Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachehelicher Unterhalt
Leitsatz (amtlich)
Zur Anwendung des § 1579 Nr. 7 BGB, wenn der unterhaltsberechtigte geschiedene Ehegatte ein länger dauerndes Verhältnis zu einem neuen Partner unterhält, die Lebensbereiche gleichwohl getrennt gehalten werden und die Beziehung damit bewußt auf Distanz angelegt ist.
Normenkette
BGB § 1579 Nr. 7
Verfahrensgang
OLG Koblenz |
AG Bingen am Rhein |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 9. Zivilsenats – 4. Senat für Familiensachen – des Oberlandesgerichts Koblenz vom 15. September 1999 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien streiten um nachehelichen Unterhalt.
Durch Verbundurteil vom 14. März 1994 wurde ihre im Jahre 1989 geschlossene Ehe geschieden, die elterliche Sorge für das am 25. Oktober 1990 geborene Kind Vanessa der Beklagten übertragen und der Kläger verurteilt, an diese nachehelichen Unterhalt von monatlich 950 DM sowie Kindesunterhalt von monatlich 350 DM zu zahlen. Dabei wurde die Höhe des Unterhalts nach der von den Parteien am 3. September 1992 geschlossenen außergerichtlichen Scheidungsvereinbarung bemessen, in der sich der Kläger ausgehend von einem Nettoeinkommen der Beklagten von „ca. 1.200 DM” monatlich und einem eigenen Nettoeinkommen von „mindestens 3.000 DM” monatlich verpflichtet hatte, nachehelichen Ehegatten- und Kindesunterhalt in Höhe von 950 DM bzw. 350 DM zu zahlen. Der 1947 geborene Kläger ist von Beruf Gas-, Wasser- und Heizungsinstallationsmeister. Seit dem 1. Juli 1994 ist er wiederverheiratet; am 13. Mai 1994 war seine weitere Tochter Denise geboren worden. Die 1956 geborene Beklagte übt eine Teilzeitbeschäftigung als Verwaltungsangestellte aus. Seit etwa 1992 unterhält sie eine Beziehung zu einem anderen Partner.
Mit der am 4. Dezember 1997 erhobenen Klage begehrte der Kläger die Abänderung des Verbundurteils vom 14. März 1994 dahin, daß er nicht mehr zur Zahlung nachehelichen Unterhalts an die Beklagte verpflichtet sei. Er machte geltend, daß sich seine Leistungsfähigkeit verschlechtert habe, während das Einkommen der Beklagten gestiegen sei. Außerdem habe sich das Verhältnis zu ihrem Partner derart verfestigt, daß die weitere Inanspruchnahme auf Ehegattenunterhalt grob unbillig sei.
Das Amtsgericht hat den Einwand des Ausschlusses des Unterhaltsanspruchs für berechtigt gehalten und der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten ist das angefochtene Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen worden. Mit der zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in NJW-RR 2000, 1097 veröffentlicht ist, hat das Abänderungsbegehren für unbegründet gehalten, weil die hierfür geltend gemachten Gründe der veränderten Leistungsfähigkeit und der Verwirkung des Unterhalts nicht hätten festgestellt werden können und das gestiegene Einkommen der Beklagten keine Herabsetzung des Unterhalts rechtfertige.
1. Zu der behaupteten eingeschränkten Leistungsfähigkeit hat das Berufungsgericht ausgeführt: Der Kläger habe seinen ursprünglichen Vortrag, sein Nettoeinkommen sei auf ca. 1.900 DM gesunken, im weiteren Verfahren selbst nicht aufrechterhalten, sondern sein Einkommen für das Jahr 1997 mit monatlich 3.489,36 DM beziffert. Tatsächlich habe er seit Mitte 1997 weitaus höhere Einkünfte erzielt. Nach dem letztlich nicht mehr bestrittenen Vorbringen der Beklagten sei er jedenfalls seit Juli 1997 bei der F. A. AG als sogenannter Bezirksarchitekt tätig und erziele ein durchschnittliches Einkommen von monatlich rund 10.000 DM. Hierzu stehe die Höhe der für 1997 im Rahmen der Steuererklärung angegebenen Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit nicht in Widerspruch, wenn berücksichtigt werde, daß das Beschäftigungsverhältnis bei der F. A. AG erst in der zweiten Jahreshälfte aufgenommen worden sei.
Diese Feststellungen greift die Revision nicht an. Gegen die Annahme, der Kläger sei aufgrund seiner Einkommensverhältnisse auch unter Berücksichtigung der Unterhaltspflicht gegenüber dem am 13. Mai 1994 geborenen Kind Denise in der Lage, den titulierten Ehegattenunterhalt zu zahlen, bestehen deshalb aus Rechtsgründen keine Bedenken.
2. a) Das Berufungsgericht hat die Beklagte trotz ihres gestiegenen Einkommens weiterhin in Höhe des im Verbundverfahren ausgeurteilten Betrages von 950 DM monatlich für unterhaltsbedürftig gehalten und deshalb insofern eine die Abänderung rechtfertigende wesentliche Veränderung der Verhältnisse verneint. Dazu hat es im wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte habe zwar zuletzt ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von 2.133 DM sowie Nebeneinkünfte von rund 200 DM monatlich erzielt, während in der Unterhaltsvereinbarung nur ein Betrag von ca. 1.200 DM zugrunde gelegt worden sei. Bisher sei allerdings der den ehelichen Lebensverhältnissen entsprechende Bedarf der Beklagten, der in der Unterhaltsvereinbarung nicht festgeschrieben worden sei, nicht ermittelt worden. Sie habe dargetan und belegt, daß in der Vereinbarung von einem zu geringen Einkommen des Klägers ausgegangen worden sei. Er habe 1992 nicht nur über monatliche Einkünfte von mindestens 3.000 DM netto, sondern von mindestens 9.000 DM netto verfügt. Diese – überwiegend belegte – Behauptung habe der Kläger bereits in dem wegen des Trennungsunterhalts geführten Rechtsstreit unwidersprochen gelassen. Auch im Berufungsverfahren sei er ihr nicht mehr entgegengetreten. Mit dem Einwand eines tatsächlich höheren Einkommens des Unterhaltspflichtigen sei die Beklagte nicht nach § 323 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen. Wenn die ehelichen Lebensverhältnisse aber von Einkünften des Klägers in Höhe von 9.000 DM monatlich geprägt gewesen seien, errechne sich ein angemessener Unterhaltsbedarf der Beklagten, der den titulierten Betrag wesentlich übersteige und auch durch die erzielten höheren, nach § 1577 Abs. 2 BGB ohnehin nur teilweise anzurechnenden Einkünfte nicht gedeckt sei.
b) Soweit die Revision hiergegen einwendet, das Berufungsgericht habe verkannt, daß der Unterhaltsberechtigte für die Höhe seines Bedarfs darlegungs- und beweispflichtig sei und die Beklagte deshalb nicht nur das Einkommen des Klägers, sondern auch die weiteren bei der Bedarfsermittlung zu berücksichtigenden Umstände (Kindesunterhalt, Tilgung der Verbindlichkeiten für das Haus usw.) habe darlegen müssen, vermag sie damit nicht durchzudringen. Die dem Grunde nach wegen Kindesbetreuung gemäß § 1570 BGB weiterhin unterhaltsberechtigte Beklagte hat unwidersprochen vorgetragen, das von ihr angegebene Einkommen des Klägers habe die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt. Darin liegt die Behauptung, die zur Verfügung stehenden Mittel hätten – unter Berücksichtigung des für das gemeinsame Kind anzusetzenden Unterhalts – für den Lebensunterhalt der Parteien zur Verfügung gestanden. Ein Anlaß, zur Tilgung von Hausverbindlichkeiten vorzutragen, bestand nicht, da das Hausgrundstück im Zusammenhang mit der Scheidung veräußert worden ist und aus dem Erlös unter anderem die bestehenden Verbindlichkeiten abgelöst werden konnten. Daß sein Nettoeinkommen teilweise zur Vermögensbildung oder zusätzlichen Altersversorgung eingesetzt worden wäre, hat der Kläger selbst nicht geltend gemacht. Es ist deshalb rechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht das Einkommen des Klägers seiner – überschlägigen – Bedarfsermittlung zugrunde gelegt hat.
c) Die vom Berufungsgericht weiter vertretene Auffassung, die Beklagte sei mit dem Vorbringen, ihr offener Bedarf sei höher als die titulierten 950 DM, weshalb eine Abänderung des Unterhaltstitels trotz ihres gestiegenen Einkommens nicht gerechtfertigt sei, nicht nach § 323 Abs. 2 ZPO präkludiert, steht mit der Rechtsprechung des Senats in Einklang (vgl. Senatsurteil BGHZ 98, 353, 360 f.). Der Bedarf der Beklagten ist in der Scheidungsvereinbarung auch nicht festgeschrieben worden. Für ein solches Verständnis bietet die Regelung, die nur von Circa- beziehungsweise Mindestangaben ausgeht und nicht erkennen läßt, wie der Unterhaltsbetrag im einzelnen ermittelt worden ist, ohne entsprechende Anhaltspunkte keinen Anlaß. Diese Auslegung, die das Berufungsgericht unterlassen hat, kann der Senat selbst vornehmen, da weitere Feststellungen hierzu nicht zu erwarten sind (BGHZ 65, 107, 112).
d) Die Revision rügt weiter, entgegen dem Vorbringen des Klägers habe das Berufungsgericht Nebeneinkünfte der Beklagten nur in Höhe von monatlich 200 DM berücksichtigt. Der Kläger habe vorgetragen und unter Beweis gestellt, daß sich die Nebeneinkünfte auf monatlich mindestens 600 DM beliefen. Der betreffenden Behauptung sei das Berufungsgericht verfahrensfehlerhaft nicht nachgegangen. Diese Rüge greift nicht durch. Der Kläger hat zwar zunächst geltend gemacht, die Beklagte übe diverse Nebentätigkeiten aus, so fahre sie gegen Entgelt Versandhauskataloge aus, vermittle Reisen und verrichte Bürotätigkeiten; insoweit sei von zusätzlichen monatlichen Einkünften von mindestens 600 DM auszugehen. Den hierzu von der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht gemachten konkreten Angaben über die Art ihrer Nebentätigkeiten und den daraus erzielten Einkünften ist der Kläger jedoch nicht mehr entgegengetreten.
e) Die Revision hält die Annahme des Berufungsgerichts für rechtsfehlerhaft, das Einkommen der Beklagten sei nach § 1577 Abs. 2 BGB nur teilweise zu berücksichtigen. Damit hat sie ebenfalls keinen Erfolg. Angesichts des Alters des von der Beklagten betreuten Kindes Vanessa, das im Oktober 1997 erst sieben Jahre und zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht knapp neun Jahre alt war, traf die Beklagte jedenfalls keine Erwerbsobliegenheit im Umfang der seit Mai 1997 – anstelle der früheren Halbtagstätigkeit – ausgeübten Teilzeitbeschäftigung im Umfang von rund 28,5 Stunden pro Woche (vgl. Senatsurteil vom 21. Dezember 1988 – IVb ZR 18/88 – FamRZ 1989, 487 und vom 12. März 1997 – XII ZR 153/95 – FamRZ 1997, 671, 673). Im übrigen ist das zu berücksichtigende Einkommen der Beklagten nach der neueren Rechtsprechung des Senats nicht auf den Bedarf anzurechnen, sondern in die Bedarfsbemessung einzubeziehen und in die Differenzrechnung einzustellen (vgl. Senatsurteil vom 13. Juni 2001 – XII ZR 343/99 – FamRZ 2001, 986, 991).
Davon ausgehend ist die Annahme des Berufungsgerichts, der offene Bedarf der Beklagten liege auch unter Berücksichtigung ihres gestiegenen Einkommens jedenfalls deutlich über 950 DM, nicht zu beanstanden. Wegen dieses insofern eindeutigen Ergebnisses war eine genaue Berechnung des offenen Bedarfs unter Heranziehung der gebräuchlichen Unterhaltstabellen und -leitlinien verzichtbar.
3. a) Das Berufungsgericht hat weiter die Auffassung vertreten, der Unterhaltsanspruch der Beklagten sei nicht wegen grober Unbilligkeit der Inanspruchnahme (§ 1579 Nr. 7 BGB) ausgeschlossen, so daß auch unter diesem Gesichtspunkt eine Abänderung ausscheide. Zur Begründung hat es ausgeführt: Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme sei davon auszugehen, daß der Partner der Beklagten, G. G., etwa seit 1994 ein intimes Verhältnis zu der Beklagten, die er bereits seit 1982 kenne, unterhalte. Er habe seit 1993 eine eigene Wohnung in B., in der er sich die Woche über selbst versorge und seinen Haushalt selbständig führe, insbesondere wasche, bügele und einkaufe. Die Wochenenden verbringe G. G. überwiegend (dreimal im Monat, manchmal auch nur zweimal) bei der Beklagten, schlafe dann „ab und zu” auch dort und werde dann verköstigt. Außerdem sei G. G. seit mehreren Jahren mit der Beklagten und deren Tochter regelmäßig in Urlaub gefahren, habe die Weihnachtsfeiertage seit 1994 jeweils bei ihr verbracht und an allen Familienfeiern teilgenommen, sofern er eingeladen worden sei. Bei diesem Beweisergebnis sei nicht zu verkennen, daß sich die Beziehung der Beklagten zu G. G. nach ihrem Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit bereits in einem solchen Maße verfestigt habe, daß die Annahme des Härtegrundes der objektiven Unzumutbarkeit allein aufgrund der gemeinsamen Freizeitgestaltung an den Wochenenden, der gemeinsam verbrachten Urlaube und der Integration des Partners in das Familienleben – allesamt Indizien für das Vorliegen einer festen sozialen Verbindung – naheliegen könne. Die von der Rechtsprechung geforderte Mindestdauer von zwei bis drei Jahren sei erfüllt. Der Umstand, daß G. G. weiterhin eine eigene Wohnung beibehalte, stehe der Bewertung des Zusammenlebens als eheähnliche Beziehung grundsätzlich nicht entgegen. Es dürfe allerdings nicht außer acht gelassen werden, daß beide Partner bewußt die überwiegende Zeit während der Arbeitswoche – von den Kontakten am gemeinsamen Arbeitsplatz abgesehen – getrennt verbrächten. Dies beruhe, wie G. G. nachvollziehbar erläutert habe, auf dem Bestreben, sich einen Freiraum zu erhalten. Dieser Wunsch nach zeitweiliger Unabhängigkeit sei gerade bei Beziehungen zwischen geschiedenen Partnern, die – wie hier – jeder für sich wirtschaftlich selbständig seien und eigene Kinder hätten, verständlich. An dieser Motivation zu zweifeln, bestehe vorliegend kein Anlaß. Finanzielle Anreize könne die doppelte Haushaltsführung nicht bieten, denn die Kosten der Wohnung des Zeugen G. und der für die Fahrten zwischen den beiden Wohnungen anfallende Aufwand dürfe der Höhe des Unterhaltsanspruchs, dessen Verlust ansonsten drohe, in etwa entsprechen. Die Entscheidung, in einer gemeinsamen Wohnung zusammenzuleben oder ihre jeweiligen Lebensbereiche getrennt zu halten, träfen beide Partner in eigener Verantwortung. Ihr Entschluß sei zu respektieren und insbesondere auch bei der Bewertung zu berücksichtigen, ob das Erscheinungsbild der Beziehung in der Öffentlichkeit die Fortdauer der Unterhaltsbelastung für den Verpflichteten objektiv unzumutbar werden lasse, denn solche Differenzierungen beeinflußten auch die Wertung, die einem eheähnlichen Verhältnis in der Öffentlichkeit zuteil werde. Das Gesamtbild der Beziehung der Beklagten zu G. G. lasse daher eine weitere Heranziehung des Klägers zu Unterhaltszahlungen weder insgesamt noch teilweise als unzumutbar erscheinen.
b) Die Revision macht geltend, diese Auffassung beruhe auf einer Nichtberücksichtigung beziehungsweise nicht vollständigen Berücksichtigung des Prozeßstoffes. Das Berufungsgericht habe außer acht gelassen, daß die Beklagte und der Zeuge G. nach dessen Angaben zu auswärtigen Veranstaltungen in der Regel gemeinsam gingen und außer den Weihnachtsfeiertagen auch die weiteren Feiertage gemeinsam verbrächten. Beide würden nach der Aussage des Zeugen B. in der Öffentlichkeit als Paar angesehen. Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers habe in der mündlichen Verhandlung die Zeugin R. gefragt, ob sowohl ihr als auch auf ihrer und der Beklagten gemeinsamer Dienststelle bekannt sei, daß die Beklagte und G. G. ein Paar darstellten. Diese Frage habe das Berufungsgericht unter Verfahrensverstoß und ohne Begründung nicht zugelassen. Ein Grund hierfür bestehe nicht, zumal die Frage dem Beweisthema entsprochen habe. Darüber hinaus habe der Kläger seinen Vortrag, die Beklagte lebe mit G. G. seit mehreren Jahren in einer eheähnlichen Gemeinschaft, sei mit diesem vor kurzem erneut bei einer Geburtstagsfeier als Paar aufgetreten, anschließend habe dieser in der Wohnung der Beklagten übernachtet, durch Vernehmung des Zeugen H. unter Beweis gestellt. Dem Beweisangebot habe das Berufungsgericht nachgehen müssen.
Diese Rügen haben keinen Erfolg.
Zutreffend ist zwar, daß das Berufungsgericht die genannten weiteren Angaben des Zeugen G. nicht ausdrücklich in seine Erwägungen einbezogen hat. Richtig ist ferner, daß das Berufungsgericht die an die Zeugin R. gerichtete Frage nicht zugelassen hat, obwohl sie unter anderem dazu vernommen werden sollte, ob sie seit Jahren wahrgenommen habe, daß die Beklagte und G. G. ein Paar seien. Was den durch Vernehmung des Zeugen H. unter Beweis gestellten Vortrag des Klägers anbelangt, so enthält dieser eine dem Zeugenbeweis zugängliche Tatsachenbehauptung nur insoweit, als es um die gemeinsame Teilnahme der Beklagten und des Zeugen G. an einer Geburtstagsfeier und dessen anschließende Übernachtung in der Wohnung der Beklagten geht. Insofern ist das Berufungsgericht dem Beweisangebot allerdings nicht nachgegangen.
Ob und gegebenenfalls inwieweit diese Verfahrensweise fehlerhaft war, kann indessen dahinstehen, weil das Berufungsurteil hierauf nicht beruht. Das Berufungsgericht ist aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme davon ausgegangen, die Beziehung der Parteien habe sich bereits in einem solchen Maße verfestigt, daß die Annahme des Härtegrundes allein aufgrund der festgestellten gemeinsamen Freizeitgestaltung, der gemeinsam verbrachten Urlaube und der Integration des Partners in das Familienleben naheliegen könne. Es kann deshalb unterstellt werden, daß die Zeugen R. und H. die Behauptungen des Klägers bestätigt hätten, ohne daß sich hieraus über die vom Berufungsgericht festgestellten Indizien hinaus zusätzliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer festen sozialen Verbindung ergeben hätten. Das gilt entsprechend für die nicht ausdrücklich berücksichtigten Angaben des Zeugen G..
c) Maßgebend für die Auffassung des Berufungsgerichts, der Unterhaltsanspruch sei gleichwohl nicht (ganz oder teilweise) ausgeschlossen, ist allein die weitere Feststellung, die Beklagte und der Zeuge G. hielten ihre jeweiligen Lebensbereiche bewußt getrennt und verbrächten die überwiegende Zeit jeweils dort, um sich insofern ihre Unabhängigkeit zu erhalten, was bei der Bewertung der Beziehung zu berücksichtigen sei. Dagegen wendet sich die Revision zu Unrecht mit der Begründung, auf die subjektive Einstellung der Partner könne es für die Frage, ob die Inanspruchnahme des Klägers grob unbillig sei, nicht ankommen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats kann ein länger dauerndes Verhältnis des Unterhaltsberechtigten zu einem neuen Partner dann zur Annahme eines Härtegrundes im Sinne des Auffangtatbestandes des § 1579 Nr. 7 BGB – mit der Folge der Unzumutbarkeit einer weiteren (uneingeschränkten) Unterhaltsbelastung für den Verpflichteten – führen, wenn sich die Beziehung in einem solchen Maße verfestigt hat, daß sie als eheähnliches Zusammenleben anzusehen und gleichsam an die Stelle einer Ehe getreten ist. Dabei setzt die Annahme einer derartigen Lebensgemeinschaft zwar nicht zwingend voraus, daß die Partner räumlich zusammen leben und einen gemeinsamen Haushalt führen, auch wenn eine solche Form des Zusammenlebens in der Regel ein typisches Anzeichen hierfür sein wird. Unter welchen anderen Umständen – nach einer gewissen Mindestdauer – auf ein eheähnliches Zusammenleben geschlossen werden kann, läßt sich nicht allgemein verbindlich festlegen. Letztlich obliegt es der verantwortlichen Beurteilung des Tatrichters, ob er den Tatbestand des eheähnlichen Zusammenlebens aus tatsächlichen Gründen für gegeben erachtet oder nicht (Senatsurteile vom 11. Juli 1984 – IVb ZR 22/83 – FamRZ 1984, 986, 987; vom 21. Dezember 1988 aaO 490 f.; vom 28. November 1990 – XII ZR 1/90 – FamRZ 1991, 670, 672; vom 25. Mai 1994 – XII ZR 17/93 – FamRZ 1995, 540, 542 f.; vom 12. März 1997 aaO S. 672).
Es begegnet aus Rechtsgründen keinen Bedenken, wenn im Rahmen der tatrichterlichen Würdigung berücksichtigt wird, daß die Partner ihre Lebensbereiche getrennt gehalten und damit ihre Beziehung bewußt auf Distanz angelegt haben, weil sie ein enges Zusammenleben – etwa aufgrund der in ihren bisherigen Partnerschaften gemachten Erfahrungen – nicht wünschen. Die Entscheidung für eine solche Lebensgestaltung treffen die Beteiligten in eigener Verantwortung; sie ist, wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, zu respektieren. Unter solchen Umständen kommt der Frage, ob die Gemeinschaft von ihrer Intensität her gleichwohl einem ehelichen Zusammenleben entspricht und gleichsam an die Stelle einer Ehe tritt, entscheidende Bedeutung zu. Erst wenn diese Feststellung getroffen werden kann, kommt es auf die weiteren Voraussetzungen, die an das Vorliegen des Härtegrundes zu stellen sind, an. Daraus folgt andererseits, daß eine allein subjektiv in Anspruch genommene Distanz zu dem neuen Partner, die in der tatsächlichen Lebensgestaltung nicht zum Ausdruck kommt, keine Berücksichtigung finden kann.
Das Berufungsgericht hat den Wunsch der Partner, ihre Beziehung distanzierter zu gestalten, um sich einen Freiraum zu bewahren, für glaubhaft gehalten. Seinen Feststellungen zufolge entspricht diesen Vorstellungen auch die tatsächliche Gestaltung der Beziehung. Die Beklagte und G. G. verbringen bewußt die überwiegende Zeit in ihrem jeweils eigenen Lebensbereich und nicht miteinander. Dem läßt sich nicht entgegenhalten, daß es auch Ehen gibt, in denen – etwa aus berufsbedingten Gründen – zwei Haushalte geführt werden und die Ehegatten im wesentlichen nur an den Wochenenden zusammenleben. Eine vergleichbare Situation liegt hier nicht vor, denn die Beklagte und der Zeuge G. arbeiten beide an demselben Ort, hätten also aus beruflichen Gründen keinen Anlaß, getrennte Haushalte beizubehalten (vgl. hierzu OLG Frankfurt FamRZ 2000, 427). Bei dieser Sachlage sind gegen die tatrichterliche Würdigung, die Lebenssituation der Partner lasse bei einer Gesamtbetrachtung nicht die Schlußfolgerung auf eine die Anwendung der Härteklausel rechtfertigende Verbindung zu, keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken zu erheben.
4. Das Berufungsgericht hat schließlich auch einen Ausschluß des Unterhalts nach § 1579 Nr. 4 BGB mit folgender Begründung verneint: Der Kläger habe mit seinem pauschalen Vorbringen, die Beklagte habe ihn wegen Steuerhinterziehung angezeigt und in anonymen Anrufen bei seinem Arbeitgeber belastet, nicht hinreichend dargetan, daß diese sich mutwillig zu seinen Lasten über schwerwiegende Vermögensinteressen hinweggesetzt habe. Die im November 1998 und Januar 1999 von der Beklagten erstatteten Strafanzeigen wegen falscher Versicherung an Eides Statt, seien nicht mutwillig gewesen, weil die erhobenen Vorwürfe nach den zur Leistungsfähigkeit des Klägers getroffenen Feststellungen zumindest teilweise sachlich berechtigt gewesen sein dürften und die Beklagte wegen des engen Zusammenhangs mit dem vorliegenden Rechtsstreit in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt habe.
Diese Ausführungen sind entgegen der Auffassung der Revision aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht hat – bezüglich der Anzeige wegen Steuerhinterziehung und der Anrufe bei einem der Arbeitgeber des Klägers – nicht die Darlegungslast überspannt. Wie die Revision nicht verkennt, wäre zur Annahme eines Ausschlußgrundes ein leichtfertiges Verhalten der Beklagten erforderlich gewesen (vgl. Senatsurteil vom 8. Juli 1981 – IVb ZR 593/80 – FamRZ 1981, 1042, 1044; Erman/Dieckmann BGB 10. Aufl. § 1579 BGB Rdn. 18; MünchKomm/Maurer 4. Aufl. § 1579 BGB Rdn. 35). Dafür lassen sich aus dem Vorbringen des Klägers keine Anhaltspunkte entnehmen. Abgesehen davon hat er die erhobenen Vorwürfe auch weder in zeitlicher Hinsicht konkretisiert noch den Arbeitgeber benannt, bei dem die Anrufe erfolgt sein sollen, obwohl er jedenfalls zeitweise bei mehreren Firmen beschäftigt war. Die Ausführungen des Berufungsgerichts zu den erstatteten Strafanzeigen greift die Revision nicht im einzelnen an. Auch insofern bestehen gegen die Ausführungen des Oberlandesgerichts keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Unterschriften
Blumenröhr, Sprick, Weber-Monecke, Wagenitz, Ahlt
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 24.10.2001 durch Breskic, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
NJW 2002, 217 |
BGHR 2002, 63 |
FamRZ 2002, 23 |
FamRZ 2002, 92 |
FuR 2002, 127 |
Nachschlagewerk BGH |
EzFamR aktuell 2002, 2 |
FPR 2002, 56 |
JuS 2002, 293 |
MDR 2002, 155 |
FF 2002, 21 |
ZFE 2002, 100 |
FK 2002, 66 |
info-also 2002, 88 |