Entscheidungsstichwort (Thema)
Vormerkung auf Übertragung des Eigentums an einem Hausgrundstück auf die Kinder im Fall der Zwangsversteigerung. Vollstreckungshindernis. Duldung der Zwangsvollstreckung in ein Hausgrundstück durch Vormerkung auf Eigentumsübertragung gesicherte Kinder
Leitsatz (amtlich)
Übertragen geschiedene Eheleute das ihnen bisher in Gütergemeinschaft gehörende Hausgrundstück auf den Ehemann zu Alleineigentum und vereinbaren sie hierbei, dass im Falle der Anordnung der Zwangsversteigerung das Eigentum an die gemeinsamen Kinder weiter zu übertragen ist, diese einen Anspruch hierauf jedoch erst nach Ableben der Mutter erwerben sollen, so steht eine zur Sicherung dieses künftigen Anspruchs eingetragene Vormerkung dem Anspruch eines Gläubigers des Vaters auf Duldung der Zwangsvollstreckung aus einer später eingetragenen Zwangshypothek nicht entgegen, wenn die Mutter bei Entstehung des Duldungsanspruchs noch lebte.
Normenkette
BGB § 1147; ZPO § 867 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Rechtsmittel des Klägers werden das Urteil des 3. Zivilsenats des OLG München vom 17.11.2004 und das Urteil der 7. Zivilkammer des LG Traunstein vom 8.6.2004 aufgehoben.
Die Beklagten werden verurteilt, wegen der vollstreckbaren Forderung des Klägers i.H.v. 70.215,24 EUR nebst 8,42 % Zinsen seit dem 4.11.2000 die Zwangsvollstreckung aus der am 4.3.2003 eingetragenen Zwangshypothek über 82.640,41 EUR in das im Grundbuch von H., Band 17, Blatt 656 eingetragene Grundstück A. in H. zu dulden.
Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen
Tatbestand
[1] Der Vater der Beklagten (fortan: Schuldner) wurde am 28.5.2002 verurteilt, an den Kläger 70.215,24 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Das Urteil ist rechtskräftig. Am 4.3.2003 erwirkte der Kläger wegen eines Betrages von 82.640,41 EUR die Eintragung einer Zwangssicherungshypothek an einem im Grundbuch von H., Band 17, Blatt 656 eingetragenen Grundstück des Schuldners. Am 3.7.2003 beantragte ein anderer Gläubiger die Zwangsversteigerung des Grundstücks. Die Beschlagnahme des Grundstücks erfolgte am 22.7.2003; am 3.11.2003 wurde der Beitritt des Klägers zum Zwangsversteigerungsverfahren zugelassen.
[2] Mit notarieller "Überlassung in Erfüllung einer Übertragungsverpflichtung" nebst Auflassung vom 11.11.2003 überließ der Schuldner, der zugleich für die Mutter der Beklagten handelte, den Beklagten das Grundstück unentgeltlich. Die Urkunde nahm auf einen notariellen Vertrag vom 20.9.1988 Bezug. Das Grundstück hatte vormals den (später geschiedenen) Eltern der Beklagten in Gütergemeinschaft gehört. In dem Vertrag vom 20.9.1988 war die Gütergemeinschaft dahingehend auseinandergesetzt worden, dass der Schuldner das Grundstück zu alleinigem Eigentum erhielt. Dem Wortlaut des Vertrages nach wollten die Vertragsparteien sicherstellen, dass das Grundstück nur auf gemeinsame Abkömmlinge überging. Wörtlich heißt es außerdem:
"10. Bedingte Übergabeverpflichtung
Der Erwerber verpflichtet sich, den Vertragsbesitz zu Lebzeiten der Veräußerin ohne deren Zustimmung an andere Personen als gemeinsame Abkömmlinge nicht zu veräußern. Auf § 137 BGB wurde vom Notar hingewiesen.
Die Vertragsteile vereinbaren als Vertrag zugunsten Dritter, dass der Vertragsbesitz, also das gesamte in Abschn. 1 bezeichnete Anwesen an die gemeinsamen Kinder ... (die Beklagten) zum Miteigentum zu gleichen Anteilen zu übertragen und zu übereignen ist, wenn
10.1 das Vertragsobjekt ohne Zustimmung der Veräußerin ... entgegen der vorstehenden Verpflichtung ganz oder teilweise veräußert wird, gleich ob im Wege eines Rechtsgeschäfts oder der Zwangsversteigerung, oder
10.2 über das Vermögen des Erwerbers ... das Konkurs- oder Vergleichsverfahren eingeleitet oder die Eröffnung eines solchen Verfahrens mangels Masse abgelehnt wird, oder
10.3 die Zwangsversteigerung über das Vertragsobjekt oder einen Teil davon angeordnet wird, oder
10.4 wenn und soweit der Vertragsbesitz nach Ableben des ... (Schuldners) auf eine andere Person als einen gemeinsamen Abkömmling der Vertragsparteien übergeht.
Die Ansprüche aus vorstehender Vereinbarung erlöschen für das andere Kind bzw. für die anderen Abkömmlinge, wenn und soweit der Vertragsbesitz, zu welchen Bedingungen auch immer, auf einen gemeinsamen Abkömmling der Vertragsparteien übergeht. ...
Soweit durch vorstehende Vereinbarungen die Abkömmlinge begünstigt werden, steht diesen das Recht unmittelbar Erfüllung der Verpflichtungen zu verlangen, erst nach Ableben ... (der Mutter der Beklagten) zu. Die Vertragsparteien dieser Urkunde sind also jederzeit berechtigt, die vorstehenden Vereinbarungen abzuändern oder aufzuheben."
[3] Zur Sicherung des Anspruchs der Beklagten aus der Vereinbarung war am 20.10.1988 eine Auflassungsvormerkung in das Grundbuch eingetragen worden. Am 13.11.2003 wurden die Beklagten als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen. Das Zwangsversteigerungsverfahren wurde aufgehoben.
[4] Mit seiner am 16.12.2003 eingereichten und am 8.1.2004 zugestellten Klage nimmt der Kläger die Beklagten auf Duldung der Zwangsvollstreckung in das Grundstück in Anspruch. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.
Entscheidungsgründe
[5] Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur antragsgemäßen Verurteilung der Beklagten.
I.
[6] Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Grundlage des Anspruchs des Klägers sei § 4 AnfG. Die Anfechtungsfrist von vier Jahren sei jedoch nicht eingehalten worden. Gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 AnfG komme es auf den Zeitpunkt des Antrags auf Eintragung der Vormerkung an, der vor dem 20.10.1988 - dem Datum der Eintragung der Vormerkung - gestellt worden sei. Der Anspruch der Beklagten auf Übertragung des Grundstücks aus dem Auseinandersetzungsvertrag vom 20.9.1988 sei vormerkungsfähig gewesen. Gemäß § 883 Abs. 1 Satz 2 BGB könne eine Vormerkung auch für einen künftigen oder bedingten Anspruch eingetragen werden, wenn bereits ein sicherer Rechtsboden vorhanden sei. Eine feste Rechtsgrundlage für einen künftigen Anspruch sei jedenfalls dann gegeben, wenn die Entstehung des Anspruchs nicht mehr einseitig und willkürlich vom Schuldner verhindert werden könne. Diese Voraussetzung sei erfüllt, weil der Schuldner die Vereinbarung nicht ohne seine geschiedene Ehefrau habe ändern können. Dass diese zusammen berechtigt gewesen seien, den Vertrag zu ändern, schade nicht.
II.
[7] Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Einer Anfechtung der Eigentumsübertragung bedarf es nicht. Der Kläger kann von den Beklagten schon gem. §§ 1147 BGB, 867 Abs. 1 ZPO die Duldung der Zwangsvollstreckung in das übertragene Grundstück verlangen.
[8] 1. Der Kläger ist Gläubiger der am 4.3.2003 in das Grundbuch eingetragenen Zwangshypothek, die gem. § 1147 BGB einen Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung gewährt. Dass die Beklagten mittlerweile Eigentümer des Grundstücks geworden sind, ändert daran nichts. Gemäß § 17 Abs. 1 ZVG braucht der Kläger nunmehr allerdings einen Duldungstitel gegen die Beklagten; der Weg des § 867 Abs. 3 ZPO ist ihm verschlossen, seit der Schuldner nicht mehr als Eigentümer im Grundbuch eingetragen ist (vgl. BT-Drucks. 13/341, 38; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO 22. Aufl., § 867 Rz. 49; Musielak/Becker, ZPO 5. Aufl., § 867 Rz. 11; Hk-ZPO/Kindl, § 867 Rz. 24). Dieser Titel soll im vorliegenden Rechtsstreit jedoch geschaffen werden. Die Vormerkung als solche steht der Zwangsversteigerung ebenfalls nicht entgegen. Insbesondere fällt sie nicht unter § 37 Nr. 5 ZVG (BGHZ 46, 124, 127; BGH, Urt. v. 11.7.1996 - IX ZR 226/94, MDR 1997, 52 = WM 1996, 1649, 1651).
[9] 2. Die Beklagten haben keinen Anspruch gegen den Kläger auf Bewilligung der Löschung der Zwangshypothek, den sie dem Duldungsanspruch entgegenhalten könnten. Grundlage eines derartigen Anspruchs wäre § 888 Abs. 1 i.V.m. § 883 Abs. 2 Satz 2 BGB. Die Anspruchsvoraussetzungen sind jedoch schon deshalb nicht erfüllt, weil die Beklagten keinen eigenen Anspruch gegen den Schuldner auf Übereignung des Grundstücks hatten oder haben.
[10] a) Gemäß § 888 Abs. 1 BGB kann der Vormerkungsberechtigte vom Erwerber eines eingetragenen Rechts die Zustimmung zur Löschung dieses Rechts verlangen, soweit dies zur Verwirklichung des durch die Vormerkung gesicherten Anspruchs erforderlich ist. Die Vorschrift dient dazu, den vorgemerkten Anspruch unter Beachtung des formellen Konsensprinzips (§ 19 GBO) verfahrensrechtlich durchzusetzen (BGH, Urt. v. 5.12.2003 - V ZR 341/02, MDR 2004, 471 = BGHReport 2004, 506 = NotBZ 2004, 104 = WM 2004, 1601, 1602). Geltend gemacht werden kann der durch sie begründete Hilfsanspruch folglich dann, wenn der durch die Vormerkung gesicherte Anspruch entstanden und fällig geworden ist, also ggü. dem Anspruchsgegner durchgesetzt werden könnte (BGH v. 30.1.1987 - V ZR 32/86, BGHZ 99, 385, 388 = MDR 1987, 568; BGH, Urt. v. 31.10.1980 - V ZR 95/79, NJW 1981, 446, 447).
[11] b) Weder im Zeitpunkt der Eigentumsumschreibung noch im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht stand den Beklagten ein Anspruch gegen den Schuldner auf Übereignung des Grundstücks zu.
[12] aa) Die hier einschlägigen Bestimmungen in Nr. 10 des Vertrages vom 20.9.1988 stellten einen Vertrag zugunsten Dritter - der Beklagten - dar. Im Wege eines Vertrages zugunsten Dritter kann dem Begünstigten unmittelbar das Recht zugewandt werden, die versprochene Leistung zu fordern (§ 328 Abs. 1 BGB). Das Recht des Dritten kann sofort oder nur unter bestimmten Voraussetzungen entstehen. Die Vertragsschließenden können sich das Recht vorbehalten, das Recht des Dritten ohne dessen Zustimmung aufzuheben oder zu ändern. Maßgebend sind die ausdrücklichen oder im Wege der Auslegung zu ermittelnden Anordnungen des Vertrages (§ 328 Abs. 2 BGB).
[13] bb) Der Vertrag vom 20.9.1988 verpflichtete den Schuldner, das Grundstück nach Eintritt der in Nr. 10.1 bis 10.4 genannten Bedingungen auf die Beklagten zu übertragen. Das Recht, selbst die Erfüllung der vom Schuldner übernommenen Verpflichtungen zu verlangen, sollten die Beklagten jedoch erst mit dem Tode ihrer Mutter erwerben. Bis dahin hatten sich ihre Eltern vorbehalten, die Vereinbarungen, die sie zugunsten der Beklagten getroffen hatten, nach ihrem freien Belieben wieder aufzuheben. Die Beklagten hatten also allenfalls einen künftigen Anspruch eingeräumt erhalten. Dass die Bedingungen nur (Nr. 10.1) oder auch (Nr. 10.2 bis 10.4) zu Lebzeiten der Mutter eintreten konnten, steht nicht entgegen. Der Vertrag sah vor, dass zunächst die Versprechensempfängerin - die Mutter der Beklagten - bei Eintritt einer der Bedingungen die Übereignung des Grundstücks an die Beklagten verlangen konnte (§ 335 BGB). Nur dann, wenn die Bedingungen nach dem Tode der Mutter eintraten, sollten die Beklagten selbst anspruchsberechtigt sein.
[14] cc) Die Mutter der Beklagten lebte im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht noch. Schon aus diesem Grund haben die Beklagten bisher keinen Anspruch gegen den Schuldner auf Übereignung des Grundstücks erworben. Damit ist auch der Hilfsanspruch auf Bewilligung der Löschung der Zwangshypothek nicht entstanden. Er steht dem Anspruch des Klägers gegen die Beklagten auf Duldung der Zwangsvollstreckung nicht entgegen.
[15] dd) Ob der Anspruch der Beklagten aus dem Vertrag vom 20.9.1988 vormerkungsfähig war, ob er jedenfalls nicht mehr entstehen kann, weil die Bedingungen in Nr. 10.1 bis 10.4 des Vertrages nicht mehr eintreten können, und ob der Kläger - was nahe liegt - seinerseits gem. § 886 BGB die Löschung der Vormerkung beanspruchen kann, hat der Senat nicht zu prüfen, weil der Kläger keinen entsprechenden Antrag gestellt hat (§ 308 Abs. 1 ZPO).
III.
[16] Das angefochtene Urteil kann daher keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Aufhebung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat selbst eine Entscheidung in der Sache zu treffen (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Klage hat im vollen Umfang Erfolg. Die Kläger sind gem. §§ 1147 BGB, 867 Abs. 1 ZPO zur Duldung der Zwangsvollstreckung in das Grundstück verpflichtet.
Fundstellen
BGHR 2007, 833 |
EBE/BGH 2007 |
FamRZ 2007, 1092 |
NJW-RR 2007, 1247 |
EWiR 2007, 431 |
WM 2007, 1137 |
WuB 2007, 651 |
ZIP 2007, 1431 |
ZfIR 2007, 687 |
DNotZ 2007, 829 |
InVo 2007, 431 |
MDR 2007, 1097 |
Rpfleger 2007, 490 |
NotBZ 2007, 247 |
RENOpraxis 2008, 24 |