Leitsatz (amtlich)
Üblich im Sinne von § 632 Abs. 2 BGB ist die Vergütung, die zur Zeit des Vertragsschlusses nach allgemeiner Auffassung der beteiligten Kreise am Ort der Werkleistung gewährt zu werden pflegt.
Normenkette
BGB § 632 Abs. 2
Verfahrensgang
LG München I (Aktenzeichen 18 O 15514/96) |
OLG München (Aktenzeichen 9 U 5437/97) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten und die Anschlußrevision der Klägerin wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 10. März 1998 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin verlangt Werklohn für Betonbohr- und -sägearbeiten, die sie als Nachunternehmerin der mit Abbrucharbeiten beauftragten Beklagten auf drei Baustellen in M. erbracht hat. Die Parteien streiten im wesentlichen über die Höhe der vereinbarten Vergütung; nach Darstellung der Beklagten sollte der ihr gegen ihren Auftraggeber zustehende Werklohn nach Abzug einer „Provision” für die Beklagte an die Klägerin weitergereicht werden. Außerdem streiten die Parteien darüber, ob die Klägerin nach den mit der Beklagten geschlossenen Verträgen über die reinen Bohr- und Sägearbeiten hinaus den vom Baukörper getrennten Beton hätte zerkleinern und entsorgen müssen. Mit den Kosten für diese Zusatzarbeiten hat die Beklagte gegen die Klageforderung aufgerechnet.
Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 127.253,51 DM stattgegeben und sie im übrigen abgewiesen. Das Berufungsgericht hat das landgerichtliche Urteil dahingehend abgeändert, daß die Beklagte lediglich 108.165,48 DM und Zinsen zu zahlen hat. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin erstrebt mit ihrer Anschlußrevision die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten und die Anschlußrevision der Klägerin haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
A) Die Revision der Beklagten:
I.
1. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, zwischen den Parteien seien drei Werkverträge zustande gekommen. Die Behauptung der Beklagten, sie habe die Klägerin auch mit der Betonentsorgung beauftragt, sei widerlegt. Soweit die Beklagte für diese Behauptung erstmals mit ihrer Berufungsbegründung die Zeugin P. angeboten habe, sei das gemäß § 528 Abs. 2 ZPO als verspätet zurückzuweisen. Die Benennung der Zeugin erst im zweiten Rechtszug sei grob nachlässig. Die Zulassung des Beweismittels würde zudem die Erledigung des Rechtsstreits verzögern.
2. a) Die Revision rügt zu Recht, daß das Berufungsgericht die notwendigen Feststellungen für das Vorliegen grober Nachlässigkeit nicht getroffen hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts ist notwendige Voraussetzung für eine Präklusion nach § 528 Abs. 2 ZPO, daß die Partei das Vorbringen im ersten Rechtszug aus grober Nachlässigkeit unterlassen hat. Dabei muß das Gericht die für die Annahme der groben Nachlässigkeit erforderlichen Tatsachen in seinem Urteil feststellen. Die Feststellung der notwendigen Tatsachen setzt wiederum voraus, daß das Gericht der Partei Gelegenheit gibt, sich zu den Gründen für die Verspätung des Vorbringens zu äußern (BGH, Urteil vom 8. November 1990 – VII ZR 3/90 = BauR 1991, 257, 258 = ZfBR 1991, 68 m.w.N.).
b) Das Berufungsgericht hätte das Beweismittel auch deshalb zulassen müssen, weil dadurch bei ordnungsgemäßer Prozeßführung die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögert worden wäre.
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Frage, ob eine Verzögerung in der Erledigung des Rechtsstreits eintritt, auf der Grundlage des § 273 Abs. 2 ZPO, d.h. unter Berücksichtigung der Möglichkeit des Gerichts zu beantworten, durch vorbereitende Maßnahmen eine Verzögerung zu vermeiden (BGH, Urteil vom 22. Oktober 1998 – VII ZR 82/97, BauR 1999, 198 = ZfBR 1999, 91 = BGHR ZPO § 528 Abs. 2 – Verzögerung 11 m.w.N.). Ob der Tatrichter den sich aus § 273 ergebenden Pflichten zur Förderung des Prozesses in genügender Weise nachgekommen ist, unterliegt der Nachprüfung durch das Revisionsgericht.
bb) Das Berufungsgericht meint, die Zulassung des neuen Beweismittels hätte auch die Ladung der drei im ersten Rechtszug vernommenen Zeugen und damit die Anberaumung eines neuen Termins zur Beweisaufnahme erfordern können. Letzteres trifft jedoch nicht zu. Es kann insoweit nicht außer Betracht bleiben, daß es sich um ein inhaltlich eng umgrenztes Beweisthema handelte. In solchen Fällen entspricht es der dem Tatrichter obliegenden Prozeßförderungspflicht, auch mehrere Zeugen durch vorbereitende Maßnahmen nach § 273 Abs. 2 Nr. 4 ZPO zu laden. Im Streitfall kommt hinzu, daß die Berufungsbegründungsschrift am 24. Dezember 1997 bei Gericht einging und daß das Berufungsgericht den auf den 10. März 1998 anberaumten Termin ohnehin nicht nur auf die eigentliche Verhandlung selbst, sondern auch auf eine mündliche Anhörung der Geschäftsführer der Parteien nach § 141 ZPO ausgerichtet und deren persönliches Erscheinen angeordnet hatte.
II.
1. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, die Behauptungen der Beklagten zur Höhe der Vergütung seien als widerlegt anzusehen
2. Die Revision rügt aus den unter I. 2. mitgeteilten Gründen wiederum zu Recht, daß das Berufungsgericht auch zu diesem das Beweisthema nicht wesentlich erweiternden Punkt nicht die Zeugin P. gehört hat.
III.
1. Das Berufungsgericht ermittelt die übliche Vergütung gemäß § 632 Abs. 2 BGB lediglich durch Erwägungen zu der Preisgestaltung in Verträgen, durch die die Klägerin selbst für zwei der Baustellen Subunternehmer beauftragte.
2. Die Erwägungen des Berufungsgerichts sind rechtsfehlerhaft.
Üblich im Sinne von § 632 Abs. 2 BGB ist die Vergütung, die zur Zeit des Vertragsschlusses nach allgemeiner Auffassung der beteiligten Kreise am Ort der Werkleistung gewährt zu werden pflegt (Erman/Seiler, BGB, 10. Aufl., § 632 Rdn. 6). Vergleichsmaßstab sind Leistungen gleicher Art, gleicher Güte und gleichen Umfangs. Die Anerkennung der Üblichkeit setzt gleiche Verhältnisse in zahlreichen Einzelfällen voraus (vgl. BGH, Urteil vom 15. Februar 1965 – VII ZR 194/63 = BGHZ 43, 154, 159). Das Berufungsgericht hat somit für seine Beurteilung ohne sachverständige Beratung eine nicht hinreichende Grundlage gewählt.
B) Die Anschlußrevision der Klägerin:
1. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die übliche Vergütung ergebe sich erst durch einen Abschlag von 15 % auf die Klageforderung.
2. Mit Recht rügt die Anschlußrevision, daß das Berufungsgericht ohne Hinzuziehung eines Sachverständigen oder die andernfalls erforderliche Darlegung eigener Sachkunde zu diesem Ergebnis gekommen ist.
Gegenüber der Auffassung des Berufungsgerichts, ein Sachverständiger sei „ebenfalls auf Preisvergleiche angewiesen”, verweist sie darauf, daß der Sachverständige nicht nur auf die von den Parteien genannten Preise, sondern auch auf Preise der Unternehmer der Branche bei vergleichbaren Bauvorhaben zurückgreifen kann. Die Klägerin hat in den Tatsacheninstanzen durch Sachverständigengutachten unter Beweis gestellt, daß die Preise, die sie der Beklagten in Rechnung gestellt hat, den üblichen Sätzen entsprechen.
Die Anschlußrevision sieht daher mit Recht einen Verstoß gegen § 286 ZPO darin, daß sich das Berufungsgericht insoweit mit Vermutungen begnügt hat, anstatt durch Einschaltung eines Sachverständigen den Sachverhalt aufzuklären.
Unterschriften
Thode, Haß, Kuffer, Kniffka, Wendt
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 26.10.2000 durch Seelinger-Schardt, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
DB 2001, 432 |
NJW 2001, 151 |
BGHR 2001, 2 |
BauR 2001, 249 |
IBR 2001, 5 |
JurBüro 2001, 276 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2001, 372 |
MDR 2001, 212 |
ZfBR 2001, 104 |
ZfBR 2001, 3 |
NZBau 2001, 17 |