Entscheidungsstichwort (Thema)
Werkvertrag „ohne Rechnung”. Nichtigkeit des Werkvertrags. Mängelansprüche wegen fehlerhafter Bauarbeiten. Abdichtung der Terrasse. Ohne-Rechnung-Abrede
Leitsatz (amtlich)
Ob ein Werkvertrag aufgrund einer Ohne-Rechnung-Abrede insgesamt nichtig ist, richtet sich nach § 139 BGB (Abgrenzung zu BGH, Urt. v. 21.12.2000 - VII ZR 192/98, BauR 2001, 630 = NZBau 2001, 195 = ZfBR 2001, 175). BGB § 242 Cd
Hat der Unternehmer seine Bauleistungen mangelhaft erbracht, so handelt er regelmäßig treuwidrig, wenn er sich zur Abwehr von Mängelansprüchen des Bestellers darauf beruft, die Gesetzwidrigkeit der Ohne-Rechnung-Abrede führe zur Gesamtnichtigkeit des Bauvertrages.
Normenkette
BGB § 139
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 12. Zivilsenats des OLG Brandenburg vom 8.2.2007 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Klägers erkannt worden ist.
Die Sache wird in diesem Umfang zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
[1] Der Kläger macht, soweit in der Revision noch von Interesse, gegen den Beklagten Mängelansprüche wegen fehlerhafter Bauarbeiten geltend. Im Revisionsrechtszug streiten die Parteien im Wesentlichen darüber, ob der zugrunde liegende Werkvertrag wegen einer der Steuerhinterziehung dienenden Ohne-Rechnung-Abrede nichtig ist.
[2] Der Kläger beauftragte im Dezember 2003 den Beklagten mündlich, die Terrasse seines Hauses abzudichten und mit Holz auszulegen. Bei Beginn der Bauarbeiten Mitte Januar 2004 erhielt der Beklagte eine Anzahlung von 1000 EUR für Materialkosten und nach Abschluss der Arbeiten weitere 2.250 EUR. Eine Rechnung wurde nicht erstellt. Kurze Zeit nach Beendigung der Arbeiten zeigten sich Wasserschäden in der unter der Terrasse gelegenen Einliegerwohnung. Nachbesserungsarbeiten des Beklagten blieben erfolglos. Der Kläger verlangt nunmehr Ersatz von Selbstvornahmekosten und Vorschuss auf Mängelbeseitigungskosten.
[3] Das LG hat die insoweit auf Zahlung von 7.743,51 EUR gerichtete Klage abgewiesen. Der Vertrag enthalte eine Ohne-Rechnung-Abrede und sei gem. §§ 134, 138 Abs. 1, 139 BGB nichtig. Das Berufungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen. Es hat die Revision zugelassen, da die höchstrichterliche Rechtsprechung zu den Folgen einer Ohne-Rechnung-Abrede nicht einheitlich sei. Der Kläger verfolgt mit der Revision seinen Anspruch weiter.
Entscheidungsgründe
[4] Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit zum Nachteil des Klägers erkannt worden ist, und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
[5] Das Berufungsgericht sieht in seinem Urteil (BauR 2007, 1586) eine Abrede der Parteien, dass die Leistungen des Beklagten nicht in Rechnung gestellt werden sollten und somit auch die Umsatzsteuer nicht abgeführt werden sollte, als erwiesen an. Diese Ohne-Rechnung-Abrede habe die Nichtigkeit des Werkvertrags gem. §§ 134, 139 BGB zur Folge. Sie diene einer Steuerhinterziehung und führe jedenfalls dann zur Nichtigkeit, wenn diese den Hauptzweck des Vertrages darstelle. Darüber hinaus sei Nichtigkeit des Gesamtvertrages anzunehmen, wenn die Abrede auch auf den Vertrag im Übrigen Einfluss gehabt habe. Daran fehle es nur, wenn feststehe, dass der Vertrag auch ohne die nichtige steuerliche Absprache zu denselben Bedingungen - insb. im Hinblick auf die Vergütung - abgeschlossen worden wäre. Die Gegenansicht, die eine Gesamtnichtigkeit des Vertrages schon dann verneine, wenn nicht die Steuerverkürzung, sondern ein anderer Aspekt - beim Werkvertrag etwa die Errichtung des geschuldeten Werks - als Hauptzweck des Vertrages anzusehen sei, lasse sich mit § 139 BGB nicht in Einklang bringen. Der insoweit darlegungs- und beweispflichtige Kläger habe nicht dargetan, dass der Werkvertrag zwischen den Parteien auch bei ordnungsgemäßer Rechnungslegung und Buchführung zu den gleichen Konditionen abgeschlossen worden wäre. Er habe sich nicht mit dem Vortrag des Beklagten auseinandergesetzt, bei ordnungsgemäßer Abrechnung der Arbeitsstunden einschließlich Umsatzsteuer wäre eine Vergütung von weit über 3.000 EUR angefallen zzgl. ca. 1.000 EUR für das verwendete Holz. Die Nichtigkeit des Werkvertrags führe zum Ausschluss der Gewährleistungsrechte des Klägers.
II.
[6] Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand. Die Ohne-Rechnung-Abrede ist gem. §§ 134, 138 BGB nichtig. Ob das zur Nichtigkeit des gesamten Vertrages führt, richtet sich nach § 139 BGB, muss hier jedoch nicht abschließend entschieden werden. Denn der Beklagte kann sich auf eine etwaige auf den Voraussetzungen des § 139 BGB beruhende Gesamtnichtigkeit des Bauvertrages nach Treu und Glauben nicht berufen.
[7] 1. Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts haben die Parteien vereinbart, dass für die Leistungen des Beklagten eine Rechnung nicht gestellt und die anfallende Umsatzsteuer nicht abgeführt werden sollte. Diese Ohne-Rechnung-Abrede hatte, wie das Berufungsgericht zutreffend sieht, nicht zur Folge, dass die Steuerhinterziehung Hauptzweck des Vertrages war und dieser schon aus diesem Grunde insgesamt gem. §§ 134, 138 BGB nichtig ist (vgl. dazu BGH, Urt. v. 9.6.1954 - II ZR 70/53, BGHZ 14, 25; v. 23.3.1961 - II ZR 157/59, WM 1961, 727; v. 23.10.1975 - II ZR 109/74, WM 1975, 1279; v. 4.3.1993 - V ZR 121/92, BGHR BGB § 134 Steuerhinterziehung 1; v. 23.6.1997 - II ZR 220/95, BGHZ 136, 125; v. 5.7.2002 - V ZR 229/01, NJW-RR 2002, 1527; v. 2.7.2003 - XII ZR 74/01, NJW 2003, 2742). Hauptzweck des Vertrages war vielmehr die ordnungsgemäße Erbringung der vereinbarten Bauleistungen durch den Beklagten.
[8] 2. Gemäß §§ 134, 138 BGB nichtig ist die der Steuerhinterziehung dienende Ohne-Rechnung-Abrede (vgl. BGH, Urt. v. 3.7.1968 - VIII ZR 113/66, MDR 1968, 834; v. 21.12.2000 - VII ZR 192/98, BauR 2001, 630 = NZBau 2001, 195 = ZfBR 2001, 175; v. 2.7.2003 - XII ZR 74/01, NJW 2003, 2742). Damit ist ein Teil des Vertrages nichtig und der Anwendungsbereich von § 139 BGB eröffnet.
[9] a) Nach dieser Vorschrift ist bei Nichtigkeit eines Teils eines Vertrages der gesamte Vertrag nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass er auch ohne den nichtigen Teil geschlossen worden wäre. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, ob also die Vermutung der Gesamtnichtigkeit durch einen entgegenstehenden (hypothetischen) Parteiwillen entkräftet wird, ist jeweils anhand der Umstände des Einzelfalls zu prüfen.
[10] b) Diese Grundsätze gelten auch für die Frage, ob die Nichtigkeit einer Ohne-Rechnung-Abrede die Nichtigkeit des ganzen Vertrages zur Folge hat (vgl. BGH, Urt. v. 3.7.1968 - VIII ZR 113/66, MDR 1968, 834 zum Kaufvertrag; v. 2.7.2003 - XII ZR 74/01, NJW 2003, 2742 zum Mietvertrag; OLG Hamm BauR 1997, 501; OLG Oldenburg OLGReport Oldenburg 1997, 2; OLG Naumburg, IBR 2000, 64, Volltext bei Juris; OLG Saarbrücken OLGReport Saarbrücken 2000, 303 jeweils zum Werkvertrag). Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten, dass auch beim Werkvertrag Gesamtnichtigkeit nur dann nicht eintritt, wenn angenommen werden kann, dass ohne die Ohne-Rechnung-Abrede bei ordnungsgemäßer Rechnungslegung und Steuerabführung der Vertrag zu denselben Konditionen, insb. mit derselben Vergütungsregelung, abgeschlossen worden wäre. Soweit dem Urteil des Senats vom 21.12.2000 (VII ZR 192/98, BauR 2001, 630 = NZBau 2001, 195 = ZfBR 2001, 175) entnommen werden könnte, dass diese jeweils im Einzelfall vorzunehmende Prüfung regelmäßig zu dem Ergebnis führe, die Nichtigkeit der Ohne-Rechnung-Abrede habe auf die Höhe der Vergütung keinen Einfluss, hält der Senat daran nicht fest.
[11] 3. Der Senat muss nicht abschließend entscheiden, ob im Streitfall die Nichtigkeit der Ohne-Rechnung-Abrede zur Gesamtnichtigkeit des Vertrages führt. Denn jedenfalls kann sich der Beklagte, nachdem er die Bauleistung erbracht hat, nach Treu und Glauben nicht auf eine etwaige Nichtigkeit des Vertrages berufen, § 242 BGB.
[12] a) Der das gesamte Rechtsleben beherrschende Grundsatz von Treu und Glauben gilt auch im Rahmen nichtiger Rechtsgeschäfte. Deshalb kann die Berufung auf die Nichtigkeit eines Vertrages in besonders gelagerten Ausnahmefällen eine unzulässige Rechtsausübung darstellen. Das gilt nicht nur im Anwendungsbereich von § 138 BGB (vgl. BGH, Urt. v. 23.1.1981 - I ZR 40/79, NJW 1981, 1439; v. 28.4.1986 - II ZR 254/85, NJW 1986, 2944, 2945), sondern auch bei § 134 BGB (vgl. BGH, Urt. v. 12.1.1970 - VII ZR 48/68, BGHZ 53, 152, 158 f.; v. 23.9.1982 - VII ZR 183/80, BGHZ 85, 39, 47; v. 22.1.1986 - VIII ZR 10/85, NJW 1986, 2360, 2361; v. 5.5.1992 - X ZR 134/90, BGHZ 118, 182, 191; v. 1.2.2007 - III ZR 281/05, NJW 2007, 1130).
[13] Allerdings dient § 134 BGB dem öffentlichen Interesse und dem Schutz des allgemeinen Rechtsverkehrs. Er schränkt die Privatautonomie ein; gesetzliche Verbote stehen nicht zur Disposition der Parteien (BGB-RGRK/Krüger-Nieland/Zöller, 12. Aufl., § 134 Rz. 1 und Palandt/Heinrichs, 67. Aufl., § 134 BGB Rz. 1). Hieraus wird in der Literatur gefolgert, die Berufung auf Treu und Glauben gegenüber einer aus § 134 BGB folgenden Nichtigkeit sei grundsätzlich unzulässig. Auf diese Weise könne ein gesetzliches Verbot nicht verdrängt werden, das Vertrauen auf die Wirksamkeit einer verbotsgesetzwidrigen Vereinbarung verdiene generell keinen Schutz (Jauernig, BGB, 12. Aufl., § 134 Rz. 17; Armbrüster in MünchKomm/BGB, 5. Aufl., § 134 Rz. 112).
[14] Diesen Bedenken kommt jedenfalls hier keine entscheidende Bedeutung zu. Denn gegen ein gesetzliches Verbot i.S.d. § 134 BGB verstößt allein die Ohne-Rechnung-Abrede, nicht aber der Bauvertrag als solcher ohne diese Abrede. Seine Nichtigkeit folgt nicht unmittelbar aus § 134 BGB, sondern ggf. aus der Anwendung von § 139 BGB. Diese Vorschrift enthält dispositives Recht; die in ihr vorgesehene Gesamtnichtigkeit kann abbedungen werden (BGH, Urt. v. 30.1.1997 - IX ZR 133/96, NJW-RR 1997, 684, 685). Die Parteien hätten daher vereinbaren können, dass eine Nichtigkeit der Ohne-Rechnung-Abrede sich nicht auf die anderen Vertragsbestandteile erstrecken soll. In diesem Fall wäre der Beklagte den Mängelansprüchen des Klägers ausgesetzt. Lediglich diese in der Disposition der Parteien liegende Rechtsfolge wird durch die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben auf anderem Wege herbeigeführt. Die Nichtigkeit der Ohne-Rechnung-Abrede im Interesse der Allgemeinheit bleibt davon unberührt.
[15] b) Beruft sich der Unternehmer, der die Bauleistung erbracht hat, zur Abwehr von Mängelansprüchen des Bestellers auf die Nichtigkeit des Bauvertrages wegen der Ohne-Rechnung-Abrede, stellt dies einen Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben dar (a.A. OLG Saarbrücken OLGReport Saarbrücken 2000, 303). Dies beruht auf der spezifischen Interessenlage, die sich bei einem Bauvertrag mit Ohne-Rechnung-Abrede für die Vertragsparteien typischerweise ergibt:
[16] Bei einem solchen Bauvertrag erbringt der Unternehmer die von ihm geschuldeten Bauleistungen regelmäßig an dem Grundstück des Bestellers. Eine Rückabwicklung des Vertrages durch Rückgabe der Leistung ist, wenn überhaupt, gewöhnlich nur mit erheblichen Schwierigkeiten möglich. Durch sie würden wirtschaftliche Werte gefährdet; der Unternehmer müsste bei einer solchen Rückabwicklung in fremdes Eigentum eingreifen (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 28.9.2006 - VII ZR 303/04, BauR 2007, 111, 113 = NZBau 2006, 781 = ZfBR 2007, 44, 45 m.w.N.). Ist die erbrachte Bauleistung mangelhaft, ist daher das Eigentum des Bestellers mit den hieraus folgenden Nachteilen nachhaltig belastet, die durch schlichte Rückabwicklung des Bauvertrags regelmäßig nicht wirtschaftlich sinnvoll zu beseitigen sind; der Besteller wird daher das mangelhafte Werk typischerweise behalten. Diese Belastungssituation führt dann zu einem besonderen Interesse des Bestellers an vertraglichen, auf die Beseitigung des Mangels gerichteten Gewährleistungsrechten, die bei einer Nichtigkeit des gesamten Bauvertrages entfallen würden.
[17] Für den Unternehmer liegt diese spezifische Interessenlage des Bestellers der Bauleistung offen zutage. Hat er die Bauleistung mangelhaft erbracht, verhält er sich treuwidrig, wenn er sich ggü. dem in der dargestellten Weise belasteten Besteller auf eine Gesamtnichtigkeit des Bauvertrages beruft, die allein aus der Gesetzwidrigkeit der Ohne-Rechnung-Abrede folgen kann. Denn der Unternehmer hat in Kenntnis dieser Abrede und der dargestellten Interessenlage den Vertrag durchgeführt, sozusagen "ins Werk gesetzt", und seine Bauleistung erbracht. Er setzt sich in dieser von ihm maßgeblich mitverursachten Situation unter Verstoß gegen Treu und Glauben in Widerspruch zu seinem bisher auf Erfüllung des Vertrags gerichteten Verhalten, wenn er nunmehr unter Missachtung der besonderen Interessen seines Vertragspartners die Ohne-Rechnung-Abrede, die regelmäßig auch seinem eigenen gesetzwidrigen Vorteil dienen sollte, zum Anlass nimmt, für die Mangelhaftigkeit seiner Leistung nicht einstehen zu wollen mit der Folge, dass der Besteller unter Beeinträchtigung seines Eigentums dauerhaft mit den Mangelfolgen belastet bleibt.
[18] c) Nach diesen Grundsätzen kann der Beklagte gem. § 242 BGB ggü. den Mängelansprüchen des Klägers nicht einwenden, der Bauvertrag sei wegen der Ohne-Rechnung-Abrede insgesamt nichtig.
III.
[19] Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, dem Hinweis in der Revisionserwiderung auf einen eventuellen Verstoß gegen das Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit nachzugehen.
Fundstellen
Haufe-Index 2001289 |
BGHZ 2008, 198 |
DB 2008, 1855 |
BGHR 2008, 781 |
BauR 2008, 1301 |
DWW 2008, 351 |
DWW 2009, 9 |
EBE/BGH 2008, 186 |
NJW-RR 2008, 1050 |
IBR 2008, 431 |
NZM 2008, 496 |
WM 2008, 1838 |
ZAP 2009, 340 |
ZIP 2008, 1636 |
JZ 2008, 1004 |
JuS 2008, 932 |
MDR 2008, 910 |
MDR 2009, 304 |
NJ 2008, 418 |
VersR 2008, 1124 |
ZfBR 2008, 570 |
BauSV 2008, 71 |
Info M 2008, 343 |
NJW-Spezial 2008, 461 |
NZBau 2008, 434 |
RÜ 2008, 409 |
RdW 2008, 413 |
ZGS 2008, 204 |