Leitsatz (amtlich)

Ein Anspruch aus § 104 VglO ist nur begründet, wenn und soweit der Zwangsvollstreckungsgläubiger durch den Zugriff auf Kosten der Masse etwas erlangt und dadurch i. S. d. § 812 Abs. 1 S. 2 BGB ungerechtfertigt bereichert ist. Der Zugriffsgegenstand, auf den sich die Sperrwirkungen beziehen sollen, muss mithin zu dem Vermögen gehört haben, über welches der Anschlusskonkurs eröffnet wurde.

 

Normenkette

VglO § 104

 

Verfahrensgang

OLG München (Urteil vom 02.10.2001)

LG München I

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des OLG München v. 2.10.2001 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Beklagte war von Ende 1996 bis Mitte 1998 als Kommunikationsberater und Projektassistent für M. (nachfolgend: M. oder Gemeinschuldnerin) tätig, die eine Werbeagentur betrieb. Bereits am 1.2.1996 hatte die Gemeinschuldnerin sicherungshalber die ihr gegenwärtig und zukünftig zustehenden Forderungen "aus Warenlieferungen und Leistungen gegen alle Kunden bzw. Schuldner" an die Kreis- und Stadtsparkasse D. (nachfolgend: Zessionarin) abgetreten. Der Beklagte erhielt nach seinem Vorbringen die für seine Tätigkeit geschuldete Vergütung nur teilweise; außerdem will er den Betrieb durch die Übernahme von Auslagen und finanzielle Zuwendungen unterstützt haben. M. gab am 5.10.1998 zu Gunsten des Beklagten ein notarielles Schuldanerkenntnis über 263.657 DM nebst Zinsen ab. Darauf gestützt, erwirkte der Beklagte am nächsten Tag im Wege einer Vorpfändung ein vorläufiges Zahlungsverbot gem. § 845 ZPO gegen einen Kunden der Gemeinschuldnerin, die D. AG (nachfolgend Drittschuldnerin), und später einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, welcher der Drittschuldnerin am 4.11.1998 zugestellt wurde. Diese zahlte an den Beklagten zwischen dem 18. und dem 30.12.1998 insgesamt 163.699,48 DM. Bereits am 18.11.1998 hatte die Gemeinschuldnerin die Eröffnung eines Vergleichsverfahrens beantragt. Am 10.3.1999 lehnte das AG diesen Antrag ab und eröffnete das Anschlusskonkursverfahren.

Der zum Konkursverwalter bestellte Kläger nimmt den Beklagten, gestützt auf § 104 VglO, auf Rückzahlung des Betrages von 163.699,48 DM in Anspruch. LG und OLG haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, eine Pflicht, das Erlangte herauszugeben, bestehe nicht. § 104 VglO sei nicht anwendbar, weil der Beklagte die Befriedigung nicht auf Grund einer Zwangsvollstreckungsmaßnahme erlangt habe. Im Hinblick auf die zeitlich frühere Globalzession habe keine wirksame Pfändung vorgelegen. Auch seien die von der Drittschuldnerin geleisteten Zahlungen nicht zwangsweise beigetrieben, sondern auf Grund von Verhandlungen zwischen der Zessionarin, der Drittschuldnerin und dem Beklagten erbracht worden.

II.

Demgegenüber macht die Revision geltend, die Zahlungen der Drittschuldnerin würden von der Rückschlagsperre des § 104 VglO erfasst, weil sie durch die Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses zumindest veranlasst worden seien. Falls die Pfändung unwirksam gewesen sei, müsse der Beklagte das Erlangte erst recht herausgeben.

III.

Das Berufungsurteil hält im Ergebnis einer rechtlichen Überprüfung stand. Der "Rechtsgrund" für die Zahlungen der Drittschuldnerin ist zwar nicht festgestellt. Ein Bereicherungsanspruch nach § 104 VglO steht dem Kläger aber in keinem Falle zu. Zu den Voraussetzungen einer Konkursanfechtung ist nichts vorgetragen.

1. Gemäß § 104 VglO ist im Falle eines Anschlusskonkurses nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung herauszugeben, was ein Vergleichsgläubiger später als am dreißigsten Tage vor der Stellung des Antrags auf Eröffnung des Vergleichsverfahrens durch eine Zwangsvollstreckungsmaßnahme als Sicherung oder Befriedigung erlangt hat. Nach dem Vortrag des Klägers sind die Voraussetzungen dieses Anspruchs nicht gegeben.

a) Da die Vorschrift nur eingreift, wenn ein Vergleichsgläubiger etwas "durch eine Zwangsvollstreckungsmaßnahme" erlangt hat, ist sie im vorliegenden Fall nicht anwendbar, falls den Zahlungen der Drittschuldnerin ein Rechtsgeschäft zu Grunde liegt. Davon ist auch das Berufungsgericht ausgegangen. Nach seinen Feststellungen sind die von der Drittschuldnerin geleisteten Zahlungen als Ergebnis von "Verhandlungen" zwischen der Zessionarin, der Drittschuldnerin und dem Beklagten erfolgt.

Zu Gegenstand und Ergebnis der Verhandlungen ist allerdings nichts vorgetragen, und das Berufungsgericht hat dazu nichts festgestellt. Es ist deshalb nicht ausgeschlossen, dass im Verhandlungswege lediglich Einvernehmen darüber erzielt wurde, die gepfändete Forderung werde nicht von der Sicherungszession (Globalzession) erfasst. Ggf. wären die anschließenden Zahlungen der Drittschuldnerin - bei denen sie nach den Feststellungen des Berufungsgerichts als "Verwendungszweck" den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss angegeben hat - auf die Pfändung erfolgt.

b) Indes steht dem Kläger ein Anspruch aus § 104 VglO auch dann nicht zu, falls die Drittschuldnerin auf die Pfändung gezahlt hat.

aa) Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn die Pfändung wirksam gewesen wäre und die Forderung gegen die Drittschuldnerin erfasst hätte. Davon kann jedoch nicht ausgegangen werden.

In dem vorläufigen Zahlungsverbot gem. § 845 ZPO wurde angekündigt die Pfändung des "Anspruch(s) auf Einkommen aus selbst. Tätigkeit, insbesondere für Veranstaltung S. Stuttgart - Zürich". Falls der Pfändungsbeschluss, dessen Wortlaut nicht vorgetragen ist, damit inhaltlich übereinstimmt, reicht das schwerlich aus, eine wirksame Pfändung anzunehmen. Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. BGH, Urt. v. 28.4.1988 - IX ZR 151/87, MDR 1988, 859 = WM 1988, 950 [951] m. w. N.; Beschl. v. 1.3.1990 - IX ZR 147/89, MDR 1990, 914 = WM 1990, 1397 [1399]; Urt. v. 8.5.2001 - IX ZR 9/99, MDR 2001, 1133 = BGHReport 2001, 858 = WM 2001, 1223 [1224]) muss die gepfändete Forderung von anderen unterschieden werden können, und die Feststellung ihrer Identität muss gesichert sein. Es genügt nicht, dass der Pfändungsbeschluss für die unmittelbar Beteiligten (Pfändungsgläubiger, Schuldner, Drittschuldner) verständlich und insbesondere der Pfändungsgegenstand ihnen gegenüber hinreichend deutlich bezeichnet ist; er muss auch für andere, insbesondere weitere Gläubiger des Schuldners, identifizierbar sein.

Hinzu kommt, dass ein Anspruch, den der Pfändungsschuldner abgetreten hat, nicht wirksam gepfändet werden kann; ob es sich um eine Sicherungsabtretung handelt, ist unerheblich. Bereits das LG ist davon ausgegangen, dass die Pfändung "ins Leere" ging, weil der gepfändete Anspruch nicht mehr der Gemeinschuldnerin, sondern der Zessionarin zustand. Dies hat der Kläger in der Berufungsinstanz nicht angegriffen. Er hat vielmehr gemeint, auf die "vorrangige" Abtretung an die Zessionarin und deren eventuelle Übersicherung komme es nicht an. Auch von der Revision wird die Wirksamkeit der Globalzession nicht in Zweifel gezogen. Die Gemeinschuldnerin hatte zwar den durch Wegfall des Sicherungszwecks aufschiebend bedingten Anspruch gegen die Zessionarin auf Rückgewähr der Forderung (Ganter in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 2. Aufl., § 90 Rz. 127, 619 ff.); dieser war sogar in Nr. 7 des Globalzessionsvertrags ausdrücklich vereinbart. Ob auch künftige und bedingte Ansprüche gepfändet waren, hat der Kläger jedoch nicht vorgetragen.

bb) Der Ansicht der Revision, § 104 VglO sei auch - und sogar erst recht - dann anwendbar, wenn die Zwangsvollstreckungsmaßnahme nicht wirksam gewesen sei oder gerade den fraglichen Gegenstand nicht erfasst habe, die Beteiligten aber vom Gegenteil ausgegangen seien, folgt der Senat nicht.

Allerdings soll durch § 104 VglO während der Sperrfrist Gläubigern der Anreiz genommen werden, sich noch zwangsweise zu bedienen und den Schuldner damit in den Konkurs zu treiben (Bley/Mohrbutter, § 104 VglO Rz. 1). Sowohl der Anreiz als auch die unerwünschte Wirkung mögen in gleicher Weise gegeben sein, wenn der Zwangszugriff zwar wirksam nicht erfolgen, aber dennoch für den Gläubiger zum Erfolg führen kann, weil alle Beteiligten - unter Einschluss des Vollstreckungsgerichts - ihn für wirksam halten.

Ein Anspruch aus § 104 VglO ist jedoch nur begründet, wenn und soweit der Zwangsvollstreckungsgläubiger durch den Zugriff auf Kosten der Masse etwas erlangt und dadurch i. S. d. § 812 Abs. 1 S. 2 BGB ungerechtfertigt bereichert ist (Bley/Mohrbutter, §§ 104 VglO Rz. 20, 87 VglO Rz. 31). Der Zugriffsgegenstand, auf den sich die Sperrwirkungen beziehen sollen, muss mithin zu dem Vermögen gehört haben, über welches der Anschlusskonkurs eröffnet wurde (Bley/Mohrbutter, § 104 VglO Rz. 9; vgl. ferner Breuer in MünchKomm/InsO, § 88 Rz. 10). Daran fehlt es im vorliegenden Fall.

Die Forderung gegen die Drittschuldnerin stand auf Grund der Globalzession nicht der Gemeinschuldnerin, sondern der Zessionarin zu. Dazu, wie sich das Sicherungsverhältnis zwischen der Gemeinschuldnerin und der Zessionarin entwickelt hat, ist nichts vorgetragen. Insbesondere steht nicht fest, ob die gesicherten Ansprüche der Zessionarin gegen die Gemeinschuldnerin bis zur Pfändung bereits vollständig befriedigt worden waren.

Falls die Drittschuldnerin auf die Pfändung durch den Beklagten gezahlt hat, obwohl die Zessionarin noch Inhaberin der Forderung war und wegen der gesicherten Ansprüche gegen die Gemeinschuldnerin noch keine vollständige Befriedigung erhalten hatte, kann die Zessionarin von der Drittschuldnerin erneut Zahlung verlangen. Da diese die Abtretung kannte, wird sie durch § 408 Abs. 2, § 407 BGB oder § 836 Abs. 2 ZPO nicht geschützt. Sie kann ihre Leistungen von dem Beklagten nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung herausverlangen (vgl. BGH v. 8.10.1980 - IVb ZR 535/80, BGHZ 78, 201 [204] = MDR 1981, 122; v. 8.10.1981 - VII ZR 319/80, BGHZ 82, 28 [33] = MDR 1982, 221). Der Beklagte kann nicht verpflichtet sein, zweimal - einmal nach § 812 Abs. 1 BGB an die Drittschuldnerin und ein zweites Mal nach § 104 VglO an den Kläger - zu zahlen.

War dagegen die Zessionarin wegen ihrer Ansprüche gegen die Gemeinschuldnerin befriedigt, hatte sie auf Verlangen die Forderung gegen die Drittschuldnerin zurückabzutreten. Ob deren Zahlung auch in diesem Falle nicht schuldbefreiend gewirkt hätte und ob ggf. die Klageerhebung durch den Konkursverwalter als Genehmigung der Verfügung der Drittschuldnerin angesehen werden könnte, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Der Kläger hat weder dargetan, dass die Gemeinschuldnerin Rückabtretung verlangen konnte, noch dass der Beklagte einen solchen Anspruch gepfändet hat.

2. Wenn sich die Zessionarin, die Drittschuldnerin und der Beklagte - gemäß seinem Vorbringen - materiellrechtlich über dessen Forderungszuständigkeit geeinigt haben sollten, musste hierbei möglicherweise auch die Gemeinschuldnerin beteiligt werden. Daran war zumindest dann zu denken, wenn die Zessionarin die ihr abgetretene Forderung "freigab", weil sie zur Deckung ihres Sicherungsbedürfnisses nicht mehr benötigt wurde. Ggf. kann diese Mitwirkung der Gemeinschuldnerin anfechtungsrechtlich ein "Rechtsgeschäft" oder eine "Rechtshandlung" i. S. d. § 30 Nr. 1, § 31 KO gewesen sein. Dadurch könnten die Konkursgläubiger benachteiligt worden sein. Dennoch waren im vorliegenden Fall die Anfechtungsvoraussetzungen nicht zu prüfen. Zwar erübrigt sich dies nicht schon deshalb, weil der Kläger die Anfechtung als solche nicht besonders geltend gemacht hat (vgl. BGH, Urt. v. 20.3.1997 -IX ZR 71/96, MDR 1997, 557 = ZIP 1997, 737). Indes hat dieser sich das Vorbringen des Beklagten weder hilfsweise zu Eigen gemacht noch hat er zu den Anfechtungsvoraussetzungen vorgetragen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1064823

BGHR 2004, 127

KTS 2004, 126

WM 2003, 2346

WuB 2004, 355

ZIP 2003, 2165

DZWir 2004, 81

MDR 2004, 232

NZI 2005, 184

ZInsO 2003, 1141

ZVI 2003, 598

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