Tenor
Die Berufung gegen das Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 6. April 1995 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 155 003 (Streitpatents), das unter Inanspruchnahme der Unionspriorität von Voranmeldungen in Japan vom 15. und 27. März 1984 am 14. März 1985 angemeldet worden ist. Das in englischer Sprache veröffentlichte Streitpatent betrifft eine Filtereinheit zum Entfernen von Leukozyten, es umfaßt sechs Patentansprüche; Patentanspruch 1 lautet in der deutschen Übersetzung der Patentschrift:
„1. Filtereinheit zum Entfernen von Leukozyten aus einer Leukozyten enthaltenden Suspension, enthaltend einen Behälter (1), der mit mindestens einer Einleitungs-Einrichtung (7) und mindestens einer Ableitungs-Einrichtung (8) versehen ist, wobei der Behälter (1) ein Hauptfilter (6) aufweist, welches in den Behälter in Form eines Vliesstoffes gepackt ist,das Fasern mit einem durchschnittlichen Durchmesser x von 0,3 [mgr]m bis weniger als 3 [mgr]m umfaßt und eine Schüttdichte D von 0,01 g/cm³ bis 0,7 g/cm³ hat und in dem der durchschnittliche Abstand y zwischen zwei benachbarten Fasern, der durch die nachstehende Gleichung (1) definiert ist, von 0,5 [mgr]m bis 7,0 [mgr]m beträgt:
(1) worin y der durchschnittliche Abstand zwischen zwei benachbarten Fasern in Mikron ([mgr]m) ist, x der durchschnittliche Faserdurchmesser in Mikron ([mgr]m) ist, [rgr] die Dichte der Fasern in g/cm³ bedeutet, D die Schüttdichte des Filters in g/cm³ ist und [pgr] die Kreiskonstante darstellt.”
Wegen der englischen Fassung dieses Patentanspruchs und wegen der unmittelbar oder mittelbar auf Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 6 in der Fassung der Verfahrenssprache und in ihrer deutschen Übersetzung wird auf die Patentschrift verwiesen.
Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents sei gegenüber dem Stand der Technik nicht patentfähig, und zwar nicht neu, jedenfalls beruhe er aber nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
Die Beklagte hat das Streitpatent unter Aufnahme zusätzlicher Merkmale in den Patentanspruch 1 verteidigt.
Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt.
Die beklagte Patentinhaberin verfolgt mit ihrer Berufung ihren Antrag auf Klageabweisung in dem Umfang weiter, in dem sie das Streitpatent in der Berufungsinstanz verteidigt. Danach soll in Patentanspruch 1 der oben in Kursiv gesetzte Satzteil folgende Fassung erhalten:
„der aus Fasern mit einem durchschnittlichen Durchmesser × von 0,3 [mgr]m bis weniger als 3 [mgr]m besteht und eine Schüttdichte D von 0,15 g/cm³ bis 0,5 g/cm³ hat”,
und am Ende dieses Patentanspruchs sollen die Worte:
„wobei die Fasern des Hauptfilters nicht Glasfasern sind”
angefügt werden. Die Patentansprüche 2 bis 6 sollen sich auf den so gefaßten Patentanspruch 1 zurückbeziehen.
Hilfsweise verteidigt die Beklagte das Streitpatent als Verwendungspatent zum Entfernen von Leukozyten aus einer Leukozyten enthaltenen Suspension.
Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Berufung.
Als gerichtlicher Sachverständiger hat das Europäische Patentamt gemäß Art. 25 EPÜ ein schriftliches Gutachten erstellt, das in der mündlichen Verhandlung durch den Hauptprüfer beim Europäischen Patentamt Dipl.-Ing. S. J. ergänzt und erläutert worden ist.
Die Beklagte hat schriftliche Gutachten von Professor Dr. med. E. S. sowie von Professor Dr.-Ing. T. M. vorgelegt. Die Klägerin hat ein schriftliches Gutachten von Professor Dr. med. Dr.-Ing. H. K. überreicht.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg.
I. Soweit die Patentinhaberin das Streitpatent in durch die ursprüngliche Offenbarung und das erteilte Patent gedeckter Weise nur noch beschränkt durch weitere Begrenzung des für die Schüttdichte beanspruchten Bereichs, durch Ausschluß anderer Bestandteile als der genannten Fasern für den Vliesstoff und durch Ausschluß von Glasfasern als Fasern für das Hauptfilter verteidigt, ist das Patent in dem davon nicht erfaßten Teil bereits wegen dieser auch im Nichtigkeitsverfahren zulässigen Selbstbeschränkung (vgl. BGHZ 21, 8, 10 ff. – Spritzgußmaschine I; BGHZ 110, 123, 125 f. – Spleißkammer) für nichtig zu erklären. Dies gilt auch für die Patentansprüche 2 bis 6, soweit sie sich auf Patentanspruch 1 in der Fassung des erteilten Patents bezogen haben.
Der Zulässigkeit und Wirksamkeit der Selbstbeschränkung steht es auch nicht entgegen, daß dabei eine Bereichsangabe, nämlich die für die Schüttdichte des Vliesstoffs, in einer Weise eingegrenzt wurde, die von einer in der Beschreibung des Streitpatents als bevorzugt genannten Angabe (0,10 g/cm³ bis 0,5 g/cm³; Beschreibung S. 3 Z. 58; deutsche Übersetzung S. 8 2. Abs.) hinsichtlich der Untergrenze (verteidigt mit 0,15 g/cm³) abweicht; mangels – hier nicht erkennbarer – gegenteiliger Anhaltspunkte ist nämlich davon auszugehen, daß der Fachmann durch Grenzwerte definierte Bereiche dahin versteht, daß alle innerhalb der angegebenen Grenzen liegenden Werte erfaßt sind, die Nennung der Grenzwerte somit nur eine vereinfachte Schreibweise auch für die Zwischenwerte darstellt (BGHZ 111, 21, 27 – Crackkatalysator I; BGHZ 118, 210, 217 – Chrom-Nickel-Legierung).
Nichts anderes ergibt sich, wenn man mit den Beschwerdesenaten des Europäischen Patentamts darauf abstellt, ob der Fachmann die nunmehr beanspruchte Lehre „unter Berücksichtigung” ihres „Kontextes in der übrigen Anmeldung in der eingereichten Fassung ernsthaft als mögliche praktische Ausführungsart der beschriebenen Erfindung in Betracht zöge und nichts Gegenteiliges erwarten würde” (EPA – T 187/91, ABl. EPA 1994, 572, 581 = GRUR Int. 1994, 1036, 1038 – Lichtquelle/LELAND). Denn es liegt für den Fachmann auf der Hand, bei einer Bereichsangabe für die Schüttdichte jedenfalls eine engere Bereichseingrenzung eines bevorzugten Bereichs als praktische Ausführungsart in Betracht zu ziehen.
Es bestehen schließlich auch keine rechtlichen Bedenken dagegen, daß die Patentinhaberin die Beschränkung nicht in der Verfahrenssprache des Streitpatents, sondern in deutscher Sprache vorgenommen hat (vgl. BGHZ 118, 221, 222 f. – Linsenschleifmaschine; BGH, Urt. v. 07.02.1995 – X ZR 58/93, BlPMZ 1995, 322 – Isothiazolon; BGHZ 133, 79, 81 – Bogensegment; vgl. auch Rogge, GRUR 1993, 284).
II. Der Gegenstand des mit dem Hauptantrag verteidigten Patentanspruchs 1 ist nicht patentfähig (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i.V.m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. a, Art. 54-57 EPÜ).
1. Das Streitpatent betrifft eine Filtereinheit zum Entfernen von Leukozyten aus einer Leukozyten enthaltenden Suspension. Einleitend verweist die Beschreibung des Streitpatents darauf, daß neuerdings anstelle von Gesamtbluttransfusionen häufig Komponentenbluttransfusionen angewandt werden, bei denen nur die für die Patienten benötigten oder gewünschten Blutbestandteile übertragen werden und zu diesem Zweck zuvor von nicht benötigten oder schädlichen Komponenten abgetrennt werden. Insbesondere seien für Erythrozytensuspensionen, die für die Erythrozytentransfusion hergestellt werden, die Leukozyten zu entfernen, die Histokompatibilitäts-Antigene enthalten könnten. Zum Entfernen der Leukozyten seien als typische Verfahren Zentrifugalverfahren, Sedimentationsverfahren und Filtrationsverfahren bekannt; die erstgenannten böten verschiedene Nachteile. Das Filtrationsverfahren, bei dem das Blut durch ein Filter geleitet werde, das aus einem Leukozyten zurückhaltenden Material bestehe, besitze den Vorteil, daß aus Blut leicht in hoher Ausbeute leukozytenarme Suspensionen erhalten werden könnten. Die bekannte konventionelle Leukozytenfiltervorrichtung, wie sie in der US-Patentschrift 4 330 410 gezeigt sei, umfasse eine Säule mit einer darin gepackten Masse von Fasern mit einem mittleren Durchmesser von 3,0 [mgr]m bis 10 [mgr]m in einer Schüttdichte von 0,02 g/cm³ bis 0,40 g/cm³; sie sei in der Lage, Leukozyten leicht und hocheffizient aus einer Erythrozytensuspension abzutrennen. Sie eigne sich jedoch nicht zur Behandlung einer nennenswerten Blutmenge.
2. Demgegenüber soll durch das Streitpatent eine Filtereinheit zum Entfernen von Leukozyten aus leukozytenhaltigen Suspensionen wie Blut durch eine einfache Operation und innerhalb einer kurzen Zeitspanne bereitgestellt werden, die Leukozyten sehr weitgehend („mit erhöhter Reinheit”) entfernen kann.
3. Hierzu gibt Patentanspruch 1 des Streitpatents in der verteidigten Fassung eine Filtereinheit zum Entfernen von Leukozyten aus einer Leukozyten enthaltenden Suspension mit folgenden Merkmalen an, wobei die Änderungen gegenüber der erteilten Fassung (in den Merkmalen 3.1, 3.2 und 3.4) durch kursive Schrift erkennbar gemacht sind:
die Filtereinheit enthält einen Behälter mit
- mindestens einer Einleitungseinrichtung und
- mindestens einer Ableitungsvorrichtung,
der Behälter weist ein Hauptfilter auf, das
- in den Behälter gepackt ist und
- aus Vliesstoff besteht.
Der Vliesstoff
- umfaßt(besteht aus) Fasern mit einem durchschnittlichen Durchmesser × von 0,3 [mgr]m bis weniger als 3 [mgr]m,
- hat eine Schüttdichte von 0,01(0,15) g/cm³ bis 0,7(0,5) g/cm³, wobei
der durchschnittliche Abstand y zwischen zwei benachbarten Fasern
- von 0,5 [mgr]m bis 7,0 [mgr]m beträgt und
- durch die im Patentanspruch 1 enthaltene Gleichung (1) definiert wird;
- die Fasern des Hauptfilters keine Glasfasern sind.
4. Zu den Merkmalen (3.1) bis (3.3.2), die die Bemessung des Vliesstoffs betreffen, sind der Beschreibung des Streitpatents weitere Erläuterungen zu entnehmen (Beschreibung S. 1 Z. 27 bis S. 3 Z. 11; in der deutschen Übersetzung S. 6 letzter Abs. bis S. 9 1. Abs.).
Für den Fall von Polyesterfasern wird die Beziehung zwischen dem mittleren Durchmesser der Fasern („average diameter of fibers”) × und der Schüttdichte („bulk density”) des Filters D in der nachstehend wiedergegebenen Figur 6 dargestellt:
Die Beschreibung des Streitpatents führt hierzu aus, das von der durchgezogenen Linie und der gestrichelten Linie umgebene Gebiet liefere die beschriebene Beziehung. In der Figur sei y der durch die Gleichung (1) definierte mittlere Abstand zwischen zwei benachbarten Fasern. Geeignete mittlere Durchmesser und Dichten der verwendeten Fasern und Schüttdichten des Vliesstoffs sollten in einem solchen Bereich ausgewählt werden, daß der durch die Gleichung (1) definierte mittlere Abstand zwischen zwei benachbarten Fasern von 0,5 [mgr]m bis 7 [mgr]m betrage. Sei dieser Abstand geringer als 0,5 [mgr]m, sei der Durchtritt für Erythrozyten schwierig, sei er größer als 7 [mgr]m, müsse das Filter sehr groß („bulky”, massig, wuchtig) gemacht werden, um Leukozyten abzufangen (Beschreibung S. 4 Z. 6-11; Übersetzung S. 9 1. Abs.).
III. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in seiner verteidigten Fassung ist nicht neu, denn er war durch die Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung 00 84 711 (K 11) im Stand der Technik im Zeitpunkt der Anmeldung des Streitpatents bekannt.
1. Diese Veröffentlichung betrifft ein adsorbierendes Filter. Das Filter ist aus einem Faservlies hergestellt, wobei der Faserdurchmesser 0,5 [mgr]m bis 10 [mgr]m beträgt und die Schüttdichte 0,15 g/cm³ bis 0,40 g/cm³. Dies erfüllt die Merkmale 3.1 und 3.2 des verteidigten Patentanspruchs 1.
Auf die Faserdicke hat dabei die in der Entgegenhaltung K 11 zwingend vorgesehene Beschichtung der Fasern keinen Einfluß, denn diese liegt nach der unwidersprochenen letztlich überzeugenden Darstellung des von der Klägerin beauftragten Privatgutachters Prof. Dr. K. im Ångström-Bereich.
Die in der Entgegenhaltung K 11 vorgesehene Beschichtung mit einer funktionellen polymeren Substanz, von der in der Streitpatentschrift nicht die Rede ist, ist auch zum Herausfiltern von Leukozyten aus Blut geeignet. Dies gilt – wie die Privatgutachter beider Parteien, Prof. Dr. M. und Prof. Dr. K. in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend ausgeführt haben – zwar nicht für alle dort genannten Beschichtungen, aber jedenfalls für die Beschichtungen mit Polyvinylpyrrolidon (vgl. S. 2 Z. 22-31, Übers. S. 4 2. Abs.).
2. Soweit die europäische Patentanmeldung 00 84 711 (K 11) den Wert von y nicht ausdrücklich anspricht, so ergibt sich dieser zwangsläufig aus den in der Schrift enthaltenen Angaben über Faserdicke, Faserdichte und Schüttgewicht. Das Bundespatentgericht hat, wie auch der gerichtliche Sachverständige, die Abstände beispielsweise für Polyamid errechnet. Es ergibt sich bei dieser Berechnung – wie im Urteil des Bundespatentgerichts ausgeführt – ein Faserabstand, der innerhalb des beanspruchten Bereichs für y liegt.
Allerdings gibt die Streitpatentschrift eine Einschränkung des Bereichs von y an, aus dem geeignete mittlere Durchmesser und Dichten der für das Vlies zu verwendenden Fasern und geeignete Schüttdichten ausgewählt werden sollen. Dies bedeutet aber nicht die gezielte Auswahl eines engen Bereichs, in dem die genannten Parameter liegen sollen, sondern lediglich das Wegschneiden von Randbereichen. Hinzu kommt, daß es dem Fachmann, der nach der Entgegenhaltung K 11 arbeitet, ohne weiteres durch einfache Kontrollversuche möglich ist, die praktisch brauchbaren Bereiche für den Abstand y, die Schüttdichte D und den Faserdurchmesser × zu ermitteln. Dies hat auch das Bundespatentgericht so gesehen, der Senat stimmt damit überein. Danach handelt es sich bei der in Patentanspruch 1 des Streitpatents angegebenen Formel (1) um eine Rechenregel für die Bemessung des durchschnittlichen Abstands zwischen zwei benachbarten Fasern des Vliesstoffs. Eine solche Regel dient nur zur Definition des durch das Streitpatent als geschützt beanspruchten Faserabstands, hat aber keine darüber hinausgehende Bedeutung für den Schutzumfang. Die Regel gehört selbst nicht zum Gegenstand der patentgemäßen Lehre (vgl. BGH, Urt. v. 14.01.1992 – X ZR 124/89, GRUR 1992, 375, 376 – Tablettensprengmittel).
IV. Soweit die Beklagte mit ihrem Hilfsantrag das Streitpatent als Verwendungspatent zum Entfernen von Leukozyten aus einer Leukozyten enthaltenden Suspension verteidigt, so beruht der Gegenstand des beanspruchten Verwendungspatents nicht auf erfinderischer Tätigkeit, sondern ergab sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.
1. Als Fachmann sieht der Senat in Übereinstimmung mit den Ausführungen in dem vom Europäischen Patentamt erstatteten Gutachten und dem Bundespatentgericht einen Mediziningenieur, Verfahrenstechniker oder Verfahrenschemiker, der über eingehende Kenntnisse und praktische Erfahrungen auf dem Gebiet der Filtertechnologie verfügt und sich das nötige medizinische Fachwissen im Rahmen seiner Berufserfahrung angeeignet hat.
2. Der Senat geht mit den Parteien, dem Bundespatentgericht und dem Gutachten des Europäischen Patentamts davon aus, daß es sich bei der deutschen Patentschrift 29 08 722 (K 3) um den nächstliegenden Stand der Technik handelt, von dem der Fachmann, der darum bemüht war, Filter zur Entfernung von Leukozyten aus einer Leukozyten enthaltenden Suspension zu verbessern, bei seinen Überlegungen ausging.
Diese Entgegenhaltung beschreibt eine Filtereinheit, die einen Filterbehälter (Merkmal 1) mit mindestens einer Einführleitung und einer Ausführleitung (Merkmale 1.1 und 1.2; Beschr. Sp. 4 Z. 25-27) enthält, der mit einer Fasermasse dicht gepackt ist (Merkmal 2.1). Als geeignete Materialien werden synthetische Fasern wie Acrylnitril-Polymerfasern, Polyamid- und Polyesterfasern, halbsynthetische und natürliche proteinhaltige Fasern angegeben (Beschr. Sp. 4 Z. 9-14), die auch in Form eines vliesartigen Stoffes vorliegen können (Beschr. Sp. 5 Z. 5). Die Schrift nennt einen durchschnittlichen Faserdurchmesser von 3 [mgr]m bis 10 [mgr]m. Damit liegt der im Streitpatent beanspruchte Faserdurchmesser gänzlich außerhalb des in der Entgegenhaltung angegebenen Bereichs; Merkmal 3.1 ist bei der deutschen Patentschrift K 3 somit nicht erfüllt. Die Schüttdichte beträgt nach dieser Entgegenhaltung 0,02 g/cm³ bis 0,4 g/cm³ (Sp. 1 Z. 14-15), liegt damit überwiegend innerhalb des in Merkmal 3.2 vorgesehenen Bereichs und füllt diesen weitgehend aus. Was den Faserabstand betrifft, so ist dieser durch die Faserdicke, die Schüttdichte und die Faserdichte des gewählten Materials festgelegt; auf die Ausführungen oben unter III. 2. wird Bezug genommen.
Zu der Faserstärke entnimmt der Durchschnittsfachmann der Entgegenhaltung weiter, daß der prozentuale Anteil der von den Fasern zurückgehaltenen Leukozytenkomponenten um so größer ist, je kleiner der durchschnittliche Faserdurchmesser ist (Sp. 6 Z. 22-25). Die Entgegenhaltung weist jedoch darauf hin, daß mit Schwierigkeiten zu rechnen sei, wenn der durchschnittliche Durchmesser weniger als 3 [mgr]m betrage; diese bestünden darin, die Schüttdichte der eingefüllten Fasern innerhalb des gewünschten Dichtebereichs zu halten (Sp. 6 Z. 43-46). Die Entgegenhaltung zeigt damit auf, daß ein möglichst großer Anteil an zurückgehaltenen Leukozyten sich erreichen läßt, je kleiner der Faserdurchmesser ist. Sie gibt zugleich an, wie eine Verbesserung der herauszufilternden Leukozytenrate zu erreichen ist, und zeigt schließlich auf, worin bei dieser Lösung das Problem besteht.
3. Der Fachmann, dem es darum ging, Leukozyten so weit wie möglich – nicht nur zu einem sehr großen Anteil, sondern zu dem größtmöglichen Anteil – aus der Leukozyten enthaltenden Suspension zu entfernen, sah danach – wie der gerichtliche Sachverständige in der mündlichen Verhandlung überzeugend ausgeführt hat – als naheliegende Lösung die in K 3 genannten Parameter zu verändern. Er ließ sich dabei nicht davon abhalten, auch die Faserdicke von 3 [mgr]m zu unterschreiten. Denn er entnahm der Entgegenhaltung, daß es generell von Vorteil war, kleinere Faserdurchmesser zu wählen, daß dies allerdings zu Schwierigkeiten führte, die er in diesem Fall lösen mußte.
Unter diesen Umständen kann eine erfinderische Leistung in der Auswahl der in Betracht kommenden Lösungen nicht gesehen werden. Es kommt nicht darauf an, welchen der in der Entgegenhaltung genannten Parameter der Fachmann zunächst verändert hätte, um zu einer Verbesserung der herauszufilternden Leukozytenrate zu gelangen. Einen Erfahrungssatz, daß nur die Lösungsalternative, die der Fachmann voraussichtlich zunächst ausprobieren würde, naheliegend ist, gibt es nicht (Sen.Urt. v. 18.02.1997 – X ZR 25/95 – Zerstäubervorrichtung, zit. bei Bausch Bd. I S. 445).
Prüfte aber der Fachmann den Weg, den ihm in der Entgegenhaltung genannten Faserdurchmesser zu unterschreiten, so erfuhr er ebenfalls aus der Entgegenhaltung, daß er dann hinreichend stabiles Filtermaterial verwenden mußte. Der Fachmann kannte allgemein Vliese als Filtermaterial unter anderem aus der bereits erörterten Entgegenhaltung K 11, aber auch aus der europäischen Patentanmeldung 00 45 476 (K 4) und aus der deutschen Auslegeschrift 19 28 052 (K 5).
Die Entgegenhaltung K 11 beschreibt zwar ein Filter, das für einen anderen Verwendungszweck bestimmt ist. Der gerichtliche Sachverständige hat jedoch überzeugend dargestellt, daß der Fachmann, der nach stabilerem Filtermaterial suchte, dazu auch solche Filter in Betracht zog, die zu anderen Zwecken zum Einsatz gelangen, wobei das Filter nach K 11 nach der Beschreibung auch im medizinischen Bereich für Atemschutzmasken Anwendung finden kann (Beschr. Sp. 3 Z. 6, 7; Übers. S. 4 letzter Abs.). Gerade diese Entgegenhaltung hebt besonders Filter hervor, die aus Faservlies hergestellt sind. Einen Hinweis auf die Verwendung vliesartiger Stoffe findet der Fachmann zudem auch in der Entgegenhaltung K 3 selbst, von der er bei seinen Verbesserungsbemühungen ausgeht, wenn dort in Sp. 5 Z. 1-5 ausdrücklich von der Verwendung von unter anderem vliesartigen Stoffen für die Filtermasse die Rede ist. Der Fachmann fand damit in der Entgegenhaltung K 3 die Angabe, daß ein möglichst kleiner Faserdurchmesser für die Steigerung der Rate an herauszufilternden Leukozyten vorteilhaft sei, die Angabe, welche Schwierigkeiten mit geringeren als dort beschriebenen Faserdurchmessern zu erwarten waren, und den Ansatz, vliesartige Stoffe, unter anderem aus Polyesterfasern, zu verwenden.
4. Daß das naheliegende Ergebnis nicht bereits in der Entgegenhaltung K 3 gefunden wurde, beruht nach der Überzeugung des Senats auf dem anderen Ansatz dieser Schrift, der darin bestand, Leukozyten zu gewinnen. Die Beschreibung bezeichnet es als Aufgabe der Erfindung, eine Filtereinheit zur Verfügung zu stellen, welche eine wirksamere Abtrennung von Leukozyten einschließlich Lymphozyten aus leukozytenhaltigen Suspensionen in der Weise ermöglicht, daß die Leukozytenkomponenten in besserer Ausbeute und Reinheit als bisher gewonnen werden könnten (Beschr. Sp. 3 Z. 40-46). Der andere Ansatz der Streitpatentschrift besteht darin, möglichst alle als schädlich erkannten Komponenten und damit auch möglichst alle Leukozyten aus dem Blut zu entfernen und Blut zu erhalten, das so leukozytenarm wie möglich ist. Deshalb stellte sich hier mehr noch als bei der Entgegenhaltung K 3, in der es darum ging, Leukozyten zu gewinnen, das Ziel, eine möglichst vollständige Entfernung der Leukozyten anzustreben. Die Vollständigkeit der Vermeidung bestimmter Bestandteile (hier Leukozyten) hat ein anderes Gewicht als die Vollständigkeit der Gewinnung der gleichen Bestandteile.
5. Der Fachmann ließ sich nach der Überzeugung des Senats auch nicht durch andere Schwierigkeiten als die, geeignetes Vliesmaterial zu finden, von dem Lösungsweg, den Faserdurchmesser zu verringern, abhalten. Die Schwierigkeit, nicht auch andere Blutbestandteile, namentlich Erythrozyten, herauszufiltern, war für ihn dabei ein Optimierungsproblem, das er durch die Einstellung des Faserdurchmessers lösen konnte.
Auch die in der Entgegenhaltung K 11 vorgesehene Beschichtung zur Erreichung der Adsorptionsfähigkeit des Filtermaterials war keine solche Schwierigkeit. Daß der Fachmann sich durch die Adsorptionsfähigkeit nicht abhalten ließ, zeigt die deutsche Offenlegungsschrift 30 38 196 (K 12) insofern, als auch dort die Vliesfasern beschichtet werden; es war danach eine Ausführungsform bekannt, in der die Vliesfilter zum Zwecke der Abtrennung von Leukozyten beschichtet wurden.
6. Schließlich ist der Umstand, daß sich mit dem Filter nach der Streitpatentschrift nicht nur eine höhere Rate an herauszufilternden Leukozyten erreichen läßt, sondern zugleich eine erhebliche Steigerung der Durchlaufgeschwindigkeit, zwar ein Gesichtspunkt, der bei der Prüfung, ob erfinderische Tätigkeit vorliegt, in die Gesamtwürdigung einzubeziehen ist (BGH, Urt. v. 18.09.1990 – X ZR 29/89, GRUR 1991, 120 – elastische Bandage). Angesichts der Nähe des dem Fachmann zur Verfügung stehenden Standes der Technik zu der Lehre des Streitpatents kann jedoch hier allein aus diesem Gesichtspunkt ein Schluß auf eine erfinderische Leistung nicht gezogen werden. Hierfür genügt es nicht, daß mit dem einen Vorteil zu rechnen war, mit dem anderen jedoch nicht.
V. Ein eigenständiger erfinderischer Gehalt der in den Unteransprüchen unter Schutz gestellten Gegenstände ist nicht ersichtlich.
VI. Die Kostenentscheidung beruht auf § 110 Abs. 3 PatG in der nach Art. 29 des 2. PatGÄndG weiter anwendbaren Fassung der Bekanntmachung vom 16. Dezember 1980 in Verbindung mit § 97 ZPO.
Unterschriften
Rogge, Jestaedt, Melullis, Richter am Bundesgerichtshof Keukenschrijver ist wegen Urlaubs verhindert, zu unterschreiben. Rogge, Mühlens
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 26.07.2001 durch Fritz Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 642887 |
Mitt. 2002, 16 |