9.3.2005 - VIII ZR 57/04, WuM 2005, 337 unter II 3c). Da ein solcher Anspruch auf Rückzahlung unverbrauchter Abschlagszahlungen erst zu diesem Zeitpunkt fällig wird (BGH vom 9.3.2005 - VIII ZR 57/04, a.a.O.), beginnt für ihn die Verjährungsfrist erst mit Erteilung der Abrechnung (vgl. BGH vom 19.12.1990 - VIII ARZ 5/90, BGHZ 113, 188, 196 f.).
Rz. 11
b) So verhält es sich hier. Bei den von der Beklagten geleisteten Abschlagszahlungen handelt es sich lediglich um vorläufige Zahlungen auf den nach Ablauf des Abrechnungszeitraums endgültig abzurechnenden Verbrauch. Sie stellen deshalb keine von der Verbrauchsforderung losgelöste Vergütungen für einen Verbrauchsanteil oder -abschnitt mit einem von der Verbrauchsforderung unabhängigen rechtlichen Schicksal, sondern Leistungen auf die erst mit der Abrechnung nach § 27 Abs. 1 AVBGasV fällig werdende künftige Zahlungspflicht für den gemessenen und abgelesenen Verbrauch dar (Hempel/Franke, Recht der Energie- und Wasserversorgung, Stand Dezember 2003, § 25 AVBEltV Rz. 5; Schütte/Horstkotte in Hempel/Franke, a.a.O., Stand November 2010, § 25 AVBWasserV Rz. 4). Für einen bereits unmittelbar an die jeweilige Überzahlung anknüpfenden Rückerstattungsanspruch hat es deshalb - was das Berufungsgericht nicht beachtet hat und die Revision mit Recht rügt - an dem dazu nach § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB für einen Verjährungsbeginn schon im Jahre 2005 fällig gewordenen Rückzahlungsanspruch der Beklagten gefehlt. Aus dem Senatsurteil vom 26.4.1989 (VIII ZR 12/88, WM 1989, 1023 unter B II 5a bb) ergibt sich entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht anderes.
III.
Rz. 12
Das angefochtene Urteil kann hiernach keinen Bestand haben, soweit das Berufungsgericht bezüglich der Widerklage zum Nachteil der Beklagten entschieden hat; es ist insoweit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat entscheidet in der Sache selbst, da keine weiteren Feststellungen zu treffen sind (§ 563 Abs. 3 ZPO). Dies führt zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils hinsichtlich der Widerklage.
Fundstellen
Haufe-Index 3092950 |
BB 2012, 1678 |
NJW 2012, 2647 |
NJW 2012, 6 |
DWW 2012, 215 |
EBE/BGH 2012, 223 |
JurBüro 2012, 609 |
WM 2012, 2074 |
ZAP 2012, 895 |
ZIP 2012, 1868 |
MDR 2012, 828 |
RdE 2012, 292 |
ZNER 2012, 391 |
CuR 2012, 114 |
EWeRK 2012, 186 |