Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 16. November 1999 aufgehoben.
Die Sache wird zu anderweiter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien sind Geschwister. Sie streiten um den Erlös einer Eigentumswohnung, die ihren Eltern als Miteigentümern zu je 1/2 gehört hat. Der Vater ist vorverstorben und von der Mutter sowie den Parteien und ihrer am Verfahren nicht beteiligten Schwester R. kraft Gesetzes beerbt worden. Die Mutter starb im Jahre 1996 und wurde aufgrund Testaments vom Kläger allein beerbt. Im Dezember 1996 übertrugen die Parteien ihrer Schwester R. die Eigentumswohnung der Eltern durch notariellen Vertrag zu einem Preis von 200.000 DM. Sie zahlte im Hinblick auf ihren Anteil als Miterbin nach dem Vater 187.500 DM auf ein Anderkonto des Notars. Nach § 4 des Vertrages sind Auszahlungen vom Anderkonto nur möglich, wenn übereinstimmende schriftliche Anweisungen aller drei Beteiligten oder entsprechende, nicht nur vorläufig vollstreckbare Gerichtsentscheidungen vorliegen.
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zustimmung zur Auszahlung von 73.103,04 DM in Anspruch. Die Beklagte macht Pflichtteilsansprüche nach der Mutter geltend und meint, solange der Nachlaß des Vaters nicht auseinandergesetzt und damit auch der Wert des Nachlasses der Mutter nicht geklärt sei, könne der Kläger den Anteil der Mutter am Erlös der Eigentumswohnung nicht verlangen.
Die Vorinstanzen haben die Klage als zur Zeit unbegründet abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Antrag weiter. Der Senat hat die vom Berufungsgericht auf 50.000 DM festgesetzte Beschwer durch Beschluß vom 17. Januar 2001 auf mehr als 60.000 DM erhöht.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht.
1. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, daß sein Urteil nicht revisibel sei. Das Berufungsurteil hat deshalb keinen Tatbestand. Aus den Entscheidungsgründen ergibt sich nur lückenhaft, welchen Streitstoff das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat. Insbesondere sind die Anträge der Parteien nicht mitgeteilt. Nach dem ersten Absatz der Entscheidungsgründe hat es den Anschein, als ob der Kläger den gesamten, noch auf dem Anderkonto des Notars liegenden Betrag verlangt hätte. Am Ende seines Urteils greift das Berufungsgericht bei seiner Streitwertfestsetzung auf den Betrag von 73.103,04 DM zurück, den der Kläger in erster Instanz als den nach Abzug von Belastungen verbleibenden, auf die von ihm allein beerbte Mutter entfallenden Anteil am Erlös geltend gemacht hatte. Aus den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils wird nicht deutlich, ob der Kläger weiterhin ausschließlich die Teilung der Bruchteilsgemeinschaft an der Eigentumswohnung betreibt oder aber eine Erbauseinandersetzung. Einerseits ist von einem Anspruch des Klägers auf den Nachlaß der Mutter die Rede, andererseits davon, daß allein die Vorschriften über die Bruchteilsgemeinschaft zugrunde gelegt werden könnten. Damit bietet das unter Verstoß gegen § 543 Abs. 2 ZPO ergangene Urteil keine hinreichende Grundlage für eine revisionsrechtliche Überprüfung und muß schon aus diesem Grund aufgehoben werden (vgl. BGHZ 73, 248, 252; Urteil vom 1. Februar 1999 – II ZR 176/97 – NJW 1999, 1720).
2. Für das weitere Verfahren gibt der Senat folgende Hinweise:
a) Der Kläger kann einen Anspruch auf §§ 749, 752, 753 BGB stützen (vgl. BGH, Urteil vom 14. März 1983 – II ZR 102/82 – WM 1983, 604 unter 1; Urteil vom 14. Dezember 1990 – V ZR 224/89 – NJW-RR 1991, 683 unter II 1 a). Der Anspruch richtet sich zwar gegen den anderen Teilhaber der Miteigentumsgemeinschaft, im vorliegenden Fall also gegen die Erbengemeinschaft nach dem Vater. In § 4 des notariellen Vertrages ist aber vereinbart worden, daß für die Aufteilung des auf dem Anderkonto des Notars eingegangenen Erlöses Auszahlungsanweisungen der drei Vertragsbeteiligten oder entsprechende, nicht nur vorläufig vollstreckbare Gerichtsentscheidungen erforderlich sind. Also kann der Kläger die Beklagte auf Zustimmung zur Auszahlung in Anspruch nehmen.
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat diese vertragliche Regelung ausschließlich verfügungstechnische Bedeutung. Die Auszahlung des Erlöses sollte also nicht, wie die Beklagte behauptet hatte, von der Erbauseinandersetzung nach dem Vater oder von der Erfüllung der Pflichtteilsansprüche nach der Mutter abhängen. Der anderslautende Entwurf des Notars ist in die endgültige Fassung des Vertrages nicht übernommen worden.
b) Wenn man dies zugrunde legt, könnte das Vorbringen der Beklagten, mit dem sie die Auszahlung von der Erledigung der Erbstreitigkeiten der Parteien abhängig machen möchte, nur erheblich sein, soweit es ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB rechtfertigt:
Der Beklagten steht ein Pflichtteilsanspruch nach der Mutter zu. Entgegen der Ansicht der Revision fehlt es nicht an einem einheitlichen Lebensverhältnis zwischen diesem Pflichtteilsanspruch und dem geltend gemachten Anspruch des Klägers. Beide Ansprüche haben ihren Grund darin, daß der Kläger kraft Testamentes Alleinerbe der Mutter der Parteien geworden ist. Ein Zurückbehaltungsrecht wegen des Pflichtteilsanspruchs käme zwar gegenüber einem Anspruch aus § 2018 BGB nicht in Betracht (BGHZ 120, 96,102 f.); die Beklagte hat ihre Mitberechtigung an dem auf das Anderkonto des Notars eingezahlten Betrag aber nicht durch Inanspruchnahme eines ihr nicht zustehenden Erbrechts nach ihrer Mutter erlangt und ist daher nicht Erbschaftsbesitzerin. Allerdings setzt § 273 BGB Fälligkeit der Gegenforderung voraus. Der Pflichtteilsanspruch ist zumindest teilweise schon zu beziffern, nämlich soweit das Geld auf dem Anderkonto rechnerisch zum Nachlaß der Mutter gehört. Es ist Sache der Beklagten, die Höhe ihres Pflichtteilsanspruchs unter Berücksichtigung der Auskunftspflicht des Klägers darzulegen und zu beweisen. Das Zurückbehaltungsrecht wegen eines der Höhe nach festzustellenden Pflichtteilsanspruchs (oder eines Teilbetrags eines solchen Anspruchs) hat jedoch nach § 274 BGB nicht die von der Beklagten gewünschte Wirkung einer auch nur teilweisen Abweisung der Klage. Dafür bedürfte es einer Aufrechnungserklärung. Gegen eine Forderung auf Einwilligung in die Auszahlung kann mit einem Zahlungsanspruch aufgerechnet werden (BGH, Urteil vom 19. Oktober 1988 – IVb ZR 70/87 – NJW-RR 1989, 173 unter III 1 b).
Dagegen kommt eine Behinderung der Erbauseinandersetzung nach dem Vater, die die Durchsetzung des Anspruchs des Klägers vor Abschluß dieser Auseinandersetzung treuwidrig erscheinen lassen könnte (vgl. BGH, Urteil vom 14. Januar 1953 – II ZR 20/52 – LM BGB § 2046 Nr. 1), hier nicht in Betracht, weil der Kläger lediglich den auf die Mutter der Parteien entfallenden Anteil am Erlös fordert.
Unterschriften
Terno, Prof. Römer, Dr. Schlichting, Seiffert, Wendt
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 25.04.2001 durch Heinekamp Justizsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 600055 |
NJOZ 2001, 1393 |