Verfahrensgang
OLG Oldenburg (Oldenburg) (Entscheidung vom 14.10.2021; Aktenzeichen 14 U 108/21) |
LG Oldenburg (Entscheidung vom 06.04.2021; Aktenzeichen 1 O 3441/20) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen das Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 14. Oktober 2021 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht die Beklagte zur Zahlung von mehr als 7.336,17 € nebst Zinsen und zur Zahlung von Zinsen aus mehr als 8.367,24 € für die Zeit vom 18. Dezember 2020 bis zum 23. September 2021 verurteilt und die teilweise Erledigung des Rechtsstreits festgestellt hat. Das vorbezeichnete Urteil wird im Ausspruch zur Hauptsache wie folgt neu gefasst:
Auf die Berufungen des Klägers und der Beklagten wird das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg vom 6. April 2021 unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung des Klägers teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.336,17 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 8.367,24 € für die Zeit vom 18. Dezember 2020 bis zum 23. September 2021 und aus 7.336,17 € für die Zeit ab dem 24. September 2021 Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz tragen der Kläger zu 25 % und die Beklagte zu 75 %. Die Kosten des Revisionsverfahrens tragen der Kläger zu 30 % und die Beklagte zu 70 %.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung auf Schadensersatz in Anspruch.
Rz. 2
Der Kläger erwarb am 13. Mai 2013 von einem Händler ein von der Beklagten hergestelltes Kraftfahrzeug, das am selben Tag erstmals zugelassen wurde und eine Laufleistung von 0 km aufwies, zu einem Preis von 31.365 €. Das Fahrzeug ist mit einem von der Beklagten hergestellten Dieselmotor der Baureihe EA 189 ausgestattet, dessen Steuerungssoftware über eine Umschaltlogik verfügte. Im Oktober 2015 ordnete das Kraftfahrt-Bundesamt wegen der Verwendung der als unzulässige Abschalteinrichtung qualifizierten Software einen Rückruf an. Im Februar 2016 erhielt der Kläger ein Schreiben der Beklagten, mit dem diese ihn über das Vorhandensein der Umschaltlogik auch in seinem Fahrzeug informierte. Das Fahrzeug erhielt ein von der Beklagten entwickeltes Software-Update.
Rz. 3
Mit der am 26. November 2020 anhängig gemachten Klage hat der Kläger in erster Linie die Verurteilung der Beklagten zur Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs beantragt. Das Landgericht hat diesen Antrag im Hinblick auf die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung abgewiesen, jedoch auf einen Hilfsantrag des Klägers hin festgestellt, dass die Beklagte dem Kläger aufgrund eines sogenannten Thermofensters im Software-Update zum Schadensersatz verpflichtet sei. Außerdem hat es dem Antrag des Klägers auf Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten teilweise entsprochen.
Rz. 4
Auf die Rechtsmittel beider Parteien hat das Berufungsgericht die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung verurteilt, an den Kläger 10.472,67 € wegen seiner Schädigung bei Abschluss des Kaufvertrags über das Fahrzeug nebst gestaffelter Prozesszinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs zu zahlen. Zudem hat es die Erledigung des Rechtsstreits in Höhe von 949,63 € festgestellt, die Klage im Übrigen abgewiesen und die weitergehende Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 5
Die zulässige Revision ist teilweise begründet.
Rz. 6
I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Rz. 7
Der Kläger könne von der Beklagten gemäß §§ 826, 31 BGB Schadensersatz verlangen. Sein Schaden liege in der Eingehung eines nicht gewollten Kaufvertrags. Die Verjährung des Anspruchs könne dahinstehen, da er sich gegebenenfalls in gleicher Höhe aus § 852 Satz 1 BGB ergäbe. Nach dieser Vorschrift habe die Beklagte herauszugeben, was sie durch den Verkauf des Fahrzeugs an den Kläger erlangt habe. Der Kläger habe vorgetragen, dass die Beklagte infolge des Kaufvertrags den Kaufpreis abzüglich einer zehnprozentigen Händlermarge (28.228,50 €) erhalten habe. Die Beklagte habe nicht wirksam bestritten, etwas erlangt zu haben. Auch dem Vortrag zur Höhe der Händlermarge sei sie nicht entgegengetreten. Auf einen Wegfall der Bereicherung durch die Kosten der Fahrzeugherstellung oder des Software-Updates könne sie sich nicht berufen. Der Anspruch nach § 852 Satz 1 BGB sei jedoch der Höhe nach durch den Kaufpreiserstattungsanspruch gemäß § 826 BGB begrenzt. Dieser belaufe sich unter Abzug einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 20.892,33 € auf 10.472,67 €. In Höhe von 949,63 € habe sich der Rechtsstreit durch die Nutzung des Fahrzeugs während des Berufungsverfahrens erledigt.
Rz. 8
II. Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in jeder Hinsicht stand.
Rz. 9
1. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht angenommen, dass dem Kläger ein - vom Berufungsgericht dahingestellt, zutreffend im Zeitpunkt der Klageerhebung allerdings bereits verjährter (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 2020 - VI ZR 739/20, NJW 2021, 918 Rn. 17 ff.; Urteil vom 10. Februar 2022 - VII ZR 365/21, NJW 2022, 1311 Rn. 15 ff.; Urteil vom 13. Juni 2022 - VIa ZR 680/21, WM 2022, 1604 Rn. 23 ff.) - Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung gemäß §§ 826, 31 BGB zusteht, der auf Erstattung des von ihm für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs gerichtet ist (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 12 ff.).
Rz. 10
2. Weiter zutreffend hat das Berufungsgericht nach Verjährung des Anspruchs aus §§ 826, 31 BGB einen Anspruch aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB geprüft (vgl. BGH, Urteil vom 21. Februar 2022 - VIa ZR 8/21, BGHZ 233, 16 Rn. 54 ff.; Urteil vom 21. Februar 2022 - VIa ZR 57/21, WM 2022, 742 Rn. 12). Als frei von Rechtsfehlern erweist sich dabei die Annahme des Berufungsgerichts, dass die Beklagte aus dem Fahrzeugkauf des Klägers im Sinne des § 852 Satz 1 BGB etwas erlangt habe, nämlich den um die Händlermarge reduzierten Kaufpreis. Da die Beklagte nicht in Abrede gestellt hat, dass sie infolge des Fahrzeugverkaufs den Kaufpreis abzüglich einer Händlermarge von 10 % erhalten habe, ist der danach erforderliche Zurechnungszusammenhang gegeben (vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 2022 - VII ZR 365/21, NJW 2022, 1311 Rn. 27; Urteil vom 21. Februar 2022 - VIa ZR 8/21, aaO, Rn. 68; Urteil vom 21. Februar 2022 - VIa ZR 57/21, aaO, Rn. 14; Urteil vom 21. März 2022 - VIa ZR 275/21, WM 2022, 745 Rn. 27).
Rz. 11
3. Durchgreifenden Bedenken begegnen indessen die rechtlichen Erwägungen des Berufungsgerichts zur Höhe des Restschadensersatzanspruchs.
Rz. 12
a) Der Restschadensersatzanspruch gemäß §§ 826, 852 Satz 1 BGB unterliegt wie der Schadensersatzanspruch aus §§ 826, 31 BGB der Vorteilsausgleichung (BGH, Urteil vom 21. Februar 2022 - VIa ZR 8/21, BGHZ 233, 16 Rn. 83 f.; Urteil vom 21. Februar 2022 - VIa ZR 57/21, WM 2022, 742 Rn. 16). Dabei erschöpft sich die Bedeutung des ursprünglich geschuldeten Schadensersatzes nicht in einer bloßen Vergleichsbetrachtung, sondern die Rechtsnatur des in §§ 826, 852 Satz 1 BGB geregelten Restschadensersatzanspruchs hat eine dreifache Limitierung zur Folge: Zunächst ist der seitens des Fahrzeughändlers vom Geschädigten vereinnahmte Kaufpreis um die Händlermarge zu reduzieren. Anschließend ist von dem so ermittelten Händlereinkaufspreis der Wert der vom Geschädigten gezogenen Nutzungen in Abzug zu bringen. Und schließlich schuldet der Fahrzeughersteller als Schädiger Restschadensersatz nur Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des erworbenen Fahrzeugs (BGH, Urteil vom 21. Februar 2022 - VIa ZR 57/21, aaO).
Rz. 13
b) Abweichend davon hat das Berufungsgericht den Nutzungsvorteil vom Endkaufpreis abgezogen und den so ermittelten, verjährten Schadensersatzanspruch des Klägers aus §§ 826, 31 BGB im Sinne einer Vergleichsbetrachtung dem erlangten Händlereinkaufspreis gegenübergestellt. Nach dem Gesagten ist der Restschadensersatzanspruch aber so zu ermitteln, dass der Nutzungsvorteil vom Händlereinkaufspreis abgezogen wird. Diese Berechnung ergibt auf der Grundlage des Endkaufpreises von 31.365 €, der unstreitigen Händlermarge von 10 % und des Nutzungsvorteils, den das Berufungsgericht gemäß § 287 ZPO rechtsfehlerfrei auf 20.892,33 € geschätzt hat, einen - Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs zu erfüllenden - Zahlungsanspruch des Klägers aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB in Höhe von 7.336,17 €.
Rz. 14
4. Wie vom Berufungsgericht angenommen, hat der Kläger gemäß §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB Anspruch auf Zahlung von Prozesszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18. Dezember 2020. Das Berufungsgericht hat auch zutreffend berücksichtigt, dass die zu verzinsende Hauptforderung bei Eintritt der Rechtshängigkeit den letztlich zuzusprechenden Betrag überstieg, da sich der anzurechnende Nutzungsvorteil im Laufe des Rechtsstreits erhöht hat (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 397/19, NJW 2020, 2806 Rn. 38). Konkret hat das Berufungsgericht dem Kläger für die Zeit vom Eintritt der Rechtshängigkeit bis zum 23. September 2021, dem Tag der letzten mündlichen Verhandlung, Zinsen aus einem Schadensersatzbetrag zugesprochen, den es anhand einer nach § 287 ZPO geschätzten Laufleistung des Fahrzeugs während dieses Zeitraums rechtsfehlerfrei errechnet hat. Unter Anwendung der vom Berufungsgericht gewählten, nicht zu beanstandenden Formel zur Berechnung des Nutzungsvorteils und bei zutreffender Berücksichtigung auch der Händlermarge folgt daraus ein zu verzinsender Anspruch des Klägers gemäß §§ 826, 852 Satz 1 BGB in Höhe von 8.367,24 € während des genannten Zeitraums.
Rz. 15
5. Durchgreifenden Bedenken begegnet wiederum die Feststellung einer Teilerledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache in Höhe von 949,63 €. Zwar hat sich der Schadensersatzanspruch des Klägers durch den Anstieg des anzurechnenden Nutzungsvorteils nach Eintritt der Rechtshängigkeit verringert. Der Kläger hat sein Begehren jedoch nicht entsprechend reduziert. Er hat den letztlich zum Tragen kommenden Restschadensersatzanspruch nach § 852 Satz 1 BGB im Wege eines Hilfsantrags ohne Abzug einer Nutzungsentschädigung geltend gemacht. Folgerichtig bezog sich die - einseitig gebliebene - Teilerledigungserklärung des Klägers nicht auf dieses Begehren, sondern nur auf den auf §§ 826, 31 BGB gestützten Hauptantrag, der den Abzug einer Nutzungsentschädigung beinhaltete, aber unabhängig davon wegen Verjährung unbegründet war. Dass § 852 Satz 1 BGB im Verhältnis zu § 826 BGB keinen eigenständigen Anspruch begründet (vgl. BGH, Urteil vom 21. Februar 2022 - VIa ZR 8/21, BGHZ 233, 16 Rn. 19 mwN), führt zu keiner anderen Beurteilung.
Rz. 16
III. Das Berufungsurteil ist danach aufzuheben, soweit das Berufungsgericht die Beklagte zur Zahlung von mehr als 7.336,17 € nebst Zinsen und zur Zahlung von Zinsen aus mehr als 8.367,24 € für die Zeit vom 18. Dezember 2020 bis zum 23. September 2021 verurteilt und die Teilerledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache festgestellt hat (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil die Aufhebung des Urteils nur wegen einer Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).
Menges |
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Krüger |
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Götze |
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Rensen |
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Wille |
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Fundstellen
Dokument-Index HI15407306 |