Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 17. Juni 2009 wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 95 % und die Beklagte 5 % zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Der Kläger ist Verwalter in dem auf den Eigenantrag vom 16. Februar 2004 über das Vermögen der M., Gesellschaft für mbH (nachfolgend Schuldnerin) am 1. Mai 2004 eröffneten Insolvenzverfahren.
Rz. 2
Der Schuldnerin wurde am 5. Februar 2003 von der beklagten Bundesagentur für Arbeit die Erlaubnis für eine gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung auf die Dauer eines Jahres erteilt; durch Bescheid vom 23. Januar 2004 wurde die Erlaubnis bis zum 7. Februar 2005 verlängert. Im Mai 2003 schlossen die Parteien drei gleichlautende mit „Vertrag über die Einrichtung und den Betrieb einer Personal-Service-Agentur (PSA) auf der Grundlage des § 37c Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III)” überschriebene Vereinbarungen. Neben dem eigentlichen Vertragstext waren unter anderem eine Leistungsbeschreibung und ein Preisblatt Gegenstand der vertraglichen Einigung.
Rz. 3
Nach dem Inhalt der getroffenen Abreden ist die Schuldnerin verpflichtet, eine Personal-Service-Agentur (PSA) nach § 37c SGB III in Verbindung mit § 434g Abs. 5 SGB III im Bereich des Arbeitsamts R. einzurichten und als organisatorisch eigenständige Einheit zu betreiben. Die Schuldnerin hat vom Arbeitsamt vorgeschlagene Arbeitnehmer auf der Grundlage des Tarifvertrages über Arbeitnehmerüberlassung in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse einzustellen und eine vermittlungsorientierte Arbeitnehmerüberlassung durchzuführen. Sie erhält dafür je Arbeitnehmer eine monatliche Fallpauschale in Höhe von 1.200 EUR.
Rz. 4
Im Januar 2004 stellte die – bereits geraume Zeit zuvor insolvenzreife – Schuldnerin die Lohnzahlungen an die von ihr eingestellten Arbeitnehmer ein. Die Beklagte widerrief am 16. Februar 2004 unter Berufung auf die daraus folgende Unzuverlässigkeit die Erlaubnis für gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung gegenüber der Schuldnerin. Der Kläger hat für die Monate ab Januar 2004 von der Beklagten Zahlung von Fall- und Vermittlungspauschalen in Höhe von 282.948,85 EUR verlangt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen; das Berufungsgericht hat die Beklagte zur Zahlung von Fallpauschalen von 231.096,85 EUR und von Vermittlungspauschalen von 13.224 EUR, also insgesamt 244.320,85 EUR, verurteilt. Mit der von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter. Der Kläger hat die Klage bezüglich des die Forderung von 13.224 EUR zuzüglich Zinsen übersteigenden Betrages zurückgenommen und insoweit auf die Rechte aus dem Berufungsurteil verzichtet.
Entscheidungsgründe
Rz. 5
Die Revision der Beklagten bleibt im Blick auf die nach der Klagerücknahme allein noch den Gegenstand des Rechtsmittels bildende Restforderung über 13.224 EUR ohne Erfolg.
I.
Rz. 6
Das Berufungsgericht hat insoweit ausgeführt, dass die Hilfsaufrechnung der Beklagten gegen die rechtlich unstreitige Forderung über 13.224 EUR mit nach der Beantragung von Insolvenzausfallgeld durch die Arbeitnehmer auf sie übergegangenen Lohnforderungen an § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO scheitere.
II.
Rz. 7
Dies hält rechtlicher Prüfung stand.
Rz. 8
1. Zu § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO ist anerkannt, dass die gläubigerbenachteiligende Wirkung, die mit der Herstellung einer Aufrechnungslage eintritt, selbständig angefochten werden kann. Der Verwalter kann die Wirkungen der Anfechtung auf die Herstellung der Aufrechnungslage beschränken (BGH, Urt. v. 22. Oktober 2009 – IX ZR 147/06, WM 2009, 2394, 2395 Rn. 11).
Rz. 9
2. Die Aufrechnung ist nach § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO unzulässig, wenn ein Insolvenzgläubiger die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat. Die Regelung ist nicht auf Rechtshandlungen des späteren Insolvenzschuldners beschränkt, sofern der inzident zu prüfende Anfechtungstatbestand – hier (bei zugunsten der Beklagten unterstellter Kongruenz) § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO – eine solche nicht voraussetzt (HK-InsO/Kayser, 5. Aufl. § 96 Rn. 32). Als Rechtshandlung kommt grundsätzlich jedes Rechtsgeschäft in Betracht, das zum anfechtbaren Erwerb einer Gläubiger- oder Schuldnerstellung führt (BGH, Urt. v. 22. Oktober 2009, aaO Rn. 15). Danach liegt eine Rechtshandlung vor, wenn der Aufrechnende als Schuldner im Wege der Abtretung eine Forderung erlangt hat (OLG Köln NJW-RR 2001, 1493, 1494 m.w.N.; HmbKommInsO/Jacoby, 3. Aufl. § 96 Rn. 12). Ebenso sind die gläubigerbenachteiligenden Wirkungen von Rechtshandlungen Dritter anfechtbar, die – wie im Streitfall die Beantragung von Insolvenzausfallgeld – kraft eines gesetzlichen Forderungsübergangs dem Aufrechnenden eine Gläubigerstellung verschaffen (vgl. BGH, Urt. v. 22. Oktober 2009, aaO Rn. 16 ff; Beschl. v. 17. Dezember 2009 – IX ZR 215/08, Rn. 4).
Rz. 10
3. Die Voraussetzungen des § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO sind gegeben, weil die Beklagte die zur Aufrechnung gestellten Forderungen nach Kenntnis des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin erworben hat. Da die Aufrechnung zu einer vollen Befriedigung der Beklagten führt, liegt auch eine objektive Gläubigerbenachteiligung (§ 129 InsO) vor.
Rz. 11
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 1, § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 2833460 |
ZInsO 2010, 1378 |