Leitsatz (amtlich)
1. Die Altgesellschafter einer Publikumskommanditgesellschaft unterliegen nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Verbesserung des Anlegerschutzes vom 28. Oktober 2004 (BGBl. I S. 2630) gegenüber dem beitrittswilligen Anleger einer durch die Regelungen des Verkaufsprospektgesetzes in ihrem persönlichen Anwendungsbereich und ihrer Reichweite näher ausgeformten und sanktionierten Aufklärungspflichten. Darüber hinausgehende Aufklärungspflichten nach § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2 BGB treffen die Altgesellschafter einer Publikumskommanditgesellschaft nur dann, wenn sie entweder selbst den Vertrieb der Beteiligungen an Anleger übernehmen oder in sonstiger Weise für den von einem anderen übernommenen Vertrieb Verantwortung tragen (Ergänzung BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2022 - II ZR 22/22).
2. Ein Altgesellschafter ist für den Vertrieb der Beteiligungen in sonstiger Weise verantwortlich, wenn er - gegebenenfalls mit weiteren Altgesellschaftern - eine beherrschende Stellung in der Gesellschaft ausüben kann, die den Vertrieb der Beteiligungen übernommen hat. Vertriebsverantwortung trägt daneben auch der Altgesellschafter, der einen anderen mit dem Vertrieb der Beteiligungen beauftragt. Soweit die Fondsgesellschaft den Vertriebsauftrag erteilt, tragen die Vertriebsverantwortung die geschäftsführungsbefugten Altgesellschafter.
Normenkette
BGB § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen den Beschluss des 1. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 25. März 2021 wird zurückgewiesen.
Die Beklagten tragen die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme von etwaigen durch die Nebenintervention verursachten Kosten, die die Nebenintervenienten jeweils selbst tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Der Kläger beteiligte sich am 21. März 2011 mit einer Einlage in Höhe von 50.000 US-Dollar als Kommanditist an der Publikumsgesellschaft H. GmbH & Co. KG (im Folgenden: Fondsgesellschaft). Die Beklagten waren Gründungsgesellschafterinnen der Fondsgesellschaft. Die Beklagte zu 1 war zudem geschäftsführende Kommanditistin, die Beklagte zu 2 Komplementärin ohne Einlage. Alleinige Gesellschafterin der Beklagten war die H. G. T. A. GmbH (im Folgenden: HTGA GmbH). Die H. GmbH (im Folgenden: H. GmbH), deren alleiniger Gesellschafter A. B. war, erwarb am 9. Juni 2009 mittelbar 60 % der Gesellschaftsanteile der HTGA GmbH. Die Fondsgesellschaft hatte mit der HTAM GmbH (im Folgenden: HTAM GmbH), deren Alleingesellschafterin ebenfalls die HTGA GmbH war, einen Asset Management Vertrag abgeschlossen.
Rz. 2
Die Fondsgesellschaft wandte sich an Anleger, die ein Immobilieninvestment im US-amerikanischen Markt planten. Hierzu sollte mit der P. Inc. zusammengearbeitet werden. Die Fondsgesellschaft beteiligte sich mit dem Fondskapital als Limited Partner an der P. V. LP (im Folgenden: P V). General-Partner dieser Gesellschaft war eine Tochtergesellschaft der P. Inc., die P., L.L.C. Diese war zugleich General Partner der P. G. (im Folgenden: Parallelgesellschaft), die ihrerseits durch internationale Investoren mit Geld für Anlagen auf dem US-Immobilienmarkt ausgestattet war und ihre Investitionen gemeinsam mit den Beteiligungsgesellschaften im Verhältnis ihrer Anlagevolumina vornehmen sollte. Geschäftsführerin der P.,L.L.C. war die P. Inc. Nach dem Gesellschaftsvertrag der P V war eine Einflussnahme der Fondsgesellschaften auf die Investitionsentscheidungen der P V nicht möglich. Diese sollten allein im sogenannten Exekutivausschuss, einem mit leitenden Mitarbeitern der P. Inc. und ihrer Untergesellschaften besetzten Gremium getroffen werden. A. B. war President und CEO der P. Inc. sowie Mitglied des Exekutivausschusses. Grundlage der Informationen der Anleger war der Prospekt vom 8. Mai 2009 in der Fassung des ersten Nachtrags vom 24. August 2009. Im Abschnitt Rechtliche Grundlagen heißt es: "Die HTAM GmbH (…) hat die unabhängige Aufsicht und Qualitätskontrolle des Asset Managements der Projekte - welches durch den General Partner der Beteiligungsgesellschaft [PV] vorgenommen wird - übernommen." Im Abschnitt "Anlagespezialisten" verweist der Prospekt auf ein hoch qualifiziertes Team von Fachleuten der P. und teilt in diesem Zusammenhang die Funktionen von A. B. in der P. Inc. und seine Mitgliedschaft im Exekutivausschuss mit. Im Prospektnachtrag vom 24. August 2009 wurde mitgeteilt, dass sich die Gesellschafter der HTGA GmbH geändert hätten und die H. GmbH einen Anteil von 60 % hielt. Unerwähnt blieb, dass A. B. Alleingesellschafter der H. GmbH war.
Rz. 3
Der Kläger nimmt die Beklagten als Gründungsgesellschafter wegen mangelnder Aufklärung über Verflechtungen auf Schadensersatz in Anspruch. Das Landgericht hat der in erster Linie auf Feststellung einer Ersatzpflicht gerichteten Klage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung hat das Berufungsgericht durch Beschluss zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 4
Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg.
Rz. 5
I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten aus § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2 BGB gegen die Beklagten. Ein Anlageinteressent hätte darüber aufgeklärt werden müssen, dass A. B. als CEO der P. Inc. gleichzeitig Alleingesellschafter der H. GmbH gewesen sei, die ihrerseits einen beherrschenden Einfluss auf die H. T. G. A. GmbH als Muttergesellschaft sämtlicher in die Fondskonstruktion eingebundener Gesellschaften habe ausüben können, insbesondere auf die HTAM GmbH. Der Prospekt erzeuge im Gesamtbild den Eindruck, die HTAM GmbH habe den Anlegern gegenüber über das geschäftliche Handeln des General Partners objektiv berichten und es konstruktiv durch eigene Anregungen und Impulse begleiten sollen. Auch ohne unmittelbare Einflussmöglichkeiten habe sich die im Prospekt dargestellte Option, den General Partner zu entlassen, ohne eine Beobachtung und zeitnahe Information der Gesellschafter nicht ausüben lassen. Mit einer Struktur, die diese wichtige Kontrollebene nach dem Willen des Kontrollierten ausschalten könne, hätten die Anleger nicht rechnen müssen. Die unabhängige Kontrolle sei für den Kläger ein so wichtiger Umstand gewesen, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass sie sich nach Aufklärung über die Beteiligung A. B. an der H. GmbH gegen eine Zeichnung entschieden hätte.
Rz. 6
II. Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.
Rz. 7
1. Im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Beklagten gegenüber dem Kläger eine vorvertragliche Pflicht zur Aufklärung gemäß § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2 BGB getroffen hat, deren Verletzung zu einer Haftung für Verschulden bei Vertragsschluss führen kann.
Rz. 8
a) Einem Anleger muss vor seiner Beteiligung an einer Fondsgesellschaft ein zutreffendes Bild über das Beteiligungsobjekt vermittelt werden, das heißt, er muss über alle Umstände, die für seine Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, insbesondere über die mit der angebotenen speziellen Beteiligungsform verbundenen Nachteile und Risiken zutreffend, verständlich und vollständig aufgeklärt werden (BGH, Urteil vom 4. Juli 2017- II ZR 358/16, ZIP 2017, 1664 Rn. 9; Urteil vom 6. November 2018 - II ZR 57/16, ZIP 2019, 22 Rn. 15; Urteil vom 8. Januar 2019 - II ZR 139/17, ZIP 2019, 513 Rn. 21 ff.; Beschluss vom 25. Oktober 2022 - II ZR 22/22, ZIP 2023, 29 Rn. 33; vgl. auch BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2020 - XI ZB 28/19, ZIP 2021, 1336 Rn. 25; Urteil vom 23. Februar 2021 - XI ZR 191/17, WM 2021, 2042 Rn. 23).
Rz. 9
Die Verletzung dieser Aufklärungspflicht führt zu einer Haftung für Verschulden bei Vertragsschluss nach § 280 Abs. 1, 3, §§ 282, 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB (sogenannte Prospekthaftung im weiteren Sinne). Der Senat hat ausgesprochen, dass die spezialgesetzliche Prospekthaftung gemäß den § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG in der bis zum 31. Mai 2012 geltenden Fassung (nachstehend jeweils als aF bezeichnet) in ihrem Anwendungsbereich eine gesellschaftsrechtliche Haftung der Gründungs- bzw. Altgesellschafter wegen einer vorvertraglichen Pflichtverletzung aufgrund der Verwendung eines unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Prospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung gemäß § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB nicht ausschließt (BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2022 - II ZR 22/22, ZIP 2023, 29 Rn. 31 ff. mwN; aA BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 - XI ZB 35/18, BGHZ 228, 237 Rn. 26; Beschluss vom 14. Juni 2022 - XI ZR 395/21, WM 2022, 1679 Rn. 11; Beschluss vom 11. Juli 2023 - XI ZB 20/21, ZIP 2023, 2037 Rn. 37, zVb in BGHZ). Der Senat hält hieran nach erneuter Prüfung entsprechend der bereits im Hinweisbeschluss (BGH, Beschluss vom 27. Juni 2023 - II ZR 57/21, ZIP 2023, 1588) geäußerten vorläufigen rechtlichen Bewertung fest (zustimmend auch Assmann, AG 2023, 189 Rn. 15, 18; Corzelius, EWiR 2023, 135, 136; Poelzig, ZGR 2023, 359, 366 ff.; Wilhelm, WuB 2023, 93, 96; BeckOGK BGB/Herresthal, Stand: 1.9.2023, § 311 Rn. 719; aA Diekmann, WuB 2023, 97, 100).
Rz. 10
b) Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs trifft die Prospekthaftung im weiteren Sinne diejenigen, die Vertragspartner des Anlegers geworden sind oder hätten werden sollen. Die gegenüber einem Anleger vor dessen Beitritt zu einer Fondsgesellschaft bestehende Aufklärungspflicht beruht auf § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2 BGB und trifft bei einer Kommanditgesellschaft grundsätzlich die zuvor schon beigetretenen - nicht rein kapitalistisch beteiligten - Gesellschafter, namentlich die Gründungs- bzw. Altgesellschafter (BGH, Urteil vom 17. April 2018 - II ZR 265/16, ZIP 2018, 1130 Rn. 17; Urteil vom 24. Juli 2018- II ZR 305/16, ZInsO 2018, 2822 Rn. 8; Urteil vom 8. Januar 2019 - II ZR 139/17, ZIP 2019, 513 Rn. 23; Beschluss vom 25. Oktober 2022 - II ZR 22/22, ZIP 2023, 29 Rn. 34). Nur ausnahmsweise kann daneben der für den Vertragspartner auftretende Vertreter, Vermittler oder Sachverwalter in Anspruch genommen werden, wenn er in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch genommen oder ein wirtschaftliches Interesse am Abschluss des Geschäfts hat (BGH, Urteil vom 4. Mai 1981 - II ZR 193/80, WM 1981, 1021, 1022; Urteil vom 22. März 1982 - II ZR 114/81, BGHZ 83, 222, 227). Das ergibt sich nunmehr aus § 311 Abs. 3 BGB (BGH, Urteil vom 4. Mai 2004 - XI ZR 40/03, BGHZ 159, 94, 102; Urteil vom 20. Juli 2017 - III ZR 296/15, ZIP 2017, 1719 Rn. 10; Urteil vom 13. Januar 2022 - III ZR 210/20, WM 2022, 463 Rn. 21). Für die Annahme eines besonderen persönlichen Vertrauens ist dabei erforderlich, dass der Anspruchsgegner eine über das normale Verhandlungsvertrauen hinausgehende persönliche Gewähr für die Seriosität und ordnungsgemäße Erfüllung des Vertrags übernommen hat. Anknüpfungspunkt der Prospekthaftung im weiteren Sinne ist dementsprechend nicht die Verantwortlichkeit für einen fehlerhaften Prospekt, sondern eine selbstständige Aufklärungspflicht als Vertragspartner oder Sachverwalter auf Grund persönlich in Anspruch genommenen - eben nicht nur typisierten - besonderen Vertrauens, zu deren Erfüllung er sich des Prospekts bedient (BGH, Urteil vom 23. April 2012 - II ZR 211/09, ZIP 2012, 1231 Rn. 23).
Rz. 11
c) Der Senat schränkt unter Berücksichtigung der vom XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs für seine abweichende Rechtsauffassung zum Verhältnis der spezialgesetzlichen Prospekthaft und der sog. Prospekthaftung im weiteren Sinne angeführten Gründe die Haftung für Verschulden bei Vertragsschluss nach § 280 Abs. 1, 3, §§ 282, 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB ein. Die Altgesellschafter unterliegen nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetz) vom 28. Oktober 2004 (BGBl. I S. 2630) gegenüber dem beitrittswilligen Anleger einer durch die Regelungen des Verkaufsprospektgesetzes in ihrem persönlichen Anwendungsbereich und ihrer Reichweite näher ausgeformten und sanktionierten Aufklärungspflichten. Darüber hinausgehende Aufklärungspflichten nach § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2 BGB treffen die Altgesellschafter einer Publikumskommanditgesellschaft nur dann, wenn sie entweder selbst den Vertrieb der Beteiligungen an Anleger übernehmen oder in sonstiger Weise für den von einem anderen übernommenen Vertrieb Verantwortung tragen (BGH, Beschluss vom 27. Juni 2023 - II ZR 57/21, ZIP 2023, 1588; Beschluss vom 11. Juli 2023 - XI ZR 60/22, AG 2023, 585 Rn. 7; Beschluss vom 11. Juli 2023 - XI ZB 20/21, WM 2023, 1692 Rn. 42 ff.; Beschluss vom 25. Juli 2023 - XI ZB 11/21, ZIP 2023, 1798 Rn. 16).
Rz. 12
aa) Bei einer Publikumspersonengesellschaft ist eine Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsschluss aufgrund eines fehlerhaften Prospekts ausgeschlossen, wenn sie sich gegen Altgesellschafter richten würde, die nach der Gründung der Gesellschaft rein kapitalistisch als Anleger beigetreten sind (BGH, Urteil vom 9. Juli 2013 - II ZR 9/12, ZIP 2013, 1616 Rn. 28; Urteil vom 21. Juni 2016 - II ZR 331/14, ZIP 2016, 1478 Rn. 12). Diese sind von einer Haftung für Verschulden bei Vertragsschluss grundsätzlich ausgenommen, weil sie regelmäßig keinen Einfluss auf künftige Beitrittsverhandlungen und Beitrittsabschlüsse ausüben können und diese ihrem Einfluss- und Verantwortungsbereich entzogen sind, sodass ein Beitrittsinteressent keinen berechtigten Anlass hat, ihnen Verhandlungsvertrauen entgegenzubringen, zumal sie gegenüber dem am Beitritt Interessierten namentlich nicht in Erscheinung treten (BGH, Urteil vom 24. April 1978 - II ZR 172/76, BGHZ 71, 284, 286; Urteil vom 1. Oktober 1984- II ZR 158/84, ZIP 1984, 1473, 1474; Urteil vom 14. Januar 1985 - II ZR 41/84, WM 1985, 533, 534; Urteil vom 30. März 1987 - II ZR 163/86, ZIP 1987, 912, 913; Urteil vom 25. Februar 1991 - II ZR 60/90, ZIP 1991, 441). Im Umfang der Einschränkung der Aufklärungspflichten erfolgt auch keine Zurechnung des Fehlverhaltens der Verhandlungsführer nach § 278 BGB (BGH, Urteil vom 25. Februar 1991 - II ZR 60/90, ZIP 1991, 441). Hierfür hat der Senat angeführt, dem Grundsatz, dass der Vertretene ein schuldhaftes Verhalten seines Vertreters bei den Vertragsverhandlungen grundsätzlich ebenso zu verantworten habe wie eigenes Verschulden, liege die Überlegung zu Grunde, dass der Verhandlungs- und Abschlussgehilfe grundsätzlich im Verantwortungsbereich des Vertretenen tätig werden müsse (BGH, Urteil vom 14. Dezember 1972 - II ZR 82/70, WM 1973, 863, 865).
Rz. 13
bb) Die frühere Rechtsprechung des Senats hat die Inanspruchnahme persönlichen Verhandlungsvertrauens überdies für den bei Abschluss des Aufnahmevertrags vertretenen Kommanditisten der Fondsgesellschaft verneint, wenn die Regelungen des Gesellschaftsvertrags über den Beitritt der Anleger seinem Einfluss- und Verantwortungsbereich völlig entzogen waren und ausschließlich in den Händen der geschäftsführenden Gesellschafterin lagen, so dass kein Beitrittsinteressent Anlass hatte, sein Verhandlungsvertrauen den von jeglicher Mitwirkung ausgeschlossenen Kommanditisten entgegenzubringen (BGH, Urteil vom 14. Dezember 1972 - II ZR 82/70, WM 1973, 863, 865 f.; Urteil vom 24. April 1978 - II ZR 172/76, BGHZ 71, 284, 286). Bei der Anbahnung des Beitritts zu einer Publikumskommanditgesellschaft schenkten die Beitrittsinteressenten bei den Beitrittsverhandlungen ihr Vertrauen nicht ihren von der Mitwirkung weitgehend ausgeschlossenen künftigen Mitkommanditisten, sondern allein der persönlich haftenden Gesellschafterin, den Initiatoren, Gestaltern und Gründern sowie den Personen, die daneben Einfluss in der Gesellschaft ausüben und Mitverantwortung tragen (BGH, Urteil vom 4. Mai 1981 - II ZR 193/80, ZIP 1981, 1076, 1078). Eine Haftung für die Inanspruchnahme besonderen persönlichen Verhandlungsvertrauens bei der Anbahnung eines Beitritts unter Verwendung eines Prospekts als Mittel der Aufklärung wurde allerdings für Personen und Unternehmen bejaht, die mit dem Vertrieb oder der Vermittlung von Kapitalanlagen befasst sind, soweit diese den Eindruck besonderer persönlicher Zuverlässigkeit erwecken (BGH, Urteil vom 10. April 1978 - II ZR 103/76, WM 1978, 611; Urteil vom 22. März 1979 - VII ZR 259/77, BGHZ 74, 103, 109).
Rz. 14
cc) Eine weitergehende Aufklärungsverantwortung hat der Senat später insbesondere aus der dem Anleger offengelegten Stellung als Gründungsgesellschafter abgeleitet (BGH, Urteil vom 30. März 1987 - II ZR 163/86, ZIP 1987, 912, 913 f.; Urteil vom 21. September 1987 - II ZR 265/86, WM 1987, 1336 f.; Urteil vom 11. März 1991 - II ZR 132/90, NJW-RR 1991, 804). Nachfolgend wurde diese auch auf Altgesellschafter erstreckt, die mit eigener Kapitaleinlage als Treuhänder für die zu werbenden Kapitalanleger tätig werden sollten (BGH, Urteil vom 7. Juli 2003 - II ZR 18/01, ZIP 2003, 1536, 1537; Urteil vom 20. März 2006- II ZR 326/04, ZIP 2006, 849 Rn. 7; Urteil vom 9. Mai 2017 - II ZR 10/16, ZIP 2017, 1515 Rn. 12; Urteil vom 17. April 2018 - II ZR 265/16, ZIP 2018, 1130 Rn. 20). Ob für den nur als Treuhänder beteiligten Altgesellschafter etwas anderes gilt, hat der Senat bislang offen gelassen (BGH, Urteil vom 9. Juli 2013- II ZR 9/12, ZIP 2013, 1616 Rn. 29; Urteil vom 9. Mai 2017 - II ZR 344/15, ZIP 2017, 1267 Rn. 16).
Rz. 15
dd) Die mit dem Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetz) vom 28. Oktober 2004 (BGBl. I S. 2630) geschaffenen spezialgesetzlichen Aufklärungspflichten und das mit ihnen verbundene Haftungsregime rechtfertigen unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs eine Einschränkung der nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats bestehenden allgemeinen Aufklärungspflichten der Altgesellschafter (BGH, Beschluss vom 27. Juni 2023 - II ZR 57/21, ZIP 2023, 1588).
Rz. 16
(1) Umfang und Inhalt vorvertraglicher Schutz- und Aufklärungspflichten sind nicht einheitlich für alle Schuldverhältnisse bestimmbar, sondern hängen von dem Zweck des Schuldverhältnisses, der Verkehrssitte, den Anforderungen des redlichen Geschäftsverkehrs sowie der konkreten Verhandlungssituation ab (vgl. BGH, Urteil vom 14. März 2013 - III ZR 296/11, BGHZ 196, 340 Rn. 25; Urteil vom 19. Januar 2021 - VI ZR 188/17, NJW 2021, 1818 Rn. 24; Urteil vom 23. November 2021 - II ZR 312/19, BGHZ 232, 46 Rn. 30; Staudinger/Feldmann, BGB, Neubearb. 2018, § 311 Rn. 124). Die vorvertragliche Haftung des Vertragspartners kann dabei auch durch ein spezielleres Haftungsregime ausgeschlossen, modifiziert oder ersetzt werden (BeckOGK BGB/Herresthal, Stand: 1.9.2023, § 311 Rn. 227). Bei der spezialgesetzlichen Prospekthaftung handelt es sich um einen gesetzlich umschriebenen Sonderfall der Haftung für Verschulden bei Vertragsschluss (vgl. BGH, Urteil vom 31. Mai 2011- II ZR 141/09, BGHZ 190, 7 Rn. 17; Beschluss vom 21. Oktober 2014- XI ZB 12/12, BGHZ 203, 1 Rn. 71; Beschluss vom 14. Juni 2022 - XI ZR 395/21, WM 2022, 1679 Rn. 18).
Rz. 17
(2) Mit dem Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetz) vom 28. Oktober 2004 (BGBl. I 2004, S. 2630) wurde die Prospektpflicht auf bestimmte nicht wertpapiermäßig verbriefte Anlageformen des sogenannten grauen Kapitalmarkts ausgeweitet und u.a. für Anteile vorgesehen, die eine Beteiligung am Ergebnis eines Unternehmens gewähren (§ 8f Abs. 1 Satz 1 VerkProspG aF). Nach § 8g Abs. 1 Satz 1 VerkProspG aF muss der Verkaufsprospekt alle tatsächlichen und rechtlichen Angaben enthalten, die notwendig sind, dem Publikum eine zutreffende Beurteilung des Emittenten und der Vermögensanlage im Sinne des § 8f Abs. 1 Satz 1 VerkProspG aF zu ermöglichen. Nähere Vorgaben über den Inhalt des Verkaufsprospekts enthält die aufgrund § 8g Abs. 2 VerkProspG aF erlassene Verordnung über Vermögensanlagen-Verkaufsprospekte in der ab dem 1. Juli 2005 geltenden Fassung (VermVerkProspV aF). Eine Haftung bei fehlerhaftem Verkaufsprospekt sieht § 13 Abs. 1 VerkProspG aF vor, bei fehlendem Prospekt hat der Erwerber die aus § 13a VerkProspG aF folgenden Rechte.
Rz. 18
(a) Die spezialgesetzliche Prospekthaftung der Gesellschafter hat in jüngerer Zeit eine erhebliche Ausweitung erfahren, weil sie nunmehr jeden Gründungsgesellschafter als Prospektveranlasser im Sinne von § 13 Abs. 1 VerkProspG aF i.V.m. § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BörsG aF erfasst (BGH, Beschluss vom 12. Oktober 2021 - XI ZB 26/19, WM 2021, 2386 Rn. 24; Beschluss vom 26. April 2022 - XI ZB 32/19, WM 2022, 1277 Rn. 39; Beschluss vom 14. Juni 2022 - XI ZR 395/21, WM 2022, 1679 Rn. 12; Beschluss vom 13. Dezember 2022- XI ZB 10/21, WM 2023, 245 Rn. 14).
Rz. 19
(b) Der Gesetzgeber hat diese Haftung gegenüber der allgemeinen Haftung nach § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 311 Abs. 2 BGB aber insoweit modifiziert, als der Gründungsgesellschafter als Prospektveranlasser sich nach § 13 Abs. 1 VerkProspG aF, § 45 Abs. 1 BörsG aF durch den Nachweis einfach fahrlässiger Unkenntnis der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Verkaufsprospekts entlasten kann, der Anspruch nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 VerkProspG aF, § 44 Abs. 1 Satz 1 BörsG aF einer kurzen Ausschlussfrist von sechs Monaten nach dem ersten öffentlichen Angebot im Inland unterliegt und nach § 13 Abs. 1 VerkProspG aF, § 46 BörsG aF eine besondere Verjährungsfrist vorgesehen ist, die ihn gegenüber der regelmäßigen Verjährungsfrist nach §§ 195, 199 BGB erheblich begünstigt (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 - XI ZB 35/18, BGHZ 228, 237 Rn. 26; Beschluss vom 25. Oktober 2022 - II ZR 22/22, ZIP 2023, 29 Rn. 45).
Rz. 20
(3) Diese Ergänzung des spezialgesetzlichen Anlegerschutzes rechtfertigt auch unter Berücksichtigung der vom Gesetzgeber geschaffenen Haftungserleichterungen eine Einschränkung der nach § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB bestehenden Aufklärungspflichten der Altgesellschafter.
Rz. 21
(a) Im jüngeren Schrifttum ist auf die Nähe der Haftung der Gründungsgesellschafter einer Fondsgesellschaft gemäß § 280 Abs. 1, 3, §§ 282, 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB, soweit sie allein auf der formalen Stellung als Vertragspartner beruht, zu einer solchen unter dem Gesichtspunkt der Prospekthaftung wegen der Inanspruchnahme eines nur typisierten Vertrauens (sog. Prospekthaftung i.e.S.) hingewiesen worden (Assmann, AG 2023, 189 Rn. 15; Buck-Heeb/Dieckmann, ZIP 2022, 145, 150 f.; Klöhn, NZG 2021, 1063, 1064; Koch, BKR 2022, 271, 285). Ein Anwendungsbereich für eine Haftung unter dem Gesichtspunkt eines vorvertraglichen Verschuldens der Gründungsgesellschafter wird neben der spezialgesetzlichen Prospekthaftung im Fall der Inanspruchnahme eines besonderen persönlichen Vertrauens gesehen oder im Fall der Verletzung von Pflichten, die von der gesetzlich geregelten Prospekthaftung nicht erfasst sind (Assmann, AG 2023, 189 Rn. 17 f.; Buck-Heeb/Diekmann, ZIP 2023, 501, 502; Klöhn, NZG 2021, 1063, 1067). Daneben wird geltend gemacht, die bloße Stellung als Vertragspartner, die mit einer entsprechenden Ermächtigung im Gesellschaftsvertrag sogar auf die Gesellschaft selbst übertragen werden könne, sei kein hinreichender Anknüpfungspunkt für die Aufklärungspflicht. Maßgeblich sei auch nicht die Einflussnahme auf die Erstellung des Prospekts, sondern die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit des jeweiligen Gesellschafters, auf die individuellen Beitrittsverhandlungen Einfluss zu nehmen (Poelzig, ZGR 2023, 359, 380). Die formale Stellung als künftiger Vertragspartner (§ 311 Abs. 2 BGB) begründe auf dem Kapitalmarkt bloß eine Informationspflicht, deren Verletzung allein die spezialgesetzliche Prospekthaftung auslöse(Buck-Heeb/Dieckmann, ZIP 2022, 145, 150 f.).
Rz. 22
(b) Dem kann nicht in jeder Hinsicht gefolgt werden. Die durch den Senat entwickelte Haftung der Altgesellschafter für die Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens ist nicht im Kern eine solche für die Inanspruchnahme typisierten Vertrauens (BeckOGK BGB/Herresthal, Stand: 1.9.2023, § 311 Rn. 719). Die Haftung der Altgesellschafter ist auch nicht auf Fälle der Inanspruchnahme eines besonderen persönlichen Vertrauens (§ 311 Abs. 3 BGB) beschränkt.
Rz. 23
(aa) Die Argumentation, die Altgesellschafter nähmen lediglich ein typisiertes Verhandlungsvertrauen in Anspruch, blendet die typischerweise und auch vorliegend erfolgte Vertragsanbahnung durch einen Vermittler und den Umstand aus, dass der Vertragspartner sich im Grundsatz das durch seine Erfüllungsgehilfen bei der Anbahnung des Beitritts persönlich in Anspruch genommene Vertrauen nach § 278 Satz 1 BGB zurechnen lassen muss (vgl. auch BGH, Urteil vom 16. März 2017 - III ZR 489/16, ZIP 2017, 715 Rn. 20). In dem Umfang, in dem eine hinreichende Grundlage für eine solche Zurechnung gegeben ist, kann eine Haftung wegen der Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens, die eine "weitergehende" im Sinne des § 13 Abs. 1 VerkProspG aF, § 47 Abs. 2 BörsG aF ist (vgl. BGH, Urteil vom 25. Oktober 2022 - II ZR 22/22, ZIP 2023, 29 Rn. 36; Assmann, AG 2023, 189 Rn. 15, 18), nicht verneint werden.
Rz. 24
Hinzu kommt, dass die hier anwendbaren speziellen Regelungen über Prospektpflichten zum Schutz typisierten Verhandlungsvertrauens nach § 8f Abs. 1 Satz 1 VerkProspG aF an das öffentliche Angebot anknüpfen (Poelzig, ZGR 2023, 359, 374 f.) und damit das im Zusammenhang mit dem Vertrieb der Beteiligungen in Anspruch genommene persönliche Vertrauen nicht erfassen. Es trifft nicht zu, dass den Gründungsgesellschafter nur reine Informationspflichten bezogen auf das Anlageprodukt treffen können, weil der Emittent/Anbieter per se außerstande sei, den Anleger individuell aufzuklären und zu beraten (so Buck-Heeb/Dieckmann, ZIP 2022, 145, 150). Dies mag für Vertriebsformen gelten, in denen ein persönlicher Kontakt mit dem Anleger nicht stattfindet. Wird der Beitritt eines Anlegers dagegen im Rahmen eines sozialen Kontakts, beispielsweise durch einen Vermittler, angebahnt, ist eine Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten durch die spezialgesetzliche Prospekthaftung gerade nicht erfasst. Dieser Umstand kann im Einzelfall dazu führen, dass Anleger keine Möglichkeit haben, vor Ablauf der Verjährungsfrist berechtigte Ansprüche geltend zu machen, die auf einer fehlerhaften Aufklärung im Rahmen des Vertriebs der Beteiligungen beruhen (BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2022 - II ZR 22/22, ZIP 2023, 29 Rn. 46). Auch nach der Rechtsprechung des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs soll im Übrigen eine Haftung der Altgesellschafter unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluss in Betracht kommen, wenn die Verletzung von Aufklärungspflichten nicht auf der Verwendung eines fehlerhaften Prospekts beruht, sondern auf einer fehlerhaften mündlichen Aufklärung (BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2018 - XI ZB 3/16, BGHZ 220, 110 Rn. 57; Beschluss vom 27. April 2021 - XI ZB 35/18, BGHZ 228, 237 Rn. 26). Für die Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens nach § 311 Abs. 2 BGB kommt es aber nicht darauf an, ob die fehlerhafte Aufklärung über die Risiken der Beteiligung darauf beruht, dass der mit dem Vertrieb der Beteiligungen befasste Vermittler sich eines fehlerhaften Prospekts bedient oder dieser im Rahmen der mündlichen Aufklärung ein falsches Bild von der Beteiligung zeichnet (BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2022 - II ZR 22/22, ZIP 2023, 29 Rn. 43).
Rz. 25
Dem kann auch nicht mit dem Argument begegnet werden, den Gründungsgesellschafter treffe ohnehin keine Verpflichtung zur individuellen Aufklärung des Anlegers, sondern lediglich eine standardisierte Aufklärungspflicht (so BGH, Beschluss vom 14. Juni 2022 - XI ZR 395/21, WM 2022, 1679 Rn. 15; Buck-Heeb/Dieckmann, ZIP 2022, 145, 150 f.). Der Senat hat die Reichweite vorvertraglicher Aufklärungspflichten aus dem Zweck des Schuldverhältnisses, der Verkehrssitte und den Anforderungen des redlichen Geschäftsverkehrs abgeleitet. Dass es danach als Mittel der Aufklärung genügen kann, wenn dem Anlageinteressenten statt einer mündlichen Aufklärung im Rahmen des Vertragsanbahnungsgesprächs ein Prospekt über die Kapitalanlage überreicht wird, sofern dieser nach Form und Inhalt geeignet ist, die nötigen Informationen wahrheitsgemäß und verständlich zu vermitteln (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2022- II ZR 22/22, ZIP 2023, 29 Rn. 33 mwN), rechtfertigt nicht die Schlussfolgerung, die Aufklärungspflicht sei auf das öffentliche Angebot begrenzt. Sie kann auch nicht deswegen verneint werden, weil der Erwerber der Beteiligung der Gesellschaft nicht als "normaler" Gesellschafter, sondern "rein kapitalistisch als Anleger" beitrete und aus diesem Grund nur einer kapitalmarktrechtlichen Haftung unterliege (aA Buck-Heeb/Dieckmann, ZIP 2023, 501, 503).
Rz. 26
(bb) Anknüpfend daran ist es auch nicht gerechtfertigt, die Aufklärungsverantwortung eines Altgesellschafters auf solche Fälle zu begrenzen, in denen ein besonderes persönliches Verhandlungsvertrauen nach den für die Sachwalter und Vertreterhaftung entwickelten Grundsätzen in Anspruch genommen wird (vgl. für den Anlagevermittler BGH, Urteil vom 10. April 1978 - II ZR 103/76, WM 1978, 611, 612; Urteil vom 22. März 1979 - VII ZR 259/77, BGHZ 74, 103, 109; Koch, BKR 2022, 271, 285 f.; aA Assmann, AG 2023, 189 Rn. 7, 18, 22; Buck-Heeb/Dieckmann, ZIP 2023, 501, 502). In diesen Fällen geht es um die Frage, inwieweit die aus einem vorvertraglichen Schuldverhältnis resultierenden Pflichten auch gegenüber Personen entstehen können, die nicht selbst Vertragspartner werden (vgl. § 311 Abs. 3 Satz 1 und 2 BGB). Gerade dies trifft aber auf die Altgesellschafter, die bei der Aufnahme eines Anlegers dessen Vertragspartner werden und für deren vorvertragliche Pflichten nunmehr § 311 Abs. 2 BGB gilt (BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2022 - II ZR 22/22, ZIP 2023, 29 Rn. 34), nicht zu (Poelzig, ZGR 2023, 359, 378). Der Umfang der den vertragsschließenden Mitgesellschaftern bei der Anbahnung des Vertrags mit Beitrittsinteressierten verbleibenden Aufklärungspflichten ist daher aus dem Anwendungsbereich des § 311 Abs. 2 BGB heraus zu bestimmen (Poelzig, ZGR 2023, 359, 379 f.).
Rz. 27
(c) Angesichts der zwischenzeitlich erfolgten Ausgestaltung der spezialgesetzlichen Prospekthaftung (oben [2]) begrenzt der Senat die vorvertragliche Aufklärungspflicht auf solche Altgesellschafter, die entweder selbst den Vertrieb der Beteiligungen an Anleger übernehmen oder für den von einem Dritten übernommenen Vertrieb Verantwortung tragen (BGH, Beschluss vom 27. Juni 2023- II ZR 57/21, ZIP 2023, 1588; Beschluss vom 11. Juli 2023 - XI ZR 60/22, AG 2023, 585 Rn. 7; Beschluss vom 11. Juli 2023 - XI ZB 20/21, WM 2023, 1692 Rn. 42 ff.; Beschluss vom 25. Juli 2023 - XI ZB 11/21, ZIP 2023, 1798 Rn. 16). Die weitgehende haftungsrechtliche Erfassung der Altgesellschafter mit einer typisierten Aufklärungspflicht im Zusammenhang mit dem öffentlichen Angebot der Vermögensanlage legt eine Neuausrichtung der nach § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2 BGB bestehenden Aufklärungspflichten nahe, in der die Legitimation einer schärferen Haftung zum Ausdruck kommt (vgl. Koch, BKR 2022, 271, 285; Poelzig, ZGR 2023, 359, 379 f.). Soweit der Beitritt der Anleger im Stadium der Vertragsanbahnung dem Einfluss- und Verantwortungsbereich des Altgesellschafters entzogen ist, kann eine Aufklärungspflicht verneint werden, weil der Anleger keinen Anlass hat, sein Verhandlungsvertrauen einem von der Mitwirkung ausgeschlossenen Gesellschafter entgegenzubringen (vgl. BGH, Urteil vom 14. Dezember 1972 - II ZR 82/70, WM 1973, 863, 865 f.; Urteil vom 24. April 1978 - II ZR 172/76, BGHZ 71, 284, 286). Demgegenüber trifft die Altgesellschafter, die entweder selbst den Vertrieb der Beteiligungen an Anleger übernehmen oder für den von einem Dritten übernommenen Vertrieb Verantwortung tragen, ungeachtet einer daneben bestehenden Haftung unter dem Gesichtspunkt der spezialgesetzlichen Prospekthaftung nach §§ 13, 13a VerkProspG aF, §§ 44 ff. BörsG aF die Pflicht zur Aufklärung über alle Umstände, die für die Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können (vgl. Poelzig, ZGR 2023, 359, 380; MünchKommHGB/Grunewald, 5. Aufl., § 161 Rn. 198; Staub/Casper, HGB, 5. Aufl., § 161 Rn. 179).
Rz. 28
Für eine so verstandene Eingrenzung der Aufklärungsverantwortung der Altgesellschafter spricht auch, dass eine allein an die Gesellschafterstellung anknüpfende allgemeine Aufklärungsverantwortung jedenfalls teilweise die im Rahmen der spezialgesetzlichen Prospekthaftung vorgenommene Ausgestaltung durch den Gesetzgeber überlagert (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juni 2022- XI ZR 395/21, WM 2022, 1679 Rn. 15 f.). Zur Abgrenzung der nach ihrer gesetzlichen Ausgestaltung schärferen Haftung für ein Verschulden bei Vertragsschluss nach § 280 Abs. 1, 3, §§ 282, 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB erscheint daher eine zusätzliche Haftungsvoraussetzung sachgerecht, die an die Verantwortung der Altgesellschafter für den Vertrieb der Beteiligungen anknüpft, weil dieser von den Regelungen der spezialgesetzlichen Prospekthaftung nach §§ 13, 13a VerkProspG aF im Hinblick auf die Anknüpfung an ein (ggf. unterlassenes) öffentliches Angebot nicht erfasst wird. Ein weitergehender Ausschluss der Aufklärungspflicht ist im Hinblick auf die anderenfalls entstehenden Haftungslücken nicht gerechtfertigt (BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2022 - II ZR 22/22, ZIP 2023, 29 Rn. 46 f.).
Rz. 29
Der Wille des Gesetzgebers steht dieser Eingrenzung nicht entgegen. Er gebietet kein Festhalten an der bisherigen Sichtweise des Senats über die Aufklärungspflichten der Altgesellschafter. Nach den Materialien zum Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetz) vom 28. Oktober 2004 (BGBl. I S. 2630) sollten Ansprüche aus zivilrechtlicher Haftung im weiteren Sinne gegen von § 13 VerkProspG aF, § 44 BörsG aF "nicht erfasste am Vertrieb der Vermögensanlagen im Sinne des § 8f Abs. 1 [VerkProspG aF] Beteiligte, z. B. Vermittler" nicht berührt werden (RegE, BT-Drucks. 15/3174, S. 44). Zwar kann der Senat diesen Ausführungen weiterhin nicht den Rückschluss entnehmen, dass diesen Ausführungen etwas zur Haftung der von der spezialgesetzlichen Prospekthaftung erfassten Personen aus anderen Anspruchsgrundlagen entnommen werden kann (BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2022 - II ZR 22/22, ZIP 2023, 29 Rn. 50). Immerhin wird aber zum Ausdruck gebracht, dass eine Haftung aus anderen Gründen im Zusammenhang mit dem Vertrieb der Beteiligung weiterhin in Betracht zu ziehen ist.
Rz. 30
(d) Altgesellschafter tragen für den Vertrieb der Beteiligungen Verantwortung, wenn sie den Vertrieb selbst übernehmen. In gleicher Weise ist ein Altgesellschafter verantwortlich, wenn er - gegebenenfalls mit weiteren Altgesellschaftern - eine beherrschende Stellung in der Gesellschaft ausüben kann, die den Vertrieb der Beteiligungen übernommen hat. Nicht genügend ist dagegen, dass der Alleingesellschafter des Altgesellschafters aufgrund eines von der Fondsgesellschaft erteilten Auftrags den Vertrieb der Beteiligungen übernommen hat. Eine personelle Verflechtung eines Altgesellschafters mit der Vertriebsgesellschaft begründet ebenfalls keine Verantwortung für den Vertrieb (BGH, Beschluss vom 27. Juni 2023 - II ZR 57/21, ZIP 2023, 1588; Beschluss vom 11. Juli 2023 - XI ZB 20/21, WM 2023, 1692 Rn. 44). Die von der Alleingesellschafterin übernommene Vertriebstätigkeit strahlt allenfalls dann auf den mit seiner Alleingesellschafterin wirtschaftlich identischen Altgesellschafter aus, wenn die Verlagerung der Vertriebstätigkeit auf die Alleingesellschafterin darauf gerichtet ist, den Altgesellschafter seiner Verantwortung im Rahmen der Vertragsanbahnung mit interessierten Anlegern durch den Hinweis auf die rechtliche Selbstständigkeit des für den Vertrieb tätigen Unternehmens zu entledigen (vgl. für die Zurechnung von Wissen Spindler, ZHR 181 [2017], 311, 335 f.). Dies ist aber nicht der Fall, wenn der Alleingesellschafter im Rahmen eines Auftragsverhältnisses wie ein sonstiger Dritter tätig wird.
Rz. 31
Vertriebsverantwortung trägt daneben auch der Altgesellschafter, der einen anderen mit dem Vertrieb der Beteiligungen beauftragt. Soweit die Fondsgesellschaft den Vertriebsauftrag erteilt, tragen die Vertriebsverantwortung die geschäftsführungsbefugten Altgesellschafter (BGH, Beschluss vom 27. Juni 2023- II ZR 57/21, ZIP 2023, 1588; Beschluss vom 11. Juli 2023 - XI ZB 20/21, WM 2023, 1692 Rn. 44). Beauftragt ein Altgesellschafter einen Dritten mit dem Vertrieb der Beteiligungen oder hat er innerhalb der Fondsgesellschaft die Befugnis, über die Erteilung eines solchen Auftrags zu entscheiden, obliegt es ihm, dem Dritten die für eine ordnungsgemäße Aufklärung der Beitrittsinteressenten notwendigen Informationen zu verschaffen. Es unterliegt zudem seiner Verantwortung, dass der Dritte geeignete Vertriebskanäle auswählt und ausreichend qualifiziertes Personal für die Verhandlungen über einen Beitritt einsetzt (vgl. BGH, Urteil vom 14. Dezember 1972 - II ZR 82/70, WM 1973, 863, 865 f.; Urteil vom 24. April 1978 - II ZR 172/76, BGHZ 71, 284, 286). In der Kommanditgesellschaft sind im Regelfall die persönlich haftenden Gesellschafter geschäftsführungsbefugt (§ 164 Satz 1 HGB). Daneben kommt eine Haftung der Altkommanditisten in Betracht, soweit sie nach dem Gesellschaftsvertrag geschäftsführungsbefugt sind. Sind die persönlich haftenden Gesellschafter von der Geschäftsführung ausgeschlossen, tragen sie keine Vertriebsverantwortung.
Rz. 32
(4) Der Altgesellschafter, der nicht selbst den Vertrieb der Beteiligungen übernimmt und den keine Verantwortung für den Vertrieb trifft, ist auch dann nicht allein aufgrund seiner Gesellschafterstellung nach den Grundsätzen der Haftung für Verschulden bei Vertragsschluss für die Aufklärung der Anleger verantwortlich, wenn er nicht Adressat der Regelungen der spezialgesetzlichen Prospekthaftung ist. Die spezialgesetzliche Prospekthaftung trifft nicht nur die Aussage, wer aus ihr haftet, sondern ebenso, wer nicht aus ihr haftet (Buck-Heeb/Dieckmann, ZIP 2022, 145, 148). Aus der Begrenzung des Adressatenkreises kann für die Pflicht zur vorvertraglichen Aufklärung nichts abgeleitet werden. Es wäre wertungswidersprüchlich, für den Kreis derjenigen Altgesellschafter, die nicht als Prospektveranlasser anzusehen sind und die nach den Regelungen der spezialgesetzlichen Prospekthaftung keine typisierte Aufklärungspflicht trifft, weitergehende allgemeine Aufklärungspflichten vorzusehen, obwohl sie das dafür maßgebliche besondere Haftungselement in ihrer Person nicht verwirklichen (Koch, BKR 2022, 271, 286).
Rz. 33
d) Hiervon ausgehend und unter Berücksichtigung des vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Prospekts oblagen den Beklagten vorvertragliche Aufklärungspflichten gegenüber dem Kläger. Der Senat hält an seiner im Hinweisbeschluss vom 27. Juni 2023 geäußerten vorläufigen Rechtsauffassung nicht fest, soweit eine Vertriebsverantwortung der Beklagten zu 2 verneint wurde.
Rz. 34
aa) Die Beklagten waren nach dem im Prospekt abgedruckten Anhang zum Jahresabschluss der Fondsgesellschaft zum 31. Dezember 2008 bis zum Neuabschluss des Gesellschaftsvertrags am 9. März 2009 geschäftsführungsbefugt. Nach § 7 Abs. 3 Buchst. a) und b) des Gesellschaftsvertrags war die Beklagte zu 2 als Komplementärin überdies berechtigt, im Namen der Gesellschaft mit der HTGA GmbH den Konzeptionsvertrag und den Vertrag über die Einwerbung von Eigenkapital abzuschließen. Der Konzeptionsvertrag sah eine Vertriebsunterstützung der Fondsgesellschaft bis zum 30. Juni 2009 vor. Nach dem Vertrag über die Vermittlung von Eigenkapital sollte die HTGA GmbH durch geeignete Maßnahmen Anleger gewinnen und war berechtigt, hierfür leistungsfähige Dritte mit Vertriebsleistungen zu beauftragen, insbesondere Vertriebsvereinbarungen mit Banken, Sparkassen, privaten Anlageberatern und anderen Gesellschaften abzuschließen.
Rz. 35
bb) Die Beklagte zu 1 ist vertriebsverantwortlich, weil sie als geschäftsführungsbefugte Kommanditistin für die Anleger erkennbar Verantwortung für die Auswahl der Vertriebsgesellschaft trug und sicherzustellen hatte, dass diese die für die Aufklärung der Anleger erforderlichen Informationen erhielt. Diese Verantwortlichkeit bezieht sich nicht allein auf den Zeitpunkt zu dem der Vertrag über die Vermittlung von Eigenkapital abgeschlossen wurde, sondern auch auf dessen Durchführung. Das ergibt sich schon daraus, dass die Aufklärungspflicht sich auch auf Umstände beziehen kann, die nach Erteilung des Auftrags über den Vertrieb der Beteiligungen eintreten, wie im vorliegenden Fall der Erwerb einer Mehrheitsbeteiligung an der HTGA GmbH durch eine von A. B. beherrschte Gesellschaft. Dass die Beklagte zu 1 nach der Behauptung der Revision den Vertrag über die Einwerbung von Eigenkapital nicht selbst in Vertretung für die Kommanditgesellschaft abgeschlossen hat, ist für die Vertriebsverantwortlichkeit ohne Belang.
Rz. 36
cc) Vertriebsverantwortlich und damit aufklärungspflichtig war darüber hinaus auch die Beklagte zu 2, die als geschäftsführungsbefugte Gesellschafterin im vorliegenden Fall Verantwortung im Stadium der Vorbereitung des Konzeptionsvertrags und des Vertrags über die Einwerbung von Eigenkapital trug und nach dem Gesellschaftsvertrag berechtigt war, diese Verträge mit der HTGA GmbH abzuschließen. Für die Vertriebsverantwortlichkeit kommt es, wie vorstehend bereits ausgeführt, zwar nicht maßgeblich darauf an, wer den Vertrag im Außenverhältnis abschließt. Aus den Regelungen des Gesellschaftsvertrags ergibt sich jedoch, dass die HTGA GmbH bei Neuabschluss des Gesellschaftsvertrags bereits als Vertragspartnerin feststand. Überdies war die Beklagte zu 2 nach dem Gesellschaftsvertrag vom 9. März 2009 berechtigt, den Konzeptionsvertrag und den Vertrag über die Einwerbung von Eigenkapital abzuschließen. Dass die Aufklärungspflicht einen Umstand betrifft, der erst nach dem Neuabschluss des Gesellschaftsvertrags eingetreten ist, mit dem der Beklagten zu 2 die Geschäftsführungsbefugnis entzogen wurde, ist nicht von Bedeutung. Die Vertriebsverantwortlichkeit des Gesellschafters muss sich nicht auf den jeweiligen aufklärungsbedürftigen Umstand beziehen.
Rz. 37
2. Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler eine unzureichende Aufklärung des Klägers angenommen.
Rz. 38
a) Ändern sich die Umstände, die für die Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können (oben 1. a) nach der Herausgabe des Emissionsprospekts, so haben die Verantwortlichen das durch Prospektberichtigung oder gesonderte Mitteilung offen zu legen (BGH, Urteil vom 24. April 1978 - II ZR 172/76, BGHZ 71, 284, 291; Urteil vom 5. Juli 1993 - II ZR 194/92, BGHZ 123, 106, 110; Urteil vom 14. Juli 1998 - XI ZR 173/97, BGHZ 139, 225, 232; Urteil vom 1. März 2010 - II ZR 213/08, ZIP 2010, 933 Rn. 13).
Rz. 39
aa) Erforderlich für eine vollständige Aufklärung ist eine Darstellung der wesentlichen kapitalmäßigen und personellen Verflechtungen zwischen einerseits der Fondsgesellschaft, ihren Geschäftsführern und beherrschenden Gesellschaftern und andererseits den Unternehmen sowie deren Geschäftsführern und beherrschenden Gesellschaftern, in deren Hand die Beteiligungsgesellschaft die nach dem Prospekt durchzuführenden Vorhaben ganz oder wesentlich gelegt hat, und die Aufklärung über die diesem Personenkreis gewährten Sonderzuwendungen oder Sondervorteile (BGH, Urteil vom 6. Oktober 1980 - II ZR 60/80, BGHZ 79, 337, 345; Urteil vom 10. Oktober 1994 - II ZR 95/93, ZIP 1994, 1851, 1852; Urteil vom 7. April 2003 - II ZR 160/02, WM 2003, 1086, 1088; Urteil vom 29. Mai 2008 - III ZR 59/07, ZIP 2008, 1481 Rn. 25; Urteil vom 22. April 2010- III ZR 318/08, ZIP 2010, 1132 Rn. 24; Urteil vom 22. April 2010 - III ZR 321/08, ZIP 2010, 1801 Rn. 25; Urteil vom 21. September 2010 - XI ZR 232/09, ZIP 2010, 2140 Rn. 29; Beschluss vom 15. Januar 2013 - II ZR 43/12, juris Rn. 7; Beschluss vom 23. September 2014 - II ZR 320/13, juris Rn. 23; Beschluss vom 4. Juni 2019 - II ZR 256/18, juris Rn. 16; Beschluss vom 13. Januar 2020 - II ZR 97/19, juris Rn. 15; Beschluss vom 12. Januar 2021 - XI ZB 18/17, ZIP 2021, 1051 Rn. 88; Beschluss vom 18. Mai 2021 - XI ZB 19/18, WM 2021, 1426 Rn. 46). Derartige Verflechtungen begründen die Gefahr einer Interessenkollision zum Nachteil der Gesellschaft und der beitretenden Gesellschafter. Der einzelne Anleger kann deshalb erwarten, dass er über diesen Sachverhalt aufgeklärt wird, damit er in Kenntnis des Risikos seine Entscheidung treffen und gegebenenfalls der bestehenden Gefährdung begegnen kann (BGH, Urteil vom 6. Oktober 1980- II ZR 60/80, BGHZ 79, 337, 345; Urteil vom 10. Oktober 1994 - II ZR 95/93, ZIP 1994, 1851, 1852). Ihm müssen hinreichende Informationen geboten werden, um selbst beurteilen zu können, ob faktisch eine Beeinflussung der Entscheidungen droht (BGH, Beschluss vom 24. Februar 2015 - II ZR 104/13, juris Rn. 19; Beschluss vom 4. Juni 2019 - II ZR 256/18, juris Rn. 16; Beschluss vom 18. Mai 2021 - XI ZB 19/18, ZIP 2021, 2393 Rn. 46).
Rz. 40
bb) Aus den spezialgesetzlichen Regelungen über die notwendigen Angaben in einem Verkaufsprospekt sind keine hiervon abweichenden Aufklärungspflichten abzuleiten. Diese entsprechen vielmehr den zuvor vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätzen über die gebotene Aufklärung (BGH, Beschluss vom 22. März 2022 - XI ZB 24/20, ZIP 2023, 1373 Rn. 45).
Rz. 41
(1) Auf den Verkaufsprospekt, der vor dem 1. Juni 2012 bei der Bundesanstalt zur Gestattung der Veröffentlichung eingereicht wurde, ist nach § 32 Abs. 1 Satz 1 VermAnlG das Verkaufsprospektgesetz in der bis zum 31. Mai 2012 geltenden Fassung anzuwenden. Nach § 8g Abs. 1 Satz 1 VerkProspG aF muss der Verkaufsprospekt alle tatsächlichen und rechtlichen Angaben enthalten, die notwendig sind, um dem Publikum eine zutreffende Beurteilung des Emittenten und der Vermögensanlagen i.S.d. § 8f Abs. 1 VerkProspG aF zu ermöglichen. Die Vorschriften über die Sprache, den Inhalt und den Aufbau des Verkaufsprospekts ergeben sich aus § 8f Abs. 2 VerkProspG aF i.V.m.VermVerkProspV aF.
Rz. 42
(2) Der Verkaufsprospekt muss zum einen die Mindestangaben nach § 2 Abs. 1 Satz 2 VermVerkProspV aF enthalten, die sich im Einzelnen aus §§ 3 bis 15 VermVerkProspV aF ergeben. Zum anderen sind nach § 2 Abs. 1 Satz 1 VermVerkProspV aF für eine richtige und vollständige Auskunft regelmäßig weitere einzelfallbezogene Angaben über die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse der angebotenen Vermögensanlage notwendig (Hüffer, Das Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz, 1996, S. 97; Maas in Assmann/Schlitt/von Kopp-Colomb, Prospektrecht Kommentar, 4. Aufl., § 2 VermVerkProspV Rn. 9; Voß in Arndt/Voß, VerkProspG, § 2 Verkaufsprospektverordnung Rn. 7). Der Vorschrift kommt die Funktion einer prospektrechtlichen Generalklausel zu, die auch die teilweise über den Katalog der Mindestangaben hinausgehenden Vorgaben der Rechtsprechung aufnimmt (Kind in Lüdicke/Arndt, Geschlossene Fonds, 6. Aufl., S. 147; Bohlken/Lange, BB 2005, 1259, 1260; Voß in Arndt/Voß, VerkProspG, § 2 Verkaufsprospektverordnung Rn. 7).
Rz. 43
(3) Dies gilt auch für die von der Rechtsprechung entwickelten Grund-sätze über die Aufklärung über wesentliche kapitalmäßige und personelle Verflechtungen (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Januar 2021 - XI ZB 18/17, ZIP 2021, 1054 Rn. 88 f.; Beschluss vom 18. Mai 2021 - XI ZB 19/18, ZIP 2021, 2393 Rn. 43, 46; Beschluss vom 8. Juni 2021 - XI ZB 22/19, ZIP 2021, 2585 Rn. 59; Beschluss vom 21. September 2021 - XI ZB 9/20, juris Rn. 57; Beschluss vom 22. März 2022 - XI ZB 24/20, ZIP 2023, 1373 Rn. 45; Maas in Assmann/ Schlitt/von Kopp-Colomb, Prospektrecht Kommentar, 4. Aufl., § 2 VermVerkProspV Rn. 53). Für die Aufklärung kommt es allein darauf an, ob die kapitalmäßige Verflechtung so wesentlich ist, dass sie deshalb einen aufklärungsbedürftigen Interessenkonflikt begründen kann. Angesichts der Vielzahl der denkbaren Fallgestaltungen unterliegt die Beurteilung, ob eine kapitalmäßige Verflechtung wesentlich ist und deshalb einen aufklärungsbedürftigen Interessenkonflikt begründet, einer in erster Linie dem Tatrichter vorbehaltenen Gesamtschau unter umfassender Würdigung aller für die Beurteilung des Einzelfalles maßgeblichen Umstände (BGH, Beschluss vom 13. Januar 2020 - II ZR 97/19, juris Rn. 16; Beschluss vom 22. März 2022 - XI ZB 24/20, ZIP 2023, 1373 Rn. 49). Dabei kommt es unter anderem darauf an, welche Gesellschaftsform das Unternehmen hat, in dessen Hand die Beteiligungsgesellschaft die nach dem Emissionsprospekt durchzuführenden Vorhaben gelegt hat, da bei einer kapitalmarktfähigen Rechtsform bzw. Kapitalgesellschaft bereits eine geringere Beteiligungsquote der verflochtenen Gesellschaft bzw. des Gesellschafters einen größeren Einfluss vermittelt als bei einer Personengesellschaft, wie § 179 Abs. 2 AktG, § 53 Abs. 2 GmbHG zeigen. Weiterhin kommt der Rolle der Gesellschaft bzw. des Gesellschafters in dem Unternehmen, in dessen Hand die nach dem Emissionsprospekt durchzuführenden Vorhaben gelegt worden sind, ebenso erhebliche Bedeutung zu wie der Frage, ob dabei gleichläufige oder gegenläufige Interessen verfolgt werden (BGH, Beschluss vom 13. Januar 2020 - II ZR 97/19, juris Rn. 16).
Rz. 44
b) Der Prospektnachtrag vom 24. August 2009 leistet die im Hinblick auf die Übernahme einer Beteiligung von 60% an der HTGA GmbH durch die H. GmbH gebotene Aufklärung nicht.
Rz. 45
aa) Der Alleingesellschafter der H. GmbH A. B. war nach den Feststellungen des Berufungsgerichts über deren Beteiligung an der HTGA GmbH mittelbar beherrschender Gesellschafter der beiden Beklagten, die geschäftsführende Kommanditistin bzw. Komplementärin der Fondsgesellschaft waren, sowie der HTAM GmbH, die Leistungen entsprechend dem Asset-Management-Vertrag zu erbringen hatte. Es lag eine personelle Verflechtung mit der P. Inc. vor, weil A. B. zugleich President und CEO dieser Gesellschaft war. In der Hand dieser Gesellschaft lagen wesentliche nach dem Prospekt durchzuführende Vorhaben. Die Revision hebt selbst hervor, dass A. B., der zudem Mitglied des Exekutivausschusses war, in seinen Funktionen wesentlichen Einfluss auf die Investitionsentscheidungen nehmen konnte. Die Investition in Büroimmobilien auf dem US-amerikanischen Markt war das maßgebliche Vorhaben der Fondsgesellschaft und mit den Entscheidungen über die Investition ist ein zentraler Aspekt dieses Vorhabens betroffen.
Rz. 46
bb) Das Berufungsgericht ist ohne Rechtsfehler von der Wesentlichkeit dieser (personellen) Verflechtung ausgegangen, weil diese einen aufklärungsbedürftigen Interessenkonflikt begründet. Die von der Revision hiergegen erhobenen Einwände greifen nicht durch.
Rz. 47
(1) Die Revision macht geltend, im Hinblick auf den Erwerb der Beteiligung nach Abschluss der maßgeblichen Verträge könne sich eine Interessenkollision nur noch auf die Durchführung der Verträge beziehen. Diesbezüglich sei ein Interessenkonflikt nicht erkennbar, weil die Fondsgesellschaft ihr Schicksal bereits durch den Abschluss des Gesellschaftsvertrags in die Hände des zur P. - Gruppe gehörenden General Partners gelegt habe. Selbst wenn zwischen den Interessen der P. -Gruppe nicht ohnehin Gleichlauf bestanden haben sollte, sei es der P. -Gruppe bereits aufgrund des im Prospekt mitgeteilten Fondskonzepts möglich gewesen, ihre eigenen Interessen auf Kosten der Fondsgesellschaft zur Geltung zu bringen.
Rz. 48
(a) Der Feststellung des Berufungsgerichts, dass ein Gleichlauf der Interessen zwischen der Fondsgesellschaft, den Gesellschaften der P. -Gruppe und A. B. nicht bestanden hat, tritt die Revision nicht entgegen. Diese Beurteilung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Rz. 49
(b) Die Einwände der Revision im Übrigen gehen an der Beurteilung des Berufungsgerichts vorbei, dass die Fondsgesellschaft Einwirkungsmöglichkeiten auf und gegen den Exekutivausschuss sowie den General Partner hatte und zudem die Doppelrolle A. B. die im Prospekt beschriebene "unabhängige Aufsicht und Qualitätskontrolle" sowie die "Beratung der Fonds KG" durch die HTAM GmbH gravierend beeinträchtigte. Die Revision argumentiert in anderem Zusammenhang ihrerseits, es sei Sache der Gesellschafterversammlung der P V gewesen, den General Partner abzuberufen oder die Liquidation aus wichtigem Grund zu beschließen. Damit bestanden auf Seiten der Fondsgesellschaft aber bei der Durchführung des Vorhabens Möglichkeiten, einer einseitigen Beeinträchtigung ihrer Interessen durch die Ausübung ihrer Gesellschafterrechte in der P V entgegenzutreten. Gerade weil nach dem Fondskonzept die Investitionsentscheidungen weitgehend in die Hände des mit Mitarbeitern der P. -Gruppe besetzten Exekutivausschusses gelegt wurden, kommt der nachgelagerten und unabhängigen Ausübung von Kontroll- und Informationsrechten besonderes Gewicht zu.
Rz. 50
(2) Soweit die Revision meint, der HTAM GmbH seien keinerlei Überwachungs- und Eingriffsbefugnisse eingeräumt gewesen und die wesentlichen nach dem Asset-Management-Vertrag zu erbringenden Leistungen bereits erbracht gewesen seien, widerspricht dies den Prospektangaben, nach denen durch die HTAM GmbH die unabhängige Aufsicht und Qualitätskontrolle des Asset Managements gewährleistet werden sollte. Der Prospekt begründet bei den Anlegern angesichts dessen die berechtigte Erwartung, dass die HTAM GmbH diese Leistungen erbringen würde. Dass hieran anknüpfende Rechte nicht von der HTAM GmbH selbst, sondern von der Fondsgesellschaft auszuüben waren, stellt die Interessenkollision nicht in Frage, weil A. B. als Alleingesellschafter der H. GmbH mittelbar Einfluss auf sämtliche Gesellschaften der H. T. Gruppe nehmen konnte.
Rz. 51
(3) Entgegen der Auffassung der Revision wird der beherrschende Einfluss A. B. auf die HTAM GmbH nicht aufgrund der nur mittelbaren mehrstufigen Abhängigkeit durchbrochen. Herrschender Einfluss auf eine Gesellschaft kann auch vermittelt durch Dritte bestehen und mehrstufig ausgeübt werden (vgl. BGH, Urteil vom 16. September 1985 - II ZR 275/84, BGHZ 95, 330, 337 - Autokran; MünchKommAktG/Bayer, 5. Aufl., § 17 Rn. 76; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 10. Aufl., § 17 AktG Rn. 27; Koch, AktG, 16. Aufl., § 17 Rn. 6; KK-AktG/Koppensteiner, 3. Aufl., § 17 Rn. 29; MünchHdBGesR IV/Krieger, 5. Aufl., § 69 Rn. 49; Windbichler in Großkomm. AktG, 5. Aufl., § 17 Rn. 57). Der Umstand, dass für die Ausübung des beherrschenden Einflusses auf der Ebene der HTGA GmbH ein Gesellschafterbeschluss erforderlich gewesen wäre und die treuwidrige Beeinflussung der Geschäftstätigkeit der HTAM GmbH zum Vorteil der P. -Gruppe den Interessen der weiteren Gesellschafter widersprochen hätte, steht der Annahme einer Interessenkollision nicht entgegen. Es ist schon nicht ersichtlich, dass es zwangsläufig im Interesse der Minderheitsgesellschafter gelegen hätte, eine unabhängige Kontrolle und Aufsicht der HTAM GmbH zu gewährleisten.
Born |
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Wöstmann |
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Bernau |
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V. Sander |
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Adams |
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Fundstellen
Haufe-Index 16145557 |
BGHZ 2024, 302 |
BB 2024, 2 |
BB 2024, 460 |
DB 2024, 175 |
DStR 2024, 12 |
NJW-RR 2024, 315 |
NZG 2024, 257 |
WM 2024, 9 |
DZWir 2024, 319 |
JZ 2024, 116 |
JZ 2024, 206 |
JZ 2024, 209 |
JZ 2024, 308 |
JZ 2024, 50 |
NZI 2024, 174 |
VuR 2024, 102 |
BKR 2024, 106 |
ZBB 2024, 153 |