Leitsatz (amtlich)
Zur Auslegung einer Gewinngarantie in einem Kaufvertrag über Gesellschaftsanteile an einem Unternehmen.
Normenkette
BGB §§ 133, 157
Verfahrensgang
LG Osnabrück (Aktenzeichen 1 HO 120/94) |
OLG Oldenburg (Oldenburg) (Aktenzeichen 11 U 60/98) |
Tenor
Auf die Revisionen des Klägers und der Beklagten wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 19. November 1998 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 28. Januar 1999 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der Z. GmbH (Schuldnerin). Das in den Vorinstanzen noch von der Schuldnerin betriebene Verfahren hat er aufgenommen.
Die im Oktober 1991 als d. -Z. GmbH mit Sitz in G. von der Ge. e.G. (im folgenden: Firma Ge.) gegründete Schuldnerin kaufte mit Vertrag vom 27. November 1991 von den Beklagten deren Geschäftsanteile an der von ihnen jeweils zur Hälfte gehaltenen d. -Z. GmbH mit Sitz in O. (nachfolgend als d. alt bezeichnet). Der Kaufpreis betrug 9 Millionen DM, je Geschäftsanteil 4,5 Millionen DM.
Zum Vermögen der d. alt gehörten auch Unternehmensbeteiligungen. Sie war Alleingesellschafterin der Parfümerie L. Vertriebsgesellschaft mbH, der U. GmbH sowie der R. GmbH und 50%ige Gesellschafterin der E. Einkaufsgesellschaft mbH. Sämtliche Gesellschaften wurden in der Zeit von Juli 1990 bis März 1991 gegründet.
Im Rahmen des Anteilskaufvertrages garantierten die Beklagten der Käuferin für die Geschäftsjahre 1992 bis einschließlich 1995 einen jeweiligen Jahresgewinn von 1 Million DM. Aus dieser Garantieabrede nimmt der Kläger die Beklagten für die Geschäftsjahre 1992 und 1993 in Anspruch.
Im notariell beurkundeten Kaufvertrag ist hierzu bestimmt:
§ 1 Kaufgegenstand, Übertragung
Nr. 1: Die Verkäufer I und II verkaufen und übertragen hiermit ihre beiden Geschäftsanteile … nebst allen damit verbundenen Gewinnbezugsrechten ab 1. Januar 1992, d.h., die bis zum 31. Dezember 1991 von der GmbH und den mitverkauften Tochtergesellschaften erwirtschafteten Gewinne (Jahresüberschüsse und Gewinnvorträge) stehen ausschließlich den Verkäufern zu I und II zu. Die Jahresabschlüsse 1991 der GmbH und ihrer Tochtergesellschaften sind mit der Maßgabe aufzustellen, daß seitens der Tochtergesellschaften Vollausschüttungen zum 31. Dezember 1991 an die GmbH erfolgen, die zu dem Jahresabschluß 1991 der GmbH als Gewinnansprüche zu aktivieren sind und seitens der GmbH eine Vollausschüttung des im Jahresabschluß 1991 ausgewiesenen Jahresüberschusses und Gewinnvortrages an die Verkäufer I und II stattfindet, … mit der Maßgabe, daß der dingliche Rechtsübergang zum Ablauf des Übergangsstichtages (§ 2 = 31. Dezember 1991/1. Januar 1992) eintritt.
Nr. 2: Die Tochterunternehmen der d. -Z. GmbH (O.) werden gem. §§ 3 bis 8 (A) als Teil des Kaufgegenstandes mitveräußert und die Zusicherungen und Erklärungen der Käuferin, sowie der Verkäufer I und II beziehen sich auch auf die Tochterunternehmen. …
§ 4 Zusicherungen und Garantien hinsichtlich rechtlicher Verhältnisse
Nr. 6: Die GmbH und die Verkäufer zu I und II werden die Jahresabschlüsse 1991 für die GmbH und die mitverkauften Tochtergesellschaften nach exakt den gleichen Wertansätzen, Bewertungskriterien etc., erstellen und dabei die handelsrechtlichen Grundsätze einhalten, wie auch die Jahresabschlüsse aller vorangegangenen Geschäftsjahre, insbesondere der letzten 4 Geschäftsjahre.
§ 5 Gewährleistung hinsichtlich der Abschlußangaben
Nr. 4: Darüber hinaus garantieren die Verkäufer I und II, sowie die GmbH, für das Wirtschaftsjahr 1992, 1993, 1994 – im Rahmen eines Geschäftsführervertrages, für dessen Abschluß sich die Verkäufer zu I und II verpflichten, für 1995 nach Abschluß eines Beratervertrages – einen Gewinn der GmbH vor Ertragssteuern und vor der Inanspruchnahme steuerlicher Bewertungsvergünstigungen in Höhe von jeweils 1 Million DM pro Jahr. Dabei werden Einflüsse nicht bewertet, die allein aus der Übertragung der Geschäftsanteile der GmbH an die Verkäuferin und der sich damit zusammenhängenden Auswirkungen ergeben. Bei der Ermittlung der Jahresüberschüsse nach handelsrechtlichen Bewertungs- und Bilanzierungsgrundsätzen haben steuerliche Bewertungs- und Abschreibungsvergünstigungen außer Ansatz zu bleiben; außer Ansatz zu bleiben haben ferner Abschreibungen auf Anlagevermögen, die die durchschnittlichen Anlageabschreibungen der GmbH in den Geschäftsjahren 1989 – 1991 übersteigen. Die Verkäufer I und II bleiben Geschäftsführer in einem befristeten Geschäftsführervertrag bis einschließlich 1994 ….. Während des Garantiezeitraums dürfen gegen den Willen der Verkäufer I und II von der Mehrheitsgesellschafterin keine ergebnisbeeinflussenden Maßnahmen angeordnet und durchgesetzt werden, es sei denn, man einigt sich über einen Ausgleich zu Lasten der Garantieverpflichtung. Scheiden die Verkäufer zu I und II aus dem Geschäftsführer- bzw. Beraterverhältnis der GmbH aufgrund einer eigenen Kündigung aus von der GmbH oder der Käuferin nicht zu vertretenden Gründen aus, so hat dies keinen Einfluß auf die Garantieleistungen; anderenfalls entfällt die Garantieverpflichtung ab Beendigung des Geschäftsführerverhältnisses.
§ 6 Gewährleistungen
Nr. 1 S. 1: Für die vertragsmäßige Erfüllung der Zusicherung und der Garantien … haften die Verkäufer I und II der Käuferin als Gesamtschuldner…
§ 9 Haftungsfreigabe
Nr. 1: Die Käuferin verpflichtet sich, die Verkäufer I und II von allen Haftungsverhältnissen freizustellen, die diese für die Verbindlichkeiten der GmbH und ihrer Tochtergesellschaften gegenüber Kreditinstituten …. eingegangen sind.
Nach dem Erwerb der Geschäftsanteile an der d. alt von den Beklagten im November 1991 kaufte die Schuldnerin mit Vertrag vom 2. Januar 1992 von der durch die Beklagten vertretenen d. alt das von dieser betriebene Handelsgeschäft und übernahm in der Folgezeit das operative Geschäft von der d. alt.
Im August 1992 gaben die Gesellschafter der Schuldnerin dieser eine neue Geschäftsordnung, mit der die Verteilung der Aufgaben auf die Geschäftsführer (Go., K., Beklagter zu 1 u. zu 2) neu geregelt wurde. Diese Geschäftsordnung unterzeichneten auch die Beklagten.
Für 1992 errechnete die Schuldnerin einen Verlust in Höhe von 5.301.850,68 DM, für 1993 einen Verlust in Höhe von 6.148.823,69 DM. Dabei berücksichtigte sie nicht nur das jeweilige Jahresergebnis der d. alt, sondern bezog zur Ermittlung des Gesamtergebnisses in der Unternehmensgruppe auch die Jahresergebnisse der Töchter, die vornehmlich durch Millionenverluste der Parfümerie L. geprägt waren, ein. Ferner rechnet sie die eigenen Unternehmensergebnisse für 1992 und 1993 hinzu, weil sie – nach Erwerb der Geschäftsanteile an der d. alt von den Beklagten – mit weiterem Kaufvertrag das Handelsgeschäft von der d. alt übernommen hatte. Umstritten ist, ob die Verluste der Tochterunternehmen bei der Ermittlung des tatsächlich erreichten Gewinns einzubeziehen sind.
Erstinstanzlich hat die Schuldnerin, die 5,5 Millionen DM auf den Kaufpreis gezahlt hat, nach Abzug der Restkaufpreisforderung von 3,5 Millionen DM von den Beklagten als Gesamtschuldner für 1992 2.801.850,68 DM und für 1993 7.148.823,69 DM, insgesamt 9.950.674,73 DM verlangt. Die Beklagten sind dem entgegengetreten und haben widerklagend die Zahlung des Restkaufpreises von je 1.750.000 DM begehrt. Sie haben unter anderem geltend gemacht, sie seien für die eingetretenen Verluste nicht verantwortlich. Nachdem sie durch die Geschäftsordnung vom 4. August 1992 weitgehend entmachtet worden seien, habe die Schuldnerin ihre, der Beklagten, erfolgreiche Geschäftspolitik nicht fortgesetzt und gegen ihren Willen Umstrukturierungen im Unternehmen herbeigeführt. Ferner sei die Klageforderung falsch berechnet. Vertraglich garantiert sei lediglich ein Gewinn der d. alt, der Klageforderung liege aber ein Anspruch auf einen garantierten Gesamtgewinn in der Unternehmensgruppe zugrunde, der unter Einbeziehung auch der Verluste der Tochtergesellschaften in voller Höhe errechnet sei.
Nach Eintritt der Rechtshängigkeit trat die Schuldnerin die Klageforderung in Höhe eines Teilbetrages von 2 Millionen DM an die D. bank ab.
Nach Einholung von vier Sachverständigengutachten zu den handelsrechtlichen Verlusten in der Unternehmensgruppe hat das Landgericht mehrere, von der Schuldnerin bei den verschiedenen Gesellschaften angesetzte Verlustposten nicht oder nur zum Teil gewinnmindernd anerkannt, entsprechend gekürzt und für beide Geschäftsjahre einen Ausgleichsanspruch zum garantierten Betrag in Höhe von 2.845.071,60 DM errechnet. Die zum Restkaufpreis von 3,5 Millionen DM verbleibende Differenz von 654.928,40 DM hat es den Beklagten jeweils zur Hälfte (327.464,20 DM) auf die Widerklage zugesprochen; die weitergehende Widerklage und die Klage hat es abgewiesen.
Die Schuldnerin hat die Herabsetzung des von ihr berechneten Gewinnanspruchs zum Teil akzeptiert. Sie hat beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 7 Millionen DM zu verurteilen und die Widerklagen abzuweisen. Die Beklagten haben im Wege der Anschlußberufung ihr Widerklagebegehren weiterverfolgt, soweit dieses in erster Instanz erfolglos geblieben war.
Auf die Berufung der Schuldnerin hat das Berufungsgericht die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 2.850.311,36 DM verurteilt und – unter Zurückweisung der Rechtsmittel im übrigen – die weitergehende Klage und die Widerklagen abgewiesen.
Die Beklagten verfolgen mit ihren Revisionen die Abweisung der Klage und die Verurteilung des Klägers auf die Widerklagen; der Kläger erstrebt die volle Verurteilung der Beklagten nach dem Schlußantrag in der Berufungsinstanz.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat – soweit für die Revisionsinstanz von Interesse – ausgeführt:
1. Das von den Beklagten in dem Vertrag vom 27. November 1991 abgegebene Garantieversprechen sei nicht wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage unwirksam. Das zur Durchsetzung ihrer Interessen in § 5 Nr. 4 des Kaufvertrages vorgesehene Instrumentarium hätten die Beklagten nicht eingesetzt. Zwar hätten sie sich bei der Firma Ge. verschiedentlich über bestimmte Vorfälle im Unternehmen beschwert (Schreiben vom 29. Oktober, 9.,11. und 24. November 1992, 12. Oktober 1993), dabei habe es sich jedoch um solche Ereignisse gehandelt, die auf Anordnungen der Mitgeschäftsführer und nicht der Mehrheitsgesellschafterin zurückzuführen gewesen seien. Eine förmliche Anordnung der Mehrheitsgesellschafterin sei jedoch nicht eingefordert worden. Die Beklagten hätten damit auf im Zusammenhang mit dem Garantieversprechen ihnen gegebene Kontrollmöglichkeiten verzichtet. Es könne deshalb nicht zum Wegfall der Geschäftsgrundlage führen, wenn die übrigen Geschäftsführer die ihnen mit Zustimmung der Beklagten erteilten Befugnisse nach der Geschäftsordnung wahrgenommen hätten. Schließlich hätten die Beklagten wegen dieser Ereignisse die Wirksamkeit der Garantieabrede auch nicht bestritten.
2. Bei der Ermittlung des jeweils maßgebenden Jahresergebnisses seien nicht nur die Ergebnisse der Schuldnerin zugrunde zu legen, sondern auch die der Tochtergesellschaften. Die Gewinngarantie erfasse den gesamten Kaufgegenstand. Dies folge aus dem Zusammenhang des in § 5 Nr. 4 enthaltenen Garantieversprechens mit § 1 Nr. 2 des notariellen Vertrages, wonach die Tochtergesellschaften der d. alt gemäß §§ 3 bis 8 (A) als Teil des Kaufgegenstandes mitveräußert worden seien und die Zusicherungen und Erklärungen der Schuldnerin und der beiden Beklagten sich auch auf die Tochterunternehmen bezögen. Da sich die Garantie auf den gesamten Kaufgegenstand erstrecke, könne sie allerdings auch nicht dahin verstanden werden, daß für jedes der Tochterunternehmen ein Jahresgewinn von 1 Million DM garantiert worden sei. Für diese Auslegung spreche auch, daß der Beklagte zu 1) selbst von einem garantierten Gesamtergebnis der d. und ihrer Tochtergesellschaften ausgegangen sei. Dies ergebe sich aus seinem an die Firma Ge. gerichteten Schreiben vom 29. Oktober 1992.
II. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision der Beklagten in entscheidenden Punkten nicht stand.
1. Zu Recht wenden sich die Beklagten gegen die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht einen Wegfall der Geschäftsgrundlage für den Garantieanspruch der Schuldnerin verneint hat. Der Auffassung des Berufungsgerichts, die Beklagten hätten auf ihre im Zusammenhang mit der Garantieabrede bestehenden Kontrollbefugnisse verzichtet, weil sie mit Schreiben vom 29. Oktober 1992, vom 9., 11., 24. November 1992 und vom 12. Oktober 1993 gegenüber der Firma Ge. lediglich einzelne von Mitgeschäftsführern veranlaßte Geschäftsführungsmaßnahmen beanstandet hätten, ohne zur Durchsetzung ihrer Rechte aus § 5 Nr. 4 Abs. 3 des Kaufvertrages einen förmlichen Beschluß der Mehrheitsgesellschafterin zu verlangen, vermag der Senat nicht zu folgen.
Das Berufungsgericht versteht die Regelung des § 5 Nr. 4 des Kaufvertrages dahin, daß nur von der Mehrheitsgesellschafterin selbst angeordnete oder förmlich genehmigte Maßnahmen die Garantiepflicht der Beklagten berühren könnten. Von diesem Verständnis ausgehend hält es den mehrfachen schriftlichen Widerspruch der Beklagten gegen Maßnahmen der Geschäftsführung – d.h. der Mitgeschäftsführer der Beklagten – für unbeachtlich, weil die Beklagten hinsichtlich der von ihnen beanstandeten Maßnahmen keinen förmlichen Beschluß der Mehrheitsgesellschafterin eingefordert hätten. Gegen diese Auslegung der betreffenden Vertragsbestimmung wendet sich die Revision mit Erfolg. Die Auslegung einer – wie hier – individual-vertraglich getroffenen Vereinbarung unterliegt zwar nur eingeschränkter revisionsrechtlicher Nachprüfung (vgl. § 561 Abs. 2 ZPO). Auch einer solchen hält die Auslegung des Berufungsgerichts indessen nicht stand, denn sie verletzt den allgemein anerkannten Grundsatz einer nach beiden Seiten interessengerechten Auslegung (vgl. Senatsurteil vom 8. Juni 1994 – VIII ZR 103/93, WM 1994, 1720 unter II 2 b m.w.Nachw.).
Die in § 5 Nr. 4 des Kaufvertrages getroffene Regelung zielt ersichtlich darauf ab, die Beklagten vor einer Inanspruchnahme aus der von ihnen abgegebenen Garantiezusage für den Fall zu schützen, daß gegen ihren Willen Maßnahmen getroffen werden, die das Betriebsergebnis negativ beeinflussen. Entscheidend kann demzufolge nicht sein, ob ergebnisbeeinflussende Maßnahmen, mit denen die Beklagten nicht einverstanden waren, von der Mehrheitsgesellschafterin der d. alt durch förmlichen Beschluß angeordnet oder genehmigt worden sind oder ob Maßnahmen der später hinzugekommenen Mitgeschäftsführer der Beklagten, denen die Beklagten gegenüber der Mehrheitsgesellschafterin widersprochen hatten, von dieser formlos gebilligt worden oder unbeanstandet geblieben sind. Ein wirksamer Schutz des § 5 Nr. 4 des Vertrages zum Ausdruck kommenden Interesses der Beklagten war vielmehr nur dann gewährleistet, wenn ergebnisbeeinflussende Maßnahmen schlechthin nicht gegen den Willen der Beklagten getroffen werden konnten. Mit dieser – offenkundigen – Interessenlage wäre es nicht zu vereinbaren, die vertragliche Regelung einengend dahin zu verstehen, daß nur förmliche Beschlüsse der Mehrheitsgesellschafterin sich auf die Garantiehaftung der Beklagten sollten auswirken können, Maßnahmen der Mitgeschäftsführer dagegen hingenommen werden müßten, obgleich diese sich in gleicher Weise auf das von der Beklagten garantierte Ergebnis des Unternehmens auswirken konnten und die Beklagten solchen Maßnahmen gegenüber der Mehrheitsgesellschafterin widersprochen hatten. Daß die Beteiligten diesen Fall vertraglich nicht ausdrücklich geregelt haben, steht einer interessengerechten Auslegung des § 5 Nr. 4 des Vertrages nicht entgegen. Für eine Einbeziehung des Falles, daß die Mehrheitsgesellschafterin Maßnahmen der Mitgeschäftsführer der Beklagten trotz deren Widerspruchs unbeanstandet lassen würde, bestand bei Abschluß des Kaufvertrages noch keine Veranlassung, weil damals allein die beiden Beklagten Geschäftsführer der d. alt waren.
Allerdings ist die Heranziehung der Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage für die Berücksichtigung des Einwands der Beklagten, die Klägerin sei wegen der Fehlentscheidungen auf der Geschäftsführerebene für den Eintritt des Garantiefalles selbst verantwortlich, schon im Ansatz ausgeschlossen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann nicht Geschäftsgrundlage sein, was die Parteien schon in ihren Vertragsbestimmungen berücksichtigt haben (vgl. BGH, Urteile vom 24. November 1998 – X ZR 21/97, NJW-RR 1999, 923 unter 2 a; vom 13. Dezember 1995 – XII ZR 185/93, BGHR BGB § 242 Geschäftsgrundlage 54; vom 27. September 1991 – V ZR 191/90, WM 1992, 153 unter 1 = ZIP 1991, 1599; vom 1. Februar 1990 – VII ZR 176/88, WM 1990, 1118 unter I 2 c aa = NJW-RR 1990, 601). § 5 Nr. 4 Satz 5 des Vertrages ist aber im Wege einer interessengerechten ergänzenden Auslegung (§§ 133, 157 BGB) zu entnehmen, daß gewinnschmälernde Maßnahmen, die gegen den Willen der Beklagten durchgeführt wurden, im Rahmen ihrer Garantieverpflichtung nicht zu ihren Lasten gehen dürfen. Wenn es dort heißt, während des Garantiezeitraums dürften gegen den Willen der Verkäufer von der Mehrheitsgesellschafterin keine ergebnisbeeinflussenden Maßnahmen angeordnet und durchgesetzt werden, es sei denn, man einige sich über einen Ausgleich zu Lasten der Garantieverpflichtung, haben die Parteien damit zum Ausdruck gebracht, daß die Beklagten für eine Verschlechterung des Betriebsergebnisses, die auf einem eigenmächtigen Vorgehen der Geschäftsführung beruhten, nicht einzustehen haben. Die Verluste, die die Gesellschaft hierdurch erlitten hat, sind daher bei der Prüfung, ob und in welcher Höhe die Beklagten Garantieleistungen zu erbringen haben, aus den Betriebsergebnissen herauszurechnen. Diese ergänzende Auslegung konnte der Senat selbst vornehmen, da weitere tatsächliche Feststellungen in diesem Zusammenhang nicht in Betracht kommen (BGH, Urteil vom 12. Dezember 1997 – V ZR 250/96, NJW 1998, 1219).
2. Berechtigt sind auch die Angriffe der Beklagten gegen die Auslegung der Gewinngarantie durch das Berufungsgericht. Das Berufungsgericht ist zu dem Ergebnis gelangt, es sei ein Gesamtjahresgewinn von 1 Million DM in der d. Unternehmensgruppe, bestehend aus der d. alt und deren Tochtergesellschaften, garantiert, mit der Folge, daß zur Ermittlung des Garantiefalls und der Höhe der Garantieleistungen Gewinne und Verluste in den verschiedenen Unternehmen zusammenzurechnen seien.
a) Entgegen der Ansicht der Beklagten hat das Berufungsgericht allerdings nicht den anerkannten Grundsatz, daß die Auslegung vom Wortlaut der Erklärung auszugehen hat (BGHZ 124, 39, 44 f; BGH, Urteil vom 18. Mai 1998 – II ZR 19/97 = NJW 1998, 2966 unter B I 2), verletzt. Das Berufungsgericht hat den Wortlaut des in § 5 Nr. 4 abgegebenen Garantieversprechens sehr wohl bei seiner Auslegung berücksichtigt. Dabei hat es auch nicht verkannt, daß diese Vertragsbestimmung lediglich von einem Gewinn der GmbH spricht und daß damit die d. alt gemeint ist. Dieses Verständnis der Garantieabrede zugrundelegend, zieht es dann erst im Zusammenhang mit § 1 Nr. 2 des Kaufvertrages und dem nachvertraglichen Schreiben des Beklagten zu 1) vom 29. Oktober 1992 den Schluß, die Parteien hätten – über den Wortlaut des § 5 Nr. 4 des Kaufvertrages hinausgehend – einen Gesamtgewinn der Unternehmensgruppe garantiert.
b) Wie die Beklagten zu Recht beanstanden, verletzt diese Deutung aber den Grundsatz der nach beiden Seiten hin interessengerechten Auslegung (vgl. BGH, Senatsurteil vom 8. Juni 1994 – VIII ZR 103/93, WM 1994, 1720 unter II 2 b = NJW 1994, 2228; Urteil vom 10. Dezember 1992 – VII ZR 241/91, WM 1993, 759 unter II 3 b; Urteil vom 11. Mai 1995 – VII ZR 116/94, WM 1995, 1545 unter II 2; Urteil vom 10. Juli 1998 – V ZR 360/96, WM 1998, 1883 unter III 2 a). Aus diesem Grunde ist die Auslegung des Berufungsgerichts rechtsfehlerhaft (§ 133 BGB), so daß das Revisionsgericht hieran nicht gebunden ist (§ 561 Abs. 2 ZPO). Der Kläger hat kein anerkennenswertes Interesse daran, daß bei der Gewinngarantie die Verluste der Tochtergesellschaften einbezogen werden. Diese wirken sich nur insoweit auf die Vermögenslage und den Wert der d. alt aus, als ihre zu aktivierenden Unternehmensbeteiligungen bis zur völligen Wertlosigkeit herabgemindert werden können. An Gewinnen der Tochtergesellschaften kann sie hingegen unbeschränkt partizipieren, über einen Wertzuwachs ihrer Beteiligung oder über eine Gewinnausschüttung. Darüber hinaus wird die Muttergesellschaft aber durch Verluste ihrer Tochterunternehmen grundsätzlich nicht unmittelbar berührt. Daher ist es nicht gerechtfertigt, die Verluste der Tochtergesellschaften gegen die Gewinne der Muttergesellschaft über eine etwaige Herabsetzung des Wertes ihrer Beteiligung hinaus zu verrechnen. Aufgrund der genannten Erwägungen legt der Senat, da weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind, die Bestimmung des § 5 Nr. 4 des Vertrages über die Garantieverpflichtung der Beklagten dahingehend aus, daß bei der Ermittlung von Garantieleistungen der Beklagten Verluste der Tochtergesellschaften der Schuldnerin nicht zu berücksichtigen sind. Die von dem Berufungsgericht vorgenommene Auslegung würde zu dem sachlich nicht tragbaren Ergebnis führen, daß die Beklagten nicht nur unbeschränkt für Verluste der d. alt in den Geschäftsjahren 1992 bis 1995 einstehen müßten, sondern auch für sämtliche Verluste der jeweiligen Tochtergesellschaft. Damit würde das Haftungsrisiko der Beklagten im Verhältnis zum vereinbarten Kaufpreis unübersehbar und unangemessen hoch, zumal die Tochtergesellschaften noch vergleichsweise jung waren und es der Lebenserfahrung entspricht, daß die Geschäftstätigkeit in der Anfangsphase vielfach von Anlaufverlusten geprägt ist.
c) Diese Auslegung der Gewinngarantie wird durch den Umstand gestützt, daß die Parteien – wie der Kläger, wenn auch in anderem Zusammenhang, selbst einräumt – in § 5 Nr. 4 des Kaufvertrages für den Garantiezeitraum von 1992 bis 1995 nur für die d. alt Gewinnermittlungsgrundsätze vereinbart haben, die ersichtlich nicht auf die Tochtergesellschaften zugeschnitten sind. Danach sollen Abschreibungen auf Anlagevermögen die durchschnittlichen Anlageabschreibungen in den vorangegangenen Geschäftsjahren 1989 bis 1991 nicht übersteigen. Die Tochtergesellschaften wurden aber erst 1990 und 1991 gegründet. Hingegen haben die Parteien für das Wirtschaftsjahr 1991 ausdrücklich auch Regelungen im Hinblick auf die Ermittlung und Verwendung der Jahresergebnisse in den Tochtergesellschaften vereinbart. Danach waren die Jahresabschlüsse per 31. Dezember 1991 in der d. alt und in den Töchtern nach den gleichen Wertansätzen wie in den vorangegangenen Geschäftsjahren aufzustellen (§ 4 Nr. 6 des Kaufvertrages) mit der Maßgabe, daß seitens der Töchter Vollausschüttungen an die GmbH zu erfolgen hatten, die dort als Gewinnansprüche zu aktivieren waren (§ 1 Nr. 1 des Kaufvertrages). Diese Festlegungen waren für die Abwicklung des Vertrages von Bedeutung. Die in dem Wirtschaftsjahr von der Schuldnerin und den mitverkauften Tochtergesellschaften erwirtschafteten Gewinne sollten nämlich nach § 1 Nr. 1 des Vertrages ausschließlich den Verkäufern, den Beklagten, zustehen. Das Fehlen einer entsprechenden vertraglichen Bestimmung für die Gewinnermittlung in den Tochtergesellschaften in den Jahren 1992 bis 1995 im Gegensatz zu 1991 spricht dafür, daß es hierauf für die Rechtsbeziehungen der Vertragspartner nicht ankam, insbesondere nicht für die Ermittlung einer Garantiesumme, weil sich die Garantie gerade nicht auf die Tochtergesellschaften erstreckte.
d) Die vom Senat vorgenommene Auslegung des Garantieversprechens der Beklagten steht auch im Einklang mit dem Inhalt des § 1 Nr. 2 des Vertrages. Durch diese Bestimmung, nach der sich die „Zusicherungen und Erklärungen” der Käuferin und der Beklagten auch auf die „mitverkauften” Tochtergesellschaften beziehen, wird pauschal auf eine Vielzahl von in §§ 4 und 5 des Kaufvertrages enthaltenen Garantieerklärungen verwiesen, die allein die d. alt betreffen, ohne daß eine Anpassung der verschiedenen Garantien auf die Tochtergesellschaften erfolgt. So verweist § 1 Nr. 2 des Kaufvertrages für die Tochtergesellschaften auch auf § 4 Nr. 5, der eine Garantie hinsichtlich der im Jahresabschluß 1990 der d. alt aufgeführten Vermögensgegenstände enthält, obwohl die Tochtergesellschaften zum Teil erst 1991 gegründet wurden. Daraus ist zu entnehmen, daß die Beklagten für entsprechende Veräußerungsgegenstände der Tochtergesellschaften nicht Gewähr zu leisten haben. Die Verweisung auf einen garantierten Gewinn in der d. alt besagt daher gleichfalls noch nicht, daß von der Garantieerklärung auch die Tochtergesellschaften erfaßt sein sollten. Wie die Beklagten zu Recht hervorheben, ist bei bloßer Berücksichtigung des Zusammenspiels von Verweisungsvorschrift und Garantieerklärung sogar die nicht einmal vom Kläger geltend gemachte Auslegung denkbar, die Beklagten hätten neben einem Jahresgewinn von 1 Million DM in der d. alt jeweils einen entsprechenden Gewinn in den Tochtergesellschaften garantiert. Das obige Auslegungsergebnis ist mit der Verweisungsbestimmung schon deshalb zu vereinbaren, weil es im Ansatz ebenfalls von einem angestrebten Gewinn von 1 Million DM ausgeht, der nicht nur durch die Geschäftstätigkeit der d. alt erreicht werden sollte, sondern auch durch das Erwirtschaften von Gewinnen in den Tochterunternehmen, an der die Muttergesellschaft hätte partizipieren können (§ 29 GmbHG). Der Umstand, daß bei der Ermittlung des Gewinns Verluste der Tochtergesellschaften nicht direkt auf die d. alt durchschlagen, eine unmittelbare Verrechnung von Verlusten in der einen Gesellschaft mit Gewinnen in der anderen Gesellschaft – wie bei der Gewinn- und Verlustrechnung im Konzern (§ 297 Abs. 3 S. 1 HGB) – nicht stattfindet, entspricht dem Willen der Vertragspartner.
In diesem Sinne ist auch das Schreiben des Beklagten zu 1) vom 29. Oktober 1992 zu verstehen, in dem er an den Vorstand der Firma Ge. appelliert, seine Geschäftsführungsfunktion und die des Beklagten zu 2) nicht so weit einzuengen, „daß eine Steuerung der Z. und ihrer Tochtergesellschaften mit dem Ziel gefährdet wird, ein Gesamt-Ergebnis von mindestens 1 Million DM p.a. vor Steuern zu sichern.” Diese nachvertragliche Äußerung, die für die Auslegung des bei Vertragsschluß erklärten Willens als Indiz herangezogen werden kann (BGH, Urteil vom 16. Oktober 1997 – IX ZR 164/96, WM 1997, 2305 unter II 3 b; Urteil vom 26. November 1997 – XII ZR 308/95, NJW-RR 1998, 801 unter II 5), deutet entgegen der Meinung des Berufungsgerichts nicht zwingend auf einen Willen der Vertragspartner der Schuldnerin, in die Garantie die Verluste der Tochterunternehmen einzubeziehen. Auch bei Außerachtlassung der Verluste der Tochtergesellschaften im Rahmen der Berechnung der Garantiesumme handelt es sich insofern um ein Gesamtergebnis, als der erstrebte Gewinn nicht nur durch die Geschäftstätigkeit der Muttergesellschaft erreicht werden sollte, sondern – wie ausgeführt – auch mit Hilfe der Tochtergesellschaften.
III. Da die Entscheidung über den Garantieanspruch der Klägerin den Rügen der Revision der Beklagten nach Grund und Höhe nicht standhält, war das Berufungsurteil bezüglich des Klageanspruchs aufzuheben. Dem Berufungsurteil ist auch bezüglich der Widerklagen die Grundlage entzogen. Ob und inwieweit die widerklageweise geltend gemachten Restkaufpreisansprüche der Beklagten durch Verrechnung mit Ansprüchen der Schuldnerin aus der Garantie erloschen sind (vgl. § 3 Nr. 5 des Kaufvertrages), hängt von der Ermittlung dieser Forderung ab. Auch insoweit war das Berufungsurteil aufzuheben.
Auf die Revision des Klägers, mit der er sich gegen die von dem Berufungsgericht vorgenommenen Abzüge wendet, war das Berufungsurteil auch insoweit aufzuheben, als die Klage abgewiesen worden ist. Dem Kläger muß Gelegenheit gegeben werden, den bislang nach anderen Grundsätzen ermittelten Anspruch auf Ausgleich garantierten Gewinns neu zu berechnen.
Die Sache war, da sie noch nicht zur Endentscheidung reif ist, zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das Gelegenheit haben wird, sich mit den weiteren in der Revisionsinstanz erhobenen Einwänden auseinanderzusetzen. Das Berufungsgericht wird auch zu prüfen haben, ob der Kläger hinsichtlich des Teilbetrages von 2 Millionen DM, der während des Rechtsstreits an die D. bank abgetreten worden ist, weiterhin Leistung an sich verlangen kann oder ob es einer Umstellung des Klageantrags bedarf. Zu Recht weist die Revision der Beklagten darauf hin, daß die bisherige Klagepartei nach § 265 Abs. 2 ZPO zwar weiterhin prozeßführungsbefugt bleibt, daß sie aber aufgrund der gesetzlichen Prozeßstandschaft nur auf Leistung an den Rechtsnachfolger klagen kann. Das Berufungsgericht wird demnach festzustellen haben, ob die Schuldnerin bzw. jetzt der Kläger als Insolvenzverwalter von der D. bank ermächtigt wurde, Zahlung an sich selbst zu fordern.
Unterschriften
Dr. Deppert, Ball, Dr. Leimert, Wiechers, Dr. Wolst
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 24.05.2000 durch Mayer, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 539197 |
NJW-RR 2000, 1581 |
NZG 2000, 992 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2000, 1648 |
WuB 2000, 1269 |
WuB 2000, 1271 |
ZIP 2000, 1385 |